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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Nachrichtendienste und Nachrichtenwesen – Einführung in die Thematik

verfasst von : Jan Helmig

Erschienen in: Nachrichtendienste in der Weltgesellschaft

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Spionage gilt als zweitältestes Gewerbe der Welt – mit nicht minder zweifelhaftem Ruf. In der öffentlichen Wahrnehmung changieren sie häufig zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite steht der publikumswirksam dargestellte Geheimagent, der im weltweiten Einsatz stilsicher das Böse bekämpft.

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Fußnoten
1
Wark schreibt im Zusammenhang mit der popkulturellen Verbreitung von James Bond von einer licence to thrill (Wark 1991: 1) die aber, so Dover, „helps to create new realities within which policy-makers then start to operate“ (Dover 2009: 202; vgl. ähnlich auch McCrisken und Moran 2018). Techau bezeichnet James Bond als „Chiffre westlichen Selbstverständnisses“ und eine „der wenigen weltweit gültigen Ikonen der Pop-Kultur“ (Techau 2013: 124 f.). Stetter und Herrschinger schreiben dazu: „Bondfilme zeichnen sich durch einen konstanten Verweis auf die moderne Weltgesellschaft als einem inhärent umstrittenen, paradoxen und globalen politischen Referenzrahmen aus, in dem (politische) Identitäten, Differenzen und Erkenntnis andauernd neu (re-)konstruiert und markiert werden, diese Differenzsetzungen aber ohne die Sicherheit feststehender Identitätsmerkmale auskommen müssen“ (Stetter und Herrschinger 2016: 171). Auf der anderen Seite fehlt natürlich auch nicht eine eher humoristische Auseinandersetzung mit dem Phänomen James Bond, z. B. im Zusammenhang mit dessen mutmaßlichen Alkoholproblemen (http://​www.​bmj.​com/​content/​347/​bmj.​f7255?​rss=​1, abgerufen am 05.07.2016), was aber gerade die besondere diskursive Durchdringung belegt (vgl. dazu auch Jobs 2014 sowie Taylor 2008). Dass es überhaupt zahlreiche wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Phänomen gibt, die unter dem Sammelbegriff „Bondforschung“ firmieren, ist zudem erstaunlich genug. Zu „Bondforschung“ und Weltgesellschaft vgl. auch Stetter und Herrschinger (2016).
 
2
Auch wenn die Abkürzung Nsa scherzhaft für „No Such Agency“ steht (Andrew 2009: 41).
 
3
Dies betrifft aber offenbar weniger unmittelbar mit der Materie befasste Personenkreise. So antwortete Hillary Clinton auf die Frage, ob befreundete Staaten sich gegenseitig ausspionieren: „Immer. Ohne Ende. Überall auf der Welt“ (Georg Mascolo, Spionage Affäre und Bnd-Überwachung: „So ein Zufall aber auch“, Süddeutsche Zeitung, http://​sz.​de/​1.​2090695, abgerufen am 16.08.2014). In dieser Hinsicht kann auch argumentiert werden, dass der amerikanische Diskurs in dieser Hinsicht „entspannter“ ist und Spionage als „normal“ angesehen wird. Entsprechend lassen sich auch Beiträge finden, die die Snowden-Veröffentlichungen herunterspielen und die US-Geheimdienste „verteidigen“ (vgl. Inkster 2014). Aus einer „realistischen“ Perspektive ist Spionage ohnehin quasi notwendig (vgl. dazu auch Rudolf 2014: 28).
 
4
Zudem werden die Informationen, die von den Nachrichtendiensten selbst weitergegeben werden, häufig von einer gehörigen Portion Skepsis auf Medienseite begleitet, da nicht zuletzt durch bekannt gewordene Bespitzelungen von Journalisten ein oftmals schwieriges Verhältnis besteht. Trotzdem bleibt eine erstaunliche Differenz zwischen den Umsatzahlen der James-Bond-Filme und dem tatsächlichen Ansehen der Nachrichtendienste, zumindest in Deutschland, bestehen, welche sich nicht einzig mit dem Unterschied zwischen Fiktion und Realität erklären lässt. Offenbar üben Geheimdienste einen bestimmten Reiz aus.
 
5
„In der Literatur über den Bnd, seien es wissenschaftliche Fachbücher oder Sachbücher, findet sich kaum etwas, von dem gesagt werden kann, es stelle den Bnd positiv oder als Notwendigkeit schlechthin dar“ (Linden 2010: 92). Linden erklärt dies zum einen mit wirtschaftlichen Zwängen der Medien (bad news are good news) und zum anderen mit dem Wächteramt von Journalisten.
 
6
So kann festgehalten werden, dass aus der Wirtschaft stammende Pr-Ansätze verstärkt bei Nachrichtendiensten zur Anwendung kommen (vgl. dazu auch Linden 2010). Inwiefern diese aber noch in den Kinderschuhen stecken (Neumann 2014: 11) und ob die frühere Herausgabe eines Bnd-Kochbuchs mit dem Titel „TOPf-Secret“ dies belegt, sei dahin gestellt. Es einzig mit Nachwuchssorgen zu begründen, scheint allerdings etwas zu kurz gegriffen. Daun schreibt: „Trotzdem haben die Dienste ein Interesse an einem guten Image, das vor allem auf die Notwendigkeit gründet, zur Erfüllung ihrer Aufgaben und damit letztendlich zur Sicherung ihrer bürokratischen Existenz qualifiziertes Personal zu erlangen, um das sie mit privaten Unternehmen in Konkurrenz stehen“ (Daun 2007: 167). Davon unbeschadet kann aber mit Nehring argumentiert werden, dass eine vermehrte Öffentlichkeit von Nachrichtendiensten mit Presserunden, zugänglichen Besucherzentren oder historischen Aufarbeitungen neue Formen von Diskursen entsteht (Nehring 2019: 99).
 
7
Zum Thema wissenschaftliche Politikberatung in Deutschland vgl. Perthes (2007).
 
8
Aus einer anderen Perspektive argumentieren Spitznagel und Reiners: „Zum Schutz eines Geheimnisses tragen sowohl die negative Bewertung eines Verrats und damit des Verräters bei als auch die negative Bewertung der Versuche, sich in den Besitz eines Geheimnisses zu bringen“ (Spitznagel und Reiners 1998: 113). Sie weisen zudem dem Geheimhaltenden eine stärkere Rolle zu, da er durch umsichtiges oder kontrolliertes Verhalten Verratsfälle vermeiden kann, was in einem Alltagsverständnis zu einer verminderten Rolle einer moralischen Verwerflichkeit des Geheimnisses führen würde (ebd.: 114).
 
9
Beispielsweise in Frankreich im Zusammenhang mit der Versenkung der Rainbow Warrior durch den französischen Auslandsnachrichtendienst oder den Usa im Nachgang der nicht vereitelten Anschläge vom 11. September bzw. der Legitimierung des Golfkrieges mit vermeintlichen geheimdienstlichen Informationen. In Großbritannien kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Pannen im Umgang mit klassifizierten Datenträgern und zu anschließender öffentlicher Kritik, wenngleich sich traditionell eine ausdrückliche Befürwortung der Arbeit der angloamerikanischen Nachrichtendienste durch die Politik beobachten lässt (beispielsweise im Zusammenhang mit den Snowden-Veröffentlichungen).
 
10
Eine nachvollziehbare Leistungsorientierung sehen die Autoren demgemäß auch als wirksamen Mechanismus zur Versachlichung der Debatte um Nachrichtendienste (Borchert und Hofmeister 2005: 95).
 
