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03.04.2018 | Rechnungswesen | Interview | Online-Artikel

"Unternehmen sollten sich zeitnah mit ESEF befassen"

verfasst von: Sylvia Meier

7 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dr. Ralf Jödicke

ist als Partner im Bereich Finance Advisory für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG tätig.

Ein neues Format für die Finanzberichterstattung wird ab 2020 verpflichtend. Im Interview erklärt Ralf Jödicke, was es mit ESEF auf sich hat und warum Unternehmen hier bisher die Entwicklung verschlafen haben. 

Springer Professional: Ab 2020 wird in der Finanzberichterstattung ein neues digitales Format, das "European Single Electronic Format" (kurz: ESEF-Format), verpflichtend. Was hat es damit auf sich und für welche Unternehmen ist das relevant? 

Ralf Jödicke: Mit dem einheitlichen elektronischen Berichtsformat (ESEF) soll die Digitalisierung und damit die maschinelle Auswertung von Finanzberichten innerhalb der EU Einzug finden. Schon bisher haben die betroffenen deutschen Unternehmen ihren Jahresfinanzbericht im Unternehmensregister veröffentlicht. Nur gab es bisher für das Format zur Veröffentlichung keine Vorgaben, sodass die meisten Unternehmen neben der klassischen Papier-Version online auch eine PDF-Version bereitgestellt haben. PDF-Finanzberichte zum Download werden ab 2020 alleine nicht mehr ausreichen.
Um aus ihrer Sicht die Berichterstattung für Unternehmen zu vereinfachen und die Zugänglichkeit, Analyse und Vergleichbarkeit von Jahresfinanzberichten zu erleichtern, hat die EU-Kommission bereits im Jahr 2013 bei der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) einen so genannten technischen Regulierungsstandard (RTS) mit Ausgestaltungsdetails für ein einheitliches elektronisches Berichtsformat in Auftrag gegeben. Der Standard liegt jetzt nach einem Jahr Verspätung im finalen Entwurf vor und regelt zunächst das Format für Jahresfinanzberichte, wobei für den IFRS-Konzernabschluss zusätzliche Vorgaben gemacht werden. 

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Als Berichtsformat für Jahresfinanzberichte, also zum Beispiel einen HGB-Jahresabschluss genauso wie den IFRS-Konzernabschluss, gilt: Für Geschäftsjahre die am oder nach dem 1. Januar 2020 beginnen gibt der Standard mit Extensible Hypertext Markup Language (XHTML) ein einheitliches elektronisches Berichtsformat vor. Dieses Format gilt für Jahresfinanzberichte, beispielsweise für den HGB-Abschluss aber auch für den IFRS-Konzernabschluss. Für den IFRS-Konzernabschluss muss das XHTML-Format mit zusätzlichen XBRL-Etiketten (so genannten Tags) versehen werden, damit diese Angaben auch maschinell auswertbar sind. Als einheitliches Etikettierungsschema wird zunächst auf die aktuelle IFRS-Taxonomie zurückgegriffen. 

Wie ist der zeitliche Verlauf? 

Der Umfang der XBRL-Etikettierungspflicht ist zeitlich gestaffelt: Für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2020 beginnen, sind zunächst nur die in den primären Abschlussbestandteilen - also Bilanz, Gesamtergebnisrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung und Kapitalflussrechnung - angegebenen Werte von der XBRL-Etikettierung betroffen. Zusätzlich müssen zehn Basis-Unternehmensinformationen (zum Beispiel Name, Sitz, Rechtsform) etikettiert werden. 
Für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2022 beginnen, sind zusätzlich zu den zehn Basis-Informationen weitere 234 Anhang-Informationen zu etikettieren. Diese Anhang-Informationen sind fast ausnahmslos als jeweils ein Textblock, zum Beispiel für eine bestimmte Bilanzierungs- und Bewertungsmethode, zu etikettieren. Daneben wurden noch Details zur Etikettierung und zu einer Reihe von technischen Vorgaben, sowie zu Mitgliedstaatenwahlrechten geregelt.

Wer ist davon betroffen? 

Betroffen sind alle Emittenten von Wertpapieren, die auf regulierten Märkten innerhalb der EU gehandelt werden. Also die gleichen Unternehmen wie in der Transparenzrichtlinie. 

Warum müssen sich Unternehmen bereits jetzt mit dem neuen Format auseinandersetzen? Und wie sollten sie vorgehen?

Zunächst ist es sinnvoll, sich überhaupt mit dem Standard selbst vertraut zu machen. Hier ist aus meiner Sicht bei vielen Unternehmen noch die größte Baustelle. Unternehmen sollten sich wirklich sehr zeitnah mit dem Thema ESEF befassen, um mögliche Fragestellungen für den eigenen Jahresfinanzbericht zu identifizieren bzw. schon rechtzeitig Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Denn dass die ganze Sache so völlig reibungslos über die Bühne geht, daran dürften doch einige Zweifel bestehen. Es gibt scheinbar noch die ein oder andere Fragestellung, die sich aktuell nicht unmittelbar mit dem ESMA-Bericht und Zusatzdokumentationen beantworten lassen.
Insgesamt sollten sich die Unternehmen sehr zeitnah mit dem Inhalt der Taxonomie vertraut machen um zu wissen, 

  • in welchem Umfang Erweiterungen für den eigenen Jahresfinanzbericht benötigt werden,
  • welche Anforderungen für die Erstellung dieser Erweiterungen bestehen und 
  • wie die Einbindung in den internen Berichtsprozess erfolgen soll.

