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Open Access 2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Systemleichtbau mit Integration passiver Funktionen

verfasst von : Martin Wiedemann

Erschienen in: Systemleichtbau für die Luftfahrt

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Passive Funktionen dienen nicht der Lastabtragung alleine, wie im klassischen Leichtbau, sondern erfüllen weitere Anforderungen an das Gesamtprodukt, wie z. B. eine Minimierung des aerodynamischen Strömungswiderstands, Bereitstellung elektrischer Leitfähigkeit und thermischer oder akustischer Dämmung.
Passive Funktionen dienen nicht der Lastabtragung alleine, wie im klassischen Leichtbau, sondern erfüllen weitere Anforderungen an das Gesamtprodukt, wie z. B. eine Minimierung des aerodynamischen Strömungswiderstands, Bereitstellung elektrischer Leitfähigkeit und thermischer oder akustischer Dämmung.

3.1 Strukturen für die natürliche Laminarhaltung

Laminarhaltung umströmter Flächen reduziert den Reibungswiderstand und trägt gemäß Brequet direkt proportional zur Reduktion des Energieverbrauchs eines Flugzeugs bei, Abschn. 1.​2.
Die Reduktion des Reibungswiderstands durch Laminarhaltung auf der Flügeloberseite wird auf bis zu 8 % geschätzt [51]. Strukturen so zu gestalten, dass die Strömung möglichst lange laminar anliegt, hat daher unmittelbaren Einfluss auf die Energieeffizienz eines Flugzeugs. Dabei kann die natürliche Laminarhaltung durch geeignete Formgebung der Struktur, insbesondere durch Vermeidung von Spalten oder Unstetigkeiten an Fügekanten, wesentlich unterstützt werden.
Auch heutige CFK-Flügelschalen werden noch mit Vernietungen gefertigt. Diese verursachen Unebenheiten und Überstände, die eine Wirbelbildung und frühzeitigen Strömungsumschlag begünstigen. Eine integrale laminare Flügeloberschale stellt – unter Berücksichtigung von PID und bei Sicherstellung eines hohen FVG – besondere Anforderungen an Konstruktion und Fertigung. Ein Lösungsansatz für eine vollintegrale, laminar taugliche CFK-Flügeloberschale ist am Beispiel eines 2,5 m × 1,5 m Demonstrators in [52] beschrieben (Abb. 3.1).
Die fertigungsbedingte Welligkeit einer CFK-Flügeloberschale beeinflusst die Lauflänge der laminaren Strömung über die Flügeltiefe. Ein ideal laminarer Flügel sollte bis zu einer relativen Flügeltiefe von 60 % laminar umströmt werden. PID führen zu konkaven Vertiefungen in der Haut und lastinduzierte Deformationen (LID) zu einer konvexen „Kissenbildung“. Netto verbleibt eine störende Welligkeit, die den Strömungswiderstand des laminaren Flügels erhöht. Die laminare Lauflänge der Strömung über eine Flügeloberfläche kann durch Einflüsse aus PID und LID um bis zu 4 % reduziert werden [46].
Wesentlich für NLF ist die Vermeidung von Spalten oder Stufen zwischen angrenzenden Bauteilen an der umströmten Seite einer Struktur, vergl. Abb. 3.2 links. Nietköpfe der Verbindung des Vorflügels zur Flügelschale wirken sich ebenfalls negativ aus. Hinzu kommt die Wartungsforderung einer schnellen Austauschbarkeit des Vorflügels im Falle von Beschädigungen unter Einhaltung kleinster Toleranzen. Daher wurde eine laminare CFK-Flügelvorderkante mit metallischen Abdeckfolien entwickelt mit einer maximalen Stufenhöhe <0,15 mm, [97], deren schneller Austausch durch eine toleranzkompensierende Verbindung mit Exzenterbuchsen sichergestellt wird [105].

