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Publizistik

Erschienen in:

01.03.2009 | Aufsatz

Gegenöffentlichkeit(en) und partizipativer Journalismus im Internet

verfasst von: Sven Engesser, M.A., Dr. Jeffrey Wimmer

Erschienen in: Publizistik | Ausgabe 1/2009

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Zusammenfassung

Vielfach wird in der aktuellen Diskussion postuliert, dass der partizipative Journalismus im Internet eine Plattform für gesellschaftskritische Gegenöffentlichkeit darstelle. Der vorliegende Beitrag leistet einen ersten Beitrag zur Überprüfung dieser These, indem er das Zusammenspiel zwischen Foren der Gegenöffentlichkeit und partizipativem Journalismus empirisch auf drei Ebenen analysiert (Beitragselemente und Beiträge in professionellen Medienformaten sowie partizipative Medienformate). Auf jeder Ebene werden hervorstechende Vertreter ausgewählt, um explorativ einen Überblick über die verschiedenen Foren der Gegenöffentlichkeit zu bieten. In den Fallbeispielen lassen sich durchaus Ansätze von Gegenöffentlichkeit zeigen – z. B. anhand von inhaltlicher Gegenthematisierung, gesellschaftlicher Mobilisierung, medialen Partizipationsmöglichkeiten sowie kollaborativer Kommunikationspraxis besonders auf der Ebene der partizipativen Medienformate. Allerdings sind bei Qualität und Reichweite der durch partizipativen Journalismus konstituierten Gegenöffentlichkeit(en) markante Unterschiede festzustellen.

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Dieses Forschungsdefizit betrifft generell das Konzept der Gegenöffentlichkeit. Ein Boom an Überblickswerken und Einzelfallanalysen gerade im Bereich der neuen Medien (z. B. Asen/Brouwer 2001; Cammerts/Carpentier 2007; Donk et al. 2004; Meikle 2002) verdeutlicht zwar die aktuelle Relevanz gegenöffentlicher Phänomene. Gleichwohl fehlt aus kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive ein stringentes empirisches Forschungsprogramm, um die zahlreich postulierten Kausalannahmen zwischen Gegenöffentlichkeit, Medien und Demokratie grundlegend zu prüfen (vgl. die Ergebnisse der Meta-Analyse bisheriger Forschung von Wimmer 2009a; 2009b). Vorliegender Beitrag orientiert sich daher an dem von Wimmer (2007: 245–248) entwickelten theoretischen Rahmen für die empirische Analyse von (Gegen-)Öffentlichkeiten.

Aus Platzgründen kann hier nur am Rande auf die (Kongruenz-)Problematik des Begriffs der Gegenöffentlichkeit verwiesen werden, da in diesem Zusammenhang postulierte Partizipations- und Diskursivitätsansprüche bereits im Öffentlichkeitsbegriff der Aufklärung enthalten sind. Allerdings verkennt der emphatische Öffentlichkeitsbegriff des Bürgertums, dass bestimmte Teilöffentlichkeiten aus dem gesellschaftlichen Diskurs ausgeschlossen sind (vgl. ausführlich Wimmer 2007: 173–186). Gegenöffentlichkeit soll gerade diesen Gruppen als Sprachrohr gesellschaftlicher Emanzipation dienen und die kritische Funktion von Öffentlichkeit revitalisieren.

Auf den ersten Blick kann man zwar auch von einer rechtsradikalen »Gegenöffentlichkeit« sprechen. Alternative wie auch bewegungseigene Medien sind sehr wohl in der rechtsradikalen (wie auch linksradikalen) Szene zu finden. Eigene Kommunikationsnetzwerke tragen auch hier zu einer starken Bewegungsidentität bei. Doch entsprechen die verschiedenen Formen rechter Gegenöffentlichkeit aus mehreren Gründen weder inhaltlich noch strukturell dem normativen Kontext von Gegenöffentlichkeit im Sinne emanzipativer und demokratiestärkender Öffentlichkeitsstrategien. Ebenso muss das hier verwendete Konzept der Gegenöffentlichkeit von einer »realsozialistischen« Gegenöffentlichkeit abgrenzt werden, da in diesem Fall andere demokratietheoretische Grundlagen die etablierte Öffentlichkeit konstituieren und auch über andere medial vermittele Kommunikationswege wie z. B. Mobilkommunikation Gegenöffentlichkeit hergestellt wird (vgl. z. B. die Fallstudie von Pfeiffer 2000).

Die Auflistung der Indikatoren kann naturgemäß keinen vollständigen Charakter besitzen, sondern basiert einerseits theoriegeleitet auf den Eigenschaften des partizipativen Journalismus im Internet, andererseits empiriegeleitet auf dem zur Verfügung stehenden empirischen Material. Für eine vollständige Übersicht der methodisch-operationalen Indikatorenbündel zur Messung von Öffentlichkeit vgl. Wimmer (2007: 245).

Abhängig von der jeweiligen demokratietheoretischen Perspektive können daneben auch Indikatoren wie z. B. Diskursivität, Partizipation, Empowerment und Emanzipation benannt werden (vgl. zusammenfassend Wimmer 2007: 63–70). Aus forschungspragmatischen Gründen beschränkt sich diese Pilotstudie auf die in der Kommunikations- und Medienwissenschaft weithin rezipierten und konzeptionell gut ausgearbeiteten Funktionsanforderungen an Öffentlichkeit, verstanden als ein intermediäres Kommunikationssystem (vgl. grundlegend Gerhards/Neidhardt 1990; Peters 1994).

Diese empirischen Analyseebenen sind nicht mit den theoretischen Komplexitätsebenen von Gegenöffentlichkeit (Kapitel 2) zu verwechseln, vielmehr finden sich die Foren auf der Makro-, Meso- und Mikroebene von Gegenöffentlichkeit.

Als Anzeichen für Professionalisierungstendenzen kann z. B. der Ratgeber „So werden Sie Hobby-Reporter“ (Zalbertus 2007) gesehen werden.

Ende 2008 gerieten die Bild-Leserreporter erneut in die Schlagzeilen. Auslöser war die Kooperation der Bild-Zeitung mit der Handelskette „Lidl“ zum Verkauf einer „Leserreporterkamera“. In der anschließenden öffentlichen Diskussion meldete sich auch der DJV wieder zu Wort (vgl. Wilkens 2008). Es kann darüber spekuliert werden, inwiefern die Aktion die Wiederbelebung des Meta-Thematisierungsprozesses zur Absicht hatte.

Ende 2008 gewannen „Warblogs“ angesichts der israelischen Militäroffensive im Gaza-Streifen wieder an Bedeutung, vgl. z. B. Crisi s Wire.com [http://www.crisiswire.com].

Zum Veröffentlichungsprozess bei Indymedia vgl. ausführlich Bruns (2006: 81–107).

Zum publizistischen Einfluss speziell von Weblogs vgl. auch Neuberger et al. (2007: 107).

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Titel: Gegenöffentlichkeit(en) und partizipativer Journalismus im Internet
verfasst von: Sven Engesser, M.A.
Dr. Jeffrey Wimmer
Publikationsdatum: 01.03.2009
Verlag: VS-Verlag
Erschienen in: Publizistik / Ausgabe 1/2009
Print ISSN: 0033-4006
Elektronische ISSN: 1862-2569
DOI: https://doi.org/10.1007/s11616-009-0024-2

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