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2016 | Buch

Handbuch Wissenschaftspolitik

herausgegeben von: Dagmar Simon, Andreas Knie, Stefan Hornbostel, Karin Zimmermann

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Springer Reference Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Das deutsche Wissenschaftssystem befindet sich in einem langfristigen, inkrementellen Wandlungsprozess und hat nach wie vor viele Baustellen, so dass es lohnt, den Fortgang der Arbeiten weiterhin kritisch zu begleiten. Genügend Gründe, die 2010 erschienenen Beiträge einer Revision zu unterziehen und in einer zweiten, umfassend bearbeiteten Auflage zusammen mit neuen Artikeln erneut zur Diskussion zu stellen. Mit der Gesamtschau wird ein systemischer Blick auf die Wissenschaftspolitik geworfen: es zeigt sich der Trend einer wichtiger werdenden Rolle der Politik für die Wissenschaft.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Geschichte und Rahmenbedingungen

Frontmatter
Kontinuitäten und Umbrüche in der deutschen Wissenschaftspolitik (1900–1990)

Der Beitrag untersucht die Entwicklung der deutschen Wissenschaftspolitik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, wobei die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg und die beiden deutschen Teilstaaten bis zur Wiedervereinigung im Vordergrund stehen. Im Verlauf der Nachkriegszeit hat die staatliche Wissenschaftspolitik sowohl in West- wie in Ostdeutschland einen fundamentalen Paradigmenwechsel erlebt und sich von einer traditionell bildungspolitischen zu einer forschungs- und wirtschaftspolitischen Ausrichtung mit steigenden zentralstaatlichen Verantwortlichkeiten entwickelt.

Martin Lengwiler
Innovation und Exzellenz: Neue und alte Herausforderungen für das deutsche Wissenschaftssystem

Im Rahmen eines Exzellenzprogramms, der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern, wurden beachtliche institutionelle Neuerungen im deutschen Wissenschaftssystem ermöglicht. Anderseits ist die für Innovationen förderliche Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Sektoren, insbesondere der Wirtschaft, nicht erreicht worden. Eine entscheidende Begründung liegt in dem vorherrschenden Reputationsregime der Wissenschaft, das auf innerwissenschaftliche Leistungskriterien setzt und durch die Exzellenzinitiative wissenschafts- und forschungspolitisch weiter stabilisiert wurde.

Andreas Knie, Dagmar Simon
Governance der Wissenschaft

Vor dem Hintergrund der Spezifika von wissenschaftlicher Forschung und von Universitäten als Forschungsorganisationen wird die Governance-Perspektive auf Wissenschaft in ihren theoretischen Diskussionen und empirischen Forschungen dargelegt. Die Entfaltung der Perspektive hat sich in drei Schritten vollzogen: erstens von Governance-Mechanismen zum Governance-Regime; zweitens vom Governance-Regime zu den Effekten auf Charakteristika des produzierten wissenschaftlichen Wissens; und drittens von Governance zu „authority relations“.

Uwe Schimank
Rahmenbedingungen von Hochschulpolitik in Deutschland

Das Spannungsverhältnis zwischen Forschung und Lehre dient als Angelpunkt für das Verständnis von Hochschulpolitik in Deutschland und wird zunächst in seinem historischen Kontext betrachtet. Es schließt sich ein Überblick über die wichtigsten hochschulpolitischen Akteure an, die heute auf die Struktur und Entwicklung der Hochschulen einwirken. Dabei wird zwischen supra-nationalen, nationalen, föderalen und lokalen Handlungsebenen der Hochschulpolitik unterschieden. Es wird gezeigt, dass aus dem traditionellen Spannungsverhältnis von Forschung und Lehre heute ein hochschulpolitisches Spitze-Breite-Dilemma entstanden ist.

Reinhard Kreckel
EU-Forschungspolitik – von der Industrieförderung zu einer pan-europäischen Wissenschaftspolitik?

