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28.10.2020 | Materialentwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Mit Skyrmionen ist zu rechnen

verfasst von: Dieter Beste

16:30 Min. Lesedauer

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Die Existenz magnetischer Skyrmione als teilchenartige Objekte konnte 2013 nachgewiesen werden. Da sie eine hohe Stabilität gegenüber äußeren Einflüssen zeigen, sind sie vielversprechende Kandidaten für künftige Datenspeicher.

Seit Jahrzehnten produzieren immer kleinere, immer schnellere und immer leistungsfähigere Computer gigantische Mengen an digitalen Daten. Doch wohin mit all den elektronischen Dokumenten, Fotos, Filmen, und Musikdateien? Hält die Entwicklung weiter so an, sind herkömmliche Festplatten bald an ihre Grenzen gelangt, erkannte schon vor 15 Jahren der Physiker Roland Wiesendanger, Professor an der Universität Hamburg. Wiesendangers Spezialgebiet war und ist die Nanotechnologie. Mit Hilfe eines spinpolarisierten Rastertunnelmikroskops war es den Physikern in Hamburg zu der Zeit schon gelungen, die magnetische Information einzelner Atome auszulesen. Wenn es jetzt noch gelänge, einen Datenträger zu entwickeln, auf dem digitale Informationen Bit für Bit in benachbarte Einzelatome geschrieben werden könnten, würde es möglich, die gesamte Literatur der Menschheit auf der Größe einer Briefmarke zu speichern. 

Empfehlung der Redaktion

2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Theory of Magnetic Ordering at the Nanoscale

Complex spin structures feature a periodic variation of the local alignment of non-collinearNon-collinear magnetic moments. The number of systems showing non-trivial magnetic structuring steadily increases. Particularly, several uniaxial as well …

Diese Vision war Ausgangspunkt des von der DFG von 2006 bis 2017 an der Universität Hamburg geförderten Sonderforschungsbereichs (SFB) 668 "Magnetismus vom Einzelatom zur Nanostruktur". Dessen Sprecher war Roland Wiesendanger. In seinem Vorwort zum Buch "Atomic- and Nanoscale Magnetism", in dem die beteiligten Wissenschaftler nach Abschluss des SFB 668 ihre wesentlichen Ergebnisse zusammenfassend publiziert haben, wirft Wiesendanger den Blick zurück: "Im vergangenen Jahrzehnt wurden enorme Fortschritte in der Wissenschaft des Magnetismus auf der Nanoskala bis hinunter zur Grenze eines einzelnen Atoms erzielt, die zu grundlegenden Erkenntnissen über spinabhängige Phänomene auf atomarer Ebene geführt und zahlreiche unerwartete Entdeckungen ermöglicht haben." Neue spannende Arbeitsgebiete seien in diesen Jahren entstanden, wie etwa die Physik einzelner magnetischer Adatome, die als Fremdatome an eine Festkörperoberfläche gebunden sind, die Physik einzelner Spins, die Synthese molekularer Magnete für Spintronik-Anwendungen, oder die Physik nicht-kollinearer Spin-Texturen wie Spin-Spiralen und magnetische Skyrmione in ultradünnen Filmen und Nanostrukturen.

Weltweites Aufsehen erregten die Wissenschaftler des SFB 668, als es ihnen 2013 erstmals gelang, einzelne magnetische Skyrmione – der englische Physiker Tony Skyrme hatte die später nach ihm benannten Strukturen vor rund 60 postuliert – individuell zu schreiben und zu löschen. Die Zeitschrift "Science" widmete diesem Erfolg eine Titelseite. Elena Vedmedenko hat sich im SFB 668 eingehend mit diesen magnetischen Quasipartikeln auseinandergesetzt und berichtet über ihre Forschung im Buchkapitel "Theory of Magnetic Ordering at the Nanoscale".

