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2017 | Buch

Klassiker der Soziologie der Künste

Prominente und bedeutende Ansätze

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Über dieses Buch

Die Soziologie kennt zahlreiche Schriften, die Einführungen in die Geschichte der Soziologie, Zusammenfassungen über spezielle Forschungsgebiete und -fragen oder Überblicke über die ›Klassiker‹ des Fachs bieten. Auch wenn in jüngster Zeit verschiedene kunstsoziologische Einführungen und Überblicksbände veröffentlicht worden sind, fehlt in der Soziologie der Künste eine aktuelle Zusammenstellung der ›Klassiker‹. In Folge der intensiven Auseinandersetzungen um den Klassikerbegriff in der Soziologie sowie umfangreicher Weiterentwicklungen der Soziologie der Künste kann es in einer aktuellen Zusammenstellung aber nicht nur um ›Klassiker‹ an sich gehen. Gerade die Soziologie der Künste weist verschiedene höchst bedeutende und prominente Ansätze auf, die nur auf höchst problematische Weise mit dem Klassikerbegriff in welcher Form auch immer zu vereinbaren sind. Dementsprechend geht es in dem Buch nicht nur um ›Klassiker‹. Vielmehr sollen auch Kultur- und Sozialwissenschaftlerinnen beziehungsweise Kultur- und Sozialwissenschaftler aufgenommen werden, die richtungsweisende Arbeiten für eine Soziologie der Kunst vorgelegt haben.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung

Die Geschichte der Soziologie der Künste ist älter als allgemein angenommen wird. Erste rudimentäre Ansätze einer sich erst Jahrhunderte später institutionalisierenden Soziologie der Künste finden sich schon in der platonischen Philosophie der griechischen Antike. Auch wenn Platon (427 – 347 v.Chr.) in seinen ästhetischen und staatstheoretischen Schriften sicherlich keine genuin kunstsoziologischen Studien verfasst hat, lassen sich in seiner Philosophie dennoch Hinweise darauf finden, das Kunst in soziale Kontexte und gesellschaftliche Ordnungen eingelassen ist und Kunst sozial bedeutsam ist.

Christian Steuerwald
Karl Marx (1818 – 1883) und Friedrich Engels (1820 – 1895)

Die historische, soziale und politische Bedeutung der Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels ist allgemein bekannt, sie zählen in den Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften zu den einflussreichsten Texten. Im relativ jungen Feld der Kunstsoziologie ist der Stellenwert von Marx und Engels jedoch weniger klar, was sich an der Forschungsliteratur merklich abzeichnet (vgl. Danko 2012: 23).

Frank Biewer
Hippolyte Taine (1828 – 1893)

Der spätere Historiker, Philosoph sowie Literatur- und Kunstkritiker Hippolyte-Adolphe Taine wurde am 21. April 1828 in Vouziers (Ardennen) als Spross einer Familie kleinerer Notabler und Tuchmacher geboren (vgl. Karcher 2012; Hülk 2012: 91).

Jonathan Kropf
Jean-Marie Guyau (1854 – 1888)

Jean-Marie Guyau hat ein sehr kurzes, dabei aber auch sehr produktives Leben geführt. Damit ist er dem Anspruch seiner eigenen Lebensphilosophie letztlich recht nah gekommen. Ilse Walther-Dulk, die sich sehr intensiv um das geistige Erbe Guyaus bemüht, führt aus, dass die einzigen biographischen Angaben zu Guyau von Alfred Fouillée stammen, und betont dabei, dass dessen Angaben reichlich ungenau seien.

Ulrike Wohler
Georg Simmel (1858 – 1918)

Die Vita des Berliner Philosophen und Soziologen Georg Simmel hat bemerkenswert wenige Eckdaten. Sein Leben und seine Forschungen sind untrennbar mit dem kulturellen deutschen, speziell Berliner Milieu seiner Zeit verbunden.

Barbara Aulinger
John Dewey (1859 – 1952)

In Deweys umfangreichen Schriften nimmt die Beschäftigung mit Kunst und ästhetischer Erfahrung nur scheinbar eine marginale Rolle ein. In seinem kunstphilosophischen Hauptwerk Kunst als Erfahrung überschneiden sich viele Themen und Gedanken, die zum Kern seiner Philosophie gehören. Seine im Alter von 75 verfassten Reflexionen zu den Charakteristika ästhetischer Erfahrung und zur gesellschaftlichen Rolle der Kunst lassen sich daher auch als Fluchtpunkt seiner Philosophie begreifen.