11
Nachfolgende Bezüge zur Forschungslandschaft in Deutschland sollen nicht suggerieren, dass es quasi national getrennte Forschungen gibt. Aber dennoch wird bei einer eingehenden Beschäftigung mit Nachrichtendiensten offensichtlich, dass z. B. der Bundesnachrichtendienst wenig Berücksichtigung findet, wenn es um sicherheitspolitische Fragestellungen mit Bezug zu Deutschland geht. So lässt sich zwar in Deutschland grundsätzlich eine Ausweitung der Sicherheits- und Friedensforschung beobachten, allerdings bestehen weiterhin „blinde Flecken“ (Masala et al. 2014: 5). Und auch wenn die Befassung mit Nachrichtendiensten hierbei nicht explizit erwähnt wird, zeugt dieser Umstand aber umso mehr von der „missing dimension“.
 
12
Ein theoretisches Angebot macht indes auch Andrew nicht, sondern beschränkt sich vielmehr auf historische Beispiele. So wird insgesamt eher die Lücke in der – historischen – Forschung identifiziert (Andrew 2004).
 
13
Für einen Überblick über die Entwicklung des Forschungsgebietes vgl. Johnson (2014).
 
14
Der Anstieg an Agentenfilmen („spy cry“), so Claassen, setzte sowohl einen Aufstieg populärer Massenmedien als auch eine vermehrte Einbeziehung der Bevölkerung in politische Diskurse voraus. Die von Geheimdiensten ausgehende Faszination kann jedoch sicherlich nicht nur einzig von diesen beiden Aspekten abgeleitet werden, sondern bedingt sich auch aus der Besonderheit des Sujets, seiner moralischen Ambiguität und einem zu unterstellenden voyeuristischen Grusel, vielleicht auch erhofften Komplexitätsreduktion, dass sich nämlich undurchsichtige politische Gegebenheiten letztendlich mit einfachen, wenn auch moralisch zweifelhaften, Machtspielen der Eliten erklären lassen. Während filmisch z. B. Burn After Reading (2008) diesen Wunsch nach Sinnhaftigkeit auflöst, lassen sich andere Beispiele finden, die selbst komplizierteste Wendungen letztendlich in eine gewisse Logik überführen (beispielsweise bei Der Spion, der aus der Kälte kam) (vgl. dazu auch Claassen 2011).
 
15
Wobei natürlich eingeschränkt werden muss, dass prinzipielle Arbeitsweisen durchaus bekannt sind. Hier geht es also vielmehr um Nuancen und Details. Zudem könnte kritisch gefragt werden, ob – wenn Dienste untereinander ohnehin vom Schlechtesten ausgehen (und dies hat die Spähaffäre um Bespitzelungen deutscher Dienste gezeigt) – diese Frage überhaupt relevant ist. Wenn immer vom schlimmsten Fall ausgegangen wird, ist eine Darlegung eigener Ansätze unerheblich. Entweder werden diese vom Gegner antizipiert oder als Finte gewertet. Hier kann es demnach nur um die Vermeidung einer Ressourcenoptimierung der Gegenseite gehen.
 
16
Zur moralischen Ambiguität von Geheimnissen vgl. auch Schirrmeister (2004: 51–54); zu Kontrolle und Aufsicht Hillebrand (2014); Krieger (2009b).
 
17
Auch wenn der Nachfolger von Ernst Uhrlau im Amt des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, erklärte, vermehrt die deutsche Öffentlichkeit über Erfolge zu informieren. Dies wurde allerdings bereits von Hans-Jörg Geiger und August Hanning angekündigt (Linden 2010: 89), sodass es hier nur um eine weitere Öffnung gehen kann. Mit diesem „Problem“ stehen Nachrichtendienste aber nicht alleine dar. Auch andere Professionen müssen „Nicht-Erfolge“ als „Erfolge“ vermarkten. Schließlich ist auch für Polizeien und Feuerwehren passiver Bereitschaftsdienst zentrales Berufsmerkmal. Ihr Einsatz in Krisenfällen wird indes deutlich positiver wahrgenommen, da es oftmals natürlich aber auch mit einer unmittelbaren Sichtbarkeit und potenzieller persönlicher Betroffenheit unterlegt werden kann. Ein Versagen sei an dieser Stelle ausgeklammert, obschon auch hier Polizeien und Feuerwehren offenbar deutlich besser damit umgehen können, was möglicherweise auch mit ihrer größeren Etabliertheit und Zugänglichkeit erklärt werden kann. Zudem scheinen sie eher dem Feld „Hilfe“ als „Kontrolle“ zugerechnet zu werden. Vergleichbarer sind somit ggf. eher soziale Einrichtungen wie beispielsweise Jugendämter, die ebenfalls unter „Imageproblemen“ leiden und auch mit datenschutzrechtlichen Herausforderungen befasst sind, die in Teilen Geheimhaltung nahe kommen.
 
18
Wobei die Fallhöhe natürlich beträchtlich sein kann, wenn ein 007-Image kreiert wird, welches dann z. B. mit der harten deutschen Behördenrealität kollidiert. Westerbarkey schreibt zu scheinbaren Geheimnissen: „Wie viele Märchen und Rituale zeigen, ist das Geheimnis, das hinter einem Rätsel steht, oft nur die Tatsache, dass es eigentlich gar keins gibt, und das entscheidende Problem der Akteure besteht darin, andere zu hindern, dass sie es merken“ (Westerbarkey 1998: 57). Zudem wurden in der Aufarbeitung der Nsa- bzw. Bnd-Affäre Vorwürfe laut, dass überzogene Geheimniskrämerei der Regierung sowie des Bnd im Grunde vor allem eigenes Fehlverhalten decken sollte und weniger der (vorgeschobenen) Sicherheit von Mitarbeitern und Quellen geschuldet war. In anderen Ländern lassen sich ähnliche Argumentationsgänge beobachten.
 
19
Gleichwohl ist auch dieser Bereich wohl nicht völlig trennscharf abzugrenzen, wie die Äußerungen von Edward Snowden zeigen, nachdem die Usa mit ihren Nachrichtendiensten auch Wirtschaftsspionage im nationalen Interesse betreiben (vgl. auch Davies 2014; Rudolf 2014); bzw. Berichte, dass das chinesische Unternehmen Huawei von der Nsa mit besonders aufwendigen Operationen bedacht wurde. Kritisch ließe sich angesichts der klagefreudigen U.S.-Rechtskultur allerdings fragen, welchen Unternehmen so gewonnene Daten zugänglich gemacht würden und ob dies nationalen Wettbewerbsregeln fundamental zuwider liefe. Gleichwohl bleibt die „Trennlinie zwischen Wirtschaftsspionage für öffentliche Zwecke und Wirtschaftsspionage im Interesse und Nutzen einzelner Firmen so scharf nicht […]“ (Rudolf 2014: 30). Daun konstatiert, dass Wirtschaftsspionage seit den 1990er Jahren zu einem bedeutenden Tätigkeitsfeld von Nachrichtendiensten der Großmächte geworden sei (Daun 2007: 154).
 
20
Wobei betont werden muss, dass spying nicht mit intelligence gleichzusetzen ist; letzteres ist komplexer und prozesshafter. Aber auch Lahneman zitiert das Dictionary of United States Military Terms dahingehend, dass Intelligence das Produkt einer Sammlung, Bewertung, Analyse, Integration und Interpretation aller verfügbarer Informationen sei, die sich auf andere Staaten oder diesbezügliche Planungen beziehen (Lahneman 2010: 219). Auf die Beschaffung geheimer Informationen bzw. geheime Vorgehensweisen wird indes nicht dezidiert eingegangen.
 
21
Daun lehnt sich an Sherman Kent an, wenn sie Intelligence als die mit der Produktion befassten Behörden, den Prozess der Herstellung des Wissens und das resultierende Produkt beschreibt (Daun 2007: 141). Zu den Ansätzen von Kent, der als einflussreicher Vordenker vieler nachrichtendienstlicher Arbeiten gilt, vgl. auch Tucker (2014: 18 ff.).
 