Der Beitrag diskutiert zentrale Entwicklungen, Strukturen und Mechanismen der Forschungspolitik der Europäischen Union (EU). Dieses Politikfeld wurde im Hinblick auf seine Themen, Programme und Budgets seit Mitte der 1980er-Jahre massiv erweitert, doch zugleich scheint es seinem eigenen politischen Integrationserfolg zum Opfer zu fallen: Es sind die primär ökonomischen Ziele und die begrenzte Legitimation nationaler und transnationaler Koordinierung, die der EU-Forschungs- und Technologiepolitik (F&T) weitere Integrationsschritte untersagen. So entsteht der Eindruck, dass F&T-Förderung aus Brüssel ausgerechnet allen möglichen, nicht aber wissenschaftlichen Zwecken zu genügen hat.

Tim Flink
Rechtliche Rahmenbedingungen der Wissenschaftspolitik

Das Wissenschaftsrecht gibt Auskunft über die Verfasstheit einer Gesellschaft. Warf in den 1970er-Jahren eher die Mitbestimmung von Nichthabilitierten über universitäre Angelegenheiten Fragen auf, so stehen heute die Instrumente des „Neuen Steuerungsmodells“ an Hochschulen auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand. Dazu gehören Zielvereinbarungen (auch im Rahmen der W-Besoldung), Fragen der inneren Verfasstheit von Hochschulen und die Akkreditierung von Studiengängen. Nachfolgend werden diese Veränderungen, auch vor dem Hintergrund der (Neu-)Verteilung der Kompetenzen im Bundesstaat seit 2006, dargestellt. Darüber hinaus wird die Vereinbarkeit dieser neuen „Governance-Strukturen“ mit der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG analysiert, wobei insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingegangen wird.

Margrit Seckelmann
Deutsche Wissenschaftspolitik im internationalen Kontext

In den 1990er-Jahren gab es einen markanten Wechsel im Bezugsrahmen der deutschen Wissenschaftspolitik. Deren neuen Leitmotive folgen globalen Trends, treiben diese aber zugleich auch weiter an. Wissenschaftspolitik ist internationaler als je zuvor, Vergleiche, Metriken und Benchmarks bestimmen ihren Takt und Ton. Überall geht es zuoberst um die Sicherung internationaler Wettbewerbsfähigkeit und von Innovationspotenzialen. Der Beitrag skizziert die vier Hauptkampflinien des neuen wissenschaftspolitischen Paradigmas in deutschen Landen: Wettbewerb, Impact/Innovation, Exzellenz und Finanzen.

Ulrich Schreiterer

Disziplinäre und interdisziplinäre Zugänge

Frontmatter
Wissenschaftssoziologie

Die Wissenschaft hat für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft in unterschiedlicher Weise Schlüsselfunktionen: als vorrangiges Wissenssystem, als Ressource der Beratung und als Quelle von Innovationen. Die Beziehungen zwischen diesen Bereichen werden enger, dadurch werden die Schnittstellen zwischen ihnen wichtiger. Im Zentrum des Interesses der Wissenschaftssoziologie steht die Wechselbeziehung zwischen der Politik und der Wissenschaft. Wissenschaftspolitik bedarf der genauen Kenntnis der internen Operationsweise der Wissenschaft, wenn sie unbeabsichtigte Folgen vermeiden will.

Peter Weingart
Wissenschaftspolitik und Science & Technology Studies

Wissenschaft ist eine praktische und situierte Aktivität. Sie umfasst ein Repertoire von Kulturtechniken, die sich mehr oder weniger ausgedehnter sachtechnischer Infrastrukturen bedienen. Dieses Verständnis von Wissenschaft resultiert unter anderem aus der Abgrenzung von einer wissenschaftssoziologischen Tradition, in der Wissenschaft als eine Institution mit dafür charakteristischen Normen und Rollen bestimmt wird. Mit dieser Verschiebung, die maßgeblich auf das Forschungsprogramm der Science & Technology Studies zurückgeht, bieten sich neue Perspektiven auf das Feld der Wissenschaftspolitik.

