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2002 | Buch

Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden

Zivilrechtliche Grundlagen der Haftung des Krankenhausträgers für medizinische und organisatorische Fehlleistungen

verfasst von: Dr. iur. Frank Pflüger

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : MedR Schriftenreihe Medizinrecht

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Gang der Untersuchung

Gang der Untersuchung
Zusammenfassung
Die vorliegende Untersuchung beinhaltet ein Dreifaches. Zum Ersten gilt es, die Haftung des Krankenhausträgers für behandlungsbedingte Gesundheitsschäden rechtlich zu systematisieren (Kapitel 1–3). Auf dieser Grundlage soll als Zweites das Rechtsinstitut des Organisationsverschuldens, das die Rechtsprechung immer öfter zur Grundlage der Krankenhaushaftung macht, dargestellt und analysiert werden (Kapitel 4 und 5). Als Drittes werden die haftungsrechtlichen Effekte der Qualitätssicherung und Zertifizierung sowie der Entwicklung medizinischer Behandlungsleitlinien untersucht (Kapitel 6). Im Kurzüberlick verläuft der Gang der Untersuchung wie folgt
Frank Pflüger

Tatsächliche Grundlagen

§ 1. Medizinschäden in Krankenhäusern
Zusammenfassung
Die haftungsrechtliche Dimension und Dynamik behandlungsbedingter Medizinschäden ist nur schwer abschätzbar. Schon die definitorische Erfassung des Phänomens bereitet Schwierigkeiten. Weitaus nicht alle unerwünschten Ereignisse treten als Folge einer Fehlbehandlung ein, vielfach verwirklicht sich nur der schicksalhafte Krankheitsverlauf. Behandlungsbedingte Gesundheitsschäden ihrerseits beruhen nicht stets auf einem Verschulden. Auch wenn dies der Fall sein sollte, meldet nur ein Teil der geschädigten Patienten Schadensersatzansprüche an. Von den geltenden gemachten Ansprüchen wiederum wird nur ein Teil gerichtlich ausgefochten. Davon wiederum findet nur ein Bruchteil den Weg in Urteilssammlungen oder sonstige Publikationen. Trotz der daraus resultierenden schwierigen Bezifferbarkeit von Medizinschäden lassen verschiedene Indikatoren auf ein stetiges Ansteigen der Schadenshäufigkeiten, Schadenskosten und Anspruchserhebungen schließen, wofür verschiedene Ursachen in Frage kommen.
Frank Pflüger
§ 2. Aufbau und innere Struktur von Krankenhäusern
Zusammenfassung
Im Folgenden gilt es, den Untersuchungsgegenstand Krankenhaus hinsichtlich seines funktionalen und personalen Aufbaus zu umreißen und die haftungsrechtlich relevanten Strukturen und Personen zu charakterisieren.
Frank Pflüger

