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30.04.2024 | Kommunikationstechnik | Im Fokus | Online-Artikel

Maschinenbau spielt als 5G-Anwender eine Sonderrolle

verfasst von: Thomas Siebel

5:30 Min. Lesedauer

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In lokalen 5G-Netzen werden bis zu 1 Million Geräte zuverlässig und mit geringer Latenz kommunizieren können. Im Maschinenbau wächst das Interesse am Aufbau lokaler Campusnetze. Ein aktualisierter Leitfaden gibt Orientierung.

Vernetzte Maschinen, fahrerlose Transportsysteme, kollaborative Roboter, Augmented Reality – die Industrie befindet sich inmitten der digitalen Transformation, und einer der Wegbereiter ist die 5G-Technologie. Die Mobilfunkgeneration setzt im Vergleich zu anderen Funklösungen neue Maßstäbe, nicht nur in Sachen Übertragungsraten, Zuverlässigkeit und Latenz, sondern auch was Flexibilität, Sicherheit und Verfügbarkeit angeht.

Im Laufe der nächsten Jahre soll die Technologie schrittweise immer leistungsfähiger werden. Spitzendatenraten von 20 Gbit/s im Downlink und 10 Gbit/s im Uplink sind bis zum Erreichen der letzten Entwicklungsstufe der 5G-Technologie zu erwarten, ebenso die Anbindung von bis zu 1 Million Endgeräten pro km2 und eine garantierte Kommunikation mit einer Latenz bis zu 1 ms. Ein derart leistungsfähiges Netz bedarf allerdings noch entsprechender Infrastruktur und Endgeräte, die sich heute zum Teil noch in der Entwicklung befinden, sowie der geplanten Releases 16 bis 19 für die Mobilfunktechnologie.

Hunderte Anträge für lokale 5G-Netze eingegangen

Release 16, das noch 2024 erscheinen soll, verspricht beispielsweise zuverlässige Kommunikation mit geringer Latenz (URLLC) und die Möglichkeit zur Lokalisierung, Release 17 bringt Fortschritte hinsichtlich mehr Energieeffizienz, während mit Release 18 beispielsweise die Lokalisierungsgenauigkeit von heute noch 20 m auf dann deutlich unter 1 m sinkt.

Als Anwender für 5G nimmt der Maschinen- und Anlagenbau eine Sonderstellung ein. Im Gegensatz zu anderen Branchen sind hier nämlich nicht nur bestimmte Ausprägung der 5G-Technologie relevant, sondern alle. Das Interesse seitens der Branche ist da: Seit 2019 können Unternehmen in Deutschland ihr eigenes, privates 5G-Campus-Netz im Frequenzband 3,7 bis 3,8 GHz exklusiv zur Verfügung. Bis Anfang 2024 sind bei der Bundesnetzagentur 376 Anträge auf die Errichtung lokaler 5G-Netze eingegangen, 371 davon wurden bewilligt.

Einige Unternehmen mit mehrjähriger 5G-Erfahrung

Einige Unternehmen können mittlerweile auf einige Jahre Erfahrung mit dem Aufbau und Betrieb von 5G-Campusnetzen vorweisen, wobei insbesondere das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen ISS als Forschungspartner aktiv ist. Beispielsweise erprobt das Unternehmen Lapp die Ansteuerung und Synchronisierung von Roboterarmen über 5G-Funk. Die Funkverbindung soll verschleißanfällige Leitungen ersetzen und die Produktion kleiner Losgrößen flexibler gestalten.

Das Unternehmen Agco-Fendt betreibt und vernetzt mobile Roboter, Fertigungsanlagen und das Kontrollsystem über 5G. Das soll den Landmaschinenhersteller in die Lage versetzen, Fertigungshallen flexibel umzustrukturieren oder umzuziehen und so in noch kürzeren Zyklen neue Fahrzeugmodelle auf den Markt bringen zu können. Die Unternehmen Still und Sick nutzen 5G für den Retrofit von Bestandsmaschinen, wobei Sensoren Monitoringdaten wie Vibrationen oder auch Bilder drahtlos übertragen.

Einen Überblick über aktuelle den aktuellen Stand im Bereich von 5G im Maschinen- und Anlagenbau liefert ein kürzlich aktualisierter Leitfaden, der erstmals im Jahr 2020 veröffentlicht wurde. Erarbeitet hat ihn das Fraunhofer ISS mit Unterstützung des VDMA. In der neuen Fassung gehen die Autoren auch auf Aspekte wie Open RAN und Security, die zuletzt verstärkt die Entwicklung prägten.

