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26.10.2021 | Industrie 4.0 | Schwerpunkt | Online-Artikel

Ortung in der Produktion: Gute Technologien, schwierige Einführung

verfasst von: Thomas Siebel

4:30 Min. Lesedauer

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Ultrabreitband (UWB) und der offene Schnittstellenstandard Omlox erweitern die Möglichkeiten der Indoor-Ortung. Viele KMUs tun sich mit der Implementierung allerdings noch schwer.

Die Vision von der smarte Fabrik liest sich verheißungsvoll: Materialien finden eigenständig ihren Weg zur Bearbeitungsmaschine, die Maschine parametrisiert sich selbst und fahrerlose Transportsysteme sind stets auf der optimalen Route unterwegs. In diesem System von „intelligenten“ Materialien, Maschinen, Werkzeugen und Transportern, die sich selbst identifizieren, mit ihrer Umgebung interagieren und drahtlos kommunizieren, spielen Echtzeit-Ortungstechnologien eine Schlüsselrolle, wie Sebastian Lempert im Kapitel Leitende Begrifflichkeiten der vorliegenden Forschungsarbeit des Buchs IoT-Software-Plattformen schreibt.

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Ortungstechnologien in der Produktion

In der Produktion nehmen Stillstandszeiten und Verwaltungstätigkeiten wie das Buchen von Aufträgen einen großen Teil des Produktivitätsverlusts ein - dies führt zu steigenden Kosten. 

BLE, RFID, UWB und Co.

Doch die Lokalisierung im Produktionsumfeld ist herausfordernd, nicht zuletzt aufgrund der Vielfalt an unterschiedlichen Ortungstechnologien. Satellitengestützte Systeme wie GPS funktionieren in Gebäudeinnenräumen nicht, weswegen sie für Produktionsumgebungen wenig relevant sind. Stattdessen stehen Indoor-Ortungstechnologien wie Bluetooth Low Energy  (BLE), RFID, WiFi, Ultrabreitband (Ultra-Wideband, UWB), ZigBee oder iBeacon zur Verfügung. Allerdings "ist keines der Verfahren dazu geeignet, für alle räumlichen und technischen Gegebenheiten, Ortungsdaten in gleicher Qualität und Aktualität bereitzustellen", wie Matthias Jöst im Gastbeitrag Standardisierte Ortungsdaten für die Produktion und Logistik für die ATZproduktion 3-4/20 resümiert.

Ortungstechnologie

Funktionsweise

Vor- und Nachteile

Bluetooth Low Energy (BLE)

- an Objekten angebrachte Tags senden IDs zu (mindestens drei) festinstallierten Knoten

- Frequenzband 2,402 bis 2,480 GHz

- 2D-Ortung über Empfangsfeldstärke in den Empfängern

- Signalübertragung bis 30 m

+ Flächendeckende Ortung von Objekten aller Art

+ Sensoren: günstig, geringer Energieverbrauch, flexibel

- Ortungsgenauigkeit: 3 bis 5 m

- Störungsanfällig: Reflexionen oder Interferenzen mit z.B. WiFi

Passives RFID

- Objekte werden mit passivem RFID-Tag versehen

- „Gates“ werden an vordefinierten Orten platziert

- beim Passieren der Gates geben Tags Informationen weiter

+ Tags verbrauchen keine Energie

+ robuste Technologie

+/- Gates sind Kostentreiber, Tags sind günstig

- Ortung ungenau bzw. aufwendig (RFID ist auf Identifizierung ausgelegt)

- für 3D-Ortung ungeeignet

Bildverarbeitung

- Auswertung der Bilddaten festinstallierter Kameras

- aufwendige Einrichtung von Kameras und Software

- Störanfallig: Erschütterung, schlechte Ausleuchtung

WiFi

- Datenübertragung zwischen festinstallierten WiFi-Hotspots und WiFi-fähigen Endgeräten

+ geringe Kosten

+ Signalübertragung bis zu 1 km möglich

- Ortungsgenauigkeit circa 5 bis 15 m

Ultrabreitband (UWB)
 

- an Objekten angebrachte Tags kommunizieren mit in der Halle fest installierten Empfängern

