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Open Access 2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Klassischer Leichtbau

verfasst von : Martin Wiedemann

Erschienen in: Systemleichtbau für die Luftfahrt

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Entlang der Prozesskette des Systemleichtbaus leisten neue Materialien, bessere Materialkennwerte, verbesserte und genauere Auslegungsmethoden, neue Bauweisen, neue Fügetechnologien, effizientere Produktionstechnologien und neue automatisierte Qualitätssicherungsverfahren vielfältige Beiträge zu einem optimierten und kostengünstigeren Leichtbau. Grundlage sind kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK), deren Leichtbaupotential sich mit den im Folgenden beispielhaft zitierten Forschungsergebnissen sehr viel umfangreicher nutzen lässt.
Entlang der Prozesskette, Abb. 1.​3, leisten neue Materialien, bessere Materialkennwerte, verbesserte und genauere Auslegungsmethoden, neue Bauweisen, neue Fügetechnologien, effizientere Produktionstechnologien und neue automatisierte Qualitätssicherungsverfahren vielfältige Beiträge zu einem optimierten und kostengünstigeren Leichtbau. Grundlage sind kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK), Abschn. 1.​3, deren Leichtbaupotential sich mit den im Folgenden beispielhaft zitierten Forschungsergebnissen sehr viel umfangreicher nutzen lässt.

