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Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 4/2020

Open Access 30.06.2020 | Schwerpunkt

Online-Plattformen und Personennahe Dienstleistungen: Eine explorative Studie über vertrauensbildende Maßnahmen

verfasst von: Pascal Mehrwald, Marlene Sophia Willy, Kim-Kelly Binder

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 4/2020

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Zusammenfassung

Die Sharing Economy und Online-Plattformen nehmen zu und verändern unser tägliches Leben. Immer mehr Produkte und Dienstleistungen sind über Peer-to-Peer-Plattformen (P2P) online buchbar. Es ist daher unerlässlich zu verstehen, wie technologiegestützte, vertrauensbildende Maßnahmen (VBM) eingesetzt werden, um Vertrauen in solchen Umgebungen aufzubauen, in denen kein direkter persönlicher Kontakt möglich ist. In dieser Studie haben wir explorativ Daten von 150 deutschen und amerikanischen Online-Plattformen erhoben und eine Liste von 53 vertrauensbildenden Maßnahmen abgeleitet, um einen detaillierten Überblick über die aktuelle Situation deutscher Plattformen im Bereich der personennahen Dienstleistungen zu erhalten. Neben der Analyse, welche Maßnahmen in diesem Bereich häufig genutzt werden und daher wichtig scheinen, berichten wir, dass auf deutschen Plattformen Maßnahmen nicht so stark genutzt werden wie beispielsweise in den USA. Wir ergänzen die Literatur über online Vertrauen und schaffen eine Forschungsbasis zu vertrauensbildenden Maßnahmen, wie Reputationssysteme oder persönliche Fotos, indem wir einen Überblick über zahlreiche Maßnahmen geben. Die Ergebnisse sollten in zukünftiger Forschung auch hinsichtlich ihrer Effektivität untersucht werden, deuten aber darauf hin, dass Anbieter aus Deutschland die Nutzung von VBM verbessern müssen, um eine Online-Umgebung zu schaffen, in der die Nutzer sich gegenseitig, sowie die Plattform selbst, als vertrauenswürdig wahrnehmen.

