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07.05.2019 | Naturwissenschaftliche Grundlagen | Schwerpunkt | Online-Artikel

Den Geheimnissen der Adhäsion auf der Spur

verfasst von: Dieter Beste

3:30 Min. Lesedauer

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Mit einer neu entwickelten Methodik konnte ein Team der TU Berlin in einer Reihe numerischer Simulationen und Experimente wichtige Einflussfaktoren auf die Haftigkeit adhäsiver Kontakte erforschen.


Die sogenannte Haftigkeit, der adhäsive Kontakt an den Grenzflächen zwischen zwei Körpern, kann stark von der makro- und mikroskopischen Beschaffenheit der jeweiligen Oberflächen abhängen. Viele Systeme der Mikrotechnik, wie zum Beispiel Lagesensoren in Smartphones, sind wegen ihrer Kleinteiligkeit allerdings auch anfällig für eine ungewollt starke Haftung. So sind Technik und Medizin sehr an Technologien interessiert, mit denen die Haftung nach Bedarf vergrößert oder vermindert werden kann. 

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"Auch in der Tierwelt sind diese Adhäsionskräfte am Werk. Heuschrecken und Geckos beispielsweise nutzen die adhäsive Haftung ihrer Füße zu den verschiedensten Oberflächen, um auch an Wänden und Fenstern zu laufen", sagt Springer-Autor Valentin Popov. Adhäsion ist unter seiner Leitung eines der zentralen Themen der aktuellen Forschung am Fachgebiet "Systemdynamik und Reibungsphysik" der TU Berlin. Lebendige Zellen würden durch Milliarden dieser mikroskopischen Einheiten durch Adhäsion zu einem lebenden Organismus verbunden, sagt Popov. Und: "Die Stärke der Adhäsion zwischen Zellen bestimmt auch deren Beweglichkeit und Wachstum. So kann eine Störung sogar Ursache für die Entwicklung von Tumoren sein." 

Haftkraft im atomaren Bereich beobachtet 

Um Störungen zu vermeiden, sei die Kraft der Adhäsion in der Mechanik sehr sorgfältig zu beachten und zu dosieren, denn nicht immer sei sie nützlich, weiß Popov – Ventile mit Gummidichtung müssen jederzeit öffnen können, eine zu starke Adhäsion könnte zu Fehlfunktionen führen. In den Experimenten der TU-Forscher spielt die sogenannte Trennungsenergie eine große Rolle. In diese Kenngröße fließen alle Details der adhäsiven Wechselwirkung der Oberflächen: Die physikalische Beschaffenheit, Reibungselektrizität, Wasserstoffbrücken, elektrochemische Doppelschicht-Wechselwirkungen oder Interdiffusion von Polymerketten gehören dazu. 

"Je größer die Trennungsenergie, desto stärker die Haftkraft, die Adhäsion", sagt Roman Pohrt, Mitautor eines Artikels zur Stärke adhäsiver Kontakte in der Fachzeitschrift "Friction". Einen weiteren Einfluss hätten Aspekte von Geometrie und Mechanik wie die Rauheit der Oberfläche: "Da Adhäsionskräfte meist nur im atomaren Bereich wirksam werden, müssen die Oberflächen zwingend sehr nahe aneinander gebracht werden. Bei rauen Oberflächen haben nur die Rauheitsspitzen echten Atom-zu-Atom-Kontakt. Auf mikroskopischer Ebene bleiben dann große Teile der kontaktierenden Oberflächen durch einen Spalt getrennt." Allgemein gelte: je rauer zwei Oberflächen, desto geringer die Haftkraft. Um diese zu erhöhen könne man beispielsweise den Spalt mit langsam erstarrender Flüssigkeit füllen (Klebetechnik) oder mit einem sehr weichen Gegenkörper. Pohrt gibt ein simples Beispiel: "Diesen Effekt kann jeder zu Hause beobachten, indem er einen Löffel an eine Götterspeise drückt und dann versucht, den Löffel langsam zu heben. Das funktioniert ebenso gut mit einem zerkratzten, also rauen Löffel."

Frühe Warnung vor dem Versagen von Klebeverbindungen 

Das Team um Valentin Popov hat sich das Ziel gesetzt, das Verständnis darüber verbessern, welchen Einfluss die makroskopische Form auf die adhäsive Festigkeit und auf den Prozess des Ablösens hat. Roman Pohrt baute dazu ein Gerät, in welchem die Ablösung einer Haftverbindung, zum Beispiel von verschieden geformten Pflastern oder von Glaswürfeln auf gallertartiger Materie gemessen und live mit einer Videokamera beobachtet werden kann. Das Gerät und die Experimente sind in einem allgemein verständlich gehaltenen Video zu sehen, in dem auch der dritte Autor der in "Friction" veröffentlichten Studie, Qiang Li, die spezifischen Computer-Codierungen für die entsprechende Simulationen erklärt. 

Der in dem Video gezeigte Effekt, dass scharfe Ecken, zum Beispiel bei Pflastern, sich zuerst ablösen, ist aus dem Alltag gut bekannt. "Eine wesentliche ins Bild gesetzte Erkenntnis ist jedoch, bei welchen Formen die Ablösung an welchen Stellen stoppt und erst bei signifikanter Krafterhöhung weiter voranschreitet. Dieses ist für das Design von Klebeverbindungen in der Industrie von Bedeutung, zum Beispiel als Frühwarnung vor einem kritischen Versagen der Klebeverbindung", so Roman Pohrt. 

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

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Quelle:
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