2.1 Neue Materialhybride und Halbzeuge

Die Entwicklung neuer Leichtbauwerkstoffe ist von starker Dynamik geprägt. Es gibt aktuell in Deutschland eine Vielzahl von Wissensplattformen sowie Forschungsprogrammen in der Werkstoffentwicklung. Die Potenziale sind vielfältig, wie die folgenden Beispiele zeigen, aber nur ausreichend hohe Vorteile rechtfertigen die im Flugzeugbau erforderlichen und umfangreichen Qualifizierungsaufwände vor der Einführung in Primärstrukturen.
Materialhybride sind eine Kombination unterschiedlicher Werkstoffklassen. Als Werkstoffklassen werden hier Metalle, Faserverbunde und unterschiedliche Kunststoffe bezeichnet. Hybride befinden sich mehr im Leistungsbereich der Metalle (vergleiche Abb. 1.​2), können aber durch die Kombination ihrer Eigenschaften in vielen Anwendungen, wo Festigkeit und Steifigkeit nicht dimensionierend sind, vorteilhaft sein.
Faser-Metall-Laminate (FML, Abb. 2.1) nutzen die spezifischen Eigenschaften der Metalle (Isotropie, Duktilität, elektrische Leitfähigkeit) in Kombination mit denen der Fasern (hohe Festigkeit und Steifigkeit, keine Ermüdung, keine Korrosion). Bekanntestes Faser-Metall-Laminat ist das in der A380 eingesetzte GLARE (Glasfaserlagen mit Aluminiumfolien), entwickelt für eine Erhöhung der Ermüdungs- und Restfestigkeit von Aluminium. FML weisen aber noch viele weitere Vorteile für den Leichtbau auf.
Für CFK-Zugproben mit eingelegten Titan-Folien lässt sich eine bis zu 30 % höhere Lochleibungsfestigkeit gegenüber einem reinen CFK-Laminat nachweisen [24] und mit eingelegten Stahlfolien eine um 15 % erhöhte Festigkeit gegen Druckbelastung nach Impact (CAI) [104]. Werden metallische Folien in den Außenlagen eines Laminats eingebracht, kann eine um 50 % erhöhte massenspezifische Energieaufnahme nachgewiesen werden [21].
Weitere Einsatzmöglichkeiten von Faser-Metall-Hybriden werden in Abschn. 3.​2 dargestellt.
Eine Hybridisierung von FV ist auch mit Elastomeren (Ethylen-Propylen-Dien-Monomer: EPDM) möglich und für unterschiedliche Anwendungen sinnvoll. Ein FML mit Absorberlagen aus EPDM weist gegenüber reinem CFK-Laminat eine bis zu 35 % kleinere Delaminationsfläche bei Impact auf [29, 30]. Außerdem sind Elastomer-GFK-Hybride sehr effektiv im Bereich der Formvariabilität (Morphing), Abschn. 4.​2.
Matrixmodifikationen verbessern die Eigenschaften z. B. von Epoxidharzen. Um matrixbasierte Versagensmechanismen im FV wie Risswachstum und Delaminationen zu minimieren, wird das Harz mit Nanopartikeln versetzt. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Partikel, umso größer die spezifische Fläche und umso besser die Bruchzähigkeit und die Energiefreisetzungsrate. Auch weitere mechanische Eigenschaften lassen sich mit Nanopartikeln positiv beeinflussen.
So können Boehmite (Aluminiumhydroxid) die Bruchzähigkeit eines Epoxidharzes um 39 % und die Energiefreisetzungsrate um 66 % sowie die Steifigkeit des Harzes um 17 % erhöhen [54]. Mineralische Nanopartikel mit 30 % Füllgehalt erhöhen die Wärmeleitfähigkeit um bis zu 40 % und reduzieren die Brandausbreitungsgeschwindigkeit auf ein Drittel [65]. Taurinmodifizierte Böhmite mit 15 % Füllgehalt verbessern neben E-Modul, Bruchzähigkeit und Energiefreisetzungsrate auch das Ermüdungsverhalten des Harzes [73].
Dünnschichtlaminate (thin ply laminates) lassen sich durch spezielle Spreiztechnologie mit Flächengewichten von 20 g/m2 bis 100 g/m2 herstellen im Vergleich zu Standard-Laminaten mit 160 g/m2 bis 600 g/m2 (Abb. 2.2). Couponproben weisen bessere mechanische Kennwerte, besseres Ermüdungsverhalten und kleinere Delaminationsflächen auf [13] sowie einen erhöhten Widerstand gegen Rissbildung [96]. Auch aus Dünnschichtlaminaten hergestellte Omega-Stringer weisen deutlich kleinere Delaminationen auf als solche aus Standardlaminaten [22]. Einen guten Überblick über die Potenziale von Dünnschichtlaminaten und die Herausforderungen ihrer Verarbeitung gibt [86].
Hochtemperatur-CFK-Materialien bieten den Vorteil einer Lasttragfähigkeit auch bei erhöhten Temperaturen, wodurch schwerere Schutzmaterialien eingespart werden können.
Studien im Rahmen eines EU-Projekts versprechen bis zu 15 % Gewichts- und bis zu 17 % Kostenreduktionspotential und geben eine Auswahl möglicher Matrixsysteme [119]. Berechnungen zeigen, dass eine versteifte CFK-Schale mit herkömmlicher Epoxid-Matrix unter Axialdruck bei 210 °C noch 53 % der Last trägt im Vergleich zur Schale bei Raumtemperatur [70].
Langfaserverstärkte Kunststoffe haben verglichen mit endlosfaserverstärkten Kunststoffen ein geringeres Leichtbaupotential, können für Sekundärstruktur- oder Kabinenanwendungen (vergl. Abb. 1.​1) aber hinsichtlich ihrer Steifigkeit durch Ausrichtung der Langfasern (bis 25 mm Länge) gut eingestellt werden. Je länger die Fasern, umso besser die Lastübertragung zwischen Fasern durch das Matrixmaterial. Am Beispiel von Langfaser-GFK lässt sich zeigen, dass bei gleicher Orientierung und gleichem Faservolumengehalt (FVG) auch 50 % der Steifigkeit erzielbar sind [63] im Vergleich zu einem Verbund mit Endlosfasern.
Rezyklate und Naturfasern gewinnen zunehmend an Bedeutung in Sekundärstrukturen des Flugzeugbaus. Aktuell werden recycelte Kohlenstofffasern (rCF) oder Verschnitt aus der Fertigung in unterschiedlichen Anwendungen eingesetzt. Es handelt sich um Langfasern, die zumeist in Form von Vliesen mit einem eher geringen FVG von ca. 30 % verarbeitet werden. Sie erlauben auch die Beimengung von Naturfasern. Verbunde aus rCF-Vliesen und Epoxid-Matrix mit 30 % FVG weisen etwa 170 % der spezifischen Festigkeit und 70 % der spezifischen Steifigkeit von Leichtbaualuminium (AlMgZn) auf [15]. Reine Sisalfasern zeigen bis zu 22 GPa Steifigkeit und ein Verbund mit 30 % FVG aus 75 % Flachsfasern und 25 % rCF eine Steifigkeit von 12 GPa. Diese und weitere Ergebnisse wurden im EU-China-Projekt ECO-Compass jüngst erarbeitet [14].