Jörg Potthast
Der Beitrag der Innovationsforschung zur Wissenschaftspolitik

Innovationsforschung hat in der Wissenschaftspolitik viel Aufmerksamkeit erfahren: Konzepte, Verfahren und Modelle dieses Forschungsfelds spielen eine wichtige Rolle, sowohl in der öffentlichen Debatte als auch in der politischen Praxis. Dieser Beitrag stellt zentrale Konzepte der institutionalistischen Innovationsforschung vor und beleuchtet einige Aspekte ihrer Rezeption und Funktionalisierung im wissenschaftspolitischen Kontext. Hierzu zählen die Art des produzierten Wissens, ihre Publikumsorientierung sowie die veränderten Interaktionsformen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik.

Clemens Blümel
Beiträge der Pädagogischen Psychologie zur Wissenschaftspolitik 

Entsprechend den Forschungsfeldern der Pädagogischen Psychologie fokussiert der Beitrag auf Bedingungen und Folgen des Lehrens und Lernens an Hochschulen. Vor dem Hintergrund der Bologna-Reform und einer wachsenden Heterogenität der Studierendenschaft werden aktuelle Ergebnisse theoriebasierter, empirischer Studien zusammengefasst. Deutlich wird, dass für eine Verbesserung der Lehre organisationale Rahmenbedingungen zur Aufrechterhaltung einer selbstbestimmten Lehrmotivation geschaffen werden sollten. Dabei sollten die Interdependenz zwischen Lehr- und Forschungsanforderungen und die daraus resultierenden Zielkonflikte besondere Beachtung finden. Der Beitrag schließt mit praktischen Implikationen für Handlungsfelder innerhalb der Hochschulen und der Wissenschaftspolitik.

Elke Wild, Wiebke Esdar
Wissenschaftspolitik aus wissenschaftshistorischer Perspektive

Die Wissenschaftsgeschichte hat sich der Wissenschaftspolitik vor allem durch die Untersuchung wissenschaftlicher Organisationen gewidmet. Diesem institutionenhistorischen Vorgehen stehen diskurs- und begriffsgeschichtlich verfahrende Ansätze gegenüber, die die Modelle und Denkmuster analysieren, die der Wissenschaftspolitik zugrunde lagen. Der Beitrag gibt mit Fokus auf die deutsche Entwicklung einen Überblick über Befunde der Wissenschaftsgeschichtsschreibung zum 19. und 20. Jahrhundert und schließt mit einem Ausblick, wie sie künftig zur Analyse der Wissenschaftspolitik beitragen kann.

Carsten Reinhardt, Marcus B. Carrier

Governance

Frontmatter
Partizipation, Responsivität, Nachhaltigkeit
Zur Realfiktion eines neuen Gesellschaftsvertrags

Rezente wissenschaftspolitische Diskurse lassen sich als Suche nach einem neuen „Vertrag“ zwischen Wissenschaft und Gesellschaft interpretieren, der Innovation und Legitimation miteinander versöhnen soll. insbesondere Partizipation, Responsivität und Nachhaltigkeit gelten als dessen mögliche Bausteine. Dabei werden normative Erwägungen zunehmend mit epistemischen Fragen verknüpft. Unsere Analyse rekonstruiert die kontinuierliche Vertragsarbeit zum einen als Ausdruck einer Selbst- und Fremdpolitisierung der Wissenschaft, zum anderen als stabilen Gegenstand reflexiver Forschung und Governance.

Sabine Maasen, Sascha Dickel
(Forschungs-)Evaluation

Der Beitrag skizziert die historische Entwicklung von Evaluationsverfahren, verortet ihre Verbreitung in der Wissenschaft in veränderten Governancestrukturen und Wachstumsprozessen, beschreibt wesentliche Funktionen von Evaluationen, diskutiert die Wissenschaftlichkeit derartiger Verfahren und die Erwartungen und Kritiken an ihrem Einsatz. Verschiedene Formen von Evaluationsverfahren, einschließlich Rankings, werden von anderen Bewertungstechniken abgegrenzt und wesentliche Ziele und Elemente charakterisiert, sowie Folgen von Evaluationen beleuchtet.