22
Bundesministerium der Verteidigung, Law of Armed Conflict, Manual. Joint Service Regulation (ZDv), 15/2, 2013, S. 50.
 
23
Bundesministerium der Verteidigung, Law of Armed Conflict, Manual. Joint Service Regulation (ZDv), 15/2, 2013, S. 50.
 
24
Rudolf schreibt dazu: „Für Spionage im Krieg greifen zwar kriegsvölkerrechtliche Regelungen; doch bis auf das Diplomaten- und Konsularrecht, das Diplomaten das Spionieren verbietet, gibt es im Friedensvölkerrecht keine Regeln für nachrichtendienstliche Tätigkeiten. Deshalb lässt sich sagen: Spionage ist zulässig, zumindest toleriert sie das Völkerrecht“ (Rudolf 2014: 27). Zum Recht der Nachrichtendienste vgl. auch Dietrich und Eiffler (2017).
 
25
Wenngleich natürlich verschwörungstheoretisch argumentiert werden könnte, dass es genau zu solchen Gewaltausübungen kommt – diese aber lediglich vertuscht würden.
 
26
Die Zahlen variieren mitunter leicht, so geht Daun z. B. von einer Spanne von 80–90 % an offenen Informationen aus und 10–20 % an klandestin beschafften Informationen (Daun 2007: 146). Nichtsdestotrotz ist die Bedeutung nicht zu unterschätzen, wie auch Gannon betont: „Open-source was ‚frosting on the cake‘ of intelligence material dominated by signals, imagery, and human-source collection. Today, open source […] comprises a large part of the cake itself“ (John C. Gannon, former Deputy Director of CIA for Analysis, zitiert nach Miller 2018: 702).
 
27
Die Unterscheidung zwischen Nachrichten und Informationen wird im englischen nicht immer geteilt. So definiert Kahn (2009: 4) intelligence im weitesten Sinne als Informationen.
 
28
Die zahlreich in der Literatur vorhandenen Definitionsansätze müssen an dieser Stelle nicht in aller Ausführlichkeit wiederholt werden. Vgl. dazu sowie zu Unterbegriffen bspw. Dictionary of Intelligence oder anderer vergleichbarer Handbücher zum Thema.
 
29
Johnson (2003a) definiert Intelligence als eine Mischung aus Sammlung und Auswertung von Informationen, verdeckten Operationen sowie Gegenspionage. „Strategic intelligence may be defined broadly as a set of activities conducted by government agencies that operate largely in secret. These activities include, foremost, the collection and interpretation of information drawn from a mixture of open and clandestine sources to arrive at a product – knowledge – useful to illuminate foreign policy deliberations“ (Johnson 2003a: 1). Verdeckte Operationen, die Johnson an anderer Stelle ebenfalls zu Intelligence zugehörig definiert, gelten aber nicht grundsätzlich für alle Nachrichtendienste. So sieht der deutsche Auslandsnachrichtendienst von verdeckten Operationen ab, wenngleich damit nicht gemeint ist, dass nicht auch nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden können. Als Mittel und Werkzeug der Politik unterscheidet sich hier aber der Nachrichten- vom Geheimdienst. Zudem gilt zumindest auch für den Bnd, dass zwar Eigensicherung betrieben wird, Staats- und Verfassungsschutz aber anderen Behörden zugeordnet ist.
 
30
Denécé sieht hierin einen grundsätzlichen Fehler der Politik begründet, nämlich falsche Erwartungen an Nachrichtendienste zu haben. „Intelligence and security agencies are not forecast institutes or prospective bodies. Forecasting is another profession entirely. This is not the direction for the agencies to take. Prospective reports do not constitute intelligence. They should not try to, and are able to, predict the future. These agencies should do what others do not. They are government ‚secrets finding and problem solving‘ organizations. They are not ‚global intelligence‘ agencies. Intelligence agencies are not the ones who provide a total picture, but rather deliver the missing parts of the puzzle“ (Denécé 2014: 39). Mit anderer Stoßrichtung argumentiert Nehring (2019: 101), wonach Nachrichtendienste in Zukunft vermehrt die Rolle als Frühwarnsystem für zukunftsrelevante Themenkomplexe annehmen könnten.
 
31
Zu den Herausforderungen vgl. auch Wark (2005).
 
32
Für den Bnd von „grundlegender politischer Bedeutung ist das langfristige, alle vier bis fünf Jahre neu formulierte und streng geheime Auftrags- und Interessensprofil der Bundesregierung“ (Daun 2007: 145).
 
33
Georg Mascolo, Spionage Affäre und Bnd-Überwachung: „So ein Zufall aber auch“, Süddeutsche Zeitung, http://​sz.​de/​1.​2090695, abgerufen am 16.08.2014.
 
34
Entsprechend ist actionable intelligence im Rahmen von Bundeswehreinsätzen wichtiges Aufgabengebiet für den Bnd (vgl. auch Uhrlau 2009).
 
35
So wird dem Bnd eine besonders gute Stellung im Nahen Osten nachgesagt (vgl. auch Asseburg und Busse 2011: 707).
 
36
Zu möglichen Zukunftsthemen deutscher Nachrichtendienste vgl. auch Nehring (2019: 99 ff.).
 
37
Mit der Entgrenzung terroristischer Bedrohungen sieht Zoller Änderungen des Einsatzkriteriums von Auslandsnachrichtendiensten verbunden. „Diese Bezugspunkte verlieren ihren Bestimmungswert, es ergeben sich damit Auswirkungen auf das Abwehrdispositiv, das nach wir vor staatlich-territorial organisiert ist: Polizei und Verfassungsschutz bis Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst ab Grenze. Hier auch zu nennen ist der Auswärtige Dienst. Die durch 9/11 exemplifizierte Bedrohung tangiert freilich nicht nur das territoriale Organisationsprinzip des Abwehrdispositivs, sondern auch das funktionale, manifestiert im Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten“ (Zoller 2003: 13 f.).
 
38
Es gibt aber durchaus Stimmen, die in der Trennung auch Vorteile sehen: „However, the blurring of borders complicates oversight of intelligence. Traditionally, all intelligence and security services have benefited from the distinction between domestic and foreign, or ‚internal and external‘. States were able to employ this divide to resolve some of the abiding tensions between security and liberty. This was achieved by permitting greater licence to foreign intelligence services, compared to domestic security services“ (Shiraz und Aldrich 2014: 272).
 
39
Häufig noch um militärische Nachrichtendienste ergänzt. In der Bundesrepublik Deutschland ist beispielsweise der Bnd der einzige Auslandsnachrichtendienst. Ihm obliegt auch die militärische Aufklärung anderer Staaten. Laut Gesetz über den Bundesnachrichtendienst ist die Oberbehörde dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes zugeordnet. Der Auftrag des Bnd ist gesetzlich definiert: „Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus“ (vgl. Bndg). Damit ist der Geltungsbereich klar umrissen. Ein Agieren im Inneren fällt nicht in den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich des Bnd. Allerdings bezieht sich dies auf die Zielrichtung der Tätigkeit. Ein Arbeiten im Inland, wenn damit auswärtige Interessen verbundenen sind, ist durchaus erlaubt. Ausschlaggebend ist die Gewinnung von Informationen über das Ausland, was somit nicht zwangsläufig an Tätigkeiten jenseits deutscher Grenzen gekoppelt ist, wobei das Territorialitätsprinzip ohnehin (und nicht nur unter Verfassungsrechtlern) umstritten ist; von der vom Bnd z. T. vertretenen „Weltraumtheorie“ und „Theorie des virtuellen Auslands“, mit denen strittige Territorialfragen in der Fernmeldeaufklärung legitimiert werden, ganz zu schweigen (vgl. auch Schaller 2016: 35 f.). Auch bei anderen westlichen Diensten finden sich vergleichbare Zuständigkeitsbeschreibungen und Abgrenzungen (vgl. dazu Jäger und Daun 2009).
 
