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06.06.2018 | Additive Fertigung | Kommentar | Online-Artikel

Der industrielle 3D-Druck erfordert ein Umdenken

verfasst von: Bertrand Humel van der Lee

5:30 Min. Lesedauer

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Die Produktion durchläuft gegenwärtig einen grundlegenden Wandel: Zielbild der Digitalisierung ist die ganzheitlich verknüpfte intelligente Fabrik der Zukunft. Dabei kommt dem 3D-Druck eine Schlüsselrolle zu.

Der industrielle 3D-Druck verändert derzeit die Produktionswelt. Die Technologie ermöglicht ganz neue Freiheitsgrade in Konstruktion und Fertigung und findet zunehmend Einsatz in der Serienfertigung. Grundlage für den Erfolg ist die Möglichkeit, Bauteile Schicht für Schicht aufzubauen. Damit unterscheidet sich die Technologie deutlich von abtragenden Fertigungsmethoden: Anstatt beispielweise ein Werkstück aus einem Block herauszufräsen, baut die additive Fertigung (Additive Manufacturing, AM) Bauteile schichtweise aus Werkstoffen auf, die als feines Pulver vorliegen. Als Materialien sind unterschiedliche Metalllegierungen, Kunststoffe und Verbundwerkstoffe verfügbar. 

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So können Bauteile entstehen, die mit konventionellen Methoden gar nicht machbar sind. Das können beispielsweise Teile mit Hohlräumen, integrierten Funktionen oder komplexen geometrischen Strukturen wie bionische Elemente sein. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die in einem Bauprozess produzierten Teile identisch oder individuell sind. Ein weiterer Vorteil sind schnelle Durchlaufzeiten: Von der Idee über die Vorserie bis zum Serienprodukt muss es nicht mehr Monate dauern, sondern nur noch Tage. Damit unterstützt der 3D-Druck den allgemeinen Trend zu immer größerer Produktindividualisierung und immer kürzeren Produktlebenszyklen. Bei all diesen Besonderheiten ist der industrielle 3D-Druck außerdem eine sehr nachhaltige Technologie: So kann Material, das während des Bauvorgangs nicht-aufgeschmolzen wurde, nach einem Siebvorgang erneut verwendet werden.

Vor diesem Hintergrund durchläuft der Markt für die additive Fertigung derzeit einen tief greifenden Wandel hin zu einem Mainstream-Markt, der auf die Vorteile von AM als bewährte Technologie setzt. Doch sowohl auf Kundenseite als auch bei den Herstellern von 3D-Druck-Lösungen gibt es Anforderungen zu meistern, um die additive Fertigung flächendeckend in der Serienfertigung einsetzen zu können.

Technologie und Wissensaufbau entscheidend

Die Technologie hat einen Reifegrad erreicht, mit dem Komponenten und Endteile in Serie herstellbar sind. Das Potenzial, das sich bietet, ist enorm. Doch gleichzeitig bringt dies neue Kundenanforderungen mit sich und erfordert entsprechende Lösungen. Es geht dabei nicht nur darum, bei welchen Anwendungen die additive die konventionelle Fertigung ergänzen oder ersetzen kann. Die lückenlose, effiziente Integration in bestehende Produktionsumgebungen, die Verbindung von industriellem 3D-Druck mit konventionellen Fertigungstechnologien und die kontinuierliche Optimierung des Teile- und Datenflusses sind ebenfalls elementare Anforderungen. Kurz – es geht um die digitale Vernetzung von konventionellen und additiven Technologien, um die Qualität und die Kosten des Serienbauteils weiter zu optimieren. Vor diesem Hintergrund beschäftigen Anwender und Anbieter von 3D-Druck-Lösungen Themen wie Qualitätskontrolle, Skalierbarkeit, Automatisierung, Security sowie natürlich Total Cost of Ownership.

Um Systeme und Peripheriegeräte in die Fabriksteuerung integrieren zu können, müssen industrielle 3D-Drucker mit den entsprechenden Schnittstellen ausgestattet werden und die passende Software gegeben sein. Diese Verzahnung beginnt bereits im Schritt der Bauteilkonstruktion und dabei, Daten für den Bauprozess auf das AM-System zu bringen, umfasst das Monitoring des eigentlichen AM-Bauvorgangs und geht bis zur Einbindung der Systeme in vorhandene MES/ERP-Anwendungen.  Eos beispielsweise bietet ein umfassendes Software-Portfolio, das alle Prozessschritte bei der additiven Fertigung abdeckt – von der Aufbereitung der CAD-Konstruktionsdaten über die Jobvorbereitung bis hin zur Qualitätskontrolle.