Stefan Hornbostel
Selbststeuerung der Wissenschaft durch Peer-Review-Verfahren

Peer Review zielt auf eine leistungsgerechte Verteilung wissenschaftsrelevanter Mittel (Geld, Publizität, Reputation). Die Professionalisierung von Peer Review erzeugte in Einrichtungen der Forschungsförderung, Redaktionen und Universitäten eine Vielzahl institutioneller Bedingungen, um Reliabilität, Validität und Fairness von Begutachtungen zu gewährleisten. Eine sozialpsychologische Verengung der Peer-Review-Forschung hat diese Bedingungen bislang nur unzureichend bearbeitet. Man muss die organisatorischen Kontexte bei der Analyse berücksichtigen; das wird im Folgenden geschehen.

Friedhelm Neidhardt
Open Science als wissenschaftspolitische Problemlösungsformel?

Open Science ist normatives Ideal einer sozial robusten Wissensproduktion und zugleich wissenschaftspolitisches Ziel, Investitionen in Forschung so effektiv wie möglich zu gestalten. Die Realisierung der Idee von Open Science ist an die digitale Transformation der Wissenschaft geknüpft, die weitreichende Veränderungen der bisherigen Praxis der Wissensproduktion mit sich bringt. Im vorliegenden Beitrag wird das schillernde Programm von Open Science in seinen vielfältigen Dimensionen systematisch abgesteckt und dessen Implikationen entlang aktueller Krisendiagnosen der Wissenschaft wissenschaftssoziologisch reflektiert.

Martina Franzen
Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement an Hochschulen

Qualitätssicherung und -management sind in den letzten zwei Jahrzehnten zu konstitutiven Bestandteilen der Hochschulentwicklung geworden. In einem bis heute unabgeschlossenen Prozess der ‚Organisationswerdung‘ von Hochschulen wurden Praktiken der Qualitätsbewertung institutionalisiert, die von Organisationsmitgliedern noch immer oft mit Skepsis oder gar Ablehnung begleitet werden. In dem Beitrag steht diese Ebene der Organisation im Mittelpunkt. Die zunächst von außen herangetragene Qualitätsdiskussion wird eingangs mit ihren Hintergründen und Weiterungen dargestellt und im Fazit die aktuellen Anforderungen an ein organisationsangemessenes Qualitätsmanagement diskutiert.

Anke Rigbers
Wissenschaftliche Politikberatung: Organisationsformen und Gestaltungselemente

Die wissenschaftliche Politikberatung steht zunehmend im Fokus der öffentlichen Debatte. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung der wissenschaftlichen Politikberatung und ihre wesentlichen Treiber, über das Verhältnis zwischen Beratern und ihren Auftraggebern und über die Debatte zur Qualität wissenschaftlicher Expertise. Im Anschluss daran werden die unterschiedlichen Gestaltungselemente wissenschaftlicher Politikberatung, insbesondere die Formen und Typen von Beratungsorganisationen, vorgestellt. In einem Exkurs wird schließlich gezeigt, wie Politikberatung noch verstanden werden kann: nämlich nicht ausschließlich als eine Leistung der Wissenschaft gegenüber der Politik sondern als eine interne Funktion des politischen Systems selbst.

Justus Lentsch
Internationalisierung der Forschung

Mobilität ist prägnanter Ausdruck einer durch Kooperation und Netzwerkbildung geprägten Wissenschaft. Der Beitrag beleuchtet die internationale Mobilität der bereits promovierten Forschenden, die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit und die Auslandspräsenz deutscher Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen als Voraussetzungen für eine förderliche „Brain Circulation“. Die Befunde sprechen gegen die oft artikulierte Gefahr eines „Brain Drain“ und für die Fortsetzung der in Deutschland in den letzten zehn Jahren ergriffenen wissenschaftspolitischen Internationalisierungsinitiativen.

