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2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Interpretative Ansätze und Methoden

verfasst von : Joachim Blatter, Phil C. Langer, Claudius Wagemann

Erschienen in: Qualitative Methoden in der Politikwissenschaft

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Kapitel 2 ist der Vorstellung interpretativer Methoden und Ansätze gewidmet. Dabei erfolgt zunächst eine Einführung in das interpretative Paradigma empirisch-qualitativer Forschung, in der auch mögliche Gütekriterien interpretativ verfahrender Sozialforschung diskutiert werden und die Bedeutung forschungsethischer Erwägungen in der Politikwissenschaft aufgezeigt wird. Als wichtige Methoden der Datengewinnung werden das Interview, die Gruppendiskussion und die (teilnehmende) Beobachtung behandelt, indem die Methoden forschungstheoretisch begründet, ihre unterschiedlichen Spielarten skizziert und forschungspraktische Hinweise ihrer Verwendung gegeben werden. In gleicher Weise werden als Methoden der Datenauswertung die Inhaltsanalyse, die Diskursanalyse und hermeneutische Methoden präsentiert. Das Kapitel schließt mit der Darstellung integrativer Ansätze, die Methoden der Gewinnung und Auswertung von Daten systematisch zu komplexen Forschungsstilen verschränken, ab. Fokussiert wird dabei auf die Ethnographie und die Grounded Theory. Die Anwendung dieser Methoden und Ansätze wird jeweils anhand aktueller Beispiele politikwissenschaftlich einschlägiger Studien illustriert und kritisch reflektiert.

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Fußnoten
1
Für die wissenschaftstheoretisch interessierten Leser: Das ist natürlich eine bestimmte Interpretation von „Paradigma“. In Kuhns Buch lässt sich eine eher unscharfe Begriffsverwendung mit zahlreichen unterschiedlichen Bedeutungen konstatieren, die sich zudem an den Naturwissenschaften orientiert (siehe dazu Wray 2011). Über die prinzipielle Eignung des Begriffs in der und für die Politikwissenschaft gab es durchaus kontroverse Diskussionen (z. B. Ball 1976; Polsby 1998), für die konkrete politikwissenschaftliche Forschungspraxis hat er sich indes als produktiv erwiesen (z. B. Blunt 2015; Guilhot 2016).
 
2
Beide Bezeichnungen werden in der im engeren Sinne interpretativen Methodendiskussion kaum verwendet. Wir denken jedoch, dass sie geeignet sind, die im politikwissenschaftlichen Diskurs eher marginalisierten Ansätze des interpretativen Paradigmas in das dominierende wissenschaftstheoretische Grundverständnis der Politikwissenschaft einzuschreiben und sie so besser artikulierbar zu machen. Sie eröffnen zugleich einen Ausweg aus dem wissenschaftstheoretischen Begriffslabyrinth in der sozialwissenschaftlichen Methodendiskussion, in der es keinen Konsens darüber gibt, wie genau auf die ontologischen und epistemologischen Positionen rekurriert werden soll. Während z. B. Yanow und Schwartz-Shea (2015) auf Konstruktivismus als ontologische Basis einer interpretativen Epistemologie verweisen, sieht Schwandt (2003) konstruktivistische, interpretative und hermeneutische Epistemologien nebeneinander als Ausdruck einer gemeinsamen ontologischen Auffassung von Welt.
 
3
Yanow (2015, S. 22) liefert in dem Buch noch einen weiteren, normativen Grund für eine interpretative Forschungssicht in der Politikwissenschaft: „In addition, applied to neighborhoods, communities, organizations, states, public policies, governmental decision making, and other empirical settings, interpretive approaches are arguably more democratic in character than analyses informed by methodological positivism: they accord the status of expertise to local knowledge possessed by situational actors, not just to the technical expertise of researchers. Much of the work to date in interpretive policy analysis […] appears to be motivated by a desire not only to explain agency performance, but to make it more just, more equitable, more effective“.
 
