2006 | OriginalPaper | Buchkapitel
Internationale Friedensmissionen im Rahmen der Vereinten Nationen
verfasst von : Dr. phil. Sven Bernhard Gareis
Erschienen in: Handbuch Militär und Sozialwissenschaft
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Nach der Zeitenwende von 1989/90 gelangte die Geschichte entgegen dem Diktum von Francis Fukuyama doch nicht zu ihrem Ende. Vielmehr war ihre dynamische Fortsetzung durch eine Vielzahl von Krisen und Auseinandersetzungen in praktisch allen Regionen der Welt gekennzeichnet (s. den Beitrag von Pradetto in diesem Band). Es galt, in Asien (Afghanistan, Kambodscha), in Afrika (Namibia, Angola, Mosambik) und in Lateinamerika (El Salvador, Nicaragua) die Folgelasten des Ost-West-Konfliktes zu bewältigen, der Überfall des Irak auf Kuwait machte rasch die Hoffnungen auf eine Welt ohne zwischenstaatliche Kriege zunichte,
failed states
stellten die internationale Gemeinschaft vor neue Aufgaben und mit dem Zerfall Jugoslawiens schließlich kehrte der Krieg auch nach Europa zurück. Während die meisten dieser – zunehmend innerstaatlichen – Konflikte trotz ihrer geläufigen Etikettierung als ‚neue Kriege‘ überwiegend recht traditionelle Ursachen und Verläufe aufwiesen, änderte sich binnen kürzester Zeit die Herangehensweise der Staatenwelt an diese Herausforderungen. Nach Jahrzehnten der Lähmung im Ost-West-Konflikt gerieten die Vereinten Nationen und vor allem ihr Sicherheitsrat wieder ins Zentrum des internationalen Politikgeschehens. Für eine Zeit sah es so aus, als seien die VN in die greifbare Nähe ihres Gründungszieles gelangt, die Verantwortung für den Frieden in die Hände einer starken Weltorganisation zu legen. Tatsächlich erlangte der Sicherheitsrat durch die Bereitschaft seiner fünf Ständigen Mitglieder, miteinander zu kooperieren, eine bislang nie gekannte Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Statt Konflikte im Sinne von Großmachtinteressen zu instrumentalisieren oder sie dort, wo sie keine ‚Ost-West-Relevanz‘ hatten, einfach ausbrennen zu lassen, entstand die Bereitschaft zum internationalen Engagement im Management von Konflikten sowie der Bewältigung ihrer Folgen. Dieser durchaus nicht unumstrittene „Neue Interventionismus“ (Debiel/Nuscheler 1996) zeigt sich augenfällig in der explosionsartigen Zunahme von internationalen Friedensmissionen weltweit. VN-Blauhelme waren plötzlich keine „exotische Randerscheinung der internationalen Friedens- und Sicherheitspolitik“ mehr, sondern vielmehr „einer ihrer wichtigsten Pfeiler“ (Kühne 1993a: 18). Wichtiger noch musste sich das in rund vierzig Jahren eingeübte und vielfach bewährte System des
peacekeeping
durch Blauhelme auch in qualitativer Hinsicht den Erfordernissen der neuerdings zu bearbeitenden Szenarien anpassen. Die meisten der seit 1990 begonnenen Friedensmissionen sind in Umfang und Komplexität nicht mehr mit den klassischen Blauhelmeinsätzen früherer Jahrzehnte zu vergleichen.