Enno Aufderheide, Berthold Neizert
Wissenschaftspolitik und wissenschaftliche Karriere

Trotz einer verstärkten Aufmerksamkeit für den sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchs in den letzten Jahren ist die deutsche Wissenschaftspolitik in Bezug auf wissenschaftliche Karrieren bislang durch ein Sammelsurium an Einzelprogrammen und -maßnahmen gekennzeichnet. Die Folge ist eine Diversifizierung der Zugangswege zur Professur bei gleichzeitiger Zuspitzung auf das Karriereziel Professur als einziger Endposition der wissenschaftlichen Karriere. Ausgehend von diesem Befund stellt der vorliegende Beitrag die Besonderheiten des deutschen Karrieremodells, die quantitative Entwicklung auf dem akademischen Arbeitsmarkt und die aktuellen Aktivitäten der Wissenschaftspolitik in verschiedenen Phasen der wissenschaftlichen Karriere dar. Außerdem werden die Karriereorientierungen des wissenschaftlichen Personals thematisiert.

Jan-Christoph Rogge, Jakob Tesch
Neue Wissenschaftspolitik der Gleichstellung in Deutschland

Inklusive Exzellenz und eine quasi-wettbewerbliche Gleichstellungspolitik sind Merkmale einer neuen Wissenschaftspolitik der Gleichstellung in Deutschland. Der Beitrag analysiert die gleichstellungspolitischen Effekte der wichtigsten forschungspolitischen Initiativen seit Mitte der 2000er-Jahre: die Exzellenzinitiative, den Pakt für Forschung und Innovation, das Professorinnen-Programm von Bund und Ländern und die forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Widersprüchlichkeiten und Grenzen der Politik werden im Fazit organisationstheoretisch reflektiert.

Karin Zimmermann
Wissensregulierung durch Ethik-Kommissionen?

Ethik-Kommissionen übernehmen die Aufgabe, Forschungsvorhaben auf die Einhaltung forschungsethischer Grundsätze zu prüfen und verhandeln dabei auch Fragen der wissenschaftlichen Güte. Dieser Beitrag fokussiert auf die Entwicklung von Ethik-Kommissionen in der Medizin und den Sozialwissenschaften. Letztere sind im deutschsprachigen Raum ein Phänomen jüngeren Datums und werden kontrovers diskutiert. In der internationalen Erfahrung gehen mit ethics reviews Standardisierungs- und Regulierungsprozesse einher, die dem Methodenpluralismus in den Sozialwissenschaften zuwiderlaufen und aus einer Governance-Perspektive als eine Form der Wissensregulierung gedeutet werden können.

Hella von Unger, Dagmar Simon

Wissenschaftsförderung

Frontmatter
Forschungsförderung und ihre Finanzierung

In dem Beitrag werden die das öffentliche Forschungssystem finanzierenden und die Forschung durchführenden Akteure und deren Zusammenwirken dargestellt. Fokussiert werden die Arbeits- und Zuständigkeitsteilungen zwischen Bund und Ländern einschließlich der jüngsten Änderungen, die nunmehr auch die langfristige gemeinsame institutionelle Förderung von Hochschulen ermöglichen. Thematisiert werden die seit Jahren beobachteten Verschiebungen von der institutionellen hin zur Projektförderung und mit der Exzellenzinitiative, dem Hochschulpakt 2020 und dem Pakt für Forschung und Innovation die zentralen wissenschaftspolitischen Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, das Potenzial des deutschen Wissenschaftssystems zu erschließen und optimal zu fördern.

Sybille Hinze
Wissenschaftsförderung als gesellschaftliche Aufgabe privater Stiftungen

Kommt privaten Stiftungen eine wissenschaftspolitische Rolle zu? Angesichts eines Beitrags von nur einem Prozent gemessen am öffentlichen Aufwand kann sie nicht in der Mitfinanzierung des Wissenschaftssystems liegen. Wo ihr Handeln einen Unterschied machen kann, muss jede Stiftung analysieren und strategisch umsetzen. Möglichkeiten liegen darin, in der Wissenschaftsförderung konsequent als zivilgesellschaftlicher Akteur aufzutreten. Ihr Agieren an dieser Stelle verlangt eine Klärung des Verhältnisses von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, damit Stiftungen gesellschaftlichen Zielen wirkungsvoll dienen und Wissenschaft unabhängig gefördert wird.