40
Während in Kriegszeiten der Wert von Nachrichtendiensten in der Geschichte unterschiedlich bewertet wird, hebt Keegan hervor, dass in Friedenszeiten und mit zunehmender Professionalisierung als ständige Organisationen Nachrichtendienste häufig selbstreferentiell ausgerichtet seien. „Since the career [in intelligence, J.H.] was full-time, the agencies’ operatives naturally found or made activities to occupy their day-to-day working lives; and as, in practice, serious threats to state security are as intermittent as major military threats to national survival in wartime, the intelligence agencies bulked out their work by spying on each other. Indeed, if asked what spies do, the safest answer is that spies spy on spies“ (Keegan 2003: 336).
 
41
Deibert identifiziert zudem auch Trends, die auf eine Herausbildung von network intelligence hindeuten, also eine zunehmende Vernetzung transnational agierender gesellschaftlicher Akteure in Abgrenzung zum klassischen staatlichen Nachrichtenwesen (vgl. Deibert 2005).
 
42
Zur ausführlicheren Diskussion der Revolution in Military Affairs vgl. auch Helmig und Schörnig (2008); Rogers (2000); Freedman (1998); Murray (1997); Parker (1996); Shukman (1996); Metz und Kievit (1995).
 
43
Entsprechend geht auch Daun auf operative Hindernisse ein und versteht die Weitergabe von nachrichtendienstlich gewonnenem Wissen als „genuin politische Aktivität, da hier durch Werte geteilt werden“ (Daun 2007: 156).
 
44
Am Ende steht aber, dies sei gleich vorweggenommen, weder der daraus erwachsende Wunsch nach der Auflösung noch einer unbedingten Stärkung von Nachrichtendiensten. Ein dahingehender normativer Anspruch wird nicht angestrebt.
 
45
Als weiteres Akronym findet Istar (intelligence, surveillance, target acquisition and reconnaissance) Verwendung und bestätigt genau diesen Trend, gleich auch Zielinformationen in nachrichtendienstliche Aufgaben zu integrieren. Der ehemalige Präsident des Bnd, Ernst Uhrlau, stellte fest, dass wichtige Aufgabe des Bnd die Bereitstellung von actionable intelligence für die Bundeswehr in Afghanistan sei (vgl. Uhrlau 2009), auch wenn ein mit amerikanischen Verfahren vergleichbarer aktiver (also tatsächlich kämpfender und nicht nur selbstverteidigender) Bnd-Einsatz derzeit nicht vorstellbar erscheint, selbst wenn Gujer davon ausgeht, dass auch der Bnd sich neu (er)finden muss. „Im vernetzten Krieg ist Information und nicht Feuerkraft die wichtigste Ressource. Dies zwingt auch Nachrichtendienste wie den Bnd zu einer Neudefinition ihrer Rolle. Traditionell waren die Militärs für die taktischen, zeitlich aktuellen Informationen zuständig, während die Nachrichtendienste das langfristig-strategische Hintergrundwissen lieferten. In Zukunft verschmelzen taktische und strategische Informationen zu einem Gesamtbild, das sich mit einem Tastendruck abrufen lässt“ (Gujer 2006: 270 f.).
 
46
Mit der Auseinandersetzung mit „Künstlicher Intelligenz“ ist ein weiteres Thema offenkundig, welches sich in vielen (zivilen und militärischen) Bereichen stark auswirkt.
 
47
So habe al-Qaida gerade einmal 30 US$ ausgegeben, um die Software einer amerikanischen Kampfdrohne auszulesen und zu manipulieren (zitiert nach Masala 2016: 72).
 
48
Tucker weist darauf hin, dass im U.S.-Militär durchaus im Zuge von Annahmen einer informationsgetriebenen Rma Hoffnungen zum Ausdruck gebracht wurden, dass Entscheidungen unter den erwarteten Bedingungen eines nahezu vollständigen Wissens getroffen werden könnten – und damit die seit Clausewitz herrschende Annahme eines „Nebel des Krieges“ hinfällig sei (vgl. Tucker 2014: 104 ff.; vgl. auch Ferris 2004, 2005). Gleichzeitig zeigte sich aber an zahlreichen Beispielen, dass „Täuschung“ und „Tarnung“ auch im Zeitalter umfassender Aufklärungsmöglichkeiten durchaus noch ihren Platz in der Kriegsführung haben (vgl. auch Tucker 2014: 107). Ergänzt wird diese „klassische Tarnung“ durch neue Täuschungsmanöver im Zuge hybrider Kriegsführung, die gerade den Dynamiken einer vernetzten Informationsgesellschaft und technologischen Möglichkeiten Rechnung tragen. Die Ambivalenz zwischen Wissen und Nichtwissen wird nicht aufgelöst. So kommt auch Tucker zu dem Schluss: „Knowing that such digital deception is a possibility will itself introduce uncertainty into our military operations, whatever our opponents actually do. Uncertainty and the fog of war will remain even in a digitally enabled military force“ (Tucker 2014: 107). Ein „digitaler Nebel des Krieges“ bleibt erhalten.
 
49
Wobei natürlich zugestanden werden muss, dass Cyberwarfare nicht eine rein nachrichtendienstliche Domäne ist, sondern auch z. B. von militärischen Einrichtungen übernommen wird.
 
50
Directed Energy Weapons wie z. B. Laserwaffen sind in dieser Hinsicht zu nennen, die nach Wunsch des Militärs nicht nur zur Entfernungsmessung oder Zieldesignation genutzt werden sollen, sondern von toast to roast das gesamte Eskalationsspektrum abdecken. Eine solche taktische Nutzung von Nachrichtendiensten stößt aber auch auf Kritik. Bemängelt wird aus dieser Perspektive gerade die unzureichende strategische Ausrichtung. Ein zu großer Teil der Informationsgewinnung und der analytischen Kapazitäten würden sich rein auf taktisch-operative Ebenen konzentrieren. „The [intelligence] loop you see is much faster than during the Cold War. So we have to adapt rapidly and think where they are going next. ‚If you’re looking at a convoy and you get information about the location of an Ied, depending on the type, a laser or some other source can mitigate that. That’s the type of thing we’re working toward‘“ (Fulghum 2009: 66).
 
51
So agieren U.S.-Spezialkräfte vermehrt im engen Verbund mit Geheimdiensten und auch in anderen (kämpfenden) Einheiten werden mitunter Nachrichtendienstoffiziere eingesetzt, um auf dem Gefechtsfeld schnell und zielgerichtet Informationen auszutauschen oder bereitzustellen. Inkster schreibt im Zusammenhang mit der schnellen Entsendung von U.S.-Geheimdienstmitarbeitern nach 9/11 nach Afghanistan, dass diese im engen Verbund mit Spezialkräften agiert hätten, „who are their natural partners within the military […]“ (Inkster 2012: 7). Entsprechend erklärte U.S.-Verteidigungsminister Gates die enge Verzahnung von Nachrichtendiensten und Spezialkräften bei der Tötung von Bin Laden als Musterfall zukünftiger Operationen.
 
52
Horn sieht in staatlicher Souveränität und Kriegsmaschinerie einen Dualismus. Während ersteres durch Repräsentation, Disziplin und territoriale Markierung bzw. Fixierung gekennzeichnet sei, wird die Kriegsmaschine durch Furor, Beschleunigung und Geheimhaltung gekennzeichnet (vgl. Horn 2002: 176 f.).
 