Neben der Software-Einbindung wird auch die stetige Automatisierung des Teileflusses immer wichtiger, um die additive Fertigung in industriellem Maßstab einzusetzen. Die Hersteller von 3D-Drucksystemen haben diese Anforderung erkannt und arbeiten an entsprechenden Lösungen – von der Zuführung des Werkstoffs über den eigentlichen AM-Bauprozess bis zu nachfolgenden Verarbeitungsschritten. Entwicklungspartnerschaften wie das Projekt NextGenAM von Premium Aerotec, Daimler und Eos zeigen, wie ein Produktionssystem zur additiven Serienfertigung entsprechend aussehen kann.

Fachwissen als Erfolgsfaktor

Doch die Verfügbarkeit der richtigen technischen Ausstattung, die notwendigen Schnittstellen und die Automatisierung des Teileflusses sind nicht die alleinigen Erfolgsfaktoren. Mindestens ebenso entscheidend ist der Aufbau von Know-how und Erfahrung in den Unternehmen, um den 3D-Druck auch zielführend einsetzen zu können. Für viele Firmen stellt dies noch eine Herausforderung dar. 

Die Gründe dafür sind vielfältig: Auf den industriellen 3D-Druck zugeschnittene Studien- und Ausbildungsprogramme werden gerade erst konzipiert, jedoch noch nicht vollumfänglich angeboten. Auf dem Arbeitsmarkt sind daher nur relativ wenige, bereits gut ausgebildete und erfahrene Experten verfügbar. Die entsprechend flachen Lernkurven bei Industrieunternehmen sind heute noch zu zeit- und kostenintensiv. Außerdem ist es ein umfassender Prozess, neue Bauteile für den 3D-Druck zu konstruieren und die anschließende Produktion zu planen sowie zu optimieren. Das Ziel – additiv gefertigte Komponenten – ist den Unternehmen klar, aber die Erfahrung für den Weg dorthin fehlt immer noch häufig. Besonders im Bereich der Konstruktion von Bauteilen ist ein Umdenken notwendig. Die Technologie setzt an den Stellen an, wo Design und Fertigung neu durchdacht werden müssen, um Lösungen zu finden. Sie ermöglicht einen „design-driven manufacturing process“, bei dem die Konstruktion die Fertigung bestimmt – und nicht umgekehrt. 

Um Unternehmen bei der Realisierung ihrer „AM-Transformation“ zu unterstützen, hat Eos unter dem Namen Additive Minds den Bereich Beratung und Wissenstransfer in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Die Mitarbeiter von Additive Minds unterstützen Kunden bedarfsorientiert und spezifisch: vom Einstieg in die additive Fertigung, über die Auswahl des richtigen Bauteils, die Optimierung beziehungsweise Neukonstruktion von Komponenten, bis hin zur industriellen Produktionsplanung und Prozessvalidierung. 

Fazit: Disruption als Chance

Wichtig ist, dass Unternehmen sich rechtzeitig mit Technologien beschäftigen, die Disruptionspotenzial haben – sei es, um das eigene Geschäftsmodel effektiv zu verteidigen oder um in neue Geschäftsfelder einzusteigen. In diesem Kontext ist es praktisch unvermeidbar, sich mit additiven Fertigungstechnologien zu beschäftigen. Auch AM ist natürlich kein „Allheilmittel“ für die Produktion, aber – neben Sensorik, Robotik oder Maschine-zu-Maschine-zu-Mensch-Kommunikation – ein Schlüsselelement für die digitale und smarte Fabrik der Zukunft. 

Denn wo heute etablierte Produktionsketten auf Auslastung und Effizienz hin optimiert sind und gleichzeitig hohe Warenwerte über Lieferketten weltweit versendet werden, wird der 3D-Druck im Rahmen von Industrie 4.0 mehr Flexibilität und Agilität für smarte Produktions- und Lieferketten ermöglichen. Damit entsteht eine hochgradig agile Fabrik mit erhöhter Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Marktanforderungen und -schwankungen. 

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