4
Die im kurzen Abriss der geschichtlichen Methodendiskussion in der Politikwissenschaft im Einleitungskapitel vermerkten Differenzen zwischen dem, was Goertz und Mahoney (2012) auf der einen und Hollstein und Ullrich (2003) auf der anderen Seite als „qualitativ“ definierten, lässt sich damit als Unterscheidung zwischen (post-)positivistisch-qualitativen und interpretativ-qualitativen Methoden bestimmen. In dieser Hinsicht müsste unter Einbezug quantitativer Methoden nicht eine Geschichte zweier, sondern dreier empirischer Forschungskulturen (nicht nur) in der Politikwissenschaft erzählt werden.
 
5
In der weiteren Interpretation führen Lio et al. (2008) aus, dass die Botschaften darauf abzielten, bei Menschen Resonanz zu finden, die einer gesellschaftlich lange Zeit dominierenden Gruppe angehören und Angst vor einem Statusverlust aufgrund des demografischen Wandels haben. Aus sozialpsychologischer Sicht lässt sich die Konstruktion der „gefährlichen Anderen“ als Projekt verstehen. Den Zusammenhang von Statusangst, projektiver Konstruktion von „Anderen“, politischen Einstellungen und Gewaltbereitschaft hat die Forschungsgruppe um Wilhelm Heitmeyer für Deutschland in einer quantitativen Langzeituntersuchung beforscht, deren Befunde unter dem Titel Deutsche Zustände veröffentlicht wurden (z. B. Heitmeyer 2011).
 
6
Entsprechende Definitionsansätze finden sich auch für die Fallstudie in Kap. 3 und konfigurativ-vergleichende Methoden bzw. QCA in Kap. 4.
 
7
Natürlich gibt es zahllose weitere Definitionsversuche, die jedoch i. d. R. die hier angeführten Elemente lediglich in der ein oder anderen Weise variieren. Beispielhaft sei die aus dem bereits erwähnten Sammelband Interpretation and Method zitiert: „In sum, scientific practices that focus on meaning and meaning making in specific situational contexts and on processes of sense making more broadly are informed by interpretive philosophies and presuppositions. They are concerned with understanding the lifeworld of the actor in the situation(s) being studied, but they also reflect on the problematics of (re)presenting that lifeworld and those meanings, including the role of the researcher as an actor in doing so, and they engage the role of language and other artifacts in constructing and communicating meaning and social relationships in that lifeworld. Research begins from the presupposition that social reality is multifold, that its interpretation is shaped by one’s experience with that reality, and that experiences are lived in the context of intersubjective meaning making. The researcher engages these meanings through various methods that allow access to actors’ meanings. Interpretation operates at several levels: that of the situational actor and/or the researcher experiencing and interpreting an event or setting; of the researcher interpreting conversational interviews with situational actors and situation-relevant documents and extending those interpretations in preparing a report; and of the reader or audience interpreting the written or oral report. In this view, all knowledge is interpretive, and interpretation (of acts, language, and objects) is the only method appropriate to the human, social world when the research question concerns matters of human meaning“ (Yanow 2015, S. 22).
 
8
Die anderen in diesem Lehrbuch vorgestellten Ansätze haben in dieser Hinsicht eigene Kriterien der Beurteilung der Güte der mit ihnen arbeitenden Forschung entwickelt (siehe dazu Kap. 3 und 4).
 
10
Zum Umgang mit ethischen Herausforderungen in der sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis siehe von Unger et al. (2014); zur Problematik von Ethik-Kodizes und institutionalisierten Ethik-Kommissionen siehe Haggerty (2004).
 
11
Für weiterführende Überlegungen zu visuellen Verfahren in der Datenerhebung siehe z. B. Harper (2003), Emmison (2004), Heath (2004), Denzin (2012); Doerr und Milman (2014).
 
12
Im Vorgängerlehrbuch von Blatter et al. (2007, S. 60) heißt es dazu: „Da mit der Fortentwicklung moderner Gesellschaften immer neuer Regulierungsbedarf entsteht und politisches Handeln stets mit neuen Problemmaterien und Entscheidungskonstellationen konfrontiert ist, lassen sich Akteurkonstellationen und Handlungsmotive im politischen Entscheidungsprozess kaum standardisieren. Um Aufschluss über bestimmte Entscheidungskonstellationen und deren Determinanten zu erhalten, müssen detailgenaue Informationen über beteiligte Akteure, diskutierte Entscheidungsoptionen, verfügbare Informationsressourcen und Handlungsrestriktionen gewonnen werden. In vielen Fällen kann schon die Rekonstruktion von einzelnen Fällen Informationen über neue Entscheidungssituationen generieren“.
 