Hilmar Schäfer
Max Weber (1864 – 1920)

Maximilian Carl Emil Weber wurde am 21. April 1864 in Erfurt geboren. Nach dem Abitur im Frühjahr 1882 studierte er Jurisprudenz und Nationalökonomie an den Universitäten Heidelberg, Straßburg, Berlin und Göttingen. Im August 1889 wurde Max Weber zum Dr.jur.utr. an der Berliner Universität promoviert, wo er sich im Januar 1892 für ›Römisches (Staats- und Privat-)Recht und Handelsrecht‹ habilitierte.

Dirk Kaesler
Emilie Altenloh (1888 – 1985)

»Meine ganzen Entwicklungen bauen sich auf Erlebnissen auf, auf pragmatischen Dingen, die ich gesehen habe und die ich dann in Angriff genommen habe, […] und so tauchte dann der Film auf« (Emilie Altenloh, zit. nach Haller 2012: *78). Emilie Altenloh sah sich, wie dieses Zitat verdeutlicht, weder als Soziologin noch als Filmwissenschaftlerin, zumal sie nach der Veröffentlichung ihrer Dissertation Zur Soziologie des Kino im Jahr 1914 auf keinem dieser beiden Gebiete weiter gearbeitet hat.

Matthias Sebastian Klaes
Siegfried Kracauer (1889 – 1966)

Siegfried Kracauer wird am 8. Februar 1889 in Frankfurt am Main als einziges Kind von Adolf Kracauer und Rosette Kracauer geboren. Die meiste Zeit seiner Kindheit und Jugend verbringt er jedoch bei seiner Tante Hedwig und seinem Onkel Isidor Kracauer. Durch sie wird er schon früh zu eigenem Schreiben angeregt und findet Anschluss an das kulturelle Leben des Frankfurter Bürgertums.

Tanja Prokić
Erwin Panofsky (1892 – 1968)

Der Name ›Panofsky‹ taucht in der Soziologie interessanterweise weniger im Zusammenhang mit kunstsoziologischen Fragen auf, als vielmehr im Zusammenhang mit der Soziologie Pierre Bourdieus. Dieser hatte sich bei der Ausarbeitung seines Habituskonzepts bekanntlich auf die Arbeiten des Kunsthistorikers Erwin Panofsky berufen, und so ist auch Bourdieus berühmter Aufsatz Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis ursprünglich als Nachwort der französischen Ausgabe von Panofskys Gothic Architecture and Scholasticism (1948) erschienen. Die Übersetzung dieses Buches ins Französische hatte Bourdieu übrigens 1967 selbst besorgt und damit die Panofsky-Rezeption in Frankreich maßgeblich Vorangetrieben.

Julian Müller
Arnold Hauser (1892 – 1978)
Die gesellschaftliche Bedingtheit der Kunst und die gleichzeitige Autonomie des Kunstschaffens

Arnold Hauser beschäftigte sich in seinen Werken mit einer wichtigen Grundfrage kunstsoziologischen Denkens, nämlich mit der Frage nach der Art des Zusammenhangs zwischen der Gesellschaft und den in ihr entstehenden Kunstwerken. Welcher Bezug besteht zwischen der scheinbar einzigartigen ästhetischen Qualität eines Kunstwerkes und der gesellschaftlichen Einbettung seiner ErzeugerInnen? Hausers am Historischen Materialismus orientierte Antwort auf diese Frage inspiriert bis heute die Kunstsoziologie, obwohl sie Zustimmung und Ablehnung gleichermaßen gefunden hat. Mit seinen Hauptwerken Sozialgeschichte der Kunst und Literatur (1951), Philosophie der Kunstgeschichte (1958; unter dem Titel Methoden moderner Kunstbetrachtung 1970 erneut erschienen) und Soziologie der Kunst (1974) leistete er einen bedeutenden Beitrag für die Entwicklung der Kunstsoziologie.

