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2016 | Buch

Japanische Populärkultur und Gender

Ein Studienbuch

herausgegeben von: Michiko Mae, Elisabeth Scherer, Katharina Hülsmann

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Geschlecht und Gesellschaft

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Über dieses Buch

Seit den 1990er Jahren erlebt die japanische Populärkultur einen weltweiten Boom und prägt das Bewusstsein und Verhalten, die Kommunikation und das Alltagsleben vieler junger Menschen. Sie öffnet Räume, in denen neue Geschlechterkonstellationen erprobt und mit neuen Lebensformen experimentiert werden kann. Inwiefern dieses Experimentieren mit Geschlechterrollen und der subversive Umgang mit Genderkonstellationen charakteristisch sind für Manga, Anime, TV-Serien, Cosplay, Tischrollenspiele oder Fanfiction, zeigen die Beiträge in diesem Band. Sie machen allerdings auch deutlich, wie sich die japanische Populärkultur am Massengeschmack orientiert und durch Konsumindustrie und Kommerz beeinflusst wird. Dadurch werden bestehende Geschlechterbilder reproduziert, die den Status quo bestätigen. Aber gerade in dieser Ambivalenz, in Brüchen und Widersprüchen zeigt sich, welches Potential die Analysen populärkultureller Produkte nicht nur für die Weiterentwicklung der Kultur- und Medienforschung, sondern auch der Genderforschung erschließen können.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Anime und Manga