53
Interessant ist, dass Zoller anhand von Intransparenz die Zuständigkeit von Nachrichtendiensten definiert. Gefährdungsperzeptionen sind demnach nicht ausschlaggebend. So können sich zwar Bedrohungen wie Umweltverschmutzung, Treibhauseffekt etc. potentiell negativ – auch bezogen auf die Sicherheitslage – auswirken, eignen sich jedoch mangels Intransparenz nicht für nachrichtendienstliche Ansätze (Zoller 2003: 13). Hier ließe sich allerdings kritisch anmerken, dass auch z. B. bei Umweltschutz Verhandlungspositionen bei internationalen Konferenzen durchaus das Interesse von Nachrichtendiensten auf sich ziehen könnten. Aufzuklärende Intransparenz erstreckt sich nicht nur auf klassische Sicherheitspolitik.
 
54
Zum Ausdruck von Selbstmordattentaten als Spannungsfeld zwischen anti- oder amoderner Haltungen sowie Herausforderungen erwachsend aus der Moderne vgl. Jäger (2010: 289 f.) Auch Bonacker greift bei der Diskussion sicherheitspolitischer Herausforderungen auf den Begriff der Asymmetrie zurück. „Die Entgrenzung von Gewalt im Kontext der neuen Kriege bezieht sich aber nicht nur auf ihre räumliche und zeitliche Ausdehnung, sondern auch auf die Regeln der Kriegsführung und auf die Organisationsformen der Gewalt: Zum einen zielen Formen der interaktiven Gewalt als asymmetrische Konfliktstrategie bewusst auf die Entgrenzung von Gewalt – wie etwa bei Selbstmordattentaten oder Vergewaltigungen“ (Bonacker 2005: 13).
 
55
Fricke (2009) geht bei den Herausforderungen für die deutschen Nachrichtendienste vor allem von dem Triopol Organisierte Kriminalität (Ok), islamistisch motivierter Terrorismus und Proliferation von Massenvernichtungswaffen aus hebt jedoch hervor, dass die primäre Aufgabe von Nachrichtendiensten die Beschaffung von Informationen, die vorbeugend der Gefahrenabwehr dienen, ist (Fricke 2009: 51). Allerdings beschränkt Fricke sich insbesondere auf die Diskussion, ob Nachrichtendienste strukturell und organisatorisch ausreichend aufgestellt sind (Fricke 2009: 11).
 
56
Gleichwohl hätten nach dem Ende des Kalten Krieges auch prominente deutsche Bundespolitiker die Abschaffung von Nachrichtendiensten, vor allem auch des Bnd, gefordert (Lechtape 2009: 321). Demgegenüber argumentieren andere Autoren mit einer Ausweitung der Aufgabengebiete, die letztendlich für einen Fortbestand von Nachrichtendiensten sprechen würden. So stellt Uhrlau für den Bnd eine immer stärkere Verzahnung transnationaler Themen fest. Dazu rechnet er ebenfalls illegale Proliferation, internationaler Terrorismus sowie international operierende Organisierte Kriminalität. Bei letzterem unterteilt er weiter in internationalen Rauschgifthandel, Waffenhandel, illegale Migration, Schleuserkriminalität sowie Geldwäsche (vgl. Uhrlau 2001: 19).
 
57
Wie auch der spätere Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Uhrlau, feststellt: „Durch die nach Überwindung der Bipolarität einsetzende Globalisierung der Finanzmärkte und durch die rasante Verbreitung hochentwickelter Technologien hat sich eine neue Weltordnung gebildet, in der die Interdependenzen zwischen den einzelnen Staaten im Vergleich zu früher größer und vor allem vielschichtiger geworden sind. In der Folge vermischen sich zudem in zahlreichen Staaten die Grenzen zwischen Außen- und Innenpolitik immer mehr“ (Uhrlau 2001: 17). Und auch Krieger argumentiert, dass es zahlreiche Überschneidungen gibt: „Seit dem Ende des kalten Krieges sind die Geheimdienste transparenter und demokratischer geworden. Transparenter, weil die Bekämpfung neuer sicherheitspolitischer Bedrohungen wie des islamistischen Terrorismus die Mitwirkung der Bürger dringend erfordert. Hier sieht man eine Parallele zur Ermittlungsarbeit der Polizei, die ebenfalls in hohem Maße auf die Unterstützung der Bürger angewiesen ist. Es erscheint demnach folgerichtig, dass die Grenzen zwischen geheimdienstlicher Tätigkeit im Inland und Ausland auf der einen Seite und Geheimdiensten und Polizei auf der anderen Seite zunehmend verschwimmen“ (Krieger 2009a: 339). Zu den innenpolitischen Dimensionen der Sicherheitspolitik in Deutschland vgl. Möllers (2009).
 
58
Masala diskutiert entsprechend, dass nach seiner Ansicht für den tatsächlichen Fall zwischenstaatlicher Konflikte entweder die klassische Territorialverteidigung wieder gestärkt werden müsse oder, um Auslandseinsätze unter den derzeit herrschenden besonderen (irregulären) Bedingungen zu halten, der Verteidigungsetat insgesamt erhöht werden müsse.
 
59
Tucker sieht die Rolle von intelligence für Kriegsführung aber weiterhin kritisch (Tucker 2014).
 
60
Diese aus den Anschlägen vom 11. September 2001 gezogene Lehre wird in den Usa mit der Einführung eines nationalen Geheimdienstkoordinators (Director of National Intelligence, Dni) versucht anzugehen (vgl. auch Lahneman 2010).
 
61
Einige Autoren sehen gerade die Rolle von Intelligence als Unterstützungselement von Staaten durch die Informationsrevolution untergraben. „Technology can facilitate secure communications. This is one way in which the revolution in information technology is enhancing both secrecy and privacy“ (Tucker 2014: 76). Masala (2016: 13) sieht durch den Verlust einer Informationshoheit von Regierungen einen Beitrag zu einer Machtdiffusion. Unbeschadet davon sieht Tucker auf einer rein professionellen Ebene keine grundlegenden Veränderungen durch technologische Sprünge in der Informationstechnologie, wenn es um das Führen von Quellen geht. Dies bleibe ein fundamental persönlicher Prozess, der mehr oder weniger durch Technik unterstützt werde, an dem Wesen der Beziehung zwischen Operateur und Quelle aber nichts ändere; es bestünde kein technologisch begründetes Abhängigkeitsverhältnis, auch wenn es zu Kostensteigerungen bei Operationsführungen kommen könne (Tucker 2014: 77 f.; 81).
 
62
Vgl. auch Sweetman (2015: 24).
 
64
Hier wird zudem auch deutlich, wie wichtig sinnvolle Informationsselektion ist. Oder wie es bei Enzensberger heißt: „Dagegen sieht sich unsere Friseuse einem lebenslänglichen Trommelfeuer von Informationen ausgesetzt. […] Und trotzdem schafft es Zizi irgendwie, nicht verrückt zu werden […], indem sie sich bildlich gesprochen, die Ohren zuhält. […]. Zu der Mühe, bedrohliche Mengen von Informationen aufzunehmen und zu speichern, kommt also die weit größere Anstrengung, […] sich gegen sie zu immunisieren“ (Enzensberger 1988, zitiert nach Westerbarkey 1998: 149). Auch Herman (2005) und Spielmann (2012) argumentiert, dass ohne zugehörigen analytischen, kulturellen und organisationalen Wandel technologische Fortschritte verpuffen.
 
65
Miller diskutiert, ob OSINT ebenfalls herausgenommen werden müsste (Miller 2018; zur diesbezüglichen Grauzone vgl. auch Hribar et al. 2014).
 
66
Vgl. dazu Schmidt-Radefeld und Meissler (2012).
 
67
Stout und Warner (2018: 518) diskutieren, ob vielmehr Erfahrungen im Umgang mit Geheimnissen und Geheimhaltung Nachrichtendienste historisch dazu prädestinierten, verdeckte Operationen durchzuführen, da in regulären Militäreinheiten schlichtweg die Erfahrung fehle, dies professionell umzusetzen.
 