2.2 Bessere Kennwerte

Abhängig von Kennwerten werden Strukturen gegen Versagen dimensioniert. Kennwerte sind oft nicht die an Proben gemessenen mechanischen Eigenschaften eines Werkstoffs oder einer Bauweise (Festigkeit, Steifigkeit etc.), sondern resultieren aus einer Multiplikation derselben mit Knock-Down-Faktoren (KDF < 1). Ein KDF kompensiert Unsicherheiten in der Beschreibung eines Versagensmechanismus, einer Belastung oder von Fertigungsabweichungen. Oft wird eine mechanische Eigenschaft mit mehreren KDF multipliziert. Für künftige Gewichtseinsparungen müssen genauere und zuverlässige Berechnungsmethoden für Versagensmechanismen und neue Methoden der Qualitätssicherung in der Fertigung entwickelt werden.
Kennwerte für die Längsdruckbelastung einer FV-Schale nach einem Schlag auf die Oberfläche (Compression After Impact – CAI-Kennwerte) machen Leichtbaupotentiale hoch performanter CFK-Halbzeuge oft zunichte. Der Grund sind mögliche Delaminationen infolge des Impacts, die mangels Plastizität optisch nicht erkennbar sind. Ergebnisse einfacher CAI-Couponversuche werden heute direkt auf eine Realstruktur übertragen. Schalen reagieren auf Impact jedoch unterschiedlich: Wird eine dünne Schale mittig zwischen Längs- und Querversteifungen getroffen, so wird ein Teil der Energie elastisch kompensiert und geht nicht in Schädigung (Delamination) über; trifft der Impact dagegen eine rückseitig gestützte Schale, ist der Schaden viel größer. Heutige CAI-Couponversuche berücksichtigen diese Varianz nicht. Der elastische Energieanteil eines Impacts kann mit neuen Methoden bestimmt und bezüglich der CAI-Kennwerte differenziert werden und erlaubt so effektive Gewichtseinsparungen [19].
Auf der Basis einfacher Berechnungsansätze können differenzierte Auslegungen gegen Schlagschäden bereits auf Vorentwurfsebene erfolgen. Ein Überblick über die bekannten Ansätze zur Berücksichtigung von Schlagschäden auf FV-Schalen und Empfehlungen zur einfachen Anwendung sind in [20] zu finden.
Die Ermüdungsfestigkeit von FV ist deutlich besser als die von Metallen, aber der Nachweis für ein ganzes Flugzeugleben ist nicht einfach zu erbringen. Um die Ermüdungsfestigkeiten eines FV zu untersuchen, sind resonante Prüfverfahren erforderlich, die mit einer hohen Frequenz in vertretbarer Zeit eine Lastwechselzahl >107 realisieren. Die Prüfkörper müssen geeignet gewählt werden, um unrealistische Randeffekte zu vermeiden und eine Kühlung der Proben auf eine Konstant-Temperatur ist zu gewährleisten. Für einen GFK-Epoxid-Verbund wurde in einem resonanten Prüfverfahren für ein Dehnungsniveau von 1700 με die Ermüdungsfestigkeit bis 2 · 107 Lastwechsel nachgewiesen [72].
Die zulässigen Dehnungen von FV werden wegen der schlechten Erkennbarkeit von Schäden aktuell durch KDF eingeschränkt. SHM-Systeme (Structure-Health-Monitoring) machen unsichtbare Schäden in der Struktur detektierbar, Abb. 2.3. Piezokeramiken können geführte (durch die Oberflächen der Struktur begrenzte) Ultraschallwellen flächig aussenden und empfangen. Diese interagieren zum Beispiel mit Ablösungen oder Delaminationen. Durch den SOLL-IST-Vergleich der Sensorsignale können Schäden detektiert und lokalisiert werden. Dank solcher Systeme können die KDF für zulässige Dehnungen von FV heraufgesetzt und die Struktur kann dünner gebaut werden. Gewichtseinsparungen von mindestens 5 % konnten am Beispiel eines Seitenleitwerks unter Berücksichtigung des SHM-Systemgewichts nachgewiesen werden [27].