Wolfgang Rohe
Neue Herausforderungen für die öffentliche und private Forschungsförderung

Angesichts hoher Veränderungsdynamik in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft steht das gesamte Forschungssystem vor großen Herausforderungen. Die enorme Ausweitung projektbasierter Finanzierungen hat insbesondere die Universitäten mit einer Fülle von Problemen konfrontiert. Gefordert ist eine neue Balance zwischen Grundfinanzierung und Drittmitteln ebenso wie die Schaffung mittel- bis langfristig angelegter Freiräume für bahnbrechend neue Forschung und die Eröffnung weiterer Möglichkeiten transnationaler Zusammenarbeit in Forschung und Forschungsförderung. Es gilt, künftig beides in globaler Perspektive zu denken und neu zu konfigurieren.

Wilhelm Krull, Antje Tepperwien
Die drei Pakte und ihre Wirkung: Die Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt 2020 und der Pakt für Forschung und Innovation

Die drei Pakte von Bund und Ländern zur Finanzierung und Entwicklung der Lehre und der Forschung an den Universitäten sowie der Forschung in den außeruniversitären Einrichtungen haben das deutsche Wissenschaftssystem gestärkt und mobilisiert. Hinsichtlich der Differenzierung zwischen den Universitäten sowie der Kooperation zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wurden durch die drei Pakte Strukturveränderungen in Gang gesetzt. Ob die in diesem Beitrag diskutierten Wirkungen auch nachhaltig sein werden, ist allerdings noch durchaus offen. Insbesondere das Ziel der Exzellenzinitiative, nämlich die Herausbildung international sichtbarer und wettbewerbsfähiger Forschungsuniversitäten, ist derzeit in hohem Maße bedroht.

Karl Ulrich Mayer

Akteure und Orte

Frontmatter
Staatliche Akteure der Wissenschaftspolitik

Der Beitrag befasst sich mit den staatlichen Akteuren der Wissenschaftspolitik in Deutschland. Es werden vier Strukturmerkmale beschrieben, die die deutsche Wissenschaftspolitik im Handlungsfeld von Bund, Ländern und organisierter Wissenschaft kennzeichnen und sowohl die Handlungsinstrumente als auch die Verhandlungskonstellationen im Wissenschaftsrat und in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz prägen. Am Beispiel der Föderalismusreform und der Exzellenzinitiative wird verdeutlicht, wie prägend die Akteurskonstellation aus Bund, Ländern und Wissenschaft für wissenschaftspolitische Entscheidungen ist.

Andreas Stucke
Differenzierung im deutschen Hochschulsystem

Der Beitrag befasst sich mit der Entwicklung der institutionellen Struktur des deutschen Hochschulsystems und diskutiert das gegenwärtige Ausmaß an Einheitlichkeit und Vielfalt der institutionellen Landschaft. Die Analyse verdeutlicht, dass sich die lange Zeit wirkungsmächtige Akteursfiktion einer weitgehend stabilen Arbeitsteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen bei gleichzeitiger geringer Binnendifferenzierung innerhalb der beiden Typen nicht mehr halten lässt. Die Umsetzung des Bolognaprozesses und die Exzellenzinitiative haben besonders deutlich zu diesem Paradigmenwechsel beigetragen. Hinzu treten mit den dualen Hochschulen und den privaten Hochschulen Institutionen neuen Typs.

