2008 | OriginalPaper | Buchkapitel
Governance der Schule im Kontext von Interdependenzen und sozialem Wissen
verfasst von : Jürgen Kussau, Dr.
Erschienen in: Evaluation, Wissen und Nichtwissen
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Wechselseitige Angewiesenheit ist ein konstitutives Merkmal des öffentlichen Schulsystems.
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An einem Beispiel soll dieser Sachverhalt illustriert werden. Die öffentliche, allgemeine Schule wurde im Wege rechtlich getragener Institutionalisierung begründet (
Fend 2006b
). Der autonom handelnde Staat versetzte Eltern und Kinder in eine Abhängigkeitsbeziehung, die Schulpflicht. Jenseits dieser formalen Bestimmung aber war der Staat selbst von den Eltern abhängig, also in eine Situation wechselseitiger Angewiesenheit eingebunden. Denn die Schulpflicht kam erst in dem Augenblick zur vollen Entfaltung, in dem die Eltern lernten, dass Bildung ein erstrebenswertes oder sogar notwendiges Gut ist. Erst damit wurde die Schule eine anerkannt verpflichtende Einrichtung, die das Abhängigkeitsverhältnis generalisierte und scheinbar die Interdependenzbeziehung aufhob. Wenn heute ein Teil der SchülerInnen nicht mehr von der Schule erreicht wird, beinhaltet das, dass die Bedeutung von Bildung nicht durch alle Jugendlichen anerkannt wird. Die „Universalisierung von Überzeugungen“ verblasst, wonach der „Erwerb von Bildungspatenten der Königsweg für beruflichen und sozialen Aufstieg ist“ (
Lundgreen 2000, 164
). Die Angewiesenheit auf die Schule wird gelöst und der Interdependenzpakt aufgekündigt. Es kommt zum Abschied von der „symbiotic interdependence“ (zum Begriff
Bradach/Eccles 1989, 103
) zwischen Bildung und Lebenschancen. Damit sich Schule als Institution behaupten kann und sämtliche Jugendlichen erfasst, reicht rechtliche Institutionalisierung als Obligatorium nicht aus.