68
Allerdings würde die Kombination von speziellen Fähigkeiten (skill) und informationeller Überlegenheit eine erfolgversprechende Kombination darstellen (Tucker 2014: 106 ff.).
 
69
Insofern muss die von Tucker festgestellte Ablehnung des Militärs und damit auch von Spezialkräften, außerhalb strikter militärischer Einsatzgebiete eingesetzt zu werden, hinterfragt werden (Tucker 2014: 95). Das militärische Ethos dürfte nicht mehr so eng ausgelegt werden, wie es früher der Fall gewesen sein mag und die von Tucker an anderer Stelle festgestellte Annahme wahrscheinlicher sein: „Military covert action is likely to have a future as well, whether conducted by the military or an intelligence agency“ (Tucker 2014: 96).
 
70
Darüber hinaus stellen Priest und Arkin für das Jsoc fest, dass weitere Aufgabengebiete in das Portfolio integriert wurden. „The Defense Department has given Jsoc a bigger role in nonmilitary assignments as well, including tracing the flow of money from international banks to finance terrorist networks. It also has become deeply involved in ‚psychological operations‘, which it renamed ‚military information operations‘ to sound less intimidating. Jsoc routinely sends small teams in civilian clothes to U.S. embassies to help what it calls media and messaging campaigns“ (Priest und Arkin 2011). Auch Mexiko wird von den Autoren als neues Betätigungsfeld genannt, wobei Jsoc eine enge Einbindung anderer U.S.-Behörden anstrebt.
 
71
Auch wenn die Realität sicherlich komplexer ist und davon ausgegangen werden darf, dass auch Nachrichtendienstler mündige Bürger sind.
 
72
So zielt hybride Kriegsführung auch auf gesellschaftliche Werte ab und Cyberwarfare entzieht sich vielfach staatlichen Kategorisierungen.
 
73
Vorwürfe werden dabei häufig in Richtung Russland und China erhoben, aus denen eine Vielzahl der Hacker-Angriffe – mit dem Verdacht einer z. T. staatlichen Unterstützung, wenn nicht sogar Anordnung – stammen sollen.
 
74
Der Bnd hatte dies nach der Darstellung von Rinke (im Folgenden Rinke 2009: 38–43) in einem ausführlichen Bericht anhand von drei unterschiedlichen Szenarien die Auswirkungen der Finanzkrise erarbeitet. Rinke plädiert dafür, aus wirtschaftspolitischer Sicht vermehrt geostrategischen Krisenabwägungen aufzugreifen, um mögliche negative politische Konsequenzen frühzeitig zu fassen. Nicht nur lokale oder regionale Instabilität und Unruheherde sind hiermit gemeint, sondern auch die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Möglichkeit, z. B. Truppen zu entsenden. Kürzungen der Verteidigungsetats limitieren nicht nur die Anschaffung von im Einsatz notwendigem Gerät, sondern sind selbst immenser Kostenpunkt (vgl. auch Bayer 2009).
 
75
Was auch Diskussionen zu neuartigen Techniken zur Informationssammlung beinhaltet (vgl. dazu Stottlemyre 2015). Nicht zuletzt die zahlreichen privat gesammelten und veröffentlichten Informationen im Zuge der russischen Invasion der Ukraine zeigen die Bedeutung von sozialen Medien bei der Informationsbeschaffung, Aufbereitung und Dissemination.
 
76
Unter Wirtschaftlichkeit lassen sich verschiedene Schlagworte subsumieren (z. B. Controlling, Transparenz, Leistungsfähigkeit, Effizienz und Effektivität etc.), was unter anderem auch dazu geführt hat, dass der Bnd – maßgeblich ausgelöst durch den Nsa-Untersuchungsausschuss – externe Beratungsfirmen engagiert hat, um zur Prozessoptimierung Arbeitsabläufe in der Abteilung für technische Aufklärung evaluieren zu lassen.
 
77
Auch von Nachrichtendienstlern selbst wird dies offenbar als Tatsache nicht weiter hinterfragt. „Zwar wird immer wieder mehr Zusammenarbeit in Europa gefordert – doch das hat natürlich seine Grenzen. Letztendlich werden es nationale Dienste bleiben, und es wird keine ‚joint operations‘ geben, wie man das bei den Militärgütern nennt. Die einen haben die Schiffe, die anderen haben die Panzer und die dritten haben dann die Flugzeuge: So etwas funktioniert bei Geheimdiensten nicht“ (vgl. IP – Internationale Politik 2014: 24). Warum das so ist, wird allerdings nicht weiter diskutiert. Was natürlich auch dadurch zu erklären wäre, dass Nachrichtendienste auf Vertraulichkeit setzen und es schlichtweg nicht zu beobachten ist.
 
78
Lefebvre sieht hier vor allem politische Gründe als ausschlaggebend für multilaterale Kooperationen, um z. B. Vertrauen aufzubauen. Ihr tatsächlicher „impact“ sei aber überschaubar (2003: 537).
 
79
Allerdings weist Daun darauf hin, dass dies vor allem transnationale Themengebiete betreffen würde. „Hinsichtlich des Gegenstandes bezieht sie [die Kooperation, J.H.] sich ausschließlich auf die transnationalen Bedrohungen. Hinsichtlich der Kooperationsqualität hat lediglich der Austausch von Informationen signifikant zugenommen. In diesem internationalen Handel werden zwischenstaatliche Machtrelationen lediglich widergespiegelt und bleiben im Grunde unberührt“ (Daun 2007: 165).
 
80
Die Übersicht über die Literaturlandschaft muss selbstredend unvollständig bleiben. In dieser Hinsicht soll an dieser Stelle daher keine umfassende bibliographische Aufarbeitung erfolgen, sondern die Übersicht soll vielmehr verdeutlichen, dass die Auseinandersetzung mit Nachrichtendiensten Lücken aufweist. Zu einer Übersicht und Ausdifferenzierung von Intelligence Studies vgl. auch Gill und Phythian (2012). Erwähnenswert ist hierbei aber, dass die Autoren keinen Teilbereich „theory“ ausmachen.
 
81
Zumindest gilt das im Vergleich zu anderen Themengebieten der Sicherheitspolitik. Lücken bestehen auch hinsichtlich einer Auseinandersetzung mit thematisch verwandten Gebieten. So finden sich zwar einige Auseinandersetzungen mit „Geheimnissen“, aber selbst dort finden Nachrichtendienste nur am Rande statt. Gegenbegriffe wie Öffentlichkeit und Privatheit werden hingegen ausführlicher behandelt (vgl. Westerbarkey 1998: 13). Allerdings lässt sich trotz des allgemein zu konstatierenden Mangels festhalten, dass Demokratisierungsprozesse zu einer insgesamt erweiterten Auseinandersetzung mit der Thematik beigetragen haben (Gill et al. 2009b: 1).
 
82
„Intelligence, it seemed, had been largely ignored by international relations theorists, who potentially could profit by studying the ways in which secret activities (if done well) enhance the power of even lesser states. At the same time, intelligence theory had much to learn from other disciplines that studied the pathologies of information sharing, and the management of risk“ (Warner 2012a: 168). Noch gravierender stellen sich die regionalen Ungleichgewichte dar, was sich auch schlaglichtartig empirisch untermauern lässt. So stammten von 1986 bis 2011 lediglich 6 % der im Journal Intelligence and National Security veröffentlichten Beiträge von kontinentaleuropäischen Autoren. Der deutsche Anteil dürfte entsprechend gering ausfallen (Daten nach Johnson 2014: 14) selbst, wenn natürlich zugestanden werden muss, dass auch Nichteuropäer über Nachrichtendienste in Europa schreiben können. Dennoch untermauern die Zahlen die ungleichgewichtige Beschäftigung mit dem Thema.
 
83
Auch das BfV hat, wenn auch weniger umfangreich, Forschung zur eigenen Geschichte betrieben. Bei angloamerikanischen Diensten ist dies noch deutlicher ausgeprägt.
 