Katharina Scherke
Walter Benjamin (1892 – 1940)

Walter Benedix Schoenflies Benjamin, so sein standesamtlicher Name, kam 1892 als Kind einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Familie zur Welt (zum Lebenslauf: Brodersen 2005). Sein Vater, Emil Benjamin, war als Teilhaber eines florierenden Kunst- und Antiquitäten-Auktionshauses zu Reichtum gelangt, den er noch zu vermehren verstand. Seine Mutter, Pauline Elise Schoenflies, entstammte einem reichen Haus.

Lutz Hieber
Norbert Elias (1897 – 1990)
Die Kunst der Soziologie und die Soziologie der Kunst

Norbert Elias hat keine systematische Soziologie der Kunst ausgearbeitet. Zumeist ist gar nicht bekannt, dass Elias sich für Kunst interessierte und Kunstanalysen vorgelegt hat. Dennoch finden sich über sein Gesamtwerk verstreut zahlreiche Aussagen zur und Auseinandersetzungen mit Kunst.

Christian Steuerwald
Alfred Schütz (1899 – 1959)

Alfred Schütz wird am 13. April 1899 in Wien geboren. In den Wirren des ersten Weltkrieges erhält er 1917 die »Notmatura« und studiert nach freiwilligem Kriegsdienst in Wien Rechtswissenschaften, Ökonomie und Soziologie. Zu seinen Lehrern zählen u. a. Hans Kelsen, Ludwig von Mises und Othmar Spann.

Peter Fischer
Leo Löwenthal (1900 – 1993)

Leo Löwenthal wurde im Jahr 1900 in einer Frankfurter Arztfamilie geboren, die zum assimilierten Judentum gehörte. Er besuchte das Gymnasium und studierte nach einem kurzen Militärdienst seit 1918 die Fächer Philosophie, Soziologie, Mathematik und Germanistik in Gießen, Heidelberg und Frankfurt, wo er 1923 mit einer Arbeit über Franz von Baader promoviert wurde. In dieser Zeit machte er eine Wendung zum orthodoxen Judentum, bekannte sich zu einem utopischen Sozialismus und engagierte sich zeitweilig in der Frankfurter Beratungsstelle für ostjüdische Flüchtlinge.

Alfons Söllner
Theodor W. Adorno (1903 – 1969)
Kunstsoziologie zwischen Negativität und Versöhnung

Vorbemerkung. Wer immer über ein Thema oder einen Aspekt aus dem OEuvre Adornos zu schreiben sich entschließt, sieht sich mit einer Aporie konfrontiert: Inhalt und Form der Darstellung sind bei Adorno in einer Weise durcheinander vermittelt, die sich den Usancen diskursiver Abhandlung verweigert. Vor die Wahl gestellt, sich zwischen einem Paraphrasieren in verba magistri und einer dem Adornoschen Denken aversen Darstellungsweise zu entscheiden, ist die Option für letztere nur mit einer prekären Übersetzung durchzuführen: Aus parataktisch formulierten und konfigurativ komponierten, »musikalisch durchgehörten« Texten sind die kunstsoziologischen Aussagen in ein diskursiv-systematisches Elaborat zu überführen.

Walther Müller-Jentsch
Arnold Gehlen (1904 – 1976)

Arnold Gehlen wurde am 29. Januar 1904 als Sohn eines Verlegers in Leipzig geboren und studierte dort nach dem Besuch des Thomas-Gymnasiums Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte (zeitweise auch Physik und Zoologie); am 22. Juli 1927 legte er in diesen drei Fächern seine philosophische Doktorprüfung ab. Kunstgeschichte hatte er vor allem bei Wilhelm Pinder (1878-1947) studiert, wurde im Rigorosum jedoch von Leo Bruhns (1884-1957) über Niederländische Malerei des 15. bis 17. Jahrhunderts geprüft, für die ihm »ausgezeichnete Kenntnisse« und »eine ungewöhnlich reife und sichere Art der Bildbetrachtung« bescheinigt wurden.

