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2009 | Buch

Musikrezeption, Musikdistribution und Musikproduktion

Der Wandel des Wertschöpfungsnetzwerks in der Musikwirtschaft

herausgegeben von: Gerhard Gensch, Eva Maria Stöckler, Peter Tschmuck

Verlag: Gabler

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Musikrezeption

Frontmatter
Der Musiker im Spannungsfeld zwischen Begabungsideal, Berufsbild und Berufspraxis im digitalen Zeitalter
Auszug
Musik nimmt in jeder menschlichen Gesellschaft eine zentrale Position ein. Sie ist ein Medium für den Austausch persönlicher Erlebnisse, sozialer Beziehungen und kultureller Identität (Rösing 1998). Die Rolle der ausübenden Musiker ist dabei sehr unterschiedlich definiert. In einigen Kulturkreisen werden beim Musizieren alle Anwesenden eingebunden — ein besonderes Kennzeichen von schwarzafrikanischer Musik oder allgemein von Volksmusik bzw. tribaler Musik, der Musik kleinerer Stammesgemeinschaften (Födermayr 1998a). Musik stärkt hier das Gefühl von Zusammengehörigkeit und übt eine kulturstabilisierende Wirkung aus (Födermayr 1998b).
Gerhard Gensch, Herbert Bruhn
Lebensstil und Musikgeschmack
Auszug
über den ästhetischen Wert von Kulturprodukten lässt sich vortrefflich streiten. Derartige Konflikte werden gern mit der Formel geschlichtet: „Es ist eben reine Geschmackssache!“ Aus soziologischer Perspektive, die der folgenden Darstellung zugrunde liegt, entsteht der individuelle Geschmack allerdings weder zufällig noch ist er beliebig wandelbar. Er unterliegt - zumindest in groben Zügen — einer systematischen sozialen Verankerung. Der Musikgeschmack ist eine Komponente des Lebensstils, Teil eines Syndroms mehr oder weniger kohärenter Zuund Abneigungen, Orientierungen und Verhaltenspraktiken. Die Kenntnis des Musikgeschmacks verrät daher einiges über den Lebensstil eines Menschen insgesamt. Umgekehrt lässt sich von allgemeinen Mustern des Kulturkonsums auf Grundzüge des Musikgeschmacks schließen. Besonders erklärungsbedürftig sind die biographische Entstehung und Entwicklung von Lebensstil und Musikgeschmack. Die Soziologie sucht die Erklärung in der menschlichen Einbettung in Strukturen sozialer Ungleichheit und in den damit verbundenen Gruppenzugehörigkeiten: Lebensstil und Musikgeschmack hängen von Klassenlage, Bildung, Beruf, Generation, Alter, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit ab, weil von diesen Kategorien nachhaltige Prägekräfte ausgehen.
Gunnar Otte
Musikrezeption aus der Sicht der Musikwirkungsforschung
Auszug
Im folgenden Beitrag wird ein Paradigma entworfen, das die Wirkungsforschung eine Zeitlang bestimmt hatte und zur Zeit nur selten beachtet wird: Musik ist eine physikalische Erscheinung und gleichzeitig ein Objekt der Wahrnehmung. Erst in der Vorstellung des Menschen entfaltet Musik ihre Wirkung, sodass man immer den individuellen Aneignungsprozess einbeziehen muss, wenn man Rezeptionsforschung betreiben will.