Open RAN soll für mehr Wettbewerb sorgen

Ein 5G-Netz besteht, wie jedes Mobilfunknetz, aus den drei Teilen

  • Funkzugangsnetz, in dem sich Endgeräte, Antennen oder Basisstationen befinden
  • Transportnetz als Verbindung zwischen den Basisstationen und dem Kernnetz
  • Kernnetz für das Teilnehmermanagement, die Steuerung und die Nutzung, worunter die Vermittlung von Sprach- und Datenströmen gehört.

Neuerungen haben sich in sich in den letzten Jahren insbesondere im Bereich des Funkzugangsnetzes ergeben, wo zunehmend das sogenannte Open RAN zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich um eine offene Architektur, über die Komponenten unterschiedlicher Hersteller in das Netz einbezogen werden können.

Bislang war man auf im Bereich der Zugangsnetze auf die Technologiepools der jeweiligen Hersteller angewiesen, die proprietäre, nicht veröffentlichte Schnittstellen nutzen. Die offenen Schnittstellen des Open RAN sollen hier nun für mehr Wettbewerb sorgen. Allerdings ist der Aufbau von Open-RAN-Systemen vergleichsweise komplex, sodass der Mehraufwand gegenüber der Einrichtung eines herkömmlichen RAN-Systems gegen die Chancen durch eine breitere Auswahl an Komponenten abzuwägen ist.

5G-Technologie mit "großem Schritt Richtung Sicherheit"

Den Autoren zufolge hat die 5G-Technologie mittlerweile einen "großen Schritt in Richtung erhöhter Sicherheit" gemacht. Insbesondere im Hinblick auf Campusnetzwerke seien vom LTE-Standard bekannte Sicherheitslücken behoben worden. Zudem definiere der 5G-Sicherheitsstandard Maßnahmen, die unter anderem die Sicherheit innerhalb des Kernnetzes sowie zwischen User Equipment und Kernnetz betreffen. Auch Sicherheitsaspekte bei der Mobility, zwischen gekoppelten 5G-Netzwerken und beim Netzwerk-Slicing – also dem Aufteilung eines 5G-Netzes in mehrere, parallel betriebene und voneinander getrennte, virtuelle Netzwerke – würden adressiert.  

Für die Einführung eines 5G-Netzes für die eigene Produktion empfehlen die Autoren unter anderem folgende grundsätzliche Schritte zur Vorbereitung:

  • Aktuelle und zukünftige Use Cases erarbeiten und Anforderungen an Datenraten, Latenzen, Zuverlässigkeit und Genauigkeit formulieren 
  • Maximales Potenzial bereits vorhandener Systeme wie Wi-Fi, DECT-Telefonsysteme, Ethernet oder beispielsweise UWB-basierte Lokalisierungssysteme erfassen
  • Kosten für 5G-Campusnetz und mögliche Einsparungen durch den Wegfall bereits installierter Systeme gegenüberstellen

Campusnetz im Eigenbetrieb oder durch Mobilfunkanbieter?

In dem Zuge sei dann auch die Frage nach der Art des Campusnetzes zu klären. Grundsätzlich besteht die Wahl zwischen einem in Eigenregie betriebenem und einem durch einen Mobilfunkanbieter bereitgestelltem Netz. Das selbstbetriebene Campusnetz ist durch eine Firewall gegenüber der Außenwelt getrennt und bietet einen maximalen Grad an Freiheit, niedrige Latenz und hohe Sicherheit. Zugleich erfordert es aber auch eigenes Betriebspersonal mit entsprechendem Fachwissen. Stellt hingegen der Mobilfunkbetreiber das Netz, braucht das Produktionsunternehmen kein eigenes Personal für den Netzbetrieb. Allerdings ist der Netzbetrieb hier auch weniger flexibel, da wesentliche Entscheidungen mit dem Mobilfunkanbieter abgesprochen werden müssen. Zudem ist dürften die Latenzen größer ausfallen als bei einem Campusnetz im Eigenbetrieb. Zwischen den genannten Varianten für den Netzbetrieb gibt es zudem auch Mischformen, in denen sich Fabrikbetreiber und Mobilfunkanbieter die Verantwortung für das Netz aufteilen.

Nach Einschätzung der Autoren des Leitfadens wird die volle Bandbreite der 5G-Funktionalität erst im Laufe der nächsten Jahre zur Verfügung stehen. Zu erwarten sei deswegen auch in Zukunft eine Koexistenz von 5G mit anderen Technologien wie Wi-Fi, Bluetooth, LPWAN und UWB.

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