Frontmatter
Einleitung: Japanische Populärkultur und Gender
Zusammenfassung
Durch die weltweite, nationale und kulturelle Grenzen überschreitende Verbreitung der neuen Medien und durch die zunehmende Vernetzung wird es immer wichtiger, Genderfragen bezogen auf Populärkultur in einer transkulturellen Perspektive zu erforschen. Seit den 1990er Jahren boomt die japanische Populärkultur nicht nur in Ostasien, sondern auch in weiten Teilen der übrigen Welt und hat großen Einfluss besonders auf junge Menschen.
Michiko Mae, Elisabeth Scherer, Katharina Hülsmann
Die Mädchen-Revolution durch shōjo (Mädchen)-Manga
Dekonstruktion von Gender und Liebe
Zusammenfassung
Die shōjo (Mädchen)-Kultur, die in Japan Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist, hat im Genre des shōjo-Mangas in den 1970er Jahren durch die Manga-Autorinnen der »24-er Gruppe« einen Höhepunkt erreicht. Mit der hohen Qualität der shōjo-Manga in ihren Narrativen und visuellen Darstellungen und durch die Idee der shōjo, die durch ihr »unmarked gender« und ihren unbestimmten sozialen Status ein Widerstandspotential gegen die heteronormative Gesellschaftsordnung entwickeln kann, wurde eine ›Mädchen- Revolution‹ hervorgebracht. Mit Transgender-Figuren und als männlich repräsentierten Figuren wurden (im Sinne von Butlers Performanztheorie) seit den 1970er Jahren im shōjo-Manga subversive Gender-Bilder und -Strategien entwickelt, um die Einschränkungen und Zwänge der patriarchalen Gesellschaft für Frauen umgehen und freie Lebensformen entwerfen zu können. Dies wird an zwei Beispielen gezeigt: »Revolutionary Girl Utena« von Saitō Chiho und »The Savage God Reigns« von Hagio Moto. In Saitōs Werk wird Gender, das zentrale Thema des shōjo-Manga-Genres, dekonstruiert und in Hagios Werk wird Liebe, der leitende Topos des Genres, dekonstruiert; mit beiden Werken werden neue Perspektiven für die weitere Entwicklung des Genres aufgezeigt.
Michiko Mae
Magical Girl als alternative Gender-Räume im Anime
Genderkonfigurationen und -konstruktionen am Beispiel der Fernsehserie »Pretty Cure«
Zusammenfassung
Das japanische Magical Girl ist seit dem weltweiten Hit der Anime-Serie »Sailor Moon« in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre auch in Deutschland mit einem Schlag bekannt geworden und zählt seitdem zu einem der beliebtesten Manga- und Anime-Sujets überhaupt. Zahlreiche (populär-)wissenschaftliche Arbeiten sehen den Erfolg der Serie vor allem in der Attraktivität der einzelnen Genderrepräsentationen begründet, die meist als reales Abbild eines neu aufgekommenen Frauenbildes in der Gesellschaft gedeutet werden. Derartige Arbeiten lassen dabei jedoch gänzlich außer Acht, dass die Produktion von Anime für das Fernsehen in extremem Maße von ökonomischen Aspekten geprägt ist, weshalb die werkinternen Genderrepräsentationen eine bei weitem kritischere Lesart erforderlich machen.
Anhand der Serie »Die Beiden sind Pretty Cure« (Futari wa Purikyua), die seit 2005 ununterbrochen in verschiedenen Staffeln im japanischen Fernsehen ausgestrahlt wird und als bislang erfolgreichste Magical-Girl-Serie überhaupt gilt, soll eine paradigmatische Untersuchung verdeutlichen, wie sehr der komplexe Produktionsprozess einer Anime-Fernsehserie Genderrepräsentationen und -konstrukionen im Genre Magical Girl determiniert. Dazu wird der Beitrag in einem ersten Schritt einen Einblick in die spezifischen Produktionsbedingungen des Fernsehmarktes geben und dabei aufzeigen, wovon die Genderrepräsentationen in einer Anime-Fernsehserie in erster Linie beeinflusst werden. In einem zweiten Schritt wird ein historischer Überblick über das Genre und seine wichtigsten Vertreter verdeutlichen, was als genderspezifische Besonderheiten des Narrativs des Magical Girl anzusehen sind und welche Funktionen sie erfüllen. In einem dritten Schritt demonstriert eine ausführliche Analyse der Pilotserie »Die Beiden sind Pretty Cure«, wie das genretypische Magical-Girl-Narrativ hier umgesetzt wird und welche Lesarten an einen (Fernseh-)Anime gestellt werden können und müssen, um dem Medium als Repräsentationsform in seiner ganzen Vielschichtigkeit und Komplexität gerecht zu werden.
Stephan Köhn
Von Kämpfern und kleinen Schwestern – Geschlechterideale in shōnen-Geschichten
Zusammenfassung
In der japanischen Populärkultur bezeichnet ›shōnen‹ eine Kategorie von Geschichten, deren wesentliche Zielgruppe Jungen und männliche Jugendliche darstellen. Der vorliegende Beitrag untersucht zwei typische Geschlechterkonstruktionen solcher shōnen-Geschichten: die Konstruktion eines jugendlich männlichen Kämpfers und die Konstruktion einer »kleinen Schwester«. Dabei rückt zunächst die Konstruktion des jugendlichen Kämpfers in den Mittelpunkt, der sowohl in shōnen-Romanen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als auch in shōnen-Manga der 2000er Jahre auftritt, ohne sich in seinen Grundzügen wesentlich verändert zu haben. Anschließend wird das Muster der »kleinen Schwester«, d. h. einer jungen weiblichen Figur, die aus dem Hintergrund männliche Erfolge fördert, näher analysiert. Für diese Konstruktion wird am Beispiel der drei in Japan breit rezipierten shōnen-Manga Touch (1981 – 1986), H2 (1992 – 1999) und Cross Game (2005 – 2010) herausgearbeitet, wie stark sich deren Gestaltung seit den 1980er Jahren verändert hat. Im Ergebnis stellt der Beitrag fest, dass die vorgestellten Geschlechterkonstruktionen speziell in shōnen-Geschichten des Mainstreams zwar ein nicht unerhebliches Veränderungspotential besitzen, dass die für die Kategorie shōnen typischen Grundmuster aber trotzdem zu beachten bleiben.
Christian Weisgerber
Genderbending-Grenzgänge in Mainstream-Anime und Manga
Zusammenfassung
Zeitgenössische Mainstream-Manga und -Anime stellen häufig Figuren dar, die von traditionellen Geschlechterrollen-Vorstellungen abweichen, aber dennoch durch die Rezipient/innen toleriert werden. Es handelt sich um Genderbender-Figuren, wie sie in »Naruto«, »Sailor Moon« oder »One Piece« vorkommen. Mithilfe der Theorie der Hybridisierung von Homi Bhabha werden verschiedene Manga und Anime des kommerziellen Mainstreams untersucht, um herauszufinden, weshalb diese Genderbender innerhalb konservativer Massenmedien geduldet werden und vielleicht sogar gewünscht sind. Es wird zu sehen sein, dass geschlechtliche Grenzgänger/innen bestimmten heteronormativen Regeln entsprechen müssen, um in den Medien bestehen zu dürfen. Doch enthalten sie gleichzeitig das subversive Potential, hegemoniale Vorstellungen von Geschlechterrollen zu verändern?
Kenji-Thomas Nishino