Skyrmione als neuartige Informationsträger? Noch ist vieles rätselhaft. Bevor die winzigen Magnetwirbel in technischen Anwendungen brillieren, müssen sie noch besser verstanden und gehandhabt werden können. Aber wie ernst es Forschern und Entwicklern auch in Deutschland ist, diesen Durchbruch zu erzielen, zeigen mannigfache Erfolgsmeldungen; im Folgenden einige Beispiele:

Nanostrukturen unter der Tarnkappe

Neuartige Konzepte der magnetischen Datenspeicherung zielen darauf ab, besonders kleine magnetische Bits in einem Speicherchip hin- und herzuschicken, dicht gepackt abzuspeichern und später wieder auszulesen. Das magnetische Streufeld verhinderte allerdings bisher die Herstellung besonders kleiner Bits. Forscher des Max-Born-Institutes (MBI) berichteten 2018 in "Nature Nanotechnology", wie es ihnen in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) gelang, den magnetischen Nanostrukturen eine "Tarnkappe" aufzusetzen und zu beobachten, wie klein und schnell solche getarnten Bits sein können. Dazu wurden Atomsorten mit entgegengesetztem Spin der Elektronen und damit entgegengesetztem magnetischem Moment kombiniert. Auf diese Weise lässt sich das magnetische Streufeld reduzieren oder sogar völlig abschalten. Die einzelnen Atome in der Nanostruktur haben dabei aber immer noch ein magnetisches Moment – sie tragen im übertragenen Sinn nur eine Tarnkappe. Auf diese Weise lässt sich das magnetische Streufeld so reduzieren, dass die Bits gleichzeitig klein und dennoch sehr beweglich sein können, so die Wissenschaftler.

Rechnen mit dem Zufall

Ebenfalls in "Nature Nanotechnology" berichteten im April 2019 Wissenschaftler der Universität Mainz über ihren neuen Ansatz, Probabilistisches Rechnen zu verwirklichen. Dabei sollen anders als bei der bisherigen elektronischen Datenverarbeitung Informationen nicht als Einsen und Nullen übertragen werden, sondern durch Wahrscheinlichkeiten. Auf diese Weise könnte die Zahl 2/3 zum Beispiel durch eine lange Kette von 1 und 0 ausgedrückt werden, die jedoch im Mittelwert 2/3 ergibt. Das Schlüsselelement, das diesem Ansatz fehlte, war ein funktionierender "Bit-Reshuffler", also ein Gerät, das eine Zahlensequenz zufällig umordnet, ohne die Anzahl von 1 und 0 in der Sequenz zu ändern. Genau dies wollen die Mainzer mit Skyrmionen schaffen.

Skyrmione in atomar dünnen Kobaltfilmen

In technologischen Anwendungen müssen Skyrmione auch ohne ein angelegtes Magnetfeld stabil sein. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung haben Forscher der Universitäten Hamburg und Kiel gemacht, wie sie im August 2019 in "Nature Communications" berichteten. Ausgehend von quantenmechanischen numerischen Rechnungen auf Supercomputern, konnten Physiker in Kiel vorhersagen, dass in einem atomar dünnen, ferromagnetischen Kobaltfilm einzelne Skyrmione mit einem Durchmesser von nur wenigen Nanometern auftauchen sollten. "Die Stabilität der magnetischen Knoten in diesen Filmen beruht auf einer ungewöhnlichen Konkurrenz magnetischer Wechselwirkungen", erklärt Sebastian Meyer, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Stefan Heinze an der Universität Kiel. Diese Vorhersage wurde in Hamburger von Forschern um Kirsten von Bergmann mittels hochauflösender Rastertunnelmikroskopie bestätigt. Die Tieftemperatur-Messungen von Marco Perini, Doktorand in der dortigen Arbeitsgruppe von Roland Wiesendanger, zeigen in den präparierten Kobaltfilmen magnetische Skyrmione, ohne dass ein externes Magnetfeld angelegt werden musste. "Für zukünftige Anwendungen in der Spinelektronik müssen die Skyrmionen aber nicht nur bei extrem tiefen Temperaturen stabil sein, wie in den untersuchten Metallfilmen, sondern auch bei Umgebungstemperatur. Um diesen nächsten Schritt in Richtung Anwendung zu realisieren, kann die hier gefundene Konkurrenz der magnetischen Wechselwirkung einen großen Beitrag leisten", ist Kirsten von Bergmann überzeugt.