2.3 Neue Bauweisen

Um mit CFK leichter zu bauen, sind faserverbundgerechte Bauweisen erforderlich. Dazu gehören eine lastgerechte Faserorientierung, die Nutzung der Anisotropie eines Laminataufbaus und die Einsatzmöglichkeiten der Klebetechnologien auch für Primärstrukturen. Die Vorteile der fertigungsbedingten Integrationsmöglichkeiten und der relativ freien Formgebung sollten bereits im Entwurf Berücksichtigung finden. Praktisch gibt es einige Herausforderungen in der Umsetzung und im Einsatz solcher Bauweisen. Hier lohnt es sich, mit Blick auf die Weiterentwicklung von Berechnungswerkzeugen und Fertigungstechnologien (Digitalisierung), bereits bekannte Konzepte neu zu bewerten.
Eine faserverbundgerechte Bauweise spart Gewicht und Herstellungskosten. Eine Übersicht über Anforderungen und verschiedene FV-Rumpfkonzepte wurde in einem LuFo-Projekt (Luftfahrtforschungsprogramm) entwickelt. So kann beispielsweise ein Sandwich(SW)-Hautschalen-Konzept mit integrierten Längsnaht-Stringern und durchgehenden Spanten bis zu 30 % gegenüber einem heutigen A320-Rumpf einsparen, Abb. 2.4. Wird – in einem anderen Konzept – der Frachtraum außerhalb der durch Innendruck beaufschlagten Kabine angeordnet, so ergibt sich ein Potential von 25 % Gewichtseinsparung gegenüber einer A320 [61].
Die Umgebungsstruktur einer Passagiertür in einem Flugzeugrumpf ist wegen der Stützung des großen Ausschnitts gegen Schubverformungen und der Aufnahme lokal konzentrierter Lasten aus den Türbeschlägen schwer und wegen des komplexen Aufbaus auch teuer. Im 7. Rahmenprogramm der EU wurden im Projekt MAAXIMUS [47] neue Möglichkeiten einer faserverbundgerechten, hochintegralen Türrahmenstruktur (Door-Surround-Structure: DSS) untersucht. Konstruktiv lassen sich hinsichtlich der Schubversteifung wie auch der Hautaufdickung in den Rahmenecken erhebliche Gewichtseinsparungen erzielen [116].
Es wurde auch eine integrale Bauweise entwickelt, die die Kosten im Zusammenbau eines Türrahmens effektiv zu reduzieren erlaubt [60].
Ultra-Leichtbau für spezielle Anwendungen, zum Beispiel hochfliegende, unbemannte Kommunikationsplattformen, zeigt die Grenzen des Machbaren auf. Für eine hochfliegende Plattform mit maximalem Abfluggewicht (MTOW) von 135 kg und einer Spannweite von 30 m ist eine Konstruktion aus gewickelten Holmen und profilgebenden Sandwichrippen sowie einer Bespannung mit einem Flächengewicht der Flügel von 0,9 kg/m2 möglich, Abb. 2.5, [114].