Systematik der Krankenhaushaftung

§ 3. Haftung wegen Vertragsverletzung
Zusammenfassung
Schadensersatzforderungen können auf eine schuldhafte und kausal zu einem Schaden führende Verletzung vertraglicher Pflichten, mithin auf eine Vertragsverletzung gestützt werden. Sofern es nicht ausnahmsweise um den Ersatz reiner Vermögensschäden geht — etwa von Unterhaltsschäden infolge fehlgegangener Sterilisationen1 oder nicht ersatzfähiger Krankenhauskosten infolge unzureichender wirtschaftlicher Aufklärung2 -, muss für eine (positive) Vertragsverletzung 3, nicht anders als bei der kumulierenden deliktischen Haftung nach § 823 Abs.l BGB, zur Pflichtverletzung eine dadurch verursachte Verletzung des Körpers bzw.
Frank Pflüger
§ 4. Haftung wegen unerlaubter Handlung
Zusammenfassung
Die zur Vertragshaftung konkurrierende Haftung des Krankenhauses aus unerlaubter Handlung konzentriert sich auf den Grundtatbestand des § 823 Abs.l BGB, der eine Ersatzpflicht für Schäden einräumt, die durch eine rechtswidrige und schuldhafte Körper- oder Gesundheitsverletzung verursacht wurden. Da die materiellen Schäden — im Wesentlichen Heilungskosten, Pflegekosten und Erwerbsnachteile — weitestgehend von der Sozialversicherung (Kranken-, Unfall, Renten-, Pflegeversicherung) aufgefangen werden und ggfs. nach cessio legis gem. § 116 SGB X im Regresswege auf das Krankenhaus zurückfallen1, steht für den geschädigten Patienten der Schmerzensgeldanspruch des § 847 BGB im Mittelpunkt, der den Umfang der Ersatzpflicht auf immaterielle Schäden ausdehnt2.
Frank Pflüger
§ 5. Formularmäßige Haftungsbeschränkung
Zusammenfassung
Außerhalb der Vorfixierung der vertraglichen Beziehung zwischen Patienten und Krankenhaus durch die Vorgaben des Krankenversicherungsrechts sowie des Gebührenrechts bleibt den Vertragspartnern grundsätzlich ein dispositiver Spielraum, den das Krankenhaus als verhandlungsdominante Partei durch Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen bzw. Krankenhausaufnahmebedingungen in seinem Sinne auszugestalten versucht. Die Behandlungsseite ist bemüht, ihre AGBen mit der Rechtsprechung Schritt halten zu lassen. So unterliegen die von der DKG empfohlenen “Allgemeinen Vertragsbedingungen für Krankenhausbehandlungs- Verträge„ (AVB) einer kontinuierlichen Überarbeitung
Frank Pflüger
§ 6. Innenverhältnis — Regress, Freistellung und Versicherung
Zusammenfassung
Der Patient kann neben dem Krankenhausträger als weitere Haftungsschuldner diejenigen Ärzte heranziehen, die persönlich die zur Haftung führenden Umstände herbeigeführt haben.1 Sie haften dem Patienten, ohne Bestehen einer eigenen Behandlungspflicht, einschränkungslos aus Delikt und, im Falle einer kumulativen Wahlarztbehandlung, auch aus Vertrag. Die im folgenden darzustellenden Grundsätze der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis sind auf das Außenverhältnis Arzt—Patient, entgegen anderslautenden Literaturansichten2, nicht anwendbar, wie der Bundesgerichtshof in zwei führenden Entscheidungen herausgestellt hat. Lediglich beamteten Ärzte kommt noch immer das Verweisungsprivileg des § 839 Abs.l S.2 BGB zugute.
Frank Pflüger

Erscheinungsformen ärztlichen Fehlverhaltens im Krankenhaus

§ 7. Klinische Behandlungsfehler
Zusammenfassung
Bei der Krankenhausbehandlung kann ein Verstoß gegen arztspezifische Berufspflichten sowohl als aktives Tun als auch durch entsprechendes Unterlassen geschehen. Oftmals ist der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht eindeutig zu lokalisieren bzw. die durchgeführten und unterlassenen Maßnahmen liegen dem Fehlervorwurf kumulativ zugrunde. Beispielsweise geht mit der aktiven Durchführung einer zu einem Plexusschaden führenden Vakuumextraktion eines Kindes zugleich die Unterlassung der stattdessen indizierten Notsectio einher, wobei die Entscheidung zu der im Ergebnis fehlerhaften Entbindungsart wiederum auf einer versäumten Erhebung von Kontrollbefunden basieren kann2. Für die Haftung macht die denklogische Einteilung in Tun und Unterlassen jedoch keinen Unterschied, da auf Seiten des Behandelnden stets eine entsprechende — vertraglich wie deliktisch — begründbare Garantenpflicht besteht3.
Frank Pflüger
§ 8. Klinische Aufklärungsfehler — Eine kritische Betrachtung
Zusammenfassung
Neben dem Behandlungsfehler im “engeren„ oder “weiteren„ Sinne gründet sich der zweite klassische Haftungsgrund auf die unzureichende Patientenaufklärung vor invasiven bzw. medikamentösen oder radiologischen Eingriffen, also auf ärztliche Eigenmacht der Krankenhausmediziner.
Frank Pflüger

