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2010 | Buch

Die Globalisierungs- und Weltordnungspolitik der Europäischen Union

verfasst von: Hans-Jürgen Bieling

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Noch immer sehen viele in der europäischen Integration vor allem eine Reaktion und Antwort auf die Globalisierung. Zuletzt wird jedoch sehr intensiv darüber diskutiert, ob und inwiefern die EU selbst eine aktive Globalisierungs- und auch Weltordnungspolitik praktiziert. Diese Studie arbeitet sehr gründlich, theoretisch-konzeptionell und empirisch heraus, dass dies in beträchtlichem Umfang inzwischen der Fall ist. Nicht zuletzt werden die Kernelemente und Operationsformen eines europäischen Staats-Zivilgesellschafts-Komplexes identifiziert, der auch die Außenbeziehungen EU, insbesondere in den Bereichen der Handels-, Währungs- und Finanzmarkt- sowie auch der Sicherheitspolitik, maßgeblich definiert. Gestützt auf die spezifischen Muster der staatlich-zivilgesellschaftlichen Interaktion verfolgt die EU bislang eine primär kooperative und rechtsbasierte Hegemonialstrategie, die allerdings zunehmend – z.B. mit Blick auf die Energiesicherheit – durch geoökonomische und geopolitische Ziele und Strategieelemente ergänzt wird.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung: Konturen einer erweiterten Forschungsagenda

1. Einleitung: Konturen einer erweiterten Forschungsagenda
Zusammenfassung
Der Europadiskurs hat sich seit Ende der 1990er Jahre erkennbar verlagert. Lange waren in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion vor allem die internen Dynamiken, d.h. die Ursachen, die politisch-institutionellen Organisationsformen und sozioökonomischen Effekte der europäischen Integration in den Blick genommen worden. Im Vordergrund standen die internen Interessenkonstellationen, Leitbilder, Instrumente und Kompromisse, die den Integrationsprozess maßgeblich geprägt haben. So ging es in den Römischen Verträgen von 1957 primär um die Institutionalisierung einer Zollunion, einer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und einer Kooperation im Bereich der Atomenergiepolitik. Auch die Integrationsfortschritte der 1970er Jahre – so z.B. die Einrichtung der Forschungs- und Technologiepolitik (1974), ebenso der Regionalpolitik (1975), des Europäischen Rates (1975), des Europäischen Währungssystems (EWS, 1979) oder die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament (EP, 1979) – verdeutlichen, dass sich die europäische Politik darauf konzentrierte, die internen Kooperationsformen und Entscheidungsverfahren zu verbessern. Durch den Integrationsschub der 1980er und 1990er Jahre änderte sich hieran zunächst nur wenig. So waren die wiederholten Vertragsrevisionen vornehmlich dadurch motiviert, die interne Operationsweise der Europäische Union durch transparentere und effektivere Entscheidungsverfahren zu stärken und durch eine umfassendere Partizipation nicht-staatlicher Akteure die Legitimationsbasis des EU-Systems auf eine breitere Grundlage zu stellen.
Hans-Jürgen Bieling

Analyseraster und Interpretationsfolien

Frontmatter
2. Analyse- und Interpretationsraster europäischer Globalisierungspolitik
Zusammenfassung
Mittlerweile nehmen einige theoretische Ansätze für sich in Anspruch, ein aufschlussreiches Analyseraster für die EG/EU-Außenpolitik bereitzustellen. Zumeist orientieren sie sich an der herkömmlichen Außenpolitikanalyse, die den Blick in erster Linie auf die staatlichen Exekutivapparate, vor allem die Regierungen richtet (vgl. Peters/Wagner 2005). Gleichzeitig bemühen sich die Ansätze aber auch, die (national-)staatszentrierte Perspektive zu modifizieren. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Zum einen verfügt die EU in einigen außenpolitisch relevanten Politikfeldern – z.B. in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik – über keine dem klassischen Nationalstaat vergleichbaren Kompetenzen und Instrumente (vgl. Shaw 2000: 190f). Auch die internationale Rechtspersönlichkeit der EU, d.h. die Fähigkeit, eigenständig Verträge mit anderen Staaten und Organisationen abzuschließen, ist politikfeldspezifisch fragmentiert. Zum anderen unterstreicht die Vielzahl und Vielfalt der Akteure im Bereich der EU-Außenbeziehungen, dass es sich bei der EU noch weniger als bei den Nationalstaaten um ein homogenes Gebilde handelt. Nicht nur in Bezug auf die internen Entwicklungen, sondern auch auf dem Gebiet der Außenpolitik stellt die EU vielmehr ein komplexes Kräfte- und Akteursgeflecht mit zum Teil widersprüchlichen Interessen und Strategien dar.
Hans-Jürgen Bieling