2.4 Neue Fügetechnologien

Der Fügung von Faserverbundbauteilen gebührt im Leichtbau besondere Beachtung. So stellen prozessinduzierte Verformungen eine Herausforderung dar: Bei einer strukturellen Klebung müssen Fügepartner über die ganze Kontaktfläche zueinander passgenau sein. Wird genietet, resultieren Zusatzgewicht und Zusatzkosten. Die CFK-Schalen müssen im Bereich der Bohrlöcher wegen geringer Lochlaibung mit Zusatzlagen konstruiert werden. Geringe Standzeiten von Bohrwerkzeugen und die wegen Korrosionsbeständigkeit notwendigen Titan-Niete erhöhen die Kosten.
Bei profilartigen Bauteilen mit winkeligen Querschnitten kommt es während der Aushärtung zu prozessinduzierten Deformationen (PID), dem Spring-In, Abb. 2.6, und bei flächigen Laminaten zu einer Verwölbung. Eine Berechnung dieser aus dem Thermalschrumpf der Matrix resultierenden Verformungen erlaubt die Kompensation im Formwerkzeug. Verbleibende Eigenspannungen (prozessinduzierte Spannungen – PIS) können mit der Analyse des Aushärteverhaltens und einer geeigneten Temperaturführung minimiert werden.
Effiziente Simulationsverfahren zur präzisen Soll-Kontur-Einstellung, basierend auf Versuchen repräsentativer Kleinproben (Coupons) sind verfügbar [56] und am Beispiel einer komplexen CFK-Struktur (Abb. 2.6) für die Kompensation der PID validiert [55]. Auch die Wirkung der Streuungen der Prozessparameter auf PID und PIS lassen sich bestimmen [69].
Strukturelles Kleben ist für Primärstrukturen im Flugzeugbau bis heute nur eingeschränkt möglich, da sich Defekte in der Klebung mit zerstörungsfreien Testmethoden (NDT) nicht entdecken lassen. Die Zulassungsvorschriften (Acceptable Means of Compliance: AMC) der Luftfahrtbehörde EASA (AMC 20–29) [31] fordern für die Zertifizierung einer Klebung eine durch Tests substantiierte Nachweisführung für alle Belastungsarten und eine eindeutige und individuelle Prüfung jeder Klebung gegen Schwächung (weak bonds). Eine prozesssichere und zulassungsfähige strukturelle Klebung, basierend auf einer speziellen Oberflächenaktivierung (Fused Bonding) und einer Prüftechnologie für die Klebung (Bondline-Control-Technology: BCT) [43], ist inzwischen für den Zusammenbau von Primärstrukturen entwickelt worden [42] und in einem YouTube-Video anschaulich beschrieben [44]. Dieses Verfahren erlaubt auch die Klebung von metallischen Strukturen (Abb. 2.7).
Reparaturklebungen unterliegen erhöhten Anforderungen, da sie oftmals unter eingeschränkt kontrollierbaren Bedingungen ausgeführt werden müssen. Um Klebereparaturen zu ermöglichen, sind inzwischen mehrere Verfahren verfügbar.
Eine prozesssichere Klebereparatur ist mit der BCT unter Einsatz von metallischen Geweben zur Prüfung der Klebevorbehandlung möglich [43]. Eine hybride Klebverbindung aus Epoxid mit Thermoplast als rissstoppender Phase unterbindet die Ausbreitung einer Delamination bei Dehnungen bis 5000 με [71].