84
Verschwörungstheoretisch könnte sogar argumentiert werden, dass Nachrichtendienstler vielleicht eine intensive Auseinandersetzung aktiv verhindern, um einen nach außen zur Schau getragenen Mythos nicht zu dekonstruieren.
 
85
Andere Autoren sehen es weniger als ein Versagen der U.S.-Geheimdienste als vielmehr der Politik, die auf das gewandelte internationale sicherheitspolitische Umfeld erst spät reagiert habe. Zudem seien die U.S.-Dienste weder finanziell, materiell noch personell ausreichend ausgerüstet gewesen (vgl. Inkster 2012). „It has been a besetting sin especially of Anglo-Saxon political culture to invest heavily in intelligence in times of national emergency and then to disinvest equally heavily the moment the coast seems clear“ (Inkster 2012: 10).
 
86
„The study of intelligence failures is perhaps the most academically advanced field in the study of intelligence, launched perhaps by Roberta Wohlstetter’s analysis of the U.S. failure to predict the Japanese attack on Pearl Harbor – a failure which, more than any other factor, set in motion the post-World War II U.S. intelligence system. Impressive scholarly inquiries since then have probed the phenomena of intelligence failures and concluded that intelligence failures cannot be avoided. More than twenty-five years ago, for example, the scholar Richard Betts asserted that intelligence failures are not only inevitable, they are natural“ (Hedley 2005: 437).
 
87
Eriksson argumentiert, dass eine Befassung mit Nachrichtendiensten vermehrt den Blick auf „critical policy analysis“ oder „policy network analysis“ legen müsse, um sozusagen über das andere Ende der Beziehungsstruktur Aussagen über Nachrichtenwesen treffen zu können (Eriksson 2018).
 
88
So kann der routiniertere Wechsel von Nachrichtendienstlern, vor allem in den Usa, zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft auch eine größere und praxisnahere Bandbreite an Beiträgen zum Thema erklären.
 
89
Kritisch zu fragen ist hier allerdings, ob diese Insider ihr Gespött wiederum öffentlich machen würden. Ohne diesen Schritt würde die Kritik gleichsam verpuffen. Zu den Gründen, warum Nachrichtenwesen „unterforscht“ ist vgl. auch Warner (2009b: 11). Zu geschichtlichen Abhandlungen vgl. auch Andrew (2009: S. 38–57).
 
90
Zur Situation in Frankreich und Spanien vgl. Kahn (2008: 249–262 bzw. 271–275).
 
91
Beispielsweise durch Einrichtung explizit auf Nachrichtenwesen ausgerichteter Studiengänge (vgl. auch Corvaja Scheffler et al. 2016; Denécé und Arboit 2009).
 
92
Zum Thema Kontrolle von Nachrichtendiensten, insbesondere wenn es auch über den nationalen Rahmen hinausgeht, siehe auch Gill (2012) bzw. Krieger (2009a).
 
93
Zur ausführlichen a priori Setzung des Feindes vgl. auch Horn (2002).
 
94
Die entsprechende Literaturlandschaft ist kaum zu überblicken, vgl. bspw. Gehlen (1971); Diamond (2008); Dietl (1997, 2007); Juretzko (2004, 2006); Juretzko und Dietl (2006); Ulfkotte (2006); von Bülow (2000); Gordon (2001); Grey (2006); Johnson (2002); Aust (1999); Felfe (1986); Gast (1999); Ostrovsky (1994, 2000); Markwardt (1996); Westerby (1999); Bergman (2018); Goodman (2008); Baer (2002); Bamford (2001); Steiniger (1998); Schroen (2005); Stiller (2010); Sieberer (2008); Eichner und Rehbaum (2013); Andrew und Mitrochin (1999); Tomlinson (2001).
 
95
An dieser Stelle wird die Schwierigkeit abermals deutlich, dass die Grenzen zwischen Aussteigerberichten, politikwissenschaftlichen und historischen Darstellungen oftmals fließend sind (Helms 2004). Gleiches gilt auch für die Abgrenzung zu den anderen Themengebieten wie Rechtswissenschaften, Geschichte, Ethik etc. (vgl. dazu bspw. Waske 2009). So hat Reinhard Gehlen, der erste Präsident des Bundesnachrichtendienstes, beispielsweise aktiv auch an seiner eigenen buchstäblichen Legende mitgewirkt, indem er die Entstehungsgeschichte des Bnd aus seiner Sicht mehrfach geschildert hat (Gehlen 1971; dazu auch: Zolling und Höhne 1971). Im Gegensatz dazu der ehemalige Mi6 Direktor Cummings: „My biography would be 400 pages, all blank“ (King 2014: Introduction).
 
96
Zum Ersten und Zweiten Weltkrieg vgl. bspw. Kahn (1978); Tuchman (1982); Beesly (1983), Gannon (2010).
 
97
Die Arbeit der Staatsicherheit sowie des Hauptamtes Aufklärung in der Ddr wurde im Nachgang der Wende und mit der Öffnung zahlreicher Archive breit thematisiert (vgl. bspw. Schwan und Heindrichs 2005; Münkel 2015). So brachte in Deutschland die „Offenlegung großer Aktenbestände des MfS eine ansehnliche Reihe von Studien hervor, die zwar überwiegend von den innerstaatlichen Aktivitäten der Stasi handeln, aber auch ein weitgehend neues Licht auf die Unterwanderung der ‚alten‘ Bundesrepublik werfen“ (Krieger 2007: 19; vgl. auch Krieger 2004). Wagner und Uhl (2007) beleuchten bspw. die westdeutsche Militärspionage in der Ddr – und konzentrieren sich damit auf eine bestimmte Epoche in der Geschichte von Geheimdiensten (weitere Beispiele vgl. Grey 2006; Schlomann 2009). Episoden der bundesdeutschen Geschichte des Bnd werden z. B. von Waske (2009, 2013) thematisiert (vgl. dazu auch Henke 2014, 2018). Als weiteres Subgenre, welche im Übrigen nahezu beliebig weiter ausdifferenziert werden könnten, sind Ausführungen zu nennen, die sich mit der Integration von Ns-Angehörigen in den Bnd bzw. mit der Aufdeckung entsprechender Seilschaften beschäftigen (vgl. dazu Cüppers 2013).
 
98
Vgl. bspw. Wiener (2007, 2012); Monje (2008); Bamford (2001); Doerries (2001); Eichner und Dobbert (2001); Stafford (2003); Bailey et al. (1997); Krieger und Weber (1997); McCormack (2003); Birstein (2012); Jenssen (2001).
 
99
Zu Sigint und technischer Aufklärung nach 9/11 siehe Richelson (2009: 147–175).
 
100
Auch wenn Westerbarkey den Medien selbst einen eigenen Beitrag zur Geheimhaltung zuschreibt, der sich vor allem aus dem Umstand selektiver Themenwahl sowie interner Vorgaben speist, was eine umfassende und neutrale Berichterstattung verhindert (Westerbarkey 1998).
 
101
Eine umfassendere und systematischere, wenn auch nicht erschöpfende, Diskussion der Herausforderungen des Bnd findet sich bspw. bei Gujer (2006).
 
102
Insofern könnte sogar gefragt werden, warum konstruktivistische Ansätze nicht schon frühzeitig und ausgeprägter in Intelligence Studies zur Anwendung kommen, da gerade im Nachrichtenwesen Fragen nach z. B. Wahrnehmung, wahrgenommenen Wahrheitsgehalten und Glaubwürdigkeit im Vordergrund stehen.
 
103
Andere Autoren argumentieren daher, dass der Kalte Krieg dazu geführt habe, dass Geheimhaltung und verdeckte Operationen akzeptierte Normalität im politischen System geworden sind (Bullard 2002: 77).
 