Fehler der Krankenhausorganisation im Spiegel der Rechtsprechung

Frontmatter
§ 9. Personaleinsatz und Personalüberwachung (vertikale Arbeitsteilung)
Zusammenfassung
Die nach Ausmaß und Ausdifferenzierung der Rechtsprechung umfänglichste Fallgruppe der Haftung für organisatorische Defizite betrifft den weiten Bereich des Personaleinsatzes. Dies nimmt wenig Wunder, ist doch die Krankenhausbehandlung eine der quantitativ personalintensivsten, qualitativ anspruchsvollsten und am meisten arbeitsteilig organisierten Dienstleistungen. Die vertikale Arbeitsteilung betrifft die hierarchische Gliederung funktionaler Einheiten. Es geht um die Entscheidungen über Zuteilung von Aufgaben und Verantwortung auf verschieden ausgebildete bzw. qualifizierte Mitarbeiter und um deren Anleitung und Überwachung.
Frank Pflüger
§ 10. Interdisziplinäre ärztliche Zusammenarbeit (horizontale Arbeitsteilung)
Zusammenfassung
Der hospitalisierte Patient steht regelmäßig nicht einem einzelnen Arzt sondern einem Team von Fachärzten gegenüber, deren verschiedene (Sub-)Spezialisierungen sich zu der komplexen klinischen Krankenbehandlung ergänzen. Anders als bei der vertikalen Arbeitsteilung, die auf den Weisungs- und Aufsichtsverhältnissen innerhalb einer organisatorischen Einheit (Abteilung oder Station) beruht, vollzieht sich das horizontale Zusammenwirken zwischen Ärzten verschiedener Fachrichtungen auf der Ebene der Gleichordnung.
Frank Pflüger
§ 11. Organisation der Patientenaufklärung
Zusammenfassung
Die Patientenaufklärung — oder vielmehr das dabei geführte Gespräch — ist trotz eines möglichen flankierenden Einsatzes elektronischer Medien eine persönliche Angelegenheit zwischen Arzt und Patient. Die Aufklärung ist somit im Gegensatz zu manchen Diagnose- und Therapieprozeduren bisher keiner durchgreifenden Technisierung zugänglich gewesen. Dennoch muss die Krankenhaus- bzw. die Abteilungsleitung einer globalen Steuerungsverantwortlichkeit nachkommen und dafür sorgen, dass auch im oftmals anonymen klinischen Großbetrieb jeder einzelne Patient von einem kompetenten Arzt im gebotenen Umfang2 über Wesen und Risiken des geplanten Eingriffs unterrichtet wird3. Die damit angesprochene Organisation der Aufklärung ist nicht zu verwechseln mit der bereits erörterten sog. Organisations- oder (besser) Qualitätsaufklärung4, bei der interne Qualitätsund Organisationsstrukturen zum notwendigen Inhalt des Aufklärungsgesprächs erhoben werden sollen.
Frank Pflüger
§ 12. Anwendung von Arzneimitteln, insbesondere Blut und Blutprodukten
Zusammenfassung
Fast jede Krankenhausbehandlung beinhaltet eine zumindest adjuvante Anwendung von Arzneimitteln; zudem wird immer häufiger auf direkte invasive Eingriffe zugunsten einer reinen Arzneimitteltherapie verzichtet. Bei vielen chirurgischinvasiven Maßnahmen ist eine intra- oder postoperative Verabreichung von Blut bzw. Blutpräparaten notwendig. Wegen ihrer absoluten Häufigkeit sowie ihrer besonderen Risikogeneigtheit treten daher die Anwendung von (I.) Arzneimitteta und (II.) Blut bzw. Blutprodukten1 als Fallgruppen einer möglichen Organisationsfehlerhaftung des Krankenhausträgers hervor.
Frank Pflüger
§ 13. Einsatz von Medizinprodukten
Zusammenfassung