Herbert Bruhn
Live-Veranstaltungen von populärer Musik und ihre Rezeption
Auszug
Im Herbst 2007 sorgte die Wiedervereinigung der legendären Rock-Band Led Zeppelin für Schlagzeilen. Angeblich 20 Millionen Interessenten meldeten sich für die im Internet angebotenen Eintrittskarten zum Reunion-Konzert in der O2-Arena in London. Der Veranstalter ließ schließlich die 20.000 verfügbaren Konzertkarten, deren Preis bei 125 £ (rund 175€) lag, verlosen. Wenig später wurden die Karten bei Ebay für weit höhere Summen gehandelt.1 Dieses Ereignis ist symptomatisch für das große und weiter wachsende Interesse an Live-Events, am Erleben von Musik im Konzert. Zwar wird die Rezeption von populärer Musik heute weitgehend durch Konservenmusik, also Musik im Radio und Fernsehen, auf Tonträgern und im Internet bestimmt. Gegenüber dem medial vermittelten Musikkonsum ist die Hördauer von live gespielter Musik vergleichsweise gering. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Live-Auftritte seit jeher untrennbar mit Musik verbunden sind und dass das Erleben von Musikern auf der Konzert- oder Club-Bühne auch heute für die Hörer populärer Musik sehr große Bedeutung hat, sodass sie mitunter die Strapazen einer weiten Anreise auf sich nehmen, um ein Konzert besuchen zu können, und Preise für Eintrittskarten bezahlen, die in der Regel deutlich höher liegen als der Preis einer CD.
Martin Pfleiderer
Neue Live-Kulturen der westlichen Kunstmusik: Für eine Rezeption musikalischer Interpretationen mit Körper und Ort
Auszug
Im Folgenden geht es um aktuelle Bedingungen und Wirkungspotenziale von musikalischen Live-Aufführungen „klassischer Musik“. Wiewohl die Besucherzahlen solcher Aufführungen in unseren Breiten über einige Zeit zusehends geringer wurden, belegen entsprechende Erhebungen immer wieder die generell sehr hohe Wertschätzung leibhaftiger Konzerte. In jüngerer Zeit wandte sich auch die musikwissenschaftliche Forschung erneut dem leibhaftigen Anteil von Musik zu. Beides dürfte für die Belange der Musikwirtschaft insofern relevant sein, als die nicht ersetzbaren Qualitäten von „Live-Acts“ auch im Bereich westlicher Kunstmusik artikuliert werden und durchaus ein Wiederaufleben einer entsprechenden Musikkultur zu konstatieren ist.1 Diese Entwicklung unterscheidet sich auf Grund der musikalischen und interpretatorischen Prämissen in einiger Hinsicht von der in den anderen Musik-Sparten. Letzteres geschieht schon allein dadurch, dass nicht jede Musik ausnotiert und mit Notentext erfasst wird, sondern gerade in der Popmusik vieles gänzlich ohne Noten vonstatten geht.
Simone Heilgendorff

