Betriebliche Telefon- und ISDN-Anlagen rechtsgemäß gestaltet

In dieser Untersuchung entwickeln wir ein methodisches Instrumentarium zur Konkretisierung rechtlicher Normen zu technischen Gestaltungsvorschlägen (KORA). Gegenstand der Betrachtung sind dabei mittIere und größere ISDNAnlagen bzw. ISDN-Anlagenetze, Sprachserver und Systeme für die computerunterstützte Telefonkommunikation. Diese Systeme werden in diesem Buch, sofern sie nicht gesondert betrachtet werden, zusammenfassend Telefonsysteme genannt. Technische Gestaltungsvorschläge entwickeln wir in einem vierstufigen Konkretisierungsprozeß. Ausgehend von Grundrechten konkretisieren wir diese zu grundrechtlichen Anforderungen. Aus diesen entwickeln wir rechtliche Kriterien für die Bewertung und Gestaltung der Technik. Zu konkreten Vorschlägen für die rechtsgemäße Gestaltung der Technik kommen wir dann, indem wir technische Funktionskomplexe identifizieren und für diese technische Gestaltungsziele bestimmen. Neben den Kriterien werden dabei auch Rechtsnormen unterhalb der Grundrechte einbezogen. Die Gestaltungsziele werden schließlich für ausgewählte Merkmale und Funktionen heutiger und wahrscheinlicher Funktionen künftiger Telefonsysteme zu Vorschlägen für technische Gestaltungsmaßnahmen konkretisiert.

Betriebliche Telefonsysteme sind “Inseln” am öffentlichen Fernsprechnetz. Sie ermöglichen gleichermaßen die interne Telefonkommunikation und das “Ferngespräch” mit Menschen außerhalb der Institution. Vor allem in jüngerer Zeit wird das Telefonnetz zunehmend fur andere Formen des Nachrichtenaustauschs benutzt: Telefax übertragt Papierdokumente, mit Modems wird der Zugang zu Datenverarbeitungsanlagen und damit die Text- und Datenkommunikation ermöglicht. Dies hat jedoch mehrere Nachteile: Häufig werden verschiedene Endgeräte benötigt, die gesondert angeschlossen und verkabelt werden müssen. Kabelinstallationen sind jedoch teuer. Auch sind mit herkömmlichen Übertragungsverfahren nur niedrige Übertragungsraten erreichbar, was die Qua0lität der Dienste einschränkt.

Über Telefon- oder ISDN-Systeme wird kommuniziert. Kommunikation ist das Medium der Persönlichkeitsbildung. Identität entsteht nur in Kommunikation, Individualität wird nur in der durch Kommunikation vermittelteten Erfahrung des Andersseins gebildet. Selbständiges Lernen und selbstbestimmtes Herausbilden und Aneignen eigener Werte und Beurteilungskriterien setzen Kommunikation voraus.¹ Information, Meinungsfreiheit, Wissen und Kunst gründen auf Kommunikation. Berufliche Arbeit ist auf kommunikativen Austausch angewiesen. Neue Kommunikationsformen vermögen sogar neue Berufe zu schaffen. Kollektive Interessenvertretung, Versammlungs-, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit setzen Kommunikation voraus. Politische Willensbildung und die Organisation politischer Interessen erfordern eine freie Kommunikation ebenso wie die wirtschaftliche Betätigung oder der private und familiäre Austausch. Gesellschaftliche Integration, demokratische Willensbildung und staatliche Wirkungseinheit sind ohne Kommunikation nicht möglich. Die soziale und personale Basisfunktion von Kommunikation und Information für die Grundrechtsausübung muß daher selbst unter den Schutz der Grundrechte fallen.

In diesem Kapitel werden Leistungsmerkmale moderner Telefon- und ISDN-Systeme für die durchschaltevermittelte Telefonkommunikation im Hinblick auf die entwickelten rechtlichen Anforderungen bewertet und daraus technische Gestaltungsziele konkretisiert.

Nachdem wir aus unseren Bewertungskriterien für einzelne Grundfunktionen technische Gestaltungsziele abgeleitet haben, wollen wir in diesem Kapitel untersuchen, mit welchen Gestaltungsmaßnahmen für Leistungsmerkmale diese Ziele erreicht werden können.

Rechtsrelevant sind nicht nur die Leistungsmerkmale von Telefon- und ISDN-Anlagen, vielmehr muß auch deren Betriebsfuhrung rechtlichen Vorgaben entsprechen. Zum einen ergeben sich Gestaltungsanforderungen an Programmfunktionen aus institutionellen und bereichsspezifischen rechtlichen Regelungen, vor allem im Rahmen der Gebührendatenverarbeitung. Zum anderen sind technische Maßnahmen erforderlich, um die Möglichkeiten zu Mißbräuchen und Fehlern auszuschließen oder zumindest die Wahrscheinlichkeit hierfür zu reduzieren.