1 Motivation und Zielsetzung

Viele ursprünglich analogen Handlungen in unserem täglichen Leben wurden digitalisiert und sind jetzt auf Online-Plattformen über unsere Smart Devices leicht buchbar. Ob eine Fahrt (Uber), eine Unterkunft (Airbnb) oder Geld für ein neues Projekt (Auxmoney) benötigt wird, auf P2P-Online-Plattformen kann fast jedes Produkt oder jede Dienstleistung nachgefragt werden (Etzioni 2017; Nerinckx 2016; van der Cruijsen et al. 2019).
Betrachtet man die Sharing Economy aus soziologischer Sicht, sollte die Bereitschaft, sich auf völlig unbekannte Personen einzulassen und Dienstleistungen ausführen zu lassen, mit einem Mangel an Vertrauen einhergehen, da dies mit erheblichen Risiken verbunden sein könnte. Die Zunahme von Online-Plattformen für Dienstleistungen aller Art scheint jedoch das Gegenteil zu zeigen (Etzioni 2017). Es wird nicht nur Vertrauensbildung im Allgemeinen diskutiert, sondern auch wie Online-Plattformen Vertrauensbildung ermöglichen können. Hierbei geht es um Vertrauen zwischen Nutzern, nämlich die Nachfrager und Anbieter von Waren und Dienstleistungen, die in einer P2P-Beziehung zueinanderstehen. Vertrauensbildende Maßnahmen, in Englisch trust building measures, können dabei als alle Mechanismen verstanden werden, die den Vertrauensbildungsprozess fördern. Vertrauen ist wichtig, weil es die Voraussetzung dafür ist, dass Transaktionen stattfinden. Ohne Vertrauen würden Online-Plattformen nicht funktionieren (Etzioni 2017; Leimeister et al. 2005; van der Cruijsen et al. 2019).
Das P2P-Sharing-System hat auch im Bereich der personennahen Dienstleistungen Einzug gehalten. Personennahe Dienstleistungen umfassen alltagsunterstützende Tätigkeiten, die an oder mit einer Person durchgeführt werden und von oder mit jemand vertrauenswürdigen erledigt werden (Lattermann et al. 2019). Diese Tätigkeiten werden vermehrt durch digitale Lösungen unterstützt und verändert (Guerrero et al. 2020). Dazu gehören zum Beispiel Fahr- und Transportdienstleistungen, Kinder- und Tierbetreuung, sowie Unterstützung bei Umzug, Autoreinigung, Abrechnungen oder der Planung einer privaten Veranstaltung. Personennahe Dienstleistungen umfassen auch haushaltsnahe Dienstleistungen. Diese werden in der Literatur als Aktivitäten beschrieben, die sich noch fokussierter auf den Haushalt beziehen und üblicherweise von Haushaltsmitgliedern oder Bekannten ausgeübt werden, so zum Beispiel Unterstützung bei der Betreuung der Kinder, beim Putzen oder bei kleinen Reparaturen. Sie erleichtern den Alltag und werden manchmal auch von Fremden mit Vergütung ausgeführt (Reinecke et al. 2011). Im Folgenden wird nur der umfassendere Begriff der personennahen Dienstleistungen genutzt. Heutzutage gibt es in Familien oft nicht mehr nur einen Elternteil, der für das Geldverdienen zuständig ist, und einen Teil, der sich um die Erziehung der Kinder kümmert und den Haushalt führt. Immer mehr Familien leben in einem so genannten Doppelverdienermodell (Berghammer und Verwiebe 2015). Demzufolge arbeiten beide Elternteile und verdienen ein Einkommen, weshalb nicht die gleiche Zeit für persönliche oder haushaltsbezogene Aufgaben bleibt, wie sie in traditionell geführten Familien der Fall ist (Berghammer und Verwiebe 2015). Dennoch müssen die haushaltsüblichen Aufgaben weiterhin erfüllt werden, auch ohne traditionelle Rollen. Folglich ist der Anstieg des Bedarfs an personennahen Dienstleistungen, wie oben aufgeführt, für die Erklärung der Situation in Deutschland nicht zu vernachlässigen (Eichhorst und Tobsch 2008). P2P-Online-Plattformen für personennahen Dienstleistungen bieten die Möglichkeit, solche Dienstleistungen an eine externe Person auszulagern und gleichzeitig einige zeit- und kostenbedingte Belastungen des traditionellen analogen Prozesses der Suche, Bezahlung und Überwachung eines Dienstleisters zu überwinden (van der Cruijsen et al. 2019). Wir tragen zur Literatur über Vertrauen auf Online-P2P-Plattformen und zur Entwicklung der deutschen Personal-Service-Landschaft bei, indem wir die folgenden Fragen beantworten:
Wie ermöglichen deutsche Anbieter von Online-Plattformen für personennahe Dienstleistungen den Aufbau von (initialem) Vertrauen? – Welche technologiegestützten, vertrauensbildenden Maßnahmen werden eingesetzt?
Die Autoren der zum Thema Vertrauen in Online-Umgebungen existierenden Studien und Artikel haben als Methode zur Datenerhebung und Hypothesenbildung überwiegend experimentelle Ansätze oder Umfragen verwendet oder Literaturrecherchen durchgeführt. So konnten sie sich auf die ausführliche Untersuchung einiger weniger vertrauensbildenden Maßnahmen konzentrieren; beispielsweise: Einsatz von Sozialen Medien, persönlichen Fotos, verfügbare Informationen oder Reputation (Ert et al. 2016; Etzioni 2017; Leimeister et al. 2005; Resnick et al. 2006; van der Cruijsen et al. 2019). Für diese Forschung wurde jedoch ein quantitativ-explorativer Ansatz verwendet, um einen Überblick darüber zu geben, welche technologiegestützten, vertrauensbildenden Maßnahmen verfügbare Plattformen einsetzen. Hierbei werden Maßnahmen aufgenommen, die den Aufbau von Anfangsvertrauen auf Online-Plattformen bieten können und das Vertrauen in die Nutzer der Plattform, oder die Plattform selbst, stärken können. 53 verschiedene Maßnahmen wurden ausgearbeitet. Diese geschaffene Basis kann zukünftiger Forschung dienen, um deren tatsächlichen Effekte auf Vertrauen zu untersuchen.
Der Beitrag ist dabei in vier Abschnitte eingeteilt. Zunächst wird auf den theoretischen Hintergrund zu Vertrauen in Plattformen und Dienstleistungen eingegangen. Anschließend wird die Methode zur Datenerhebung beschrieben, bevor die erarbeiteten vertrauensbildenden Maßnahmen präsentiert werden. Abschließend werden die Ergebnisse diskutiert.
Auch amerikanische Plattformanbieter wurden integriert, um das Verständnis dafür zu erleichtern, wo Verbesserungspotenzial für die deutschen Anbieter von Online-Plattformen für personennahe Dienstleistungen besteht.

2 Theoretischer Hintergrund

Zunächst möchten wir ein gemeinsames Verständnis von personennahen Dienstleistungen in Deutschland und der theoretischen Basis in der Vertrauensliteratur schaffen. Hierbei werden wir kurz auf Online-Plattformen und personennahe Dienstleistungen eingehen.

