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Erschienen in: Leviathan 2/2010

01.06.2010 | Aufsatz

Noch so ein Sieg, und wir sind verloren. Der Nationalstaat nach der Finanzkrise

verfasst von: Prof. Dr. Wolfgang Streeck

Erschienen in: Leviathan | Ausgabe 2/2010

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Zusammenfassung

Hoffnungen auf eine Rückkehr des nationalen Interventionsstaats im Gefolge der Finanzkrise erscheinen verfrüht. Die zur Krisenbekämpfung ergriffenen Maßnahmen beschleunigen einen seit Jahrzehnten anhaltenden Trend zu immer höherer Staatsverschuldung. Wie in anderen Nationalstaaten auch, so wird der für diskretionäre Politik verfügbare Anteil des Bundeshaushalts in den nächsten Jahren gegen Null tendieren. Das Problem einer möglichen Erschöpfung politischer Gestaltungsmöglichkeiten wird durch die von der Großen Koalition in das Grundgesetz aufgenommene „Schuldenbremse“ weiter verschärft, auch wenn mit einer Einhaltung der Vorschriften zur Beseitigung des strukturellen Defizits nicht wirklich zu rechnen ist.

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Fußnoten
1
Zum Folgenden s. Streeck (2007).
 
2
Ohne die extensive Privatisierung von Staatseigentum seit Mitte der 1990er Jahre wären die jährlichen Defizite in der damaligen Zeit noch höher ausgefallen. Heute sind alle Privatisierungsmöglichkeiten weitgehend und irreversibel ausgeschöpft (vgl. Zohlnhöfer u. Obinger 2005).
 
3
Hierzu unten mehr.
 
4
Zu ihnen gehören neben der sozialen Sicherung und dem Schuldendienst die Ausgaben für Verteidigung (die politisch nicht im Ermessen der Bundesregierung stehen, sondern sich aus ihren Bündnisverpflichtungen ergeben) sowie für Personal.
 
5
Dasselbe gilt für die Mobilisierung zusätzlicher Einnahmen durch Privatisierung von Staatseigentum. Hier sind für die Zukunft allenfalls noch die Deutsche Bahn und die Autobahnen übriggeblieben.
 
6
Die durchschnittliche Verzinsung der Staatsschulden reagiert nur langsam und in dem Maße auf Veränderungen des Zinssatzes, wie neue Schulden aufgenommen und alte Schulden umfinanziert werden müssen.
 
7
Ein Jahrzehnt früher war es die Austilgung der Inflation, die zu einem Einbruch der Zinssätze führte; danach stiegen die Zinsen bis zum Beginn des folgenden Jahrzehnts wieder leicht an (s. Abb. 6).
 
8
Beispielsweise konnte der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 2005 bis 2009 um nicht weniger als 3,7 Prozentpunkte gesenkt werden, was trotz der Sparpolitik fällig werdende Beitragserhöhungen in anderen Bereichen mehr als ausglich.
 
9
2006 wuchs die deutsche Volkswirtschaft um 3,0 %, 2007 immer noch um 2,5 %. In den zehn Jahren davor hatte das durchschnittliche Wachstum pro Jahr bei 1,3 % gelegen.
 
10
2005 betrug der Finanzierungssaldo des Bundeshaushalts 31,4 Mrd. Euro (12,1 % der Bundesausgaben). Für 2009 rechnet der Bundesrechnungshof mit einem Defizit von 49,5 Mrd. (16,3 %) und für 2010 mit einem weiteren Anstieg auf 86,4 Mrd. (26,4 %) (Bundesrechnungshof 2009, S. 76). Die Gesamtverschuldung des Bundes 2005 machte 40 % des Sozialprodukts aus; 2010 wird sie bei 45 und 2013, allerdings nur bei Einhaltung der neuen Schuldenregel (!), bei 49 % liegen (Bundesrechnungshof 2009, S. 107). Für den Schuldenstand des Gesamtstaats rechnet der Sachverständigenrat mit einen Anstieg von 67,6 % im Jahr 2005 auf 79 % 2010 und 82 % 2013 (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2009, S. 184).
 
11
In den zehn Jahren von 1999 bis 2008 lag das durchschnittliche nominale Wirtschaftswachstum bei nur 2,4 %. Laut Sachverständigenrat würde ein Wachstum auf Vorkrisenniveau „den Konsolidierungsbedarf um etwa ein Drittel höher ausfallen lassen“ (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2009, S. 186). Gegen Ende des Jahres 2009 rechnete der Finanzminister schon mit einem jährlichen Konsolidierungsbedarf von 10 Mrd. Euro ab 2011 (FAZnet, 21.12.2009) – was darauf hindeutet, dass die Bundesregierung dabei ist, ihre Wachstumserwartungen nach unten zu revidieren.
 
12
Allerdings können sie sich durchaus addieren. Auch durch allmähliches „bleeding from a thousand cuts“ kann der Wohlfahrtsstaat heruntergefahren werden.
 
13
Die Rechnung bezieht sich auf 14 größere Finanzkrisen in 14 Ländern.
 
14
„Seldom do countries simply ‚grow‘ their way out of deep debt burdens“ (Reinhart u. Rogoff 2009a, S. 23).
 
15
Aus Sicht derer, die mit ihrem Geld lieber Staatsanleihen kaufen als es beim Finanzamt abzuliefern, empfiehlt sich ohnehin eine Politik des steuerpolitischen Ausverkaufs, solange der Vorrat reicht. Dasselbe gilt für die den Ausverkauf betreibenden Parteien, sofern es ihnen gelingt, sich ihre Gefälligkeiten, bevor endgültig keine mehr möglich sind, durch Spenden vergüten zu lassen. Möglicherweise kann man die Steuersenkungspläne der bürgerlichen Koalition aber auch als weltklugen Verzicht auf den Versuch betrachten, etwas zu erreichen, was man als unerreichbar erkannt hat. Oder es steckt, mindestens bei der Teilen der FDP, eine Strategie der Aushungerung und Abmagerung des Staates dahinter, wie sie in den 1980er Jahren sowie später unter Bush II in den USA unter dem Slogan „starving the beast“ erfolgreich betrieben wurde: Steuersenkungen gerade im Defizit, mit dem Ziel, die Staatsausgaben und damit die staatliche Handlungsfähigkeit langfristig zu vermindern. George W. Bush, 2001: „So we have the tax relief plan […] that now provides a new kind – a fiscal straightjacket for Congress. And that’s good for the taxpayers, and it’s incredibly positive news if you’re worried about a federal government that has been growing at a dramatic pace over the past eight years and it has been.“ Siehe http://​en.​wikipedia.​org/​wiki/​Starve_​the_​beast, abgerufen am 21. Januar 2010.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Noch so ein Sieg, und wir sind verloren. Der Nationalstaat nach der Finanzkrise
verfasst von
Prof. Dr. Wolfgang Streeck
Publikationsdatum
01.06.2010
Verlag
VS-Verlag
Erschienen in
Leviathan / Ausgabe 2/2010
Print ISSN: 0340-0425
Elektronische ISSN: 1861-8588
DOI
https://doi.org/10.1007/s11578-010-0079-5

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