13
Auch das aktuell feststellbare Bemühen um Datentransparenz (siehe Ausführungen zu den Gütekriterien in Abschn. 2.1 oben) lässt sich als zunehmendes Bewusstsein hinsichtlich der Bedeutung des Kontextes verstehen. In dieser Hinsicht sollte z. B. in Abschlussarbeiten, die wesentlich auf qualitativen Interviews beruhen, versucht werden, beim Zitieren aus den Interviewtranskripten auch die Fragen zu den Antworten der Befragten mit anzuführen.
 
14
Den Relevanzsetzungen des Befragten zu folgen kann konkret heißen, längere Zeit im Interview einem Thema zu widmen, das der Befragte in seiner Erzählung aufgebracht hat und das ihm daher offenbar wichtig ist, auch wenn dieses nicht im Leitfaden abgebildet ist und sich der Bezug zur „eigentlichen“ Forschungsfrage nicht direkt zeigt. In der Auswertung des Interviews kann es sich gleichwohl erweisen, dass das Thema zentrale Bedeutung für das Forschungsvorhaben besitzt und es um einen Aspekt bereichert, der bislang unterbelichtet war. Damit eröffnet das Prinzip, der Relevanzsetzung des Befragten zu folgen, eine Möglichkeit der systematischen Entdeckung von Unerwartetem und Neuem.
 
15
In der politikwissenschaftlichen Forschung wird darüber hinaus vielfach mit sogenannten Elite-Interviews gearbeitet. Die Bestimmung des Interviews erfolgt, in ähnlicher Weise wie beim Experteninterview, über die Rolle des Befragten (hier: als Teil der politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen o. ä. Elite). Der Begriff Elite ist ähnlich deutungsoffen und -bedürftig wie der des Experten, die Interviewform indes weit weniger gut konzeptualisiert. Daher wird hier das Experteninterview vorgestellt; in der Diskussion des Studienbeispiels (siehe Abschn. 2.2.1.4) kommen wir nochmals auf das Eliteinterview zurück. Zum Elite-Interview siehe z. B. auch Tansey (2007), Harvey (2011), Lancaster (2016).
 
16
Der aufmerksame Leser wird bemerken, dass die Definitionskriterien bzgl. der Interviews nicht einheitlich und trennscharf sind. Während der Experteninterview durch die Rolle des Befragten bestimmt ist, ist das problemzentrierte Interview durch eine bestimmte Gliederung und das aktive Interview durch eine spezifische Art und Weise der Interviewführung charakterisiert. Kombinationen lassen sich also durchaus vorstellen, etwa als aktive Experteninterviews, auch wenn sie in der Forschungspraxis eher seltener vorkommen. Die terminologische Fixierung als Interview X oder Y dient letztlich v. a. als Orientierung für angehende qualitative Forscher, zur einfacheren Kommunikation zwischen Forschenden (hier insb. zwischen Autor und Leser einer Studie) und Legitimation des gewählten Vorgehens.
 
17
Bedeutung erhält das narrative Interview auch durch das seit einigen Jahren in Teilen der Politikwissenschaft steigende Interesse an Erzählungen. Siehe dazu z. B. Jameson (2013), Lowndes und Roberts (2013, S. 46–76), Gadinger et al. (2014) sowie Hanne et al. (2014).
 
18
Witzel nennt als Beispiel die explorative Einarbeitung in eine neue Forschungsthematik mittels Gruppendiskussion, die es erlaubt, auf Basis eines so erarbeiteten ersten Überblicks über Meinungsinhalte ein PZI zu führen.
 
19
Die Bezeichnungen für einzelne Sampling-Verfahren und ihre Kategorisierungen variieren in der Literatur. Genauere Ausführungen zum Sampling in interpretativer Forschung bietet z. B. Flick (2009, S. 115–126). Er verweist darauf, dass Fragen der Fallauswahl nicht nur bei der Datenerhebung eine Rolle spielen, sondern auch bei der Auswertung (insofern bei größeren Studien oft bestimmte Fälle für Detailanalysen ausgewählt werden) und der Ergebnispräsentation (wenn sich bestimmte Fälle besonders zur besseren Nachvollziehbarkeit oder Illustration der Interpretationen eignen).
 