Verblüffender Parabeltrick

Auch Physiker des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) haben neuartige Speicher im Blick: Mit einem originellen Kniff gelang es ihnen, chirale Effekte in einem verbreiteten Magnetmaterial zu erzeugen, wie das Team im August letzten Jahres in "Physical Review Letters"  berichtet. Nicht nur in der Chemie, auch bei magnetischen Materialien sind chirale Effekte bekannt, und zwar hinsichtlich der Textur – wie die einzelnen magnetischen Momente im Material angeordnet sind. Unter bestimmten Bedingungen gebe es Texturen, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten; beide Texturen könnten sich in ihrem magnetischen Verhalten voneinander unterscheiden, sagt Denys Makarov vom HZDR: "So kann eine rechthändige Textur weniger Energie besitzen als die linkshändige." Die Folge davon: Da Systeme in der Natur dazu neigen, einen möglichst niedrigen energetischen Zustand einzunehmen, wird die rechthändige bevorzugt.

"Zwar sind schon seit einiger Zeit Materialen bekannt, in denen sich chirale Effekte nachweisen lassen", erklärt der Erstautor der Arbeit Oleksii Volkov vom HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung. "Aber dabei handelt es sich um sehr exotische Stoffe, die schwierig herzustellen sind und oft nur bei besonderen Bedingungen funktionieren, etwa bei extremer Kälte." Deshalb versuchte Makarovs Team es mit einem Trick: Es ging von einem gebräuchlichen Magnetmaterial wie Nickel oder Eisen aus und baute aus diesem Material gekrümmte Objekte, zum Beispiel parabelförmige Streifen. Konkret arbeiteten die Fachleute mit einer Legierung namens Permalloy, die aus 80 Prozent Nickel und 20 Prozent Eisen besteht. Aus dünnen Filmen dieser Legierung formten sie anschließend lithographisch verschiedene Parabelstreifen etwa von der Größe eines Mikrometers. Schließlich setzten die Physiker die Proben einem magnetischen Feld aus. Dadurch orientierten sich die magnetischen Momente in den Parabeln, sodass sie in dieselbe Richtung wie das äußere Magnetfeld zeigten. Danach polten die Forscher das äußere Magnetfeld allmählich bis in die entgegengesetzte Richtung um.

Technologisch sind solche chiralen Effekte vielversprechend: "Mögliche Anwendungen sehen wir unter anderem für die Verwirklichung von mikroskopischen magnetischen Schaltern und Datenspeichern", sagt Denys Makarov vom HZDR. Manche Zukunftskonzepte sähen nämlich vor, die digitale Information in bestimmten magnetischen Bereichen abzuspeichern, sogenannten chiralen Domänenwänden oder Skyrmionen. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, solche Objekte relativ einfach herzustellen. Und das bei Raumtemperatur und mit gebräuchlichen Materialien.

"Magische" 3D-Nanostrukturen

Der Namensgeber des Peter-Grünberg-Instituts im Forschungszentrum Jülich und Mitbegründer der Spintronik, Springer-Autor Peter Grünberg, wurde 2007 mit dem Nobelpreis für die Entdeckung des Riesenmagnetowiderstand-GMR-Effekts geehrt, der für die Funktionsweise heutiger Computer-Festplatten grundlegend ist. Die Magnetisierung beeinflusst dabei den elektrischen Widerstand des Materials. Mit der Erforschung kleinster Strukturen wie der Skyrmionen und ihrer dreidimensionalen Verwandten gehen Forscher um Stefan Blügel, Direktor am Institute for Advanced Simulation und am Peter Grünberg Institut des Forschungszentrums Jülich, nun einen Schritt weiter und streben an, die nur wenige Atome großen Magnetstrukturen direkt als Informationsträger nutzen. Das sei platzsparend und benötige nur sehr wenig Energie – Strom wird nur noch gebraucht, um die Skyrmione von einem Platz zum anderen zu bewegen.

Im Projekt "3D Magic" wollen die Physiker Rafal Dunin-Borkowski und Stefan Blügel vom Forschungszentrum Jülich gemeinsam mit Mathias Kläui von der Universität Mainz und Theo Rasing von der Radboud-Universität Nimwegen darüber hinaus auch weitgehend unbekannte nanoskalige magnetische Strukturen in 3D aufspüren, wie sie im Oktober 2019 bekanntgaben. Als außereuropäischer Partner ist Xiaoyan Zhong von der Tsinghua Universität in Beijing Mitglied im Team.