2.1 Personennahe Dienstleistungen in Deutschland

Betrachtet man den deutschen Markt, so ist das Angebot an personennahen Dienstleistungen nicht so ausgeprägt, wie man meinen könnte, obwohl es ein großes Potenzial zu geben scheint (Becker 2007). Erschwerend dazu kommt außerdem die auf dem deutschen Markt für personennahe Dienstleistungen herrschende erhebliche Diskrepanz zwischen dem Bedarf an solchen Dienstleistungen und der tatsächlichen Nachfrage (Reinecke et al. 2011). Auch wenn die Mehrheit der Menschen in Deutschland ein erhöhtes Bedürfnis nach Entlastung im Alltag verspürt, greifen nur etwa 5 Mio. oder 12 % der deutschen Haushalte tatsächlich auf die Hilfe eines Nicht-Haushaltsmitglieds zurück. Insgesamt deckt das ausgeschöpfte Potenzial nur etwa ein Drittel des gesamten Marktpotenzials ab (IFOK GmbH et al. 2014).
Die Gründe dafür sind vielfältig. Am häufigsten werden neben den monetären Kosten der wahrgenommene Mangel an qualifizierten Kandidaten, die rechtlichen Belastungen, die wahrgenommene mangelnde Flexibilität der Arbeitszeiten des Dienstleisters, die wahrgenommene unzureichende Qualität der geleisteten Arbeit und die wahrgenommene mangelnde Zuverlässigkeit des Dienstleisters genannt (Becker 2007; IFOK GmbH et al. 2014). Das Potenzial von P2P-Online-Plattformen in diesem Bereich liegt, wenn sie richtig etabliert werden, in der Überwindung von Hindernissen wie der mühsamen Suche nach qualifizierten Kandidaten, der mangelnden Flexibilität in Einsatzuhrzeit und -dauer und rechtlichen Fragen.

2.2 Hintergrund zu Vertrauen in Transaktionspartner

Wenn ein potenzielles Risiko für ein wertvolles Gut oder das Wohlergehen einer Person besteht, wird die Fähigkeit der Situation zu vertrauen essentiell, um diese bewältigen zu können (Rousseau et al. 1998). Für das Verständnis von Vertrauen auf P2P-Online-Plattformen ist es daher unerlässlich, den Begriff des Vertrauens allgemein zu definieren. Die Forschung hat gezeigt, dass Vertrauen zu den wichtigsten Kriterien gehört, wenn es um menschliche Interaktion geht. Dabei versuchen wir meist, das Verhalten unseres Gegenübers zu antizipieren und zu überwachen (Gefen und Straub 2004). In diesem Artikel wird die folgende häufig verwendete Definition von Vertrauen von Mayer et al. (1995) verwendet: „Die Bereitschaft einer Partei, für die Handlungen einer anderen Partei verwundbar zu sein, basierend auf der Erwartung, dass die andere Partei eine bestimmte, für den Treugeber wichtige Handlung ausführt, unabhängig von der Fähigkeit, diese andere Partei zu überwachen oder zu kontrollieren“ (S. 712). Was betont werden muss, ist, dass der Treugeber, wenn die Aktion von der anderen Partei durchgeführt wird, nicht mehr in der Lage sein wird, diese Aktionen zu überwachen oder zu kontrollieren. Deshalb müssen vertrauensbildende Maßnahmen die Fähigkeit haben, Vertrauen aufzubauen, bevor die eigentliche Aktion ausgeführt wird oder sogar bevor der Treugeber die andere Partei (den Treuhänder) für ein potenzielles Geschäft oder eine potenzielle Interaktion in Betracht zieht.
Die verschiedenen beteiligten Parteien sind bereit, etwas von großem Wert der Verwundbarkeit auszusetzen, indem sie dieses Gut den Handlungen einer anderen Partei ausliefern, bevor sie in der Lage sind, die Handlungen dieser Partei und ihre eigenen zu kontrollieren.
Diese Beziehung beruht auf Gegenseitigkeit, was bedeutet, dass je nach Perspektive eine Partei entweder der Treugeber oder der Treuhänder sein kann (Mayer et al. 1995).
Nach Mayer et al. (1995) muss der Treuhänder vertrauenswürdig sein, um ein Geschäft mit dem Treugeber erwarten zu können. Dabei müssen drei voneinander abhängige Faktoren berücksichtigt werden: Fähigkeit, d. h. eine Reihe von Qualifikationen, die ein Treuhänder in einem Bereich besitzt, in einem anderen aber möglicherweise nicht. Wohlwollen, das Maß an gutem Willen, das ein Treuhänder einem Treugeber vermittelt, abgesehen von einem persönlichen Gewinnmotiv, und Integrität, die die Wahrnehmung des Treugebers gegenüber einer Reihe von Prinzipien, die der Treuhänder befolgt, und die Akzeptanz dieser Prinzipien definiert (Mayer et al. 1995).
Im Kontext dieses Artikels wird der Treuhänder entweder als der Dienstleistungsanbieter, der Dienstleistungsnachfrager oder der Plattformanbieter definiert – je nachdem, aus welcher Perspektive die Beziehung der Parteien betrachtet wird. Folglich sollte das Erreichen von Vertrauenswürdigkeit ein Hauptanliegen aller beteiligten Parteien sein. Das Ziel dieser Studie ist es, die beschriebenen Konstrukte des Erreichens von Vertrauenswürdigkeit auf Online-Plattformen im Bereich der personennahen Dienstleistungen anzuwenden.