21
Eine gute Übersicht über aktuelle Entwicklungen und vergleichende Tests bietet z. B. die kommerzielle Plattform www.​audiotranskripti​on.​de.
 
22
Misslingende Beispiele eines „trying similarity“ zur Generierung von Vertrauen und Steigerung von Rapport, das letztlich zu einem „doing difference“ führt und genau das Gegenteil von dem bewirkt, was es erreichen wollte, geben Abell et al. (2006) in einem einsichtsreichen Artikel zur Forschung mit Jugendlichen.
 
23
Zur EDV-basierten Speicherung von Interviews (insbesondere der Transkripte, aber auch der Audiodateien sowie weiterer ergänzender Dokumente) siehe die Ausführungen und Hinweise in der Einleitung zur Datenauswertung in Abschn. 2.3.
 
24
Die genaue Forschungsfrage ist in dem Beitrag nicht angegeben. Es finden sich jedoch Hinweise auf vorangegangene Publikationen, insbesondere auch die Doktorarbeit von Rivera (1998). Die Mehrfachverwertung von Forschungserfahrungen und -befunden, etwa in der Art, dass eine methodologische Reflexion der eigentlichen Ergebnispräsentation folgt, ist keine Seltenheit in interpretativer Forschung.
 
25
In anderen Forschungskontexten wie China, so die Autoren, würde Vertrauen in die Forscher eher durch persönliche Kontakte geschaffen werden.
 
26
Zu neueren Entwicklungen, die ein zunehmendes Interesse an Gruppendiskussionen auch in der politikwissenschaftlichen Forschung anzeigen, siehe Stanley (2016).
 
27
So fragten Kurt Lewin et al. (1939, S. 271) in ihrem Aufsatz „Patterns of aggressive behavior in experimental created ‚social climates‘“ provokant: „Is not democratic group life more pleasant, but authoritanism more effective?“.
 
28
Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus der universitären Betreuungspraxis: In einer studentischen Abschlussarbeit zur Bedeutung des gesellschaftlichen Umgangs mit dem Nationalsozialismus für Jugendliche wurde von der Moderatorin in einer Fokusgruppendiskussion mit deutschen Schülern ein kurzer Ausschnitt aus Leni Riefenstahls Propagandafilm „Der Triumph des Willens“ gezeigt. Die insgesamt sehr lebhafte und von ihr als „gelungen“ wahrgenommeine Diskussion machte sich im Folgenden an der Rolle Hitlers und der nationalsozialistischen Ideologie fest; der Holocaust fand indes nur marginal Eingang in die Diskussion. Inwieweit dies durch den Stimulus getriggert wurde, der ja ideologische Propaganda betraf und die Person Hitler in den Vordergrund stellte, oder sich darin in einer von ihr beispielhaft vorgenommenen tiefenhermeneutischen Interpretation eine verdrängender Umgang mit dem Holocaust abbildete, ist kaum zu sagen.
 
29
Bezogen auf die Beobachtung lassen sich die Prämissen des symbolischen Interaktionismus folgendermaßen übersetzen: Jede Handlung wird situativ in einem gegenseitigen Deutungs- und Aushandlungsprozess der Beteiligten hervorgebracht. Dieser Prozess ist den Akteuren in der Regel nicht bewusst (bzw. wird zumeist erst bewusst, wenn es zu Fehldeutungen der Situation kommt). Durch die Beobachtung von Situationen ließen sich demnach (Be-)Deutungszusammenhänge erforschen, die in Interviews womöglich gar nicht zugänglich sind.
 
30
Der schwedische Wirtschaftswissenschafter und Organisationssoziologe Nils Brunsson (1989) hat eindrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass Diskrepanzen zwischen Rhetorik/Diskurs und Handlung (talk und action) eher die Regel als die Ausnahme darstellen. In dieser Hinsicht stellt die teilnehmende Beobachtung – und mehr natürlich noch die Ethnographie (siehe Abschn. 2.4.1) – einen wichtigen interpretativen Zugang für Politikwissenschaftler dar, die sich empirisch mit jeder Form von Organsiation befassen (siehe z. B. die Studien von Einarsson (2011), Larsson (2013) oder Schia (2013)).
 