Japanische TV-Serien (terebi dorama)

Frontmatter
Kontinuität und Wandel weiblicher und männlicher Lebensentwürfe in japanischen Fernsehserien (terebi dorama) seit der Jahrtausendwende
Zusammenfassung
Japanische Fernsehserien (terebi dorama) greifen oft aktuelle Trends der Gesellschaft auf und können als ein Diskussionsforum sozialer Thematik dienen. Ebenso wie andere fiktionale populäre Produkte präsentieren sie auch neue Lebensentwürfe und Beziehungsmuster, wie sie von der Mehrheit des Publikums nicht oder noch nicht gelebt werden. Damit erweisen sich terebi dorama als sehr aufschlussreich für die Auseinandersetzung mit Geschlechterkonstruktionen in Japan, zumal sie nicht nur als reine Unterhaltung rezipiert werden, sondern auch als eine Möglichkeit, »Anregungen für die eigene Lebensweise zu erhalten« (MBJK 1986, S. 109).
Hilaria Gössmann
Alternative Lebensmodelle von der Stange?
Konstruktion und Rezeption von Geschlechteridentität in japanischen Fernsehserien (terebi dorama)
Zusammenfassung
Neue Beziehungsformen und alternative Lebenswege sind ein häufiges Thema aktueller japanischer Fernsehserien (terebi dorama). Was auf den ersten Blick anmuten mag wie eine Keimzelle der Subversion, ist, wie dieser Beitrag zeigt, das Ergebnis eines engen Zusammenspiels zwischen Produktionskalkül und gesellschaftlichen Diskursen. Um bestimmte – häufig durch die Kategorie Gender eingegrenzte – Zielgruppen ansprechen zu können, werden Themen aufgegriffen, die diese bewegen. Strukturelle Merkmale der Serien bieten dabei Möglichkeiten für ein identifikatorisches »Andocken« und performatives Nacheifern durch die Zuschauenden. Aufschlussreiche Erkenntnisse zur Rezeption der gezeigten alternativen Lebensmodelle können aus Internet-Foren zu den terebi dorama gewonnen werden, in denen Nutzer/innen die Serienhandlung kommentieren. Hier zeigt sich, dass die Rezeption von TV-Serien in Japan eng an die persönliche Lebenssituation der Rezipierenden und an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geknüpft ist. Auch wenn die Handlung sich um die Dekonstruktion konventioneller Geschlechterbilder dreht, bleibt der Serientext doch offen für die verschiedensten Lesarten.
Elisabeth Scherer