Jürgen Enders
Hochschulleitung und Hochschulmanagement

Der Beitrag gibt einen Überblick zur Entwicklung der Hochschulleitungs- und Verwaltungsorganisation sowie zu zentralen Funktionen und Rekrutierungswegen im Hochschulmanagement insbesondere im Kontext des deutschen Wissenschaftssystems. Es wird aufgezeigt, dass es im Zuge der Umsetzung der New Public Management-Reformen an deutschen Hochschulen durch die Etablierung neuer Leitungspositionen und Funktionen im Hochschulmanagement zu einem Ausbau der formalen Leitungsstrukturen gekommen ist.

Albrecht Blümel
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als wissenschaftspolitischer Akteur

Der Beitrag gibt einen Überblick über die Geschichte des deutschen Bundesforschungsministeriums und seine Aufgaben sowie die Entwicklung der Förderinstrumente seit seiner Gründung im Jahr 1955. Auf wesentliche wissenschaftspolitische Initiativen aus den letzten 20 Jahren wird besonders eingegangen, darunter die Exzellenzinitiative, der Pakt für Forschung und Innovation und der Hochschulpakt 2020.

Matthias Kölbel
Governance-Strukturen und institutioneller Wandel des außeruniversitären Forschungssystems Deutschlands

Der Beitrag geht auf die Genese und den institutionellen Status quo des Systems der außeruniversitären Forschung in Deutschland ein. Er behandelt die Stärken und Schwächen des außeruniversitären Forschungssystems und beschreibt sowohl Reformblockaden als auch die wichtigsten aktuellen Veränderungen der Governance-Strukturen des forschungspolitischen Sektors.

Hans-Willy Hohn
Ressortforschungseinrichtungen – Forschung im staatlichen Auftrag

Ressortforschungseinrichtungen sind den Bundesministerien nach- bzw. zugeordnete Forschungseinrichtungen, die vor vollem drei Aufgaben erfüllen: Forschung, Politikberatung, Regulierungs- und Prüfaufgaben. Obwohl sie sich mehrheitlich formal gleichen (z. B. Rechtsstatus), unterscheiden sie sich deutlich bezüglich ihres Forschungsanteils, ob sie einem Forschungsinstitut oder einer staatlichen Behörde ähneln, und wie sie die staatlichen Aufträge erfüllen. Seit der Evaluation durch den Wissenschaftsrat orientieren einige Ministerien ihre Einrichtungen stärker an wissenschaftlichen Erfordernissen.

Eva Barlösius
Digitale Publikations- und Forschungsinfrastrukturen

Der Beitrag gibt eine Übersicht über zentrale Merkmale und Problemstellungen, die mit elektronischen Infrastrukturen in der Wissenschaft verbunden sind. Nach Bestimmung zentraler Merkmale digitaler Technologien fokussiert er auf zwei Typen. Für Forschungsdateninfrastrukturen werden die mit ihr verbundenen Zielsetzungen sowie Voraussetzungen einer Nutzung dargestellt. Für digitale Publikationsinfrastrukturen werden die typischen Produktions- und Verbreitungswege und die Forderung nach einem offenen Zugang zu Publikationen (Open Access) diskutiert. Dies mündet in die Darstellung spezifischer Problemstellungen, die sich im Zusammenhang mit digitalen Infrastrukturen ergeben.

Niels Taubert
Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft

Der Beitrag gibt einen Überblick über wesentliche Strukturmerkmale und Entwicklungstrends der Forschung und Entwicklung (FuE) in der Wirtschaft. Im ersten Kapitel werden grundlegende Zusammenhänge dargestellt. Das zweite Kapitel zeigt, dass der überwiegende Teil der FuE im Kontext international tätiger Konzerne stattfindet. In den folgenden Kapiteln werden die in den letzten Jahrzehnten wachsende Bedeutung von Kooperationsbeziehungen sowie die zunehmend internationale Ausdifferenzierung der FuE-Aktivitäten von Unternehmen in den Blick genommen.

Ulrich Dolata
Backmatter
Metadaten
Titel
Handbuch Wissenschaftspolitik
herausgegeben von
Dagmar Simon
Andreas Knie
Stefan Hornbostel
Karin Zimmermann
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-05455-7
Print ISBN
978-3-658-05454-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-05455-7

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