Der Einsatz von Medizinprodukten als Sachkategorie möglicher Organisationsfehler ist weniger durch die Rechtsprechung geprägt als vielmehr durch ein hohes hohes Maß an Verrechtlichung durch den (europäischen) Richtlinien- und den (deutschen) Gesetzgeber. Richtungsweisend ist insofern das Medizinproduktegesetz (MPG) von 19941. Die Sicherheitsanforderungen an die zur medizinischen Behandlung eingesetzten Sachmittel, mit Ausnahme der Arzneimittel, waren vor Inkrafttreten des MPG (und seiner Verordnungen) in verschiedenen Regelwerken (MedGV, RöV, EichG, GTA, ElexV) unvollkommen und mit teilweise überschneidenden Anwendungsbereichen normiert2. Mit dem Medizinprodukterecht, auf dessen Systematik zunächst kurz einzugehen ist (dazu I.), gewinnt die Herleitung klinischer Organisationspflichten eine umfassende normative Grundlage. Normadressaten sind, anders als im Arzneimittelgesetz, neben den Herstellern auch die Betreiber und Anwender von Medizinprodukten, also Krankenhäuser und Ärzte. Ähnliche Betreiberpflichten waren bisher nur für Medizingeräte, also einen Teil der Medizinprodukte, in der MedGV niedergelegt. Da das MPG im Gegensatz zum AMG keine besondere (objektive) Haftungsvorschrift enthält, sollen vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung (dazu II.) die möglichen haftungsrechtlichen Auswirkungen des neuen medizinprodukterechtlichen Pflichtenprogramms beleuchtet werden (dazu III.)
Frank Pflüger
§ 14. Hygiene und Infektionsschutz
Zusammenfassung
Die oft gehörte maliziöse Feststellung, nirgendwo sei die “Chance„, ernsthaft zu erkranken, größer als im Krankenhaus, enthält leider viel Wahres. Das Risiko einer nosokomialen Infektion (Krankenhausinfektion) ist aufgrund der lokalen Massierung von Erregern, der allgemein geschwächten Immunabwehr der Kranken sowie den zahlreichen durch die invasiven Behandlungen eröffneten Infektionswegen extrem gesteigert. Am häufigsten sind Harnwegsinfektionen anzutreffen (38 % aller nosokomialen Infektionen), gefolgt von Wundinfektionen (22 %) und Infektionen der unteren Atemwege (15 %).1 Die aufgetretenen Schadensfälle haben entsprechenden Niederschlag in der Haftungsjudikatur gefunden, die eine Reihe von medizinisch-applikativen und organisatorischen Sorgfaltspflichten ausgeformt hat. Die von der Rechsprechung fallweise formulierten Hygienegrundsätze (folgend 1.) sind in ein engmaschiges Netz gesetzlicher und sonstiger Organisations- und Verhaltensvorschriften eingebettet, die die Gewährleistung von “Hygiene und Infektionsschutz„ zu einem wenig übersichtlich geregelten funktionalen Bereich des Krankenhausbetriebs machen.
Frank Pflüger
§ 15. Medizinische Kommunikation (Dokumentation, Information)
Zusammenfassung
Im hoch arbeitsteiligen Krankenhausbetrieb ist die genaue Kenntnis der individuellen Patientendaten Grundvoraussetzung für die richtigen Diagnose- und Therapieentscheidungen. Nur durch die umfassende (retrospektive) Dokumentation der Krankenbehandlung und die gezielte (prospektive) Information aller in die Behandlung involvierten Personen innerhalb und außerhalb der Klinik kann die (horizontale und vertikale) Arbeitsteilung funktionieren. Von haftungsrechtlichem Interesse sind daher nicht nur die — bereits im Rahmen der “Personalorganisation„ erörterten — Pflichten zur Überwachung nachgeordneter Kräfte bzw. zur Nachprüfung fremder Arbeitsergebnisse, sondern in gleicher Weise die Pflichten zur Erfassung relevanter Krankendaten (Dokumentation) sowie die Pflichten zu deren Kenntnisnahme bzw. Weitergabe (Information bzw. Kommunikation).
Frank Pflüger
§ 16. Allgemeine Auftenthaltssicherheit
Zusammenfassung
Jenseits der bisher im Vordergrund stehenden, arztbedingten (iatrogenen) Schädigungen, die auf applikativen oder organisatorischen Mängeln der medizinischen Behandlung beruhen, kann der Patient im Zuge seines stationären Aufenthaltes weiteren Gefährdungen ausgesetzt sein. Nach Aufkommen und Schadenspotential an erster Stelle stehen die Selbstschädigungen von Patienten aufgrund (misslungener) Selbstmordversuche.
Frank Pflüger