"Die ersten Magnetwirbel, die vor ein paar Jahren nachgewiesen wurden, waren zweidimensional. Nun stehen wir an einer Schwelle, an der es möglich wird, diese Teilchen auch in drei Dimensionen experimentell zu bestimmen", erklärt der Sprecher des Projekts Rafal Dunin-Borkowski, Direktor am Ernst-Ruska-Centrum und am Peter-Grünberg-Institut des Forschungszentrum Jülich. Die Forscher vermuten, dass solche Teilchen möglicherweise über ein noch ungleich größeres technisch nutzbares Potenzial als Skyrmione verfügen. Die dreidimensionalen magnetischen Strukturen, die das Team nun untersuchen will, gelten als äußerst rätselhafte und herausfordernde Forschungsobjekte. Es handelt sich um 3D-Wirbel von hundert bis zu einigen Nanometern Größe, die nur innerhalb bestimmter magnetischer Festkörper auftreten. Zum Beispiel die sogenannten Hopfionen: "Diese neuartigen Teilchen kann man sich wie einen verdrehten oder verknoteten Schnürsenkel vorstellen. Je mehr Schleifen sie enthalten, desto höher ist die Hopfionenzahl", sagt Blügel. Interessant für künftige Anwendungen: Die Hopfionenzahl könne theoretischen Überlegungen zufolge viele verschiedene Werte annehmen, was die Teilchen zu hocheffektiven Informationsträgern machen könnte. Versammele man viele solcher Teilchen in einem Material, entstehe ein großer Speicher für Information, dessen räumliche Ausdehnung eine vielfältige Vernetzung über Spinwellen in alle drei Raumdimensionen möglich mache – ein Konzept das sich in zwei Dimensionen so nicht realisieren lasse. Aus dem Grund seien diese dreidimensionalen "Exoten" möglicherweise geeignete Kandidaten für innovative Ansätze auf dem Gebiet des neuromorphen Computing, die sich am Vorbild des – ebenfalls extrem vernetzten – Gehirns orientieren.

"Tanzmuster" von Skyrmionen vermessen

Ebenfalls im Oktober 2019 berichtet eine Forschergruppe in "Physical Review Letters" über eine neue Technik, die sie an der VEKMAG-Station des Elektronenspeicherrings Bessy II entwickelte und mit der es ihr gelang, in einer einkristallinen Probe von Cu2OSeO3 erstmals die Dynamik von Skyrmionen im Detail zu vermessen. Cu2OSeO3 ist ein Material mit besonderen magnetischen Eigenschaften. So bilden sich in einem bestimmten Temperaturbereich bei einem kleinen äußeren Magnetfeld Skyrmione, die magnetischen Spinwirbel. Aktuell sind dafür moderat tiefe Temperaturen um die 60 Kelvin (-213 Grad Celsius) erforderlich.

Das Spannende an Skyrmionen ist, dass sie sich sehr leicht bewegen und kontrollieren lassen und damit neue Möglichkeiten für eine energiesparende Datenverarbeitung bieten, finden die Forscher. Theoretische Arbeiten hatten vorausgesagt, dass es möglich sein sollte, mit einem elektrischen Hochfrequenzfeld Skyrmione in der Probe gemeinsam und synchron anzuregen: so könnten sich die Skyrmione entweder alle gemeinsam im oder gegen den Uhrzeigersinn drehen oder aber "atmen", indem sie sich ausdehnen und wieder zusammenziehen. "Konventionelle Methoden wie die ferromagnetische Resonanztechnik können die Ablenkung der Spins in der Skyrmionen-Phase nicht erfassen und eignen sich daher nicht, um diese selektiven Anregungen zu beobachten. Daher mussten wir uns etwas einfallen lassen", kommentiert Christian Back, Mitglied des Teams und Professor an der TU München.

Skyrmione mögen es heiß

Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Universität Mainz und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat einen weiteren Meilenstein in der Skyrmionenforschung erreicht, wie die beteiligten Wissenschaftler im Januar dieses Jahres in "Nature Electronics" berichten. Das internationale Team arbeitet an Strukturen, die als magnetische Schieberegister dienen könnten, sogenannten Racetrack-Speichergeräten. Diese Art der Speicherung verspreche niedrige Zugriffszeiten, hohe Informationsdichten und einen geringen Energieverbrauch. Die neuen Erkenntnisse der Forscher offenbaren, wie sich die Temperatur auf die Dynamik von Skyrmionen auswirkt. Die Studie zeigt, dass sich Skyrmione bei höheren Temperaturen effizienter bewegen und darüber hinaus, dass die Bahn ihrer Bewegung nur von ihrer Geschwindigkeit abhängt. Dies erleichtere das Gerätedesign erheblich, so die Autoren.