Karl-Siegbert Rehberg
René König (1906 – 1992)
Der Weg über die Kunst zur (Kunst-)Soziologie

»Trotzdem muss ich – von heute aus gesehen – zugeben, daß ich meinen Weg zur Soziologie über die Kunst gefunden habe.« (König 1984: 34) Eine erstaunliche Aussage eines Soziologen, der in der Soziologenzunft weithin mit der von ihm selbst so genannten »Fliegenbeinzählerei« quantitativer Sozialforschung assoziiert wird (König 1988a: 156). »Man braucht erst Bilder, bevor man Hypothesen formulieren kann« (König 1984: 34), da die »künstlerische[n] Visionen der wissenschaftlichen Analyse zumeist vorausgehen« (König 1984: 35), entweder als erkenntnisfördernde Wirklichkeitsvermittlung oder als »dichterisch Geschautes« (König 1984: 34).

Stephan Moebius
Maurice Merleau-Ponty (1908 – 1961)

Als Phänomenologe und Philosoph hat Maurice Merleau-Ponty keine Kunstsoziologie verfasst. Weder untersucht er Kunst mit soziologischen empirischen Methoden noch entwickelt er eine explizit kunstsoziologische Theorie, die in einer geschlossenen und zusammenhängenden Programmatik auftreten würde. Vielmehr erarbeitet Merleau-Ponty seine Phänomenologie in Auseinandersetzung mit verschiedenen künstlerischen Positionen und Werken besonders aus den Bereichen der Literatur und Malerei.

Christiane Schürkmann
Gisèle Freund (1908 – 2000)
Von der fotografierenden Soziologin zur soziologisch interessierten Fotografin

»Photographie ist nicht Kunst« (Freund 1993: 70f.).1 Dieser provokante Ausspruch Gisèle Freunds soll dabei helfen, das intellektuelle Schaffen dieser hochdekorierten Fotografin, Bildjournalistin und Grenzgängerin zwischen Soziologie und Fotografie zu verstehen. Anhand der von dieser Feststellung ausgehenden Irritation lassen sich Facetten einer Persönlichkeit erschließen, die sich ihrem späteren Erwerbsberuf über das Studium der Soziologie angenähert und sich zeitlebens die Distanz der Beobachterin – nicht nur zur Welt durch das Kameraobjektiv, sondern auch zur Kamera beziehungsweise zum Foto als Kommunikationsmedium – erhalten hat.

Oliver Dimbath
Alphons Silbermann (1909 – 2000)

Alphons Silbermann war nach eigenen Worten deutscher Jude, nicht religiös, aber gläubig, nicht stolz auf sein Judentum, aber auch nicht bereit, es zu verschweigen (Suchy 2010). Er war ein Vertriebener, der die Soziologie am eigenen Leibe erfahren und sich selbst als »Flaneur des Jahrhunderts« (Silbermann 1999a) bezeichnet hat. Wie so viele seiner Generation kam er über Umwege zur Soziologie.

Michael Huber
Kurt Blaukopf (1914 – 1999)
Musikalische Praxis im gesellschaftlichen Wandel Kurt Blaukopf und die Wiener Schule der Musiksoziologie

Kurt Blaukopf wurde am 15. Februar 1914 in der (heute ukrainischen) Stadt Czernowitz in der Bukowina geboren. Bald darauf übersiedelte er mit seiner Familie nach Wien. Nach Volks- und Mittelschule begann er auf Wunsch seiner Eltern mit dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, sein eigentliches Interesse galt jedoch der soziologischen Betrachtung von Musik.

Michael Parzer
Roland Barthes (1915 – 1980)

Geboren wird Roland Barthes am 12. November 1915 in Cherbough, Manche. Sein Vater Louis Barthes stirbt im ersten Weltkrieg als Marinesoldat 1916. Darauf folgt ein Umzug mit der Mutter Henriette Barthes zu Verwandten nach Bayonne. Im Jahr 1924 zieht die Familie nach Paris, wo Barthes das Lycée Montagne besucht.

Anina Engelhardt
Jurij Michailovič Lotman (1922 – 1993)

Jurij Michailovič Lotman wurde am 28.2.1922 in Petrograd (St. Petersburg/Leningrad) geboren. Seine Eltern gehörten zur jüdischen Intellektuellenschicht der Stadt. Der Vater war Rechtsanwalt, die Mutter Zahnärztin.

Frank Illing
Clifford Geertz (1926 – 2006)
Der Beitrag von Clifford Geertz zur Kunstsoziologie

Der amerikanische Kulturanthropologe Clifford Geertz (1926 – 2006) hat sich an einigen wenigen Stellen seines umfangreichen Werkes auch zur Kunst geäußert. Was er auf der Basis seiner Feldforschung über Kunst dachte, hat auch Relevanz für die Kunstsoziologie. Er distanzierte sich von einem idealistischen und intellektualistischen Verständnis von Kunst, obwohl seine zentralen Begriffe Symbol und Interpretation bleiben.