2.3 Vertrauen in Plattformen

Online-Plattformen in der Sharing Economy, die als Vermittler zwischen zwei Parteien fungieren, bringen einen neuen Aspekt der Anonymität in den Akt des Anbietens und Kaufens von Waren und Dienstleistungen. Während in der analogen Welt Vertrauen nur zwischen interagierenden menschlichen Parteien erforderlich war, müssen Menschen nun auch dem Online-System mit der Plattform als Vermittler vertrauen (Hawlitschek et al. 2018).
In der Regel muss bei Online-Vertrauen, besonders das anfängliche Vertrauen berücksichtigt werden, d. h. das Vertrauen in eine unbekannte Online-Plattform, mit der der Benutzer keine Vorerfahrungen hat, und das Vertrauen zwischen Benutzern, die einander völlig fremd sind (McKnight et al. 1998, 2002).
Dieser Annahme folgend, ist es das Ziel des Plattformanbieters, die Vertrauenswürdigkeit der Plattform sofort zu erreichen, wenn sie von einem potenziellen Nutzer zum ersten Mal besucht wird. Aber auch die Vertrauenswürdigkeit der Benutzer sollte jedes Mal, wenn eine Interaktion zwischen diesen beabsichtigt ist, unterstützt werden, unabhängig davon, ob sie mit der Plattform selbst vertraut sind oder nicht. Ohne Vertrauen wird keine Transaktion stattfinden.
Ausgehend von dem oben erwähnten allgemeinen Vertrauensmodell fügten Hawlitschek et al. (2016) in ihrem Forschungsmodell drei verschiedene Formen des Vertrauens hinzu: „Vertrauen in den Peer“, „Vertrauen in die Plattform“ und „Vertrauen in das Produkt“. Diese drei Formen von Vertrauen könnten auch durch den Einsatz innovativer Technologie beeinflusst werden (Mehrwald et al. 2019). Abb. 1 erläutert das Vertrauenskonstrukt, das im Rahmen dieser Untersuchung verwendet werden soll und überträgt das allgemeine Konzept des Vertrauens in eine Online-Umgebung.

2.4 Vertrauen in personennahe Dienstleistungen

Da personennahe Dienstleistungen immer mit der Sorge um wertvolle Habseligkeiten der Menschen oder ihr Wohlbefinden verbunden sind, muss die Sicherung der Qualität jedes einzelnen Aspekts der Dienstleistung ein Schlüsselelement sein. Im Gegensatz zu industriellen Umgebungen, in denen die Qualitätssicherung als Teil des Prozessmanagements betrachtet wird, wird im Bereich der personennahen Dienstleistungen davon ausgegangen, dass sie eine intrinsische Eigenschaft der Parteien ist (Angermann und Eichhorst 2013). Unterstützt man diese Annahmen, bedeutet dies, dass für beide Parteien die Ermöglichung eines qualitativ optimalen Prozesses ein Hauptziel des vermittelnden Unternehmens bzw. der vermittelnden Plattform ist. Bei Dienstleistungen, die in engem Zusammenhang mit dem Haushalt des Nachfragers stehen, wird die Vertrauenswürdigkeit zu einem der wichtigsten Qualitätsmerkmale gezählt (IFOK GmbH et al. 2014). Das Verständnis und die richtige Anwendung von vertrauensbildenden Maßnahmen ist daher für den Bereich der personennahen Dienstleistungen in einem Online-Umfeld von wesentlicher Bedeutung.

3 Methodik

Die Erhebung und Analyse der vertrauensbildenden Maßnahmen auf Peer-to-Peer Online-Plattformen umfasste vier Schritte. Als erstes wurden Dienstleistungsplattformen aus Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika in drei verschiedenen Datenbanken recherchiert. Im zweiten Schritt wurden die Plattformen nach bestimmten Kriterien gefiltert, sodass die relevantesten Plattformen im Detail analysiert werden konnten. Als dritter Schritt wurden vertrauensbildende Maßnahmen in eine Liste aufgenommen. Viertens erfolgte eine detaillierte Analyse der recherchierten Online-Plattformen hinsichtlich der Verwendung der vertrauensbildenden Maßnahmen. Um eine möglichst verlässliche und valide Datensammlung sicherzustellen, erfolgte die Datenerhebung von zwei Personen und unter regelmäßigem Austausch. Hierdurch konnte der Erhebungsprozess möglichst objektiv gestaltet werden. Die Schritte werden nun nochmal im Detail erläutert:

3.1 Erfassung und Filterung der zu analysierenden Dienstleistungsplattformen

Um geeignete Unternehmen zu finden, griffen wir auf folgende drei Datenbanken zurück: Gründerszene, Crunchbase und eine selbsterstellte Datenbank mittels Internetrecherche. Diese drei Quellen wählten wir aus mehreren Gründen: Gründerszene ermöglichte uns den Zugriff auf eine Vielzahl überwiegend deutscher Plattformen, Crunchbase ist eine bekannte und häufig konsultierte Quelle, wenn es um etablierte internationale Plattformen geht, und die selbsterstellte Datenbank spiegelt das Suchverhalten der Internetnutzer wieder, die nach Plattformen für personennahe Dienstleistungen suchen. Für die Erstellung der letztgenannten Datenbank wurde die Forschungsgruppe, „Uberize your life“, gegründet, in der 12 Studierende und Mitarbeiter der Technischen Universität München tätig waren. Auf Crunchbase haben wir folgende Filter angewendet und die 250 höchsten gelisteten Unternehmen betrachtet: Headquarter Location: Deutschland, Vereinigte Staaten; Kategorien: Elternschaft, Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Sharing Economy, Peer-to-Peer. Die Filter Headquarter Location und Kategorie wurden mit einer Und-Funktion verknüpft, während die einzelnen Attribute mit einer Oder-Funktion verknüpft wurden. Um Doppelungen zu vermeiden, wurden die drei verschiedenen Datenbanken miteinander abgeglichen. Bei dieser ersten Auswahl wurde eine Gesamtzahl von 364 Plattformen gefunden.
Im nächsten Schritt wurde die Anzahl der Plattformen gefiltert. Dies geschah durch manuelle Überprüfung der gefundenen Plattformen anhand von drei Kriterien: (a) Ist die Plattform aktiv bzw. nutzbar? (b) Handelt es sich um eine Plattform für gemeinsam genutzte Dienste (oder Produkte)? (c) Hat der Benutzer die Möglichkeit, sich sowohl als Dienstanbieter als auch als Nachfrager von Dienstleistungen zu registrieren (handelt es sich um eine P2P-Plattform)? Es war wichtig, nur aktive Plattformen auszuwählen, da wir eine Situationsübersicht mit realistisch nutzbaren Angeboten erstellen wollten. Darüber hinaus war die Auswahl von Peer-to-Peer-Plattformen für gemeinsam genutzte Produkte oder Dienstleistungen notwendig, weil wir uns so auf das Vorhandensein von vertrauensbildenden Maßnahmen konzentrieren konnten, wenn sowohl die Dienstleister als auch die Nachfrager nicht durch Unternehmensgrundsätze eingeschränkt sind. In der Analyse wurden auch Plattformen, die Freiberufler1 vermitteln berücksichtigt, da diese alleine arbeiten und nicht im Namen eines anderen Unternehmens tätig sind. Nach diesen Auswahlschritten wurde eine Gesamtzahl von 150 der 364 Plattformen auf technologiegestützte, vertrauensbildende Maßnahmen getestet.

3.2 Erarbeitung der vertrauensbildenden Maßnahmen und Detailanalyse

Die Liste der technologiegestützten, vertrauensbildenden Maßnahmen wurde in einem iterativen und induktiven Prozess entwickelt. Zunächst wurde ein Pre-Screening durchgeführt, bei dem das Autorenteam unabhängig eine Reihe von 20 Plattformen untersuchte und bestehende Maßnahmen in ein gemeinsames Dokument eintrug. Danach wurden die Ergebnisse in der Forschungsgruppe diskutiert und konsolidiert in eine Liste aus 53 Maßnahmen. Eine vertrauensbildende Maßnahme trägt dazu bei, sich wohler bei der Interaktion mit der Plattform und deren Nutzer zu fühlen und stärkt das Gefühl, die Plattform nutzen zu wollen. Die Maßnahmen wurden für die Analyse entsprechend dem erwarteten Zeitpunkt ihres Eintretens geordnet. So wurden zum Beispiel Qualitätssiegel zuerst aufgelistet, weil sie, falls vorhanden, in der Regel sofort beim ersten Zugriff auf eine Website oder eine App präsentiert werden. Durch diese Organisation der Maßnahmen wurde der Prozess der manuellen Überprüfung von 53 vertrauensbildenden Maßnahmen für 150 Plattformen intuitiver und damit leichter nachvollziehbar. Konkret wurden die Plattformen auf ihren Internetseiten oder mobilen Apps intensiv betrachtet und mit ihnen interagiert. Dazu wurden auf der jeweiligen Plattform Registrierungen als Anbieter und Nachfrager durchgeführt. Das ermöglichte den Zugriff auf relevante Informationen und Funktionen. Wenn eine vertrauensbildende Maßnahme auf der Plattform verfügbar war, wurde dies entsprechend vermerkt.

3.3 Sample außerhalb Deutschlands und Marktführer

Da der Fokus dieses Forschungsprojekts darauf liegt, den aktuellen Einsatz technologiegestützter, vertrauensbildender Maßnahmen personennaher Dienstleistungsplattformen in Deutschland darzustellen und Maßnahmen zu erarbeiten, die eine (initiale) Vertrauensbildung unterstützen, wurden auch relevante Unternehmen in den USA betrachtet. Die USA stellt einen Vorreitermarkt dar für Plattformmodelle, was Unternehmen wie Facebook, Airbnb, Craigslist oder Uber verdeutlichen. Auch wenn kulturelle Unterschiede von Ländern unterschiedliche vertrauensbildende Maßnahmen begründen könnten, gehen wir davon aus, dass eine solche Heterogenität als Datengrundlage förderlich ist. Für eine verlässliche und möglichst umfängliche Identifikation der Maßnahmen war es somit notwendig, die Analyse auch mit Peer-to-Peer Plattformen durchzuführen, die in den USA erfolgreich sind. Diese zusätzliche Analyse war nützlich, um abschätzen zu können, wie die deutschen Plattformen im Vergleich dastehen.

