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08.01.2019 | Funktionswerkstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Supercomputer ohne Abwärme?

verfasst von: Dieter Beste

4 Min. Lesedauer

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Forschern ist es gelungen Supraleitung und Spintronik so zu kombinieren, dass künftig die Dichte elektronischer Bauelemente zur Informationsverarbeitung auf einem Chip weiter erhöht und gleichzeitig die lokale Wärmeerzeugung in Rechenzentren stark verringert werden könnte.


Computer, Supercomputer, Internet – Grundlage der Informationsverarbeitung ist die moderne Halbleitertechnik. Allerdings weist die fortschreitende Miniaturisierung neben ihren Vorteilen etwa bei der konstruktiven Auslegung von Geräten und Bauteilen auch Nachteile auf, die bislang meist wenig bedacht werden: Der Informationstransport geschieht seit mehr als 70 Jahren mittels der Übertragung elektrischer Signale, und zu deren Erzeugung und Verarbeitung muss Energie aufgebracht werden, die wiederum als Wärme in die Umwelt abgegeben wird. Die Konsequenz: Rechenintensive Algorithmen verschlingen gewaltige Energiemengen. 

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Wie groß dieses Problem ist, skizziert Springer-Autor Klaus Mainzer in "Künstliche Intelligenz – Wann übernehmen die Maschinen?" auf Seite 264 anhand eines aktuellen Beispiels: "Das Rechennetz von Bitcoin verbrauchte im November 2017 so viel Kilowatt pro Stunde wie das gesamte Land Dänemark." Und dies, sagt Mainzer, ist auf Dauer nicht unproblematisch: "Wenn nicht gegengesteuert und nachgebessert wird, verheißen solche Infrastrukturen keineswegs die Heilsversprechungen einer direkten Demokratie, sondern steigende Energieprobleme (und damit wachsende Umweltprobleme). Bei der Digitalisierung kommt es am Ende auf die Gesamtbilanz von besserer Infrastruktur, weniger Energieverbrauch, besserer Umwelt und mehr Demokratie an."

Diese Problematik vor Augen, haben Konstanzer Physiker jetzt in einem Beitrag für "Nature Communications" aufgezeigt, wie supraleitende Spintronik als potenzielle Nachfolgetechnologie für die aktuelle Halbleitertechnik in Position gebracht werden kann. Konventionell betrachtet, seien Magnetismus und der widerstandsfreie Fluss elektrischen Stroms (Supraleitung) konkurrierende Phänomene, die nicht zusammen in einem Material auftreten könnten. Gelänge allerdings die Kombination dieser beiden Zustände, wäre dies prinzipiell eine vielversprechende Möglichkeit, um die wegen ihrer hohen Wärmeentwicklung und entsprechendem Energieverbrauch unter Druck geratene Halbleitertechnologie beim Bau von Supercomputern abzulösen. 

Kombination von Supraleitung und Spintronik

Der Lösungsansatz, den die Arbeitsgruppen der Experimentalphysikerin Elke Scheer und des Theoretischen Physikers Wolfgang Belzig in Konstanz gemeinsam verfolgen besteht einerseits darin, supraleitende Elemente zu verwenden, bei denen elektrische Ladungen ohne Wärmeerzeugung fließen können. Zur Informationsspeicherung werden andererseits vorwiegend magnetische Materialien genutzt. Magnetische Information kann im Prinzip auch verlustfrei übertragen werden, indem man die magnetischen Eigenschaften der Elektronen, den Elektronenspin, nutzt. Durch die Kombination dieser beiden Eigenschaften – des widerstandslosen Ladungstransports (Supraleitung) mit der elektrischen Übertragung magnetischer Information (Spintronik) – wollen die Forscher grundsätzlich neue Funktionalitäten für eine zukünftige energieeffiziente Informationstechnik erschließen.

Bei der Verfolgung dieses Ansatzes stellte sich allerdings ein grundlegendes Problem: In konventionellen Supraleitern wird der supraleitende Zustand durch Elektronenpaare getragen, deren magnetische Momente entgegengesetzt orientiert und die somit insgesamt unmagnetisch sind – und deshalb keine magnetische Information übertragen können. Der magnetische Zustand ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass die magnetischen Momente gleich ausgerichtet sind, was den supraleitenden Ladungstransport unterdrückt. Aber es gibt eine Lösung, sagt Elke Scheer und verweist auf die kürzlich im Rahmen seiner Dissertation von Simon Diesch in Konstanz gefundenen Hinweise darauf, dass in Kombinationen von Supraleitern mit bestimmten magnetischen Materialien Elektronen mit gleichem Spin im Supraleiter aneinander gebunden werden und damit Supraströme über große Distanzen transportiert werden können: "Dass Supraleitung, die ohne Wärmeentwicklung funktioniert, und Spintronik, die magnetische Informationen überträgt, nicht miteinander vereinbar sind, widerspricht nicht grundlegenden physikalischen Prinzipien, sondern nur naiven Annahmen zur Natur der Materie", resümiert Scheer. Und nun gelte es, "Materialien zu finden, die solche parallel orientierten Elektronenpaare möglich machen. Insofern ist dies auch eine materialwissenschaftliche Fragestellung." 

Materialwissenschaften sind gefordert

Tatsächlich gelang es Fachkollegen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), entsprechend maßgeschneiderte Aluminium-Europiumsulfid-Proben herzustellen. Bei Aluminium handele es sich um einen sehr gut verstandenen Supraleiter – eine wichtige Voraussetzung für einen quantitativen Vergleich mit der Theorie, so die Konstanzer Forscher. Europiumsulfid wiederum sei ein magnetischer Isolator, ebenfalls eine wichtige Eigenschaft zur Umsetzung des theoretischen Konzepts, und zudem behalte dieses Material auch in nur wenigen Nanometer dünnen Schichten, seine magnetischen Eigenschaften bei. Mit einem speziell angepassten Rastertunnelmikroskop haben die Wissenschaftler sodann räumlich und energetisch hochauflösende Messungen des Ladungstransports der Aluminium-Europiumsulfid-Proben bei tiefen Temperaturen durchgeführt und festgestellt, dass die elektrische Übertragung magnetischer Information ohne die Erzeugung von Abwärme möglich sein könnte. Bestätigt sich der Forschungserfolg, öffnet sich das Entwicklungsfenster, die Dichte der elektronischen Bauelemente zur Informationsverarbeitung auf dem Chip weiter zu erhöhen und gleichzeitig den Energieverbrauch von Rechenzentren stark zu verringern.

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