Gernot Saalmann
Michel Foucault (1926 – 1984)

Michel Foucault gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten »Diskursivitätsbegründern« (Foucault 2001f: 1022) des 20. Jahrhunderts. Es gibt in der gegenwärtigen geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungslandschaft wohl kaum einen Autor, der ähnlich oft zitiert, kommentiert, diskutiert und kritisiert worden ist wie Foucault. Dies mag auch daran liegen, dass sich sein äußerst umfangreiches und vielschichtiges Werk weder einer Disziplin noch einer Theorietradition eindeutig zurechnen lässt.

Sophia Prinz
Gerhardt Kapner (*1927)
Der Kulturbeamte als Kultursoziologe

Gerhardt Kapners Weg zur Soziologie der Künste ist der eines Praktikers hin zur großen Theorie. Gerhardt Kapner ist ein Solitär in der Soziologie der Künste, weil er seine kunstsoziologische Expertise nicht auf einem der üblichen Wege wissenschaftlicher Sozialisation erwarb, sondern infolge einer Unzahl von Aktivitäten im praktisch-politischen Bereich. Bevor Gerhardt Kapner sich der genuin wissenschaftlichen Beschäftigung mit Kunstsoziologie widmete, setzte er vor allem Akzente als Volksbildner (Erwachsenenbildner) und Kulturbeamter.

Manfred Gabriel
Niklas Luhmann (1927 – 1998)

»Mozart, mit schlechtem Gewissen: Chopin«, »Dostojewsky«, »Nicolas de Staël und Hann Trier« – so die knappen Antworten auf die Fragen nach seinem Lieblingskomponisten, seinem Lieblingsschriftsteller und seinem Lieblingsmaler, sehr viel mehr wissen wir im Grunde nicht über den Kunstgeschmack Niklas Luhmanns (Luhmann 1987a: 98). Die Kunst beansprucht bei Luhmann keine exklusive oder gar vorrangige Position. Luhmanns Passion galt nicht der Musik, dem Theater oder der Malerei, am ehesten wohl noch der Literatur, sondern in erster Linie der Theorie.

Julian Müller, Armin Nassehi
Howard S. Becker (*1928)

Heute finden Howard S. Beckers Untersuchungen in einschlägigen kunstsoziologischen Überblickswerken, Textsammlungen und Lehrbüchern regelmäßig Erwähnung (Alexander 2003; Danko 2012; Gerhards 1997; Heinich 2001; Tanner 2003). Dabei hätte aus dem Klavier spielenden Becker ebenso gut ein Berufsmusiker werden können: »I entered sociology by accident … Actually, I was playing the piano; I intended to be a musician … I signed up in sociology without knowing what I was getting into…« (Debro 1986: 25f.). Eine eindeutige Zuordnung zur Kunstsoziologie wird dadurch erschwert, dass Beckers Arbeiten mehrere Bindestrichsoziologien verbinden.

Oliver Berli
Jürgen Habermas (*1929)

Jürgen Habermas wird am 18. Juni 1929 in Düsseldorf geboren. Sein Vater, Ernst Habermas (1891-1972), ist als Syndikus eines Arbeitgeberverbandes und als Leiter einer Nebenstelle der Bergischen Industrie- und Handelskammer in Gummersbach tätig (Wiggershaus 2004: 7-8). Als Jugendlicher wird Habermas, wie fast alle Zeitgenossen, Mitglied des Jungvolks, später der Hitlerjugend.

Nina Tessa Zahner
Jean Baudrillard (1929 – 2007)

Eigentlich hat er die Kunst gehasst, die gegenwärtige jedenfalls. Die zeitgenössische Kunst sei »null«, ließ Jean Baudrillard (1996b: 27) einmal bissig verlauten – eine unnütze Verdoppelung der Wirklichkeit, die keiner braucht und niemanden interessiert. Auch das um diese Nullkunst herum gebaute Kunstsystem kam nie gut weg bei ihm: »Museums play the role of banks in the political economy of paintings« (1972: 122), hatte er einige Jahre zuvor festgestellt.