4 Vertrauensbildende Maßnahmen auf Plattformen

Im Folgenden werden die Ergebnisse vorgestellt. Zunächst werden die identifizierten und meistgenutzten vertrauensbildenden Maßnahmen präsentiert. Anschließend wird dargestellt, welche vertrauensbildenden Maßnahmen von Marktführern im Bereich personennaher Dienstleistungen genutzt werden. Abschließend wird die Verwendung vertrauensbildender Maßnahmen in Deutschland und den Vereinigten Staaten bei vertrauensintensiven Tätigkeiten verglichen.

4.1 Meistgenutzte vertrauensbildende Maßnahmen

Insgesamt wurden 150 Plattformen in Hinblick auf 53 vertrauensbildende Maßnahmen analysiert. Von diesen 150 Plattformen vernetzen 82 Plattformen ihre Nutzer für personennahe Dienstleistungen und 68 Plattformen für sonstige Dienstleistungen. In einer branchenübergreifenden Analyse zeigt sich, dass die insgesamt am häufigsten genutzte vertrauensbildende Maßnahme Präsenz in sozialen Medien ist (die Darstellung oder Verknüpfung der verschiedenen sozialen Medienkanäle, auf denen die Plattform aktiv ist). Diese Maßnahme ist bei 88 % der Plattformen zu finden. Insgesamt gibt es sechs Maßnahmen, die auf mehr als 100 (>66,67 %) Plattformen zu finden sind. Neben der Social-Media-Präsenz sind diese Maßnahmen das Profilbild des Anbieters, die bei der Plattform hinterlegte Adresse des Dienstleistungsanbieters, die Online-Zahlung/In-App-Zahlung, die Selbstbeschreibung des Dienstleistungsanbieters und die Verifizierung via E‑Mail/SMS/Google oder Social Media Account. Tab. 1 bietet eine Übersicht der identifizierten vertrauensbildenden Maßnahmen und ihrer absoluten sowie relativen Häufigkeiten unter den untersuchten Plattformen.
Tab. 1
Liste der vertrauensbildenden Maßnahmen mit absoluter Häufigkeit (n) und relativer Häufigkeit (h) insgesamt, sowie für Marktführer (na, ha). (Quelle: Eigene Darstellung)
Vertrauensbildende Maßnahmen – Häufigkeiten
N = 150
Marktführer (N = 10)
 