Die Europäischen Union als Arena und Akteur der Globalisierung

Frontmatter
3. Strukturdeterminanten und Entwicklungsphasen der europäischen Integration
Zusammenfassung
Die Formen der sozioökonomischen, zivilgesellschaftlichen und globalen Einbettung der Europäischen Union haben sich seit den 1980er Jahren beträchtlich gewandelt; und mit ihnen auch die gesellschafts- und weltpolitischen Prioritäten. In den Nachkriegsjahrzehnten hatte sich die EG im Kontext des Kalten Krieges und der US-Hegemonie zumeist eher defensiv und reaktiv positioniert. Erst seit den 1990er Jahren wird erkennbar, dass sich die EU zu einer wichtigen Globalisierungsarena und in einigen Bereichen sogar zu einem einflussreichen Akteur der Globalisierung gewandelt hat. Die These eines qualitativen Wandels der europäischen Integration mag bereits auf den ersten Blick plausibel erscheinen.
Hans-Jürgen Bieling
4. Die Folgen des Integrationsschubs: politökonomische Dimensionen einer veränderten Funktionsweise europäischer Politik
Zusammenfassung
Der Integrationsschub seit den 1980er Jahren ging mit einer Transformation des europäischen Regionalismus einher. Zugleich veränderte sich das Verhältnis von europäischer Integration und Globalisierung; und zwar dahingehend, dass die EU weniger eine Antwort auf die Globalisierung darstellt, als vielmehr diese in vielen Bereichen aktiv vorantreibt. In welchem Umfang dies der Fall ist, ist in der wissenschaftlichen Diskussion allerdings nach wie vor umstritten. Dies liegt unter anderem daran, dass sich die Prozesse der Globalisierung und europäischen Integration nicht leicht voneinander abgrenzen lassen. Auf einer abstrakten Ebene beziehen sich beide Prozesse auf sehr ähnliche Entwicklungen, nämlich auf die Verdichtung von Raum-Zeit-Beziehungen (vgl. Harvey 1990; Giddens 2001), d.h. die zunehmende Interdependenz vormals separater oder nur lose miteinander verknüpfter Handlungsräume.
Hans-Jürgen Bieling
5. Die Europäische Union in der Weltökonomie und Weltordnung
Zusammenfassung
In den vorangegangenen Kapiteln wurde der Wandel der europäischen Integration auf einer allgemeinen, strukturellen Ebene dargelegt. Dabei wurde bereits erkennbar, dass sich die EU in den letzten Jahrzehnten nicht nur zu einer Handlungsarena, sondern auch zu einem Akteur der Globalisierung entwickelt hat. Ihre politischen Gestaltungsmöglichkeiten und Instrumente sind in den einzelnen Bereichen der Außenbeziehungen nach wie vor unterschiedlich entwickelt. Gleichwohl sollten die externen Globalisierungs- und Europäisierungseffekte europäischer Politik aus mehreren Gründen nicht unterschätzt werden: Erstens, weil sich hinter den statistischen Daten zum Handel, zu den Direktinvestitionen sowie zu den Währungs- und Finanztransaktionen transformative soziale Kräfte verbergen, durch die die Bedingungen der materiellen Reproduktion und politischen Organisation der transund internationalen Beziehungen tiefgreifend verändert werden; zweitens, weil die EU nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch-institutionell in anderen Weltregionen wie z.B. dem MERCOSUR oder der ASEAN als ein Modell wahrgenommen wird, an dem es sich zu orientieren gilt; und drittens, weil die EU die aufgeführten Widersprüche und instrumentellen Grenzen der externen Globalisierung und Europäisierung durchaus erkannt hat und – durch immer neue Initiativen und Koordinationsanstrengungen – aktiv bearbeitet.
Hans-Jürgen Bieling

Schlussfolgerungen und Perspektiven

Frontmatter
6. Die Europäische Union: vom Handelsblock zum Globalisierungsakteur mit imperialen Ambitionen?
Zusammenfassung
In den vorangegangenen Kapiteln wurde dargelegt, dass sich die inhaltliche Ausrichtung und Gestaltungskraft der europäischen Außenpolitik maßgeblich über deren interaktive Einbettung in die sozialen Produktionsbeziehungen, die zivilgesellschaftlichen Kooperations- und Kommunikationsmuster sowie die Strukturen der Weltordnung und Weltökonomie erschließt. Die Formen und die Qualität der interaktiven Einbettung haben sich seit den 1980er Jahren gravierend verändert. Zum einen sind im Kontext des Integrationsschubs, d.h. der Prozesse der ökonomischen und institutionellen Vertiefung und Erweiterung, nicht nur die sozialen Produktionsbeziehungen umgewälzt und mit Blick auf den intensivierten europäischen wie globalen Wettbewerb restrukturiert worden. Es haben sich auch neue europäische Netzwerke und Formen der transnationalen Kooperation herausgebildet, die auf eine engere zivilgesellschaftliche Rückkopplung von politischen Strategien und Entscheidungsabläufen verweisen. Zum anderen haben sich die Prioritäten in der Handels-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik der EU aber nicht nur in der Folge interner Reorganisationsprozesse, sondern auch aufgrund weltpolitischer und weltökonomischer Umbrüche gewandelt. Der relativ stabile globale Ordnungsrahmen, der noch die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg gekennzeichnet hatte, ist inzwischen einer unübersichtlichen Entwicklungskonstellation gewichen (vgl. Bieling 2007a: 221ff). Hierauf verweisen unter anderem die beschleunigte Globalisierungsdynamik, das Ende des Ost-West-Konflikts, der Aufstieg neuer Großmächte wie China, Indien und Russland und eine Vielzahl neuer – ökonomischer wie sicherheitspolitischer – Krisenprozesse und Bedrohungsszenarien.
Hans-Jürgen Bieling
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Globalisierungs- und Weltordnungspolitik der Europäischen Union
verfasst von
Hans-Jürgen Bieling
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92546-2
Print ISBN
978-3-531-17303-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92546-2