Samuel Strehle
Pierre Bourdieu (1930 – 2002)
Die Feld-Kapital-Habitus Theorie der Künste

In der Breite der Ausstrahlung seines Werks hebt Pierre Bourdieu sich von allen Sozialwissenschaftlern ab, deren Geburt in das 20. Jahrhundert fällt. Diesbezüglich wird er lediglich von Michel Foucault übertroffen, der jedoch nur bedingt als Sozialwissenschaftler zu betrachten ist. Eine weit über die Soziologie hinausreichende Rezeption charakterisiert auch Bourdieus Theorie der Künste.

Ulf Wuggenig
Richard A. Peterson (1932 – 2010) und Paul J. DiMaggio (*1951)
Organisationale Kulturproduktion und kultureller Statuskonsum

Richard A. Peterson (1932-2010) und Paul J. DiMaggio (*1951) sind zwei führende Vertreter der U.S.-amerikanischen Soziologie der Künste. Aufgrund mehrerer Gemeinsamkeiten werden sie hier zusammen behandelt, obwohl jeder von ihnen durchaus einen Einzelbeitrag verdient hätte. Gelegentlich wird von einem Lehrer-Schüler-Verhältnis gesprochen, das 1971 mit einem Studienaufenthalt DiMaggios bei Peterson an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, begann.

Gunnar Otte
Susan Sontag (1933 – 2004)

Susan Sontag (geborene Susan Rosenblatt) kam am 16. Januar 1933 in New York zur Welt. Ihre Eltern Mildred und Jack Rosenblatt, säkularisierte Juden, hatten in Tianjin (China) ein Unternehmen für Pelzhandel. Als Susan fünf Jahre alt war, starb ihr Vater an Tuberkulose (Schrei ber 2010: 15f.).

Andrea Glauser
Peter Bürger (*1936)

Peter Bürger ist ein Klassiker zu Lebzeiten. Mit seiner Theorie der Avantgarde (1974) wurde er schlagartig bekannt, und dies weit über das deutschsprachige Wissenschaftsfeld hinaus. Verbindet man mit dem Begriff des Klassikers neben einem hohen überregionalen Bekanntheitsgrad zudem ein hohes Maß an Innovation und eine eben solche Wirkung, so steht der Autor der Theorie der Avantgarde geradezu exemplarisch in dieser Reihe.

Christine Magerski
John Fiske (*1939)
Die Kunst des Handelns mit Populärkultur als Lebenskunst

Der Medien- und Kulturwissenschaftler John Fiske, geboren 1939, blickt auf eine wissenschaftliche Karriere zurück, die ihn (fast) um den ganzen Globus führte. Seine Laufbahn beginnt in Großbritannien, wo er in Cambridge zunächst 1963 den Bachelor of Arts mit Auszeichnung erhält, dem dann 1967 der Master of Arts folgt. Hieran schließen sich seit den 1970er-Jahren akademische Tätigkeiten u.a. als Prüfer, Berater und Lehrender an verschiedenen Universitäten in Großbritannien, Australien und Neuseeland an.

Sebastian Rauter-Nestler
Néstor García Canclini (*1939)
Periphere Perspektiven: Von der Kunstsoziologie zur Ästhetik des Bevorstehenden

In seinem zweiten wichtigen Buch zur Kunstsoziologie, La Producción Simbólica (1979), schreibt der Sozialanthropologe, Kultur- und Kunstsoziologe Néstor García Canclini in Fußnote 24 recht lapidar, eine gemeinsame Forschungsarbeit mit dem Instituto de Ciencas Sociales in Buenos Aires habe abgebrochen werden müssen. Die geplante Studie zum Verhalten des Publikums aus den verschiedenen sozialen Klassen gegenüber der Kunst habe, statt den Zeitraum von 1960 bis 1975 zu umfassen, sich auf die 1960er Jahre beschränken und schließlich in Mexiko fortgeführt werden müssen. Schuld an diesen Einschränkungen waren die »politische Repression und die vorherrschende kulturelle Zensur« (García Canclini 1979: 34, FN 24).