n
h (%)
na
ha (%)
Social Media Auftritt – z. B. Instagram
132
88
10
100
Profilbild Anbieter
123
82
10
100
Online Bezahlprozess/ In-App Bezahlprozess
116
77
9
90
Adresse/Postleitzahl des Anbieters bei Plattform hinterlegt
116
77
6
60
Selbstbeschreibung des Anbieters
113
75
8
80
Verifikation über Mail/SMS/Google-Konto/Social Media
103
69
0
0
Nachrichtenfunktion (Vor Buchung) – Anbieter und Nachfrager können sich vor der Buchung Nachrichten schicken
96
64
5
50
Adresse/Postleitzahl des Nachfragers bei Plattform hinterlegt
86
57
2
20
Profilbild Nachfrager
84
56
7
70
Darstellung von Pressestimmen (Bekannte Zeitungen)
82
55
3
30
Persönliche Überprüfung durch Plattformanbieter – Nutzerprofile und Anfragen werden durch Plattform gecheckt
72
48
5
50
Erfahrung der Anbieter (Anzahl Aufträge/Erfahrungsjahre als Zahl oder Abzeichen)
68
45
6
60
Dokumentenkontrolle für Anbieter und Nachfrager – Plattform prüft Dokumente der Anbieter und Nachfrager
65
43
6
60
Selbstbeschreibung des Nachfragers
63
42
3
30
App
60
40
8
80
Versicherte Anbieter (Unfallversicherung, Haftpflichtversicherung) – Anbieter sind versichert für Schaden an der Person oder dem Hab und Gut des Nachfragers
55
37
4
40
Einseitige Bewertungen Reviews mit Medieninhalten – Möglichkeit eine Bewertung abzugeben und dabei ein Foto hochzuladen
54
36
5
50
Einseitige Bewertungen Sterne/gut bis schlecht – Möglichkeit eine Bewertung abzugeben und dabei Sterne zu vergeben
53
35
5
50
Kundendienst (an Wochentagen) – per Telefon
47
31
2
20
Ratgeber („how to“) – Anleitungen für Anbieter und Nachfrager
43
29
3
30
Zweiseitige Bewertungen Sterne/gut bis schlecht – Möglichkeit eine ausführliche Bewertung abzugeben und dabei Sterne zu vergeben
40
27
5
50
Externe Gütesiegel der digitalen Welt – z. B. trusted
41
27
2
20
Auflistung von Partnern (Bekannte Firmen)
37
25
0
0
Polizeilicher Backgroundcheck/ Erweitertes Führungszeugnis
34
23
3
30
Community Richtlinien – Vorgaben zum Verhalten der Mitglieder der Platform miteinander
34
23
4
40
Kundendienstmitarbeiter/ Notfallansprechpartner (24/7) – per Telefon oder Chat
33
22
5
50
Zweiseitige Bewertungen Reviews mit Medieninhalten – Möglichkeit eine ausführliche Bewertung abzugeben und ein Foto hochzualden
31
21
3
30
Anruffunktion (Vor Buchung) – Anbieter und Nachfrager können vor der Buchung telefonieren
28
19
2
20
Meldefunktion für Anbieterprofile – Nutzer können die Profile von Anbietern melden
21
14
3
30
Verschlüsselung von Daten
21
14
2
20
Anonymisierung von Daten
19
13
2
20
PostIdent-Verfahren (oder Ähnliches) – Identifikation/Verifizierung der Nutzer per Video
20
13
0
0
Persönliches Treffen (Vor Buchung) – Möglichkeit sich vor der Buchung zu treffen
18
12
0
0
Workshops für Anbieter – Nutzer können die Profile von Nachfragern melden
16
11
3
30
Meldefunktion für Nachfragerprofile – Nutzer können die Profile von Nachfragern melden
17
11
2
20
Antwort auf Bewertung – Möglichkeit auf eine Bewertung zu antworten
15
10
0
0
Persönliches Video des Anbieter
10
7
1
10
Gefördert durch Regierungseinrichtungen – z. B. Ministerien, EU
10
7
1
10
GPS-Ortung des Anbieters – GPS-Ortung während der Ausführung der Dienstleistung
8
5
2
20
Externe Gütesiegel der analogen Welt – z. B. TÜV, Dekra
6
4
3
30
Nutzer-Verifikation – Nutzer verifizieren Nutzer nach persönlichem Treffen
6
4
1
10
Multi-Faktor-Authentifizierung – Digitale, umfangreiche Authentifizierung
4
3
2
20
Deutsche Server
4
3
0
0
Kostenfreie Arbeitsprobe für Nachfrager
4
3
0
0
Versicherung gegen Umsatzausfälle
5
3
1
10
KI erkennt Unregelmäßigkeiten – KI erkennt Unregelmäßigkeiten bei Nutzerprofilen und Anfragen
5
3
2
20
Forum – Offenes Forum für alle Mitglieder zum Austausch
5
3
1
10
Persönliches Video des Nachfragers
3
2
0
0
Kostenfreies Testen der Plattform für Anbieter
3
2
0
0
Höchststornierungsrate (z.B. nach Region) – Nutzer wird gesperrt, wenn Stornierungsrate über der Höchststornierungsrate seiner Region liegt
1
1
1
10
Mindestdurchschnittsbewertung (z.B. nach Region)
2
1
1
10
Notfallknopf für Anbieter
2
1
2
20
Notfallknopf für Nachfrager
2
1
2
20
Pausenerinnerung für Anbieter/Nachfrager
2
1
2
20
n = absolute Häufigkeit, h = relative Häufigkeit
aMarktführer
Im Bereich der personennahen Dienstleistungen ist die am häufigsten verwendete vertrauensbildende Maßnahme das Profilbild des Anbieters. Dieses ist auf 73 (89,0 %) der 82 Plattformen für personennahe Dienstleistungen verfügbar. Gefolgt von Social-Media-Präsenz (71; 86,6 %), Selbstbeschreibung des Dienstleistungsanbieters (70; 85,4 %), bei der Plattform hinterlegte Adresse des Dienstleistungsanbieters (69; 84,1 %), Online-Zahlung/In-App Zahlung (60; 73,2 %) und bei der Plattform hinterlegte Adresse des Nachfragers der Dienstleistung (55; 67,1 %).
Die Analyse der Maßnahmen für personennahe Dienstleistungen unterscheidet sich nicht sonderlich von der Gesamtanalyse. Es gibt jedoch zwei Maßnahmen, die in der Gesamtanalyse nicht herausragend erscheinen, aber im Bereich der personennahen Dienstleistungen häufig vorkommen. Dabei handelt es sich um die bei der Plattform hinterlegte Adresse des Nachfragers (36; 81,8 %) und die Nachrichtenfunktion vor der Buchung (34; 77,3 %), die in der branchenübergreifenden Analyse nur auf 96 (64,0 %) bzw. 86 von 150 (57,3 %) Plattformen erscheinen.