Rechtliche Signifikanz der Organisationsfehlerhaftung

§ 17. Haftungskonzentration auf den Krankenhausträger
Zusammenfassung
Im Interesse des Arzt-Patienten-Verhältnisses ist die Rechtsprechung bestrebt, die Haftung weitestgehend auf den Krankenhausträger zu konzentrieren. Dessen Solvenz als Haftungsschuldner ist (insbesondere bei Serienschäden) eher gewährleistet als die eines einzelnen Arztes, da eine Krankenhaus-Betriebshaftpflichtversicherung1 besteht oder — im Falle der Selbstversicherung — der Fiskus einzustehen hat. In den im Folgenden zu untersuchenden Konstellationen lässt sich eine (Mit-)Haftung des Krankenhausträgers nach dem herkömmlichen Haftungsregime der § § 31, 89; 278; 831 BGB durch Zurechnung individuell-applikativer Fehler nicht begründen. Der Krankenhausträger kann erst durch die Konstruktion residualer Organisationspflichten in die Haftung genommen werden. Dabei kann eine zu expansive Formulierung von Organisationspflichten leicht dazu führen, dass das Organisationsverschulden zu einem reinen Vehikel der Haftungsbegründung instrumentalisiert wird
Frank Pflüger
§ 18. Leichtere Feststellung organisatorischer Standards
Zusammenfassung
Von Juristen wird es stets als unbefriedigend empfunden, ihre Entscheidungsfindung im Arzthaftungsfall weitestgehend in die Hand von Medizinsachverständigen zu legen. Zwar soll der gem. § § 407 ff. ZPO vom Gericht berufene Sachverständige formal nur die fehlende Sachkunde des entscheidungsberufenen Spruchkörpers ersetzen1 und nicht über Rechtsfragen wie das Vorliegen von Fahrlässigkeit oder Kausalität entscheiden2, faktisch präjudiziell das Expertenvotum jedoch das Urteil. Nicht anders steht es bei der außergerichtlichen Streitbeilegung durch “Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen3„, wo die fachmedizinische Begutachtung schon dem Namen nach im Mittelpunkt des Verfahrens steht und wo das aus Ärzten und Juristen bestehende Entscheidungsgremium nur höchst selten vom Gutachtenergebnis abweicht.
Frank Pflüger
§ 19. Anknüpfung von Beweiserleichterungen; rechtliche Einordung des Organisationsverschuldens
Zusammenfassung
Angewandtes Arzthaftungsrecht ist Beweisrecht. Die rechtliche Signifikanz der Organisationsfehlerhaftung wird daher ganz wesentlich durch die mit ihr verbundenen Beweiserleichterungen geprägt1. Während bei direkt-applikativen Fehlern, also medizinisch fehlsamen Diagnosen, unvertretbaren Therapieentscheidungen oder manuellen Missgriffen oftmals, jedoch nicht stets2, dem Patienten Beweiserleichterungen zugute kommen, ist dies bei Organisationsfehlern (in Form der folgenden Beweisregeln) durchweg der Fall.
Frank Pflüger

Auswirkungen von Qualitätssicherung und Zertifizierung auf die Haftung

Frontmatter
§ 20. Praktische Qualitätssicherung im Krankenhaus
Zusammenfassung
Nach einer gängigen Definition umschreibt “Qualität„ in der Krankenhausversorgung die Einzelmerkmale eines stationären Behandlungsprozesses oder Behandlungsergebnisses hinsichtlich ihrer Eignung, messbar vorgegebene Erfordernisse zu erfüllen. Weniger technisch gefasst steht “Qualität„ für das—ohne signifikanten Mehreinsatz von Mitteln—erreichbare “Bessere„ (als Feind des Guten). Begrifflich zu unterscheiden sind Ergebnis-, Struktur- und Prozessqualität. Die Ergebnisqualität ist medizinisch determiniert und bezieht sich auf global—nicht im Einzelfall—erreichte Behandlungserfolge in einem spezifischen Indikationsbereich. Damit unterscheidet sie sich von dem konkret haftungserheblichen, medizinwissenschaftlichen Standard, der sich nur sehr eingeschränkt anhand fixer Prüfparameter messen lässt, sondern jeweils situativ und sozialbezogen ermittelt werden muss.
Frank Pflüger
§ 21. Qualitätssicherung durch Leitlinien
Zusammenfassung
Medizinische Behandlungsleitlinien sind aufgrund ihrer äußeren Normenähnlichkeit die juristisch greifbarsten Erscheinungsformen der Qualitätssicherung. Sie tragen daher das Potential in sich, der Arzt- und Krankenhaushaftung neue Impulse zu verleihen. Bei der Untersuchung möglicher haftungsrechtlicher Effekte von Leitlinien, die sich im Folgenden einer tatsächlichen Darstellung anschließt, soll ein rechtsvergleichender Bezug zur US-amerikanischen Jurisdiktion hergestellt werden, da in den Vereinigten Staaten ein erheblicher Vorsprung sowohl bei der Verbreitung von Leitlinien als auch bei der Diskussion ihrer haftungsrechtlichen Konsequenzen besteht.1
Frank Pflüger
Backmatter
Metadaten
Titel
Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden
verfasst von
Dr. iur. Frank Pflüger
Copyright-Jahr
2002
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-56357-7
Print ISBN
978-3-540-42485-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-56357-7