104
Etwas ausführlicher aber keinesfalls erschöpfend: Böckenförde/Gareis (Hrsg.) 2009. Ebenfalls nur in Ansätzen Enskat und Masala (2014: 66 ff.).
 
105
Ob durch dieses Ungleichgewicht der Informationslage und wissenschaftlichen Auseinandersetzung ein (auch theoretisch) verzerrter Blick auf das Gesamtphänomen erfolgt oder Us-Dienste gerade als Archetyp und Vorreiter internationaler Entwicklungen gelten müssen, kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden.
 
106
Rogg (2018) identifiziert drei grundlegende Herausforderungen bei der Erstellung einer theory of intelligence, nämlich „definitional problems, institutional problems and epistemological problems“. Der von Rogg vorgeschlagene komparative Ansatz stellt aber per se kein Theoriegerüst dar, sondern zeigt eher Herangehensweisen auf.
 
107
Bei den Tuareg Nomaden hießen Spione daher beispielsweise auch „Augen“ (vgl. Klute 2010).
 
108
Mit Bezug auf Kent unterscheidet Tucker zwischen „descriptive“ und „speculative intelligence“. Während erstere sich auf sich nur langsam verändernde Gegenstandsbereiche bezöge (Geographie, Infrastruktur, politische Systeme etc.), sei letzteres auf Entwicklungen, Absichten und Wahrscheinlichkeiten ausgerichtet. Historisch sei Nachrichtenwesen vor allem deskriptiv ausgelegt, während Charakteristikum eines modernen Nachrichtenwesens seine Zukunftszugewandtheit sei (Tucker 2014: 18).
 
109
Vgl. auch Hahn (2011), der zwischen verschiedenen Arten der Enthüllung von Geheimnissen unterscheidet (Hahn 2011: 324 sowie Fußnote vier).
 
110
Hierzu gehört aber wohl nicht nur, wie es mitunter anklingt, Überwachung in Form von technischen Kommunikationsmaßnahmen, globaler Satellitenabdeckung oder der Einsatz von Aufklärungsdrohnen auf dem Gefechtsfeld, sondern es muss auch die z. B. (städtische) Überwachung durch Videokameras bzw. Drohnen hinzugezählt werden (vgl. Belina 2006; Kammerer 2008; Mattelart 2010). Surveillance beinhaltet zudem mehr als die reine Überwachung, nämlich auch die Sammlung und Speicherung von Daten sowie Supervision von persönlichem Verhalten, zunehmend auch unter Einbeziehung der Öffentlichkeit selbst bei der Sammlung von Informationen (vgl. auch Gill und Phythian 2006: 29; Marx 2004; vgl. dazu auch Jaffel et al. 2020: 327). Dementsprechend sieht Gill beispielsweise in „surveillance“ den besten Ausgangspunkt, um sich theoretisch intelligence zu nähern, da es neben der Sammlung von Informationen auch eine machtorientierte Disziplinierung menschlichen Verhaltens beinhalte (Gill 2018: 575).
 
111
Luhmann geht hier beispielsweise auf das Lernen des Lernens oder das Erforschen des Erforschens ein (Luhmann 2000: 86 ff.).
 
112
Gill und Phythian scheinen sich aber in diesem Zusammenhang eher auf die empirische Breite zu beziehen, weniger auf zugrunde liegende ontologische Grundannahmen.
 
113
Da Nachrichtendienste zwar Unsicherheit reduzieren sollen, dies aber in Gänze nicht möglich ist, schlägt Ben-Haim vor, solche Politikbereiche zu identifizieren, die robuster mit mehr Unsicherheit umgehen können und entsprechend den Fokus nachrichtendienstlicher Arbeit auf solche Bereiche zu legen, wo der Mehrwert der Informationsgewinnung höher ist (Ben-Haim 2016). Gegen eine zu starke Fokussierung auf Unsicherheit und für „prediction“ argumentiert Fitzsimmons (2006).
 
114
Der zudem stark von angloamerikanischen Sichtweisen und Theorietraditionen beeinflusst ist, was sich schließlich auch auf das Agendasetting der akademischen Befassung der Intelligence Studies niederschlage, wie Jaffel et al. (2020: 324 f.) betonen.
 
115
Zumal postmoderne Theorieansätze nicht immer auf Anhieb anschlussfähig an Alltagsverständnisse sind. „Nevertheless, in practice, both intelligence customers and practitioners tend to view the world through a realist/idealist dichotomy that does not easily accommodate or see the immediate policy relevance of post-structuralist or reflectivist approaches“ (Phythian 2008: 61). Zudem hätten, wie Phythian weiter ausführt, Nachrichtendienstler kein Interesse daran, neorealistische Theorieansätze zu widerlegen, da sich daraus quasi eine Jobgarantie ableite.
 
116
Als Theoriearbeiten, die z. T. als Mittler zwischen diesen beiden Polen dienen können, jedoch in der Regel nicht explizit als solche definiert sind, sind Auseinandersetzungen mit der Moral und Ethik von Spionage zu nennen (bspw. Olson 2007; Goldmann 2009; Omand und Phythian 2012). Diese Arbeiten adressieren sowohl auf Ebene des Individuums innerhalb von Organisationen die Arbeit von Nachrichtendiensten als auch mitunter die sich aus verdeckter Informationssammlung bedingten Stabilitätsrisiken für das internationale System.
 
117
Dies gilt natürlich nicht für den Fall, dass mehr oder minder stillschweigend neorealistische Annahmen über das internationale System angelegt werden und Nachrichtendienste als funktionales Mittel staatenzentrierter Machtpolitik subsumiert werden. Da aber auch in diesem Fall die Rolle von Nachrichtendiensten kaum explizit thematisiert wird, verharrt eine entsprechende Auseinandersetzung an der Oberfläche.
 
118
Auch wenn der Autor für die Zukunft sowohl in der Tiefe als auch Breite eine Verbesserung erwartet (Warner 2014: 32). Zudem darf natürlich angenommen werden, dass eine Diskussion in angloamerikanischen Wissenschaftszirkeln auch in der deutschen Ib-Community rezipiert wird. Die Trennung zwischen deutscher und internationaler Diskussion von Nachrichtenwesen dient daher vor allem der Verdeutlichung des Arguments. Aber dennoch ist die vergleichsweise geringe Befassung erstaunlich. Dazu Krieger für den deutschen Wissenschaftsbetrieb: „Bisher haben sich in Deutschland nur die Rechtswissenschaften mit Geheimdiensten beschäftigt, wenn auch nicht umfassend. Die deutsche Politikwissenschaft hat das Thema fast komplett ignoriert. Das gilt selbst für die Teildisziplin der Internationalen Politik und Sicherheit […]“ (Krieger 2007: 25). Entsprechend kommt Krieger zu dem Schluss, dass es „in der deutschen Politikwissenschaft kaum jemanden [gibt], der sich im Zusammenhang mit dem Teilfach Internationale Beziehungen um den Faktor Auslandsnachrichtendienste kümmert“ (ebd.: 19).
 
119
Zur Professionalisierung von Polizei und Inlandsgeheimdiensten vgl. Krieger (2009: 118–123).
 
120
Kuchler fragt entsprechend konsequent nicht danach, wie Krieg Gesellschaft prägt, sondern wie Gesellschaft mit ihren Ausprägungen (insbesondere funktionale Differenzierung als unabhängige Variable) Krieg prägt (Kuchler 2013: 11).
 
121
Johnson sieht diesen Mangel als Chance: „The large amount of works that remains to be done in this field of inquiry [nachrichtendienstliche Theoriearbeit, J.H.] should whet the scholarly appetites of those with an interest in the hidden side of the government“ (Johnson 2003a: 23).
 
Metadaten
Titel
Nachrichtendienste und Nachrichtenwesen – Einführung in die Thematik
verfasst von
Jan Helmig
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38490-6_2

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