Kreative Fan-Produktion

Frontmatter
Jenseits von Dichotomien
Diversifikation von Männlichkeitskonstruktionen in Boys´-Love-dōjinshi
Zusammenfassung
Der Artikel beschäftigt sich mit der Konstruktion von Männlichkeiten in Boys’- Love(BL)-dōjinshi. Dabei werden dōjinshi als eine Form der archontischen Literatur verstanden, die den Künstler/innen erlaubt, auf vielfältige und gleichberechtigte Weise mit dem populärkulturellen Text zu interagieren. Japanische BL-dōjinshi werden hier außerdem als transkulturelle Fankultur verstanden, die sich parallel zum westlichen Genre der Slash-Fanfiction entwickelten. Im Gegensatz zur marginalisierten Form der Slash-Fanfiction im Westen ist das Genre Boys’ Love in Japan jedoch ein kommerzielles Genre geworden, das sich auch jenseits des Mediums dōjinshi großer Beliebtheit erfreut. Interessant für die Analyse von Genderkonstruktionen sind aber vor allen Dingen Werke, die der Fankultur entspringen, da diese als eine direkte Partizipation an populärer Kultur zu sehen sind. Besonders das Genre Boys’ Love bietet Frauen so einen Einstiegspunkt in die sonst homosozial-männlich dominierten Sphären von shōnen- und seinen-Manga, wodurch auch die Männlichkeitskonstruktionen der Ursprungswerke hinterfragt und verändert werden können. Konkret betrachtet werden im Artikel drei dōjinshi, die sich auf den seinen-Manga Berserk (1990 –) beziehen. Dabei werden insbesondere die Andeutungen und Leerstellen im Manga gezeigt, die die Autorin der untersuchten dōjinshi sich zu Nutze macht, um ihre eigene Interpretation der Figuren in das populärkulturelle Archiv des Mangas einzugliedern. Es wird gezeigt, dass eine neue, verletzungsoffene Männlichkeit konstruiert wird, die im Gegensatz zu der hegemonialen Männlichkeit des Protagonisten von Berserk steht. Außerdem unterwandern dōjinshi normative Genderkonstruktionen (etwa vom männlichen Subjekt und weiblichen Objekt), da männliche Körper in diesem Medium durch Zurschaustellung und Aneignung seitens der Künstlerinnen und Leserinnen zum Objekt werden, womit physiologische und ästhetische Bedürfnisse erfüllt werden können.
Katharina Hülsmann
Von der Lust an der Last des Frau-seins: Manga-Mitmachfanfiction als Raum für Gender-Experimente?
Zusammenfassung
Frühere Studien zu Fanfiction sahen diese als potentiellen Ort für die Entwicklung von alternativen und subversiven Interpretationen des Ursprungswerks. Damit besteht auch die Möglichkeit, dass durch diese Interpretation das herrschende Genderverhältnis auf den Kopf gestellt werden kann. Inzwischen geht die Tendenz aber eher dazu, diese Einschätzung etwas kritischer zu sehen. Berit Åström (2010) weist beispielsweise in Anlehnung an Elizabeth Woledge und Christina Scodari darauf hin, dass die vermeintlich subversiven Texte oft nur dazu dienen, heteronormative Strukturen zu festigen. Diese gegensätzlichen Tendenzen von Fanfiction werden anhand einer deutschen Mitmachfanfiction zur Manga- und Anime-Serie Naruto in den Blick genommen. Mitmachfanfiction ist eine besonders interaktive Form der Fanfiction, bei der die Teilnehmer/innen zu einem Szenario Figuren entwickeln, die der/ die Autor/in in die Erzählung einbaut, und durch Kommentare aktiv den Fortgang der Geschichte beeinflussen können. Im vorliegenden Aufsatz werden Text und Kommentare einer solchen Erzählung zum Thema Geschlechtertausch dahingehend analysiert, welche Entwürfe von Männlichkeit und Weiblichkeit vorhanden sind und wie Figuren und Teilnehmer auf die ungewöhnlichen Geschlechterkonstellationen reagieren.
Stephanie Klasen