2.5 Neue Fertigungstechnologien

Dieses Kapitel beschreibt neue Fertigungstechnologien, die die genaue und kostengünstige Realisierung neuer Leichtbaustrukturen ermöglichen.
Die Ablage von Endlosfasern in flächigen Bauteilen erfolgt durch automatisierte Tape(ATL)- oder Fiberplacement(AFP)-Verfahren mit vorimprägnierten Faserlagen (Prepregs) oder in Trockenablage mit anschließender Harzinfusion (LCM). AFP mit schmalen Faserbändern erlaubt die Ablage von Radien. Für komplexe linienförmige Bauteile in Profilform mit veränderlichen Querschnitten wird meist die Trockenablage textiler Halbzeuge mit Injektion in geschlossenen Formwerkzeugen (Resin-Transfer-Moulding: RTM) angewandt. Des Weiteren sind Pultrusions- und Wickelverfahren im Einsatz.
Die Tränkung erfolgt bei trocken abgelegten Fasern durch verschiedene Varianten der Infusion bzw. Injektion [49].
Unterschiedliche Kompaktierungsverfahren (reiner Umgebungsdruck, Formwerkzeug, Autoklav) dienen der Erzeugung eines definierten Faservolumengehalts (FVG). Bis ca. 65 % FVG ist eine vollständige Durchtränkung und Umschließung der Faserfilamente mit Harz möglich.
Fertigungskosten werden beeinflusst durch die Effizienz der Faserablage, durch den Umgang mit oder besser die Vermeidung von Fertigungsabweichungen sowie die Minimierung des Verbrauchs von Hilfsstoffen und eingesetzter Energie.
Einen guten Überblick über den aktuellen Stand von effizienten und kostensparenden CFK-Fertigungstechnologien gibt der Projektbericht EFFEKT (LuFo V-2) [58].
Die RTM-Technologien (Abb. 2.8) bieten hohes Automatisierungspotentzial und viele Vorteile bei der Fertigung komplexer Bauteile. Sie können direkt aus der festen Werkzeugkavität entnommen werden, ohne zeit- und kostenaufwendige Nachbearbeitung, wie z. B. Kantenversiegelung. Eine isotherme Prozessführung erlaubt die Minimierung des erforderlichen Energieeinsatzes und die Verwendung von Formwerkzeugmetallen, deren thermischer Ausdehnungskoeffizient nicht minimiert sein muss, wie bei teuren INVAR-Stählen.
Eine Übersicht über neue Teiltechnologien für die effiziente Anwendung des RTM und Vorteile im Zusammenspiel mit Industrie 4.0 wird in [115] gegeben.
Flexible Fertigungskonzepte und hohe Automatisierungsgrade in der Nutzung der RTM-Technologie auch für geringe Stückzahlen sind ebenfalls erprobt [108].
Eine Prozesszeitreduktion von 60 % durch isotherme Prozessführung und weitere Vorteile wurden anhand der Fertigung von Rumpfspant-Segmenten nachgewiesen [94].
Um die Faserablage in Luftfahrt-Toleranzen (0,1 mm maximaler Spalt zwischen abgelegten Faserbändern) sicherzustellen, werden heute zumeist steife Portalanlagen eingesetzt, bei denen ein AFP- oder ein ATL-Ablegekopf auf liegenden Formwerkzeugen Fasermaterial ablegt. Die Ablegerate liegt wegen Materialspeicherwechseln, Qualitätskontrollen und der Behebung von Ablegefehlern gegenwärtig bei etwa 10 kg/h (AFP) bis 20 kg/h (ATL).
Die geforderten Toleranzen lassen sich auch mit Robotern realisieren. Eine solche Anlage mit 8 mobilen und koordinierten Robotereinheiten, die auf einem Schienensystem angeordnet in senkrecht stehenden Formwerkzeugen Fasern ablegt, erhöht die Ablegerate deutlich und spart Platz. Eine Demonstratoranlage wurde in Stade im Jahr 2013 errichtet, Abb. 2.9, [7]. Besondere Merkmale sind neben der Vertikalablage die Parallelarbeit mehrerer Roboter an einem Bauteil, die unterbrechungsfreie Weiterarbeit durch Aufgabenübertragung bei Ausphasung einzelner Roboter (beispielsweise für den Wechsel der Materialspeicher), eine Online-Qualitätssicherung und die kollisionsfreie und ereignisgesteuerte Anlagenregelung.