Musikdistribution

Frontmatter
Vom Tonträger zur Musikdienstleistung — Der Paradigmenwechsel in der Musikindustrie
Auszug
Die Entwicklung der Musikindustrie ist seit der Erfindung des Phonographen durch Thomas Alva Edison 1877 untrennbar mit Innovationen bei der Tonträgertechnologie verbunden.1 Mit der Erfindung der in beliebiger Zahl vervielfältigbaren Schallplatte durch Emile Berliner 1887 wurde die massenhafte Verbreitung von Musik auf Tonträger ermöglicht.2 Trotz der Verbesserung der Klangqualität durch den Einsatz unterschiedlicher Materialien — zuletzt Schellack — blieb die mit 78 Umdrehungen pro Minute abspielbare Schallplatte mit einer maximalen Speicherkapazität von ca. 4 Minuten pro Seite bis 1948 der Industriestandard. Sie wurde in diesem Jahr von der Vinyl-Langspielplatte bzw. Vinyl-Single vom Markt verdrängt, die als Konkurrenzformate der beiden US-Major Plattenfirmen CBS Columbia und RCA Victor eingeführt worden waren.3 Mit der Erfindung der Musikkompaktkassette durch den niederländischen Elektronikkonzern Philips im Jahr 1962/63 entstand der Schallplatte zwar ein technisches Substitut, aber etwaige Marktverluste konnten durch Etablierung innovativer Musikgenres Ende der 1960er Jahre problemlos wettgemacht werden. Bis Anfang der 1980er Jahre war die Schallplatte der unangefochtene Standard der industriellen Musikverwertung.
Peter Tschmuck
Digitale Musikdistribution und die Krise der Tonträgerindustrie
Auszug
Die Entstehung und Entwicklung neuer Technologien der Speicherung und des Transports von Information haben das Musikleben ab der Mitte der 1990er Jahre paradigmatisch verändert. Aus musiksoziologischer Perspektive ist dieser Strukturwandel Ausdruck der digitalen „Mediamorphose“, einer durch Digitaltechnik ausgelösten und ermöglichten Metamorphose des Musiklebens. Nach Blaukopf sei eine Mediamorphose der Musik auf drei Ebenen zu untersuchen:
  • Anpassung der musikalischen Botschaft an die technischen Bedingungen der Aufnahme und Wiedergabe,
  • Nutzung der technischen Möglichkeiten im Interesse der musikalischen Botschaft,
  • (dadurch bedingte oder ermöglichte) Veränderung der Rezeption der musikalischen Botschaft (vgl. Blaukopf 1989: 5–6).
Michael Huber
Preisstrategien für Onlinemusik
Auszug
Angesichts der zunehmenden Bedeutung der digitalen Musikdistribution werden in der Musikindustrie zahlreiche Debatten über die Preissetzung für Onlinemusik geführt. Eine einfache übertragung der traditionellen Preisstrukturen, die seit Jahrzehnten im Bereich des physischen Tonträgerhandels etabliert sind, erscheint dabei nicht sinnvoll. Einerseits handelt es sich bei Onlinemusik um ein Produkt, das sich in vielerlei Hinsicht von traditionellen Tonträgern unterscheidet, andererseits ermöglichen die besonderen Eigenschaften von Onlinemusik — insbesondere im Hinblick auf die Kostenstruktur — Preisstrategien, die im traditionellen Geschäft nicht oder nur eingeschränkt möglich wären. Entsprechend ist in der Literatur die Forderung nach einer größeren Experimentierfreudigkeit in Bezug auf die Preismodelle für Onlinemusik zu finden (vgl. Bhattacharjee et al. 2006, Buhse 2004: 200 und Davis 2001: 81).
Jochen Strube, Gerrit Pohl, Peter Buxmann
Marketing und Promotion von Musikprodukten
Auszug
Anfang Oktober 2007 kündigten zwei prominente englische Bands an, das traditionelle Geschäftsmodell der Musikvermarktung in Frage zu stellen: Zuerst teilte das Management der „Charlatans“ mit, die nächsten Singles und das neue Album kostenlos zum Download verfügbar zu machen. Fast gleichzeitig ließ „Radiohead“ wissen, das neue Album auf ihrer Website zum Download zu einem Preis anzubieten, den der Konsument frei wählen kann („pay what you like“). Hintergrund dieser Aktionen ist die Erosion des herkömmlichen Musik-Geschäfts durch Selbstüberspielen von CDs und durch illegales Downloaden über so genannte „Musiktauschbörsen“. Die Einnahmen aus Tourneen/Konzerten und Merchandising haben inzwischen die Einnahmen aus Verkäufen von Bild/Tonträgern deutlich überholt. War traditionell die Tournee eher ein Promotion-Instrument für die Album-Verkäufe, so hat sich teilweise die CD bereits zum Promotion-Instrument der Tournee entwickelt. Warum dann nicht gleich die CD verschenken, um die Ticket-Verkäufe anzukurbeln?
Carl Mahlmann