Magnetische Wirbel als Informationsträger

Skyrmione und Antiskyrmione werden üblicherweise in verschiedenen Materialien durch eine magnetische Wechselwirkung stabilisiert, die direkt mit der Struktur des Materials zusammenhängt. In manchen Materialien können nur Skyrmione auftreten, in anderen Materialien begünstigt diese Wechselwirkung das Auftreten von Antiskyrmionen.  Ein Wissenschaftlerteam der Max-Planck-Institute für Mikrostrukturphysik in Halle, für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden und der Universität Halle-Wittenberg hat entdeckt, dass beide Wirbel in bestimmten Materialien koexistieren können – was das Speicherpotential als digitaler Informationsträger weiter erhöhe. Ihre Forschungsergebnisse haben sie in diesem Februar in "Nature Communications" veröffentlicht.

Skyrmione aus Licht 

Für die Datenverarbeitung sind magnetische Skyrmione in Trägermaterialien interessant. Aber auch bei Licht, das auf atomar glatten Goldoberflächen entlanglaufen kann, gibt es eine Art Drehimpuls, und es können sich Wirbel, sogenannte Vortices ausbilden. Forschern der Universitäten Stuttgart und Duisburg-Essen sowie der University of Melbourne in Australien ist es erstmals gelungen, solche Licht-Skyrmione auf der Nanometerskala zu filmen, wie sie im April in "Science" berichteten. Dabei konnten sie sogar die Richtung des elektrischen und magnetischen Feldes im Licht in allen drei Dimensionen aufnehmen und seine Bewegung messen. Tim Davis aus Melbourne berechnete die benötigten Lichtwellenlängen, die Nanostrukturen sowie genauen Dicken der Goldplättchen und sagte vorher, wie sich regelmäßige Felder aus Lichtwirbeln verhalten würden. Harald Gießen von der Universität Stuttgart glaubt, dass man auf der Basis dieser Forschung in Zukunft mit neuartigen Mikroskopen viel kleinere Strukturen mit Licht herstellen könnte, als dies bisher der Fall ist.

Magnetische Wirbel kristallisieren in zwei Dimensionen

In einer Forschungszusammenarbeit an der Universität Mainz wurden magnetische Skyrmione in sehr dünnen Metallfilmen erzeugt. Die Anzahl der Skyrmione und deren Größe haben sie durch anliegende Magnetfelder variabel einstellen können. Schließlich gelang es ihnen, ein experimentelles System aus magnetischen Wirbeln zu erzeugen, das Anzeichen einer einsetzenden hexatischen Phase aufwies. Damit zeigte sich, dass es sich in der Tat um ein zweidimensionales System handelte – ein System von harten Scheiben. Auch konnten die Forscher die abstoßenden Wechselwirkungen zwischen Skyrmionen mit Hilfe von Simulationen beschreiben und im Computer nachstellen. Somit könnte dies Ergebnis ein erster wichtiger Schritt zur gezielten Präparation und Untersuchung auch der Dynamik von zweidimensionalen Phasen- und Phasenübergängen sein. Über die Perspektiven solcher Systeme berichtete der Mainzer Experimentalphysiker Mathias Kläui im Juni in "Nature Nanotechnology".

