Bei den einfachen Tätigkeiten im Sozial- und Gesundheitsbereich handelt es sich um Tätigkeiten, die keine spezifischen, formalen Qualifikationen voraussetzen, sie werden in Form von spezialisierter oder polyvalenter Einfacharbeit erbracht. Für die Tätigkeiten in der Hauswirtschaft und in der Betreuung, es handelt sich hierbei meist um polyvalente Einfacharbeit, wird davon ausgegangen, dass Grundkompetenzen für diese Tätigkeiten bereits im Rahmen von Alltagskompetenzen ausgebildet wurden. Dies scheint insbesondere bei Frauen angenommen zu werden, die überwiegend in diesem Bereich beschäftigt werden. Männern wird diese Kompetenz in der polyvalenten Einfacharbeit des untersuchten ambulanten Dienstes explizit abgesprochen, wie im Zusammenhang mit Kundinnen- und Kundenwünschen deutlich geworden ist. In der Einfacharbeit haben implizit erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten, und zwar sowohl im privaten Alltag als auch in verschiedenen beruflichen Tätigkeiten, eine wichtige Bedeutung für routinisiertes Handeln, für das Erlernen neuer Tätigkeiten in der Einfacharbeit. Vor diesem Hintergrund kritisieren etwa Hagan et al. (
2015) die Verwendung des Begriffs „unskilled“ für Beschäftigte in Einfacharbeit. Die Rekrutierung von Frauen nach der Familienzeit zeigt, dass eine Beschäftigung in haushaltsnahen Dienstleistungen fast als logische Konsequenz aus der Familienarbeit angesehen wird. Im Rahmen der Einarbeitung in die jeweils konkrete Form der Einfacharbeit im Sozial- und Gesundheitsbereich findet dann eine Fokussierung und Ergänzung von bereits vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen statt, und zwar tätigkeitsbezogen on-the-job und near-the-job durch betriebliche Weiterbildungsangebote, sowie off-the-job über externe Kursangebote (Dehnbostel
2010, S. 32 ff.). Dabei werden vor allem fachspezifische Weiterbildungen durchgeführt und belegt, die im Schnittfeld von Hauswirtschaft, Betreuung und Pflege angesiedelt sind. Diese sind sowohl auf die Stärkung der für die aktuelle Tätigkeit benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen angelegt, zum Beispiel in Bezug auf Demenz oder psychische Erkrankungen, können aber auch einen transitorischen Charakter haben und in die Pflege als neuem Tätigkeitsfeld führen. Damit wird von betrieblicher Seite einerseits der „funktionalen Komplexität und der Handlungsautonomie der Einfacharbeit“ (Abel et al.
2014, S. 15) Rechnung getragen, anderseits nehmen Betriebe damit aber auch bereits vorhandene qualifikatorische Potentiale von Beschäftigten wahr und versuchen diese für die Pflegetätigkeit abzuschöpfen. Dies gelingt insbesondere dann, wenn die Interaktionsarbeit als doppeltes Verhältnis aufgefasst wird, das sowohl durch die Dyade der Klientinnen-und-Klienten-Beziehung als auch durch die innerorganisatorische Interaktionsbeziehung bestimmt wird (Becke und Bleses
2015b, S. 40). Erst diese erweiterte Perspektive auf Interaktionsverhältnisse ermöglicht es Betrieben, mittel- und langfristige Produktivitätspotentiale in einfachen Tätigkeiten im Sozial- und Gesundheitsbereich zu identifizieren und im Rahmen betrieblicher Entwicklungs- und Innovationsprozesse umzusetzen. Dies gelingt jedoch nur dann, wenn Mitarbeitende dazu in der Lage sind, qualitativ hochwertige Interaktionsarbeit sowohl im
back-office als auch in ihrer
front-line-work (Böhle und Glaser
2006) zu leisten. Allerdings zeigen die vorliegenden Befunde deutlich, dass solche Formen des Umgangs mit Personalressourcen im Handlungsfeld Einfacharbeit im Sozial- und Gesundheitsbereich bislang noch kaum ausreichend gut in den Betrieben etabliert sind. So wird etwa sowohl auf fehlende Weiterbildungsangebote hingewiesen als auch auf eine von den Leitungspersonen diagnostizierte, fehlende Bereitschaft der Beschäftigten, sich weiter qualifizieren zu wollen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und können sowohl im Zusammenhang mit der jeweiligen Tätigkeit stehen, etwa als Ausdruck unterschiedlicher Anforderungsstrukturen von einfachen Tätigkeiten, die sich etwa aus den verschiedenen Formen spezialisierter und polyvalenter Einfacharbeit ergeben, als auch außerhalb dieser verortet werden, etwa in persönlichen Vorlieben und privaten Bedürfnissen. Für ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge wäre eine systematische, formenbezogene Untersuchung von Einfacharbeit erforderlich. Generell gilt für die Einfacharbeit, dass im Rahmen der Ausübung dieser Tätigkeiten sowohl neue Qualifikationen erworben als auch bereits vorhandene Kompetenzen und Fähigkeiten aktualisiert und weiterentwickelt werden. Als Grundkompetenzen für die Einfacharbeit im Sozial- und Gesundheitsbereich werden daher vor allem im privaten Haushalt aufgebaute und bewährte Problemlösungskompetenzen angesehen sowie grundlegende Sprachkenntnisse. Für Maxwell (
2006) gehören diese Kompetenzen und Fähigkeiten zu den „new basic skills“ von in Einfacharbeit tätigen Beschäftigten. Sie stellen zugleich auch „skills of the un-skilled“ (Hagan et al.