Jens Kastner
Hans Peter Thurn (*1943)
Kunsthandel und Künstlerberuf

Hans Peter Thurn ist am 5. August 1943 in Krefeld geboren. Er hat in den 1960er Jahren Philosophie, Soziologie, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte an den Universitäten Heidelberg, Frankfurt am Main und Köln studiert. Wichtig für den wissenschaftlichen Werdegang wurde die Zeit an der Universität Köln, wo Thurn mit Hilfe einer Sondergenehmigung Literatur- und Kunstwissenschaften in Kombination mit Soziologie studierte und auch seine Promotion an der dortigen Philosophischen Fakultät bei dem Plessner-Schüler Walter Hinck abschloss.

Andrea Maurer
Eilean Hooper-Greenhill (*1945)

Eilean Hooper-Greenhill (geb. 1945) zählt zu den wichtigsten VertreterInnen der britischen Museum Studies. Sie wurde 2002 im Rahmen einer Befragung der britischen Tageszeitung The Independent von Peers zu einer der ›Top Ten leading people in museums in the UK‹ gewählt. (University of Leicester 2002) Im deutschsprachigen Raum werden ihre Arbeiten dagegen bisher nur vereinzelt rezipiert. (vgl. etwa Waidacher 1999; Kamel 2004 und 2014; Laukötter 2007; Baur 2009; Reussner 2010; te Heesen 2010 und 2012; Prinz/Reckwitz 2012; Kirchberg/Tröndle 2012; Noschka-Roos/Lewalter 2013) Diese Rezeptionsverzögerung erstaunt nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass die Themen, die seit Anfang der 1990er-Jahre im Fokus ihrer Arbeit stehen, international Konjunktur haben und in zahlreichen Publikationen verhandelt werden.

Annika Weinert
Werner Gephart (*1949)
Soziologische und künstlerische Portraits der Moderne. Zu einer Soziologie der Kunstinhalte

Werner Gephart setzt sich in seinen kunstsoziologischen Arbeiten intensiv mit dem Denken von Max Weber, Georg Simmel und Emile Durkheim auseinander. Das Motiv der ›Moderne‹ ist der zentrale Fluchtpunkt seiner Kunstsoziologie. Nach Gephart ist die Moderne nicht nur soziologisch, sondern auch künstlerisch gedeutet worden.

Kerstin Fink
Antoine Hennion (*1952)
Ein ›Klassiker von morgen‹

Einen in den 1950er Jahren geborenen, französischen Musiksoziologen in eine deutschsprachige Sammlung der Klassiker der Soziologie der Künste aufzunehmen mag gleich mehrfach erstaunen. Dies weniger aufgrund seines vergleichsweise jungen Alters – Antoine Hennion ist bei Weitem nicht der einzige noch lebende, in seinem Fall sogar quicklebendige Autor in dieser Liste der Erlesenen. Und auch nicht weil er, als Folge davon, seit noch nicht so langer Zeit publiziert hätte – er tut es seit Mitte der 1970er Jahre, was einer publizistischen Tätigkeit von vier Jahrzehnten gleichkommt.

Olivier Moeschler
Nathalie Heinich (*1955)

»Für einen Soziologen stellt die Kunst so etwas wie die äußerste Herausforderung dar, weil das Gebiet der Kunst als am weitesten entfernt vom ›Sozialen‹ betrachtet wird.« (Heinich 2015a: 15) Dieser Herausforderung stellt sich die französische Soziologin Nathalie Heinich seit nunmehr fast 40 Jahren. In Marseille im Jahre 1955 geboren, absolviert Heinich zunächst an der Universität von Aix-en-Provence ein Studium in Philosophie, ohne sich in diesem Fach jemals richtig zuhause zu fühlen.

Dagmar Danko
Bernard Lahire (*1963)

Der französische Soziologe Bernard Lahire ist Autor umfassender Arbeiten zu den sozialen Modalitäten der Produktion, Rezeption und des Konsums von Kultur. Im Rahmen seiner Arbeiten im Bereich der Bildungswissenschaften und der Kunst- und Literatursoziologie hat er ein theoretisches und methodologisches Programm entwickelt, das dem Verständnis sowohl individueller Dispositionen als auch strukturierender Kontexte dient.

Léonor Graser
Metadaten
Titel
Klassiker der Soziologie der Künste
verfasst von
Christian Steuerwald
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-01455-1
Print ISBN
978-3-658-01454-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-01455-1