31
Verdeckte Formen der qualitativen Beobachtung haben in der Geschichte der sozialwissenschaftlichen Forschung eine ambivalente Rolle gespielt. Ein oft zitiertes Beispiel ist die Untersuchung von Laud Humphrey (1970) zu Ritualen (homo-)sexueller Interaktion in öffentlichen Toiletten, an denen er sich als einfacher Voyeur ausgab, der die beobachteten Akteure vor Passanten oder der Polizei warnte (zur Kritik an seinem Vorgehen, das auch die Verfolgung von Akteuren nach Hause zum Zweck der Interviewführung beinhaltete, siehe Babbie 2004).
 
32
Einige instruktive Studienbeispiele werden gleichwohl im Vorgängerlehrbuch Qualitative Politikanalyse (Blatter et al. 2007) angeführt, auf das wir hier gern nochmals verweisen möchten.
 
34
Diese Studie ist auch insofern interessant, als sie die Befunde der qualitativen Inhaltsanalyse – D. Trump habe in seinen Reden mehr als jeder andere Kandidat eine simplifizierende, anti-elitistische und kollektivistische Rhetorik genutzt – mit quantitativen Survey-Daten zusammenführt, die zeigen, dass erklärte Anhänger von D. Trump „are distinctive in their unique combination of anti-expertise, anti-elitism, and pronationalist sentiments“ (Oliver und Rahn 2016, S. 189).
 
35
Die folgenreiche Wirkmächtigkeit von Diskursen, die hier an einem eher subtilen Beispiel gezeigt wurde, wird nicht zuletzt bei der Untersuchung von Kriegsdiskursen überdeutlich. Siehe dazu u. a. Jarvis (2009), Hansen (2013), Ngo (2016).
 
36
Die Rahmenanalyse lässt sich zudem gut mit der Situationsanalyse als einer aktuellen Variante der Grounded Theory, die in Abschn. 2.4.2 vorgestellt wird, verbinden. Siehe dazu v. a. Clarke (2012), S. 183–216.
 
37
Beides ist nicht unproblematisch. Denn was genau ist ein „kompetentes“ Mitglied? In Bezug auf Deutungen von Texten aus „fremden“ Kulturen scheint die Frage noch relativ leicht zu beantworten; angesichts von Prozessen der Globalisierung und forcierter Individualisierung (in der „westlichen“ Welt) ist die Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zu einer „Sinn- und Interaktionsgemeinschaft“ alles andere als einfach anzugeben. Und wie eine möglichst umfassende Einklammerung von Vorannahmen jenseits des Hinweises auf eine selbstreflexive Forschungshaltung praktisch möglich sein soll, bleibt ebenso offen.
 
38
Die formulierende Interpretation zielt auf ein zusammenfassende Rekonstruktion dessen, was etwa in einem Interview gesagt wurde (der sogenannte Ausdruckssinn), in der reflektierenden Interpretation geht es darum herauszuarbeiten, wie etwas thematisiert und ausgehandelt wird (den sogenannten Dokumentsinn, der der Methode auch den Namen gab), was Rückschlüsse eben auf jene oft nicht bewussten Wahrnehmungs- und Orientierungsrahmen und letztlich auch die Handlungspraxis erlaubt. Bohnsack (2011, S. 40) fasst das prägnant zusammen: „Die Analyseverfahren der dokumentarischen Methode eröffnen einen Zugang nicht nur zum reflexiven oder theoretischen, sondern auch zum handlungsleitenden Wissen der Akteure und somit zur Handlungspraxis. Die Rekonstruktion der Handlungspraxis zielt insbesondere auf das dieser Praxis zugrunde liegende habitualisierte und z.T. inkorporierte Orientierungswissen, welches dieses Handeln relativ unabhängig vom subjektiv gemeinten Sinn strukturiert“.
 
39
Das angeführte Zitat von Ashforth ist beispielhaft auch für die kritische Selbstreflexivität, die ethnographische Forschung benötigt, um im Bemühen um einsichtsreiches „going native“ die konstitutiven Rollen- und Statusdifferenzen zwischen Forschenden und Beforschten bzw. Mitforschenden nicht zu verdecken oder gar zu vergessen. Dies spielt nicht zuletzt bei Forschung in postkolonialen Kontexten und/oder mit marginalisierten, vulnerablen Gruppen eine große Rolle.
 