Das Konzept dieser Multi-Roboter-Anlage mit einer Ablegerate von 150 kg/h wird in [64] beschrieben.
Mit einer zweiten, parallelen Ablegeeinheit lassen sich bereits 30 % höhere Ablegeraten erzielen [26].
Wesentlich ist die Bahnplanung und kollisionsfreie Verteilung der Arbeitsaufträge an die einzelnen Roboter [98]. Die multi-robotische Faserablage in Aktion ist hier zu sehen: [120].
Das Faser-Metall-Hybrid GLARE wurde bereits genannt (Abschn. 2.1). Für eine Senkung der Fertigungskosten und -zeiten ist eine Automatisierung der GLARE-Fertigung entwickelt worden. Schichtweise werden Glasfaser-UD-Lagen durch Roboter in korrekter Winkellage positioniert, dünne Aluminiumfolien von bis zu 1,3 m Breite und 2 m Länge sowie Klebefilme faltenfrei und positionsgenau abgelegt und gemeinsam mit gehefteten Stringern im Autoklav konsolidiert. Die Produktionsrate konnte um den Faktor 5 gesteigert werden [110].
Für die fehlerfreie Durchtränkung (keine Lufteinschlüsse) ist das Harz durch geeignete Angusskanäle in das FV-Bauteil einzuleiten. Streuungen in der Permeabilität der trocken abgelegten Fasern haben zur Folge, dass sich die Fließfront bauteilindividuell entwickelt. Die Infusion sollte daher idealerweise sensorgeregelt (Abschn. 2.6) erfolgen nach festgestellter Harzfrontentwicklung, d. h. die Harzkanäle sollten „schaltbar“ sein. Gleichzeitig ist es gewünscht, Kosten und Abfall zu vermeiden und solche schaltbaren Kanäle für die Tränkung vieler Bauteile wiederholt einzusetzen. Das Vakuumdifferenzdruckverfahren (Abb. 2.10) erlaubt die selektive Aktivierung wiederverwendbarer Verteilungskanäle ohne Bauteilabdrücke bei reduziertem Harzverbrauch [48] und ist in einem Tutorial beschrieben [28].
Der Autoklav ist für die Erzeugung hoher FVG bei großflächigen Bauteilen das effizienteste Werkzeug. Nachteile sind die thermische Trägheit, die eine gezielte Regelung erschwert, die eingeschränkte Beobachtbarkeit des Prozessgutes während der Aushärtung, die langen Prozesszeiten (bis zu 9 h) und der hohe Leistungsbedarf (bis zu 6 MW). Diese lassen sich größtenteils beheben, wenn man die thermischen Vorgänge im Autoklav während der Prozesszeit durch eine gekoppelte thermodynamische Strömungssimulation vorausberechnet und eine geeignete Sensorik am Bauteil verwendet für eine frühzeitige Detektion von SOLL-IST-Abweichungen und um den Aushärtegrad zu bestimmen. Bis zu 50 % Zeit- und 30 % Energieeinsparung sind durch den Einsatz eines virtuellen Autoklav sowie die Regelung über dielektrische Sensoren für die Bestimmung des Aushärtegrades möglich [109].
Um Leichtbau mit Endlosfasern im 3D-Druck zu realisieren, müssen die Fasern in einen aufschmelzbaren Matrixwerkstoff eingebettet werden. Thermoplaste bedürfen jedoch wegen ihrer hohen Viskosität besonderer Tränkungsverfahren, um die Filamente gleichmäßig zu umschließen.
Mit einer neuen Ultraschall-basierten Imprägniertechnologie (Abb. 2.11) können die Kosten für endlosfaserverstärkte Thermoplasthalbzeuge für den 3D-Druck um 80 % reduziert werden [107].
Mehr zur Entwicklung des 3D-Drucks mit Endlosfasern ist unter [34] beschrieben.