Mehr Stabilität für magnetische Knoten

Ihre spezielle magnetische Struktur – ihre Topologie – verleiht Skyrmionen ihre Stabilität und schützt sie vor dem Zerfall, sie werden auch als Knoten in der Magnetisierung bezeichnet. Auf dem atomaren Gitter eines Festkörpers ist dieser topologische Schutz jedoch begrenzt, es existiert lediglich eine gewisse Energiebarriere. Nun wurden Skyrmione mit Durchmessern von kleiner als 10 Nanometern, die für zukünftige spinelektronische Bauelemente benötigt werden, bislang nur bei sehr tiefen Temperaturen nachgewiesen. Da Anwendungen typischerweise bei Raumtemperatur funktionieren sollen, wird aktuell intensiv an der Erhöhung der Energiebarriere geforscht. Ein Forschungsteam des Instituts für Theoretische Physik und Astrophysik der Universität Kiel hat nun herausgefunden, dass bislang vernachlässigte magnetische Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle dabei spielen und Skyrmione wesentlich langlebiger machen können, wie die Wissenschaftler im September in "Nature Communications" berichteten. Die untersuchten Austauschwechselwirkungen höherer Ordnung treten in vielen magnetischen Materialien wie Kobalt oder Eisen auf, die für potenzielle Anwendungen von Skyrmionen interessant sind, argumentieren die Wissenschaftler. Außerdem könnten sie Skyrmione in Materialien stabilisieren, in denen die bislang betrachteten magnetischen Wechselwirkungen nicht auftreten oder zu schwach sind.

Nanowirbel mit besonderer Eigenschaft

Ebenfalls im September erschien in "Nature" ein Beitrag einer Forschungsgruppe um Oksana Zaharko. Mit ihrem Team hat sie am Paul-Scherrer-Institut im Schweizerischen Villingen eine neue Art Skyrmione erschaffen und nachgewiesen, die eine Besonderheit haben: In ihrem Inneren sind entscheidende Spins gegenläufig zueinander ausgerichtet. Die Festkörperforscher konnten somit erstmals antiferromagnetische Skyrmione nachweisen. "Ein großer Vorteil von antiferromagnetischen Skyrmionen ist, dass sie sich viel simpler steuern lassen: Legt man einen Strom an, bewegen sie sich einfach geradlinig", sagt Zaharko. Dies sei ein großer Vorteil, um sie in der Praxis gezielt manipulieren und platzieren zu können.

Licht verwirbelt Magnetisierung

Wissenschaftler um Felix Büttner, Massachusetts Institute of Technology (MIT), und Bastian Pfau, Max-Born-Institut (MBI), berichten aktuell in "Nature Materials", wie Skyrmione in einem Ferromagneten schneller erzeugt werden können als bisher bekannt. Das Team nutzte zunächst Röntgen- und Elektronenmikroskopie, um die nanometerkleinen Skyrmione sichtbar zu machen. Dabei zeigte sich, dass ein einzelner Lichtpuls eines Lasers mit ausreichend hoher Intensität ausreichte, um Skyrmione mit einer festgelegten Topologie – also einer bestimmten Wirbelform der Magnetisierung – zu erzeugen. In einem zweiten Schritt gingen die Forscher dann der Frage nach, wie der Laserpuls die Änderung der Topologie hervorruft und wie genau der Übergang von einer gleichmäßigen Magnetisierung zu Skyrmionen vonstattengeht. Dazu führten sie Streuexperimente mit Röntgenstrahlen am "European XFEL" in Hamburg durch, um die Ablenkung der Röntgenstrahlen durch die Skyrmione zu messen. Indem die Forscher die magnetische Schicht zuerst mit einem optischen Laser und dann mit dem Röntgenlaser beschossen, konnten sie ermitteln, wie sich die Größe und der Abstand der Skyrmione mit der Zeit verändern. Überraschenderweise war die Änderung der Topologie schon nach 300 Pikosekunden beendet. Die Erzeugung der Skyrmione lief also schneller ab, als bisher für andere ferromagnetische Systeme beobachtet.

Sorgen Skyrmione für einen "neuen Dreh"?

Angesichts der Tatsache, dass Skyrmione eine Größe von nur zehn Nanometern haben können und trotzdem noch stabil bei Raumtemperatur sind, ergeben sich aus diesen Ergebnissen interessante Perspektiven für zukünftige Konzepte der magnetisch basierten Datenverarbeitung und -speicherung, sagen die Forscher um Büttner und Pfau. Schon heute sei die Größe der Bits auf einer Festplatte dadurch beschränkt, ob ein Magnet in der Lage ist, diese sehr kleinen, aber auch sehr dauerhaften Bits neu zu beschreiben, also umzumagnetisieren. Um dennoch höhere Speicherdichten zu erreichen zu können, werde eine Technologie entwickelt, die Bits örtlich mit einem Laser aufzuheizen und damit magnetisch "weich" zu machen. Die schnelle Erzeugung von Skyrmionen mit Lasern könne nun diesem Konzept vielleicht einen "neuen Dreh" verleihen.

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