Ferner sollten Unternehmen bereits heute die Möglichkeit in Betracht ziehen, beim IASB weitere Common Practice Elemente für die Core Taxonomy einzufordern. Denn dann würden für diese neuen Elemente die Erstellung von eigenen Erweiterungen erspart bleiben. Und nach dieser Analysephase sollten Unternehmen beginnen einen konkreten Projektplan aufzusetzen und diesen dann mit den unterschiedlichen betroffenen Abteilungen abstimmen.

Aus Ihrer Erfahrung: Wie gut haben sich Unternehmen über den Gesetzgebungsprozess informiert? Und ist man in der Praxis bereits auf die Neuerungen eingestellt?

Tatsächlich haben die meisten Unternehmen den langen vierjährigen ESMA-Anhörungsprozess verschlafen. Vielleicht war ESEF wegen der anstehenden neuen Standards wie IFRS 9, IFRS 15 und IFRS 16 nicht auf dem Radar. Insgesamt hat es nur sehr wenige Kommentare gegeben und es fehlte an einer tiefen Auseinandersetzung der detaillierten Ausgestaltung einer Regulierung. Klar ist, dass es hierzu auch lange an konkreten Vorschlägen der ESMA fehlte und damit Anwendungsfragen der Ersteller lange unkonkret bleiben mussten. Feldtests für praktische Anwendungserfahrungen sind beispielsweise erst im Sommer 2017 gestartet und durch ESMA hastig ohne dokumentierte Rücksprachen mit Unternehmen und Adressaten abgeschlossen worden. Meines Erachtens liegt das Problem jetzt vor allem bei der praktischen Anwendung des veröffentlichten Standards. Wenn heute Unternehmen darauf hinweisen, dass ein XHTML-Format sich dem Ausgabeformat anpasst und deshalb auf Tablet, Bildschirm, Smartphone und im Ausdruck abweicht, dann sind das noch die kleinsten Probleme. 

Welche Anwendungsfragen sind aus Ihrer Sicht noch offen? 

Einige offene Anwendungsfragen sind: Wie schneide ich meine Textblöcke für die Anhang-Informationen? In der Praxis kann häufig nicht sichergestellt werden, dass in einem Textblock zu etikettierende Angaben trennscharf und passgenau nur in einem Abschnitt des Anhangs enthalten sind. Und es macht wenig Sinn fast den gesamten Anhang in einen Textblock zu integrieren. Insgesamt sind Textblöcke sowieso nicht gut maschinell auswertbar. Schade, dass ESMA sich hier nicht zur Etikettierung ausgewählter relevanter Zahlen im Anhang entschieden hat. Vielleicht machen hier einige Unternehmen von einer zusätzlichen freiwilligen Etikettierung einzelner numerischer Angaben Gebrauch. Dazu sind ja in der Taxonomie noch rund 5.000 weitere Posten des Anhangs in die ESMA-Taxonomie übernommen worden. Was mache ich, wenn in meiner IFRS-Konzernbilanz eine Position berichtet wird, die in der IFRS-Taxonomie fehlt? Das Vorgehen für die in der Praxis häufigen unternehmensspezifischen Erweiterungen ist zwar im so genannten Anchoring-Konzept aufgegriffen, in der konkreten Umsetzung leider unklar geblieben. Bei den Feldtests sind die Verankerungen von Erweiterungen der Taxonomie im Nachgang durch externe Berater durchgeführt worden, ohne dies mit den Unternehmen selbst zu besprechen. Der Fokus dieser Beratungsgesellschaft lag offensichtlich bei der technischen Umsetzung in XBRL und nicht der fachlichen und konzeptionellen Anwendung des Standards bzw. der IFRS Taxonomie: Denn es gibt viele Abweichungen zwischen den maschinell ausgelesenen Dateien und dem Abschluss der Unternehmen selbst.

Das Interesse der Unternehmen war lange gering. Es fehlte damit an einer gesunden Auseinandersetzung, sodass in dem neuen Standard viele Fragen offen bleiben und jetzt viele sehr unzufrieden mit dem Ergebnis sind. Das ist zu diesem Zeitpunkt schade, da gute Vorschläge und Kommentare in dieser Phase des Gesetzgebungsprozesses zu spät kommen. Die Praxis wurde also von dieser Regulierung Großteils überrollt.

Wo sehen Sie die größten Hürden beziehungsweise Stolpersteine bei der Einführung des ESEF-Formats? 

Die IFRS-Taxonomie ist stetigen Veränderungen unterworfen. Laufend kommen neue oder grundlegend überarbeitete Standards genauso wie Anpassungen der üblichen Industriepraxis. Deshalb müssen Unternehmen diese Entwicklungen im Auge behalten, insbesondere, dass ESMA plant Änderungen an der IFRS-Taxonomie in der Regel ohne weitere öffentliche Anhörungen direkt rechtswirksam umzusetzen.
Parallel arbeitet das IASB mit seinem Arbeitsprogramm 2017-2020 an Themen mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Art und Weise der Berichterstattung und damit auch auf die Taxonomie. Es gibt einen EU-Fitness-Check, der die EU-Regelwerke zur öffentlichen Unternehmensberichterstattung überprüfen soll. Veränderungen der Unternehmensberichterstattung bis 2020 sind damit sicher. ESEF ist folglich keine statische Übung, vielmehr sollten sich Unternehmen schon heute auf kontinuierliche Änderungen der Anforderungen einstellen.

ESEF hat Auswirkungen auf bestehende Prozesse und Systeme. Typischerweise sollten Unternehmen sich für deren Anpassungen Zeit nehmen. Allerdings sind sowohl Fragen zur technischen Ausgestaltung, als auch zur inhaltlichen Etikettierung offen. Es ist zu hoffen, dass diese Lücke durch weitere Anwendungsleitfäden geschlossen wird. 

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