2015) dar, die von den Beschäftigten in einer Vielzahl von unterschiedlichen, alltäglichen Handlungen und Tätigkeiten erworben und entwickelt wurden. Die Beschäftigten in Einfacharbeit im Sozial- und Gesundheitswesen sind jedoch nicht nur „niedrigqualifiziert“, sie verfügen vielfach bereits über in der Schweiz erworbene berufliche Qualifikationen, die jedoch nicht im Sozial- und Gesundheitswesen liegen, und vermehrt auch über sehr vielfältige, im Ausland erworbene formelle und informelle Qualifikationen über alle Qualifikationsstufen hinweg. Denn im Sozial- und Gesundheitswesen ist ein wachsender Anteil von Personen mit Migrationshintergrund beschäftigt (Jaccard Ruedin und Widmer
2010, S. 89). Qualifikatorisch sind die in Einfacharbeit im Sozial- und Gesundheitsbereich beschäftigten Personen daher insgesamt als gemischt-qualifiziert und tendenziell eher als gut qualifiziert einzuordnen. So können sie in Bezug auf das Erlernen und die Ausübung von neuen Tätigkeiten auf bereits in anderen beruflichen Zusammenhängen erworbene, formale, non-formale und informelle Kompetenzen zurückgreifen. Von Bedeutung für die Betriebe sind dabei jedoch nicht spezifische Fachkenntnisse, über die Beschäftigte aufgrund ihrer formalen Qualifikationen verfügen. Diese können zwar auch für ihre aktuelle Tätigkeit in der Einfacharbeit nützlich sein, etwa handwerkliches Können, müssen es aber nicht, wie beispielsweise das fachliche Können eines Metzgers oder einer Coiffeuse. In der Einfacharbeit sind vielmehr die im Zuge vorgängiger Erwerbstätigkeit erworbenen überfachlichen Kompetenzen entscheidend. Hierzu gehören insbesondere Sozial-, Selbst- und Personalkompetenzen (Solga et al.
2008, S. 20 f.), aber auch etwa manuelles, praktisches Geschick oder Begabung, die sich in der Fähigkeit zur Erledigung praktischer Tätigkeiten manifestiert, und eine grundlegende Erwerbsorientierung (Kraus
2006). Kraus versteht unter Erwerbsorientierung „Haltungen, Einstellungen und Muster, die eine bestimmte Orientierung des eigenen Lebens auf die Erwerbssphäre beinhaltet“ (Kraus
2006, S. 220). Im Kontext von Einfacharbeit wird die Dimension Erwerbsorientierung vor allem mit dem Begriff der Motivation oder dem Wollen beschrieben, über die Beschäftigte verfügen sollten. Daher kommt den bisherigen, praktischen beruflichen Erfahrungen bei der Rekrutierung von Beschäftigten in der Einfacharbeit eine zentrale Rolle zu. Diese werden als Indizien genommen, an denen Erwerbsorientierung im Rekrutierungsprozess sichtbar und überprüfbar gemacht werden kann. Hagan et al. (
2015) betonen daher zu Recht, dass
low-skilled nicht
no-skills heißt. Konkret bedeutet dies, dass auch für die Einfacharbeit qualifizierte Beschäftigte benötigt werden, die in der Lage sind, den (Wieder-)Einstieg in ein neues Tätigkeitsfeld problemlos zu bewältigen und sich die für
low-skilled jobs erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten erfolgreich aneignen zu können (Maxwell
2006, 2). Eine allfällig vorhandene Berufsbildung und die in vorgängigen Beschäftigungsverhältnissen formell und informell erworbenen, sowie die im Alltagshandeln ausgebildeten Fähigkeiten und Kompetenzen, sind in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Für einen neuen Arbeitgebenden haben sie Signalfunktion (Matthes
2019, S. 73).