3.2 Elektrische Leitfähigkeit von CFK

CFK-Strukturen besitzen durch das Matrixmaterial bedingt eine geringe elektrische Leitfähigkeit. Um diese herzustellen (Electric Structure Network: ESN), wird aktuell in CFK-Rumpfstrukturen (A350-Rumpf, [10]) zusätzlich nichttragendes Metall verbaut. Es entstehen Zusatzgewichte für das Flugzeug und Zusatzkosten in der Fertigung.
Mit 6000 S/m zeigen Kohlefasern etwa 30 % der metallischen Leitfähigkeit, aber das umgebende Matrixmaterial mit ca. 10−8 S/m verhindert als Isolator sowohl den Blitzschutz wie auch die Masseanbindung elektrischer Verbraucher. Die elektrische Leitfähigkeit in der CFK-Laminatdicke lässt sich durch silberbeschichtete Polyamid-Fäden in Kombination mit leitfähigen Vlieslagen auf 600 S/m steigern [93] und das erforderliche Flächengewicht eines Blitzschutzes auf einer CFK-Oberfläche von 175 g/m2 auf 25 g/m2 senken [92] (Abb. 3.3).
In der A380 sind für die Datenkommunikation elektrische Leitungen mit einem Gesamtgewicht von 3 t installiert [59]. FML-Hybride sind bezüglich Kontaktierung und Beschädigung redundant; lokale Defekte können die elektrische Leitfähigkeit nicht beeinträchtigen. Gemeinsam mit mechanischen Vorteilen können somit elektrische Signale auf mehreren Ebenen durch das Laminat transportiert werden. Entscheidend für die zulässige anlegbare elektrische Spannung ist die Durchschlagfestigkeit der Einzellagen. Für Metallfolien, die mit drei 0,1 mm dicken Glasfaserlagen und Epoxidharzmatrix elektrisch getrennt werden, sind 250 V bis 600 V übertragbar [89].
Die Integration elektrisch leitfähiger Lagen in einen FV ermöglicht auch eine gezielte Erwärmung beispielsweise zur Enteisung von Flügelvorderkanten ohne Zuführung von Systemleitungen. Mit einer geeigneten konstruktiven Umsetzung (Abb. 3.4) wird die elektrische Enteisung mit 1/3 der Wärmeleistung eines konventionellen Anti-Icing-Systems möglich, d. h. ca. 3,6 kW/m2 [87].
Kabinenelemente bestehen in der Regel aus nichtleitendem Sandwich-FV und sind durch eine Vielzahl elektrischer Verbraucher charakterisiert. Neben der Erdung ist die Energieversorgung extra zu installieren mit resultierendem Zusatzgewicht und Zusatzkosten.
Durch Integration der Leiterbahnen in die Rückwand einer A330-Bordküche konnte eine Gewichtseinsparung von 30 % gegenüber heutigem Stand der Technik nachgewiesen werden [88] (Abb. 3.5).
Die Integration von elektrischen Leiterbahnen in eine FV-Struktur bietet viel Potenzial, wenn eine betriebssichere Kontaktierung gewährleistet werden kann. Ein multifunktionales Lastinsert für SW-Strukturen mit integrierter elektrischer Signalübertragung und Thermallastübertragung wurde jüngst für ein Satellitenwandpanel konstruiert und erfolgreich erprobt [84].

3.3 Lärmtransmission in die Kabine

CFK-Rumpfstrukturen erhöhen wegen der hohen Materialsteifigkeit die Schallausbreitung und -abstrahlung in eine Kabine. Um Turbinen- und Strömungsschallabstrahlung in die Kabine zu reduzieren wird aktuell Isolationsmaterial verwendet. Eine leichtere Möglichkeit besteht im Einsatz einer passiven Dämpfungsschicht (Passive Constrained-Layer-Damping: PCLD), deren Flächengewicht mit ca. 0,83 kg/m2 geringer ausfällt. Die Wirkung von PCLD bei einem steifen Grid-Panel (vergl. Abschn. 2.​3) auf die abgestrahlte Schalleistung wurde mit −2 dB für Frequenzen über 300 Hz festgestellt [106].
Steife Sandwichverkleidungen einer Flugzeugkabine eignen sich nur bedingt für die Schalldämmung. Allerdings kann durch die geeignete, massekonstante Gestaltung des Wabenkerns das Schalldämmmaß dieser Sekundärstrukturen erhöht und gezielt für akustisch angepasste Transmissionseigenschaften eingesetzt werden.
Simulativ lässt sich zeigen, dass für ein SW-Panel mit GFK-Decklagen und gedrucktem Kunststoff-Wabenkern das Schalldämmmaß gezielt verändert werden kann [90]. Experimente belegen, dass das Schalldämmmaß abhängig von der Wabenkerngeometrie und ihrer Decklagenstützung ab 500 Hz aufwärts wirksam wird [91] (Abb. 3.6).
Fazit
Die vollintegrale CFK-Bauweise und moderne Klebetechnologien erlauben eine weitgehende Vermeidung von Stufen und Unebenheiten auf der Oberfläche umströmter Strukturen. Dadurch ist eine Laminarhaltung und die effektive Reduktion des Strömungswiderstands möglich.
Die elektrische Leitfähigkeit von Strukturen selektiv zu erhöhen oder zu mindern, erlaubt eine gewichtsminimale Realisierung unterschiedlicher Funktionen.
Gestaltungsmöglichkeiten der FV-Struktur sind bis in den Bereich der akustischen Abstrahlung hinein wirksam.
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Metadaten
Titel
Systemleichtbau mit Integration passiver Funktionen
verfasst von
Martin Wiedemann
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38480-7_3

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