2.6 Neue Qualitätssicherungsverfahren

Je nach Technologie und Bauteil kann die Qualitätsprüfung von FV-Bauteilen bis zu 30 % der Fertigungszeit ausmachen. Heutige Qualitätsprüfungen können mit zunehmender Sensorqualität und Rechenleistung durch Online-Qualitätskontrolle ersetzt werden. Online Erkennung von Abweichungen und die schnelle Feststellung erforderlicher Korrekturen spart erheblich Zeit und Kosten. Hier sei beispielhaft nur eine kleine Zahl neuerer Entwicklungen genannt.
Eine typische Fertigungsabweichung sind Faserwelligkeiten, die sich beim Co-Bonding vorausgehärteter Bauteile mit noch nicht ausgehärteten FV-Schalen einstellen. Ein Verständnis der Wechselwirkung dieser Abweichungen mit Belastungen und möglichen Schäden im Betrieb des Flugzeugs hilft, Nacharbeiten zu minimieren bzw. KDF für Kennwerte weniger konservativ zu wählen. Wie Faserwelligkeiten mit Impactschäden unter der nachfolgenden Längsdruckbelastung einer FV-Schale interagieren, kann inzwischen beschrieben werden und ist durch Tests validiert [12].
Faserlegefehler bei ATL können Spalte oder Überlappungen der Faserbänder sein und in der Ablage mit AFP zudem noch Verdrehungen. Da schwarze Fasern wenig Licht reflektieren, ist eine optische Fehlererkennung schwierig. Am häufigsten kommen derzeit zur optischen Ablageüberwachung Laser-Line-Scan-Sensoren (LLSS) zum Einsatz (Abb. 2.12).
Heute kann die Kameraaufnahme eines Lasersignals geeignet modelliert, die Qualität des LLSS-Signals für die Fehlererkennung bewertet [75] und eine Klassifikation mit bis zu 100 % Trefferquote realisiert werden [74].
Wird eine Abweichung von Fertigungsvorgaben festgestellt, ist eine In-Situ-Bewertung erforderlich, um direkt im Prozess zu entscheiden, ob toleriert werden kann oder korrigiert werden muss.
Der Einfluss eines fehlenden Faserbands bei der Ablage einer Flügelschale auf die Spannungsverteilung kann echtzeitfähig durch Vergleich einer lokalen Soll- und Ist-FEM erfolgen [45].
Ein möglicher Fehler bei Infusionsprozessen ist der Verbleib trockener Einschlüsse im FV-Bauteil (Dry Spots) durch ungleichmäßig voreilende Harzfronten. Die am Bauteil angebrachten Harzkanäle werden durch eine Infusionsstrategie festgelegt, die auf einer genauen Kenntnis des Fließverhaltens eines Harzes in einer mit Fasermaterial gefüllten Kavität unter Parametern wie Druck und Temperatur aufbaut. Wie sich die Parameter Matrix-Viskosität, Faserpermeabilität und Infusionsdruck auf die Entstehung von Dry-Spots in einem Infusionsprozess auswirken, ist heute gut verstanden [18].
Für einen hohen FVG wird bei offenen Formwerkzeugen eine vollständige Einhüllung des FV-Bauteiles durch geeignete Folien vorgenommen, ein Vakuum angelegt und die Einhüllung zusätzlich durch Außendruck – im Autoklav 6 bis 15 bar – an das Bauteil gepresst. Für eine fehlerfreie Kompaktierung und – im Falle einer Harzinfusion –vollständige Bauteildurchtränkung darf die Folie keine Leckagen enthalten. Aufgrund der Bauteilgröße und ihrer geometrischen Komplexität, beispielsweise bei Schalenstrukturen, treten jedoch oft Undichtigkeiten auf. Die schnelle Vakuumleckagedetektion ist daher ein entscheidender Kostenfaktor. Mittels Thermographie und piezoelektrischen Drucksensoren lassen sich Leckagen automatisiert mit 20 % Zeitersparnis finden im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren [40].
Die Überwachung der Fließfrontentwicklung einer Infusion bedarf bei geschlossenem Formwerkzeug geeigneter Sensoren. Piezokeramische Ultraschall(US)-Sensoren eignen sich für Impuls-Echo-Anwendungen (Abb. 2.13). Die Dichteänderung in einem Faseraufbau vor und nach der Tränkung mit Harz führt zu deutlichen Amplitudensprüngen in der Signalantwort. Die Sensoren können sehr klein gebaut und in das Formwerkzeug integriert werden, ohne in direkten Kontakt mit dem Harz zu treten. Mit ihrer Hilfe lassen sich Fließfrontverläufe sehr genau, Fließfrontgeschwindigkeiten auf 5 % und Fließrichtungen auf 19 % genau bestimmen [68].
Fazit
Neue Werkstoffkombinationen und Halbzeuge befinden sich in einer dynamischen Entwicklung. Eine große Hürde für den Einsatz im Flugzeugbau besteht in der umfangreichen und damit kostenintensiven Qualifizierung durch speziell zertifizierte Prüflabore (z. B. nach NADCAP [8, 50]). Notwendig sind branchenübergreifende Normen und Qualifizierungsprogramme, die ausreichende Absatzmengen neuer Halbzeuge garantieren.
Um mit FV deutlich leichter bauen zu können, muss die Erkennbarkeit von Schäden dieser Werkstoffklasse verbessert werden. Mit höheren zulässigen Dehnungen in CFK-Strukturen ließen sich bereits 5 % bis 10 % Primärstrukturgewicht einsparen.
Neue Bauweisen weisen das größte Leichtbaupotential aus, haben aber weitreichende Auswirkungen auf Fertigungskonzepte, Systemintegration und Wartung im Betrieb. Daher liegen hier die Entscheidungen ganz klar in der Zuständigkeit der Flugzeughersteller selbst.
Kleben als Fügetechnologie spart Gewicht und Kosten. Passgenauigkeit der Bauteile und Prozesssicherheit als unabdingbare Voraussetzungen der Klebung sind inzwischen realisierbar.
Hochautomatisierte und im industriellen Maßstab erprobte Fertigungstechnologien stehen zur Verfügung für die wirtschaftliche Herstellung von gewichtsoptimierten FV-Strukturen mit weniger Energie und geringeren Mengen an Hilfsstoffen. Neue Fertigungstechnologien erschließen dem Faserverbund weitere Anwendungsmöglichkeiten.
Moderne Sensortechnologien und Auswertealgorithmen erlauben eine Online-Überwachung der Fertigung und schnelle, automatisierbare Bewertung und Korrektur bei Fertigungsabweichungen. Heutige Fertigungskosten können signifikant reduziert und Bauteilausschuss vermieden werden.
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Metadaten
Titel
Klassischer Leichtbau
verfasst von
Martin Wiedemann
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38480-7_2

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