40
Siehe auch ergänzend die Funktionen, die der Beobachtung als politikwissenschaftlich relevante Forschungsmethode in Abschn. 2.2.3.1 zugeschrieben wurden.
 
41
In ihren Worten: „[…] some forms of political competition hinge directly on self-perception. Here, we have in mind what has come to be loosely called „identity politics,“ i. e., the power dynamics that surround claims to membership in ethnic, national, racial, religious, sexuality, or gender groups. In such contests, the collective meanings that underpin groupness are critical. What political meanings are linked to being a woman in urban Iran, or a peasant in rural Russia, or a Hutu in contemporary Rwanda? How do these varied meanings influence political processes?“ (Lorraine de Volo und Schatz 2004, S. 268).
 
42
Ethnographie kann so z. B. durch forschungsprozessbegleitende oder -abschließende Rückspielung der Beobachtungen und Befunde ins Feld zu einer reflexiven Handlungspraxis der Akteure beitragen; der Impact von Forschung ist dann sehr immanent und kann wiederum zum Gegenstand von Forschung werden. Der Hinweis von Schatz, dass durch ethnographische Forschung subalterne zum Sprechen gebracht werden können, ist indes, nimmt man die Debatte um die „Krise der Repräsentativität“ ernst, die u. a. auch in den Postcolonial Studies Widerhall findet, zu problematisieren (vgl. z. B. Kühner et al. 2016).
 
43
Charles Tilly (2006, S. 411) spricht in dieser Hinsicht davon, dass „first-rate political ethnography cannily combines art with science“. Eine Interpretation hat sich durch die Sinnhaftigkeit, Kohärenz und Nachvollziehbarkeit – im Sinne einer Co-Writing Culture auch durch Resonanz bei den Akteuren bzw. Stakeholdern im Forschungsfeld – zu bewähren. Eine vielversprechende Einübung in die ethnographische Interpretationspraxis gibt – wie bei vielen anderen interpretativen Verfahren auch – die intensive Lektüre einschlägiger Studien.
 
44
Ein zweites Motiv mag mit dem Plädoyer verbunden sein, das mit dem Anspruch von Strauss, zu dem beizutragen, was Norman Denzin als emanzipatorisches oder transformatorisches Ziel interpretativer Forschung ausgegeben hat: zu „social change“. In dem Interview, aus dem das Zitat entnommen ist, erzählt Strauss weiter: „Das heißt für mich, sich für die Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheitsrechte einzusetzen, die in jeder Generation von neuem erkämpft und gesichert werden müssen. Dazu möchte ich mit meiner Arbeit beitragen“.
 
45
Die Bezeichnung Grounded Theory erscheint insofern etwas irreführend, weil es sich nicht um eine Theorie handelt, sondern – je nach Ausformung oder Nutzung – um eine Methodologie, einen Forschungsstil oder – wie in diesem Lehrbuch – einen integrierten Forschungsansatz. Das heißt aber auch, dass die mitunter in Studien zu findende Bezeichnung der GT als Methode schlichtweg falsch ist oder zumindest der Verdacht besteht, dass ein diese Bezeichnung verwendender Autor nicht wirklich verstanden haben könnte, was er überhaupt gemacht zu haben vorgibt.
 
46
Nahrungssicherheit wird dabei gefasst als „a situation in which all community residents obtain a safe, culturally acceptable, nutritionally adequate diet through a sustainable food system that maximizes community self-reliance and social justice“ (Martin 2014, S. 359).
 
51
Für thematisch besonders Interessierte: Eine Rede, die Präsident Trump im US-Wahlkampf am 09.09.2016 zur Frage des Rechts auf Waffenbesitz gehalten hat, finden Sie unter http://​time.​com/​4445813/​donald-trump-second-amendment-speech.
 
Metadaten
Titel
Interpretative Ansätze und Methoden
verfasst von
Joachim Blatter
Phil C. Langer
Claudius Wagemann
Copyright-Jahr
2018
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-14955-0_2

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