Musikproduktion

Frontmatter
Soziologie der Musikproduktion
Auszug
Wer heute von Musikproduktion spricht, meint damit zumeist die spezifische Form der kulturindustriellen Produktionsweise, assoziiert damit zumeist Phänomene wie das Aufnahmestudio, wie Tonträgerproduktion oder die Tätigkeit von Musikproduzenten.
Alfred Smudits
„Produkt Musik“. Eine musikwissenschaftliche Annäherung
Auszug
Die Innovationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie und insbesondere die Digitalisierung haben die Wertschöpfungskette der gesamten Musikwirtschaft grundlegend und nachhaltig verändert. Vor allem die Distribution von Musik wurde durch die Möglichkeiten, die Internet und die damit zusammenhängenden Vertriebswege bieten, völlig neu geordnet. Wie groß die Abhängigkeit der Tonträgerindustrie von ihrem Produkt, dem physischen Tonträger, war, hat die digitale ökonomie deutlich gemacht. Die Umsatzverluste der Tonträgerindustrie sind so groß, dass von einer Krise der gesamten Musikwirtschaft gesprochen wird. Da im Handel — physisch wie digital — kaum Gewinne zu erzielen sind, wird Musik zunehmend zum „Nebengeräusch“ von visuell aufgeladenen Live-Acts oder wird als Give-away zu Kaffee oder Modeartikel an die Kunden gebracht (Gillig-Degrave 2007: 4). Musik wird zur Wegwerfware. „Im digitalen Kontext des Internets wird Musik an allen Ecken und Enden gehört, gesucht, gestreamt, abonniert, rauf und runter geladen, für Werbeumfelder missbraucht, als Hördekoration gebraucht und zum Beliebigkeitswohlfühlfaktor degradiert“ (Gillig-Degrave 2008: 4).
Eva Maria Stöckler
Artist & Repertoire (A&R). Eine markentheoretische Betrachtung
Auszug
Der heutige Musikmarkt steht vor einem grundlegenden Strukturwandel. Der digitale Paradigmenwechsel erodiert zunehmend das tradierte Geschäftsmodell der Musikindustrie in Form der Produktion und Vermarktung von physischen Tonträgern. Das Umsatzniveau des deutschen Tonträgermarktes hat sich in den letzten zehn Jahren (1997–2007) fast halbiert — ein Ende des Markteinbruchs ist nicht in Sicht (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft 2007: 12). Dennoch ist die Musikbegeisterung ungebrochen und es wird heute mehr Musik konsumiert als je zuvor, wobei sich das Rezeptions- und Konsumverhalten zunehmend vom physischen Tonträger gelöst und crossmedial aufgefächert hat. über die Hälfte aller Erlösströme werden im deutschen Musikmarkt nicht mehr von der klassischen Musikindustrie, sondern von anderen Akteuren durch die Verwertung von Nebenrechten für Konzerte, Events, Merchandising oder Sponsoring generiert. Neben starken Umsatzzuwächsen im Live-Konzert-Markt ist Musik auch ein zentraler Treiber erfolgreicher Web 2.0-Plattformen wie MySpace oder YouTube — fast 50% des Traffics des beliebten Videoportals YouTube basiert auf Musikvideoinhalten.
Marcel Engh
Musikinstrumentenindustrie im digitalen Paradigmenwechsel
Auszug
Die Methoden der Klangerzeugung im traditionellen akustischen Instrumentenbau waren seit Ende des 19. Jahrhunderts nur geringen änderungen unterworfen, an den Prinzipien ihrer Klangerzeugung und Spieltechnik wurde nicht gerüttelt: über Gitarren-, Geigen- oder Klaviersaiten, schwingende Felle (Schlagzeug) oder Luftsäulen (Blasinstrumente) werden unterschiedliche Luftdruckschwankungen erzeugt, die wir als klanglichen Eindruck wahrnehmen. Hingegen wurden im 20. Jahrhundert bei den elektronischen Instrumenten ständig neue Klangerzeugungsverfahren entwickelt und neue Spieltechniken (Interfacetechnologien) eingeführt. Aufgrund des technischen Fortschritts der letzten Jahrzehnte entwickelte sich der Markt der elektronischen Instrumente und ihrer Digitalisierung mit einer immensen Dynamik, deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen nicht ignoriert werden können. Der Fokus der folgenden Ausführungen liegt deshalb im Bereich der elektronischen Instrumente.
Joachim Stange-Elbe, Kai Bronner
Backmatter
Metadaten
Titel
Musikrezeption, Musikdistribution und Musikproduktion
herausgegeben von
Gerhard Gensch
Eva Maria Stöckler
Peter Tschmuck
Copyright-Jahr
2009
Verlag
Gabler
Electronic ISBN
978-3-8349-8045-8
Print ISBN
978-3-8350-0913-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8349-8045-8

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