Gender-Spiele

Frontmatter
Kostümwechsel: Weibliche Rollendarstellungen im Cosplay
Zusammenfassung
Die Fanpraxis Cosplay (kurz für costume play) hat im Zuge der globalen Verbreitung japanischer Populärkultur auch Eingang in die deutsche und amerikanische Jugendkultur gefunden. Beim Cosplay verkleiden sich vor allem weibliche Fans als fiktive Figuren aus populären Texten wie z. B. Anime, Manga/ Comics und Videospielen. Im Fandom beliebte Serien wie »Sailor Moon« oder »Kill la Kill« liefern die Rollenbilder für die Kostümpraxis. Sie stellen jugendliche Heldinnen vor, die sich durch Uniformen und Accessoires in mächtige Kämpferinnen verwandeln.
Im Prozess der Kostümherstellung werden die Fans selbst kreativ und bringen eigene Gestaltungsideen ein. Bei der Rollenauswahl setzen sie sich intensiv mit populären Figuren auseinander; diese können die Funktion von Vorbildern haben oder unterschiedliche Aspekte der eigenen Persönlichkeit spiegeln. Das ›Posing‹ im Kostüm ist jedoch seltener eine Form von Rollenspiel, vielmehr dient es den Cosplayern als Ausdrucksmittel. Betont weibliche, starke Frauenrollen erlauben ihnen zum Beispiel, sich selbst als attraktiv und handlungsmächtig zu erleben und ein neues Körpergefühl zu entwickeln.
Cosplayerinnen inszenieren sich auch für den imaginierten männlichen Blick und müssen sich dabei mit dem Sexismus der Vorlage und des Publikums auseinandersetzen. Die populären Texte bieten konservative und progressive Rollenbilder, und freizügige Kostüme fordern den ganzen Körpereinsatz der Cosplayer. Fan-Conventions sollen einen geschützten Raum bieten, in dem die Inszenierungen der Cosplayer unmittelbar folgenlos bleiben und zum positiven Erlebnis der Fan-Community beitragen. Dies gelingt, wenn Cosplayer als Fan Artists akzeptiert werden, die außer ihrem Körper – dem Medium der Fanpraxis – auch die eigene Kunstfertigkeit demonstrieren und das Fandom nach außen repräsentieren.
Karen Heinrich
Cross-Gender Table-Talk-RPG auf Japanisch; oder: die beiläufigen Realitäten des Tischrollenspiels
Zusammenfassung
In Tischrollenspielen übernehmen Spielerinnen und Spieler fiktionale Charaktere, um gemeinsam eine diegetische Wirklichkeit zu erschaffen, in der sie Abenteuer bestehen, Geschichten erzählen oder andere Sichtweisen und Persönlichkeiten ausprobieren. Während in Computerrollenspielen Avatare durch CGI-Umgebungen gesteuert werden, vollzieht sich die Handlung hier durch Beschreibung und ein Improvisationstheater-ähnliches Darstellen. Die diegetischen Wirklichkeiten sind dabei nicht nur inspiriert von verschiedensten Medien, Genres, und Epochen – sei es der »Herr der Ringe« oder die Heian-Zeit (794 – 1185) – sondern stehen in einem Spannungsverhältnis zu Praktiken und Kategorien, die entscheidend für die Herstellung und Aufrechterhaltung der ›normalen‹ Realität außerhalb des Spiels sind. Geschlecht und die Unterscheidung in Mann und Frau gehören zu derartigen Kategorien und damit verbundenen Praktiken. Wie verhält sich das doing gender am Spieltisch zu Geschlechterkategorien und -handlungen außerhalb des Spiels? Ist eine solche Trennung überhaupt möglich und sinnvoll ?
Mit Fokus auf Tischrollenspiele in Japan und basierend auf der Analyse von qualitativen Interviews und teilnehmender Beobachtung untersucht der vorliegende Beitrag Geschlecht als ›beiläufige Realität‹ (collateral reality), die in teilweise verbundenen, alltäglichen und spielerischen Kontexten ›getan‹ wird. Das Cross-Gender-Spiel von Rollenspielerinnen und -spielern eröffnet Einblicke in die Stabilisierung von Geschlechtergrenzen – beispielsweise durch geschlechtskonnotierte Sprache, die außerhalb des Spiels als überholt gelten mag, im Spiel jedoch Authentizität schafft – und macht dabei deutlich, dass keine singuläre Größe wie ›die japanische Gesellschaft‹ als Explanans fungieren kann, sondern dass Geschlecht in einem vernetzten und interdependenten Wechselverhältnis von Spiel und Wirklichkeit produziert wird.
Björn-Ole Kamm
Backmatter
Metadaten
Titel
Japanische Populärkultur und Gender
herausgegeben von
Michiko Mae
Elisabeth Scherer
Katharina Hülsmann
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-10063-6
Print ISBN
978-3-658-10062-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-10063-6