Gesundheitliche Belastungen werden vor allem auf die zum Teil schwere körperliche Tätigkeit in den Bereichen Hauswirtschaft, Reinigung, Wäscherei, sowie Betreuung und Pflege zurückgeführt, die nach einer langjährigen Tätigkeit wirksam werden und die Arbeitsfähigkeit einschränken können. Zur gesundheitlichen Unterstützung der Beschäftigten werden in den Betrieben vor allem Maßnahmen und Angebote der Gesundheitsförderung eingeführt. Darüber hinaus werden auch Maßnahmen im Bereich der Arbeitsorganisation vorgenommen, etwa die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz mit angepasster Tätigkeit oder Job-Rotation. Im Rahmen des betrieblichen Qualitätsmanagements wird am Beispielbetrieb
Tannenwald aufgezeigt, wie die Überprüfung der Dienstleistungsqualität und die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften, etwa in Bezug auf schweres Heben im Rahmen von Betreuung und Pflege, mit gemeinsamen Überlegungen zur gesundheitsförderlichen, ergonomischen Gestaltung der Arbeitsabläufe verbunden werden kann. Die Wirksamkeit gesundheitlicher Maßnahmen wird von den untersuchten Betrieben jedoch insgesamt als eher begrenzt wahrgenommen, was sich mit dem Kenntnisstand über die Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsmaßnahmen in der Einfacharbeit deckt (Geisen und Widmer
2018). Die körperliche Anstrengung in den einfachen Tätigkeiten selbst wird als fast unumgänglich angesehen und gesundheitliche Maßnahmen könnten hier nur bedingt Abhilfe leisten. Dies gilt vor allem für spezialisierte Formen von Einfacharbeit, die oft mit einseitigen körperlich Belastungen verbunden sind, wie sie beispielsweise in einer Wäscherei erbracht werden. Daneben bestehen auch psychische Belastungen, etwa im Zusammenhang mit dem Sterben, oder durch verbale und körperliche Belästigung. Einfacharbeit wird hier als Interaktionsarbeit sichtbar, bei der neben der koordinierenden und subjektivierenden Arbeitstätigkeit auch Emotions- und Gefühlsarbeit zu leisten sind (Böhle et al.
2015, S. 19). Gefühlsarbeit, wie sie etwa im Zusammenhang mit verbalen Belästigungen sichtbar wird und sich auf den Umgang mit den Gefühlen anderer bezieht, und Emotionsarbeit, die etwa entstehen kann, wenn die betreute Person tot aufgefunden wird und Beschäftigte im Umgang mit den eigenen Gefühlen auf Grund von Schmerz und Trauer an Grenzen stoßen, sind daher nicht nur zentrale Elemente personenbezogener Dienstleistungen in der Einfacharbeit, sie können auch zu gesundheitlichen Belastungen bei den Beschäftigten führen. Wie das Betriebsbeispiel
Tannenwald als Good Practice-Beispiel zeigt, wird diesen Belastungen inzwischen Rechnung getragen, etwa indem in Bezug auf den Umgang mit psychischen Herausforderungen in der Betreuungs- und Pflegetätigkeit den Beschäftigten tätigkeitsbezogene Qualifizierungsangebote gemacht und gesundheitliche Unterstützung, etwa im Rahmen von betrieblicher Sozialberatung, angeboten wird. Insgesamt fehlt es jedoch weiterhin an systematischen Ansätzen in der Einfacharbeit, die vermehrt die strukturelle, betriebliche Ebene der Leistungserbringung mit in den Blick nehmen, um noch weitgehend „unausgeschöpfte Potentiale“ (Geisen
2012) in der proaktiven Bearbeitung gesundheitlicher Herausforderungen und in fallbezogenen Unterstützungsmaßnahmen realisieren zu können. Interaktionsarbeit wird hier als organisationales Verhältnis sichtbar, das die Leitungs- und Kooperationsbeziehungen innerhalb des Betriebes als grundlegende Voraussetzung für die Interaktionsarbeit als Arbeit mit und an den Kundinnen und Kunden beschreibt (Abel
2014; Becke und Bleses
2015a).