- Bandbreite >  500 MHz bei Trägerfrequenz > 2,5 GHz

- Ortung über Laufzeitmessung der Signale

+ flächendeckendes Echtzeitmonitoring von Position und Status

+ gleichzeitige Ortung unbegrenzt vieler Objekten

+ Ortungsgenauigkeit: 5 bis 30 cm (horizontal) bzw. 1 bis 2 m (vertikal)

+ keine Interferenz mit anderen Funktechnologien

+ geringe Latenzzeiten

- hohe Hardwarekosten


Eigenschaften sowie Vor- und Nachteile der wichtigsten Indoor-Ortungstechnologien finden sich im Artikel BLE, RFID und UWB als Treiber der Smart Factory in der maschinenbau 5/21 sowie im Beitrag Raising Awareness of SMEs for Real-Time Locating Systems (RTLS) in Intralogistics für den Band Innovations for Community Services. Einen umfassenderen Überblick liefern die Autoren um Huthaifa Obeidat in ihrem Artikel A Review of Indoor Localization Techniques and Wireless Technologies in der Zeitschrift Wireless Personal Communications 1/21.

Potenzial von Ortungsdaten weitgehend ungenutzt

Für Anwendungen in Produktion und Logistik ist die UWB-Technologie mit ihrer präzisen Ortung, der hohen zeitlichen Auflösung und der robusten Signalübertragung anderen Ortungsverfahren überlegen, wie im Beitrag Ortungstechnologien in der Produktion in der maschinenbau 5/21 nachzulesen ist. Zusammen mit dem 2020 von einem Industriekonsortium eingeführten offenen Schnittstellenstandard Omlox lässt sich UWB zudem mit anderen Ortungstechnologien und -softwaresystemen unterschiedlicher Hersteller interoperabel nutzen. Der sogenannte Omlox-Hub übersetzt dabei Lokalisierungsdaten von fahrerlosen Transportsystemen, Tags oder Sensoren – seien sie nun über UWB, WiFi, BLE oder beispielsweise GPS angebunden – in ein einheitliches Koordinatensystem. Softwareanwendungen können dann über eine einheitliche Schnittstelle auf die Lokalisierungsdaten der verschiedenen Ortungslösungen zugreifen.

Dennoch bleibt das Potenzial von Ortungsdaten in Produktion und Logistik heute noch weitestgehend ungenutzt, wie der Kinexon-Geschäftsführer Mehdi Bentanfous im oben genannten Beitrag BLE, RFID und UWB als Treiber der Smart Factory schreibt. Die Herausforderung bestehe darin, „den idealen Mix aus Lokalisierungstechnologien für individuelle Anwendungen zu finden.“ Kinexon setzt dabei auf kostengünstigere UWB-Sensoren. Mit einem optimierten Zusammenspiel von Hard- und Software am Sensor verspricht das Unternehmen eine bis 50 % kürzere Amortisationszeit gegenüber bislang verfügbaren Lösungen.

Kosten und Know-how als Hürden

Allerdings genügen geringere Kosten nicht, damit sich Ortungstechnologien außer in großen Unternehmen auch in der industriellen Breite durchsetzen, wie David Gutewort, Arlett Semm und Christian Erfurth im oben bereits genannten Beitrag Raising Awareness of SMEs for Real-Time analysieren. Stattdessen hindern KMUs vor allem Personalengpässe, mangelnde IT- und Technologiekenntnis und fehlende Akzeptanz unter den Beschäftigten an der Einführung digitaler Technologien wie der automatisierten Ortung. Trumpf will Unternehmen deswegen beispielsweise mit der eigens gegründeten Gesellschaft Trumpf Tracking Technologies unterstützen.

Gutewort, Semm und Erfurth schlagen ein Lernkonzept vor, das KMUs für den Einsatz von Ortungstechnologien ertüchtigen soll. Demnach solle Lehrmaterial einen niedrigschwelligen und praxisbezogenen Einstieg ermöglichen. Zudem solle es möglichst kompakt und zugleich umfassend sein, Beschäftigte sollten stets den Nutzen für die eigene Arbeit erkennen und das Lehrmaterial sollte sich in Basis- und Fortgeschrittenenwissen gliedern. Für ihr Lehrkonzept kombinieren das Autorenteam haptische Elemente wie Prototypen mit Präsenzkursen und digitalen Angebote.

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