4.2 Nutzung vertrauensbildender Maßnahmen von Marktführern

Um bewährte vertrauensbildende Maßnahmen zu finden, wurde im nächsten Schritt analysiert, welche vertrauensbildenden Maßnahmen Marktführer im Bereich personennaher Dienstleistungen am meisten nutzen. Anhand von Nutzer- und Umsatzzahlen, falls verfügbar, sowie der Seitenbesuche, gemessen mit Alexa Internet, wurden zehn Marktführer des Samples ermittelt. Darunter fallen Airbnb, Betreut.de, Blablacar, Check24 Profis, Ebay Kleinanzeigen, Fiverr, Lyft, MyHammer, TaskRabbit und Uber.
Von diesen 10 Plattformen sind alle in Sozialen Medien präsent und Anbieter von Dienstleistungen haben ein Profilbild (100 %). 90 % dieser Plattformen nutzen Online-Zahlung/In-App Zahlung, acht von zehn präsentieren Selbstbeschreibungen der Dienstleistungsanbieter und haben eine App (80 %). Bei den meisten Plattformen hatten zudem die Nachfrager ein Profilbild (70 %), die Adresse des Anbieters auf der Plattform hinterlegt, Erfahrung des Anbieters dargestellt und eine eigene Dokumentenkontrolle (je 60 %). Tab. 1 zeigt die absolute Häufigkeit (n*) und die relative Häufigkeit (h*) der vertrauensbildenden Maßnahmen der Marktführer-Plattformen im Bereich personennaher Dienstleistungen.

4.3 Vertrauensbildende Maßnahmen im Vergleich

Ein rein quantitativer internationaler Vergleich Deutscher und US-Amerikanischer Plattformen für personennahe Dienstleistungen zeigt, dass US-amerikanische Plattformen im Durchschnitt mehr vertrauensbildende Maßnahmen nutzen (circa 17 pro Plattform) als Deutsche Plattformen (circa 13 pro Plattform). Eine weitere Erkenntnis betrifft die Verwendung von Maßnahmen, die mit der Überprüfung der Identität oder Fähigkeiten einer Person, vor Nutzung der Plattform als Anbieter oder Nachfrager, zusammenhängen. Eine Verifizierung mittels anderer Internet-Accounts (z. B. Google-Account) wird in den vereinigten Staaten weniger ermöglicht als die erweiterte Abfrage im Strafregister oder die Kontrolle von Nachweisdokumenten (z. B. Führerschein). Bei deutschen Plattformen war das Einloggen über einen Drittanbieter häufiger anzutreffen, eine Dokumentenkontrolle selten und eine tiefere Überprüfung gar nicht vorzufinden.
In der Gruppe personennaher Dienstleistungen sind Plattformen im Pflegebereich (inkl. Kinderbetreuung) und Haushaltshilfen-Sektor besonders vertrauenskritisch. Diese wurden daher in Hinblick auf die Anzahl verwendeter vertrauensbildender Maßnahmen analysiert. Der Vergleich zwischen deutschen und US-Amerikanischen Plattformen zeigt zunächst, dass in beiden Bereichen US-Amerikanische Plattformen mehr vertrauensbildende Maßnahme nutzen als deutsche Plattformen. Im Pflegebereich nutzen deutsche Plattformen (N = 19) durchschnittlich 15 vertrauensbildende Maßnahmen, US-Amerikanische Plattformen (N = 16) nutzen durchschnittlich 18. Im Haushaltshilfe-Sektor nutzen deutsche Plattform (N = 12) durchschnittlich 11 Maßnahmen, während US-amerikanische Unternehmen (N = 6) im Durchschnitt 17 vertrauensbildende Maßnahmen verwenden. Über die Qualität und Effektivität der Maßnahmen lässt sich keine Aussage treffen.

4.4 Abgeleitete Erkenntnisse und Propositionen

Folgende Erkenntnisse konnten aus den bisherigen Ergebnissen der Datenerhebung und Literaturrecherche gewonnen werden. Hierbei sei angemerkt, dass eine umfassendere Untersuchung einzelner Maßnahmen(-pakete) Raum für zukünftige Forschung gibt und hier nur Propositionen aufgestellt werden können:
1.
Um als vertrauenswürdig wahrgenommen zu werden, ist es sowohl für Anbieter von Plattformen für personennahe Dienste als auch für Plattformanbieter im Allgemeinen wichtig, Transparenz durch Social-Media-Präsenz zu zeigen.
 
2.
Die Ermöglichung einer vertrauenswürdigen Präsentation der Anbieter (Nutzer) muss für Plattformen personennaher Dienste unerlässlich sein, was durch die Hinterlegung möglichst detaillierter Informationen erfolgt.
 
3.
Es ist entscheidend, zunächst gegenseitiges Vertrauen zu ermöglichen; durch persönliche Kommunikationsmittel und die Hinterlegung von ausreichend Informationen sowohl des Anbieters als auch des Nachfragers.
 
4.
Deutsche Anbieter von Plattformen für personennaher Dienstleistungen müssen die allgemeine Verfügbarkeit von technologiegestützten, vertrauensbildenden Maßnahmen verbessern. Quantität sollte hierbei jedoch nicht mit Qualität hinsichtlich der Effektivität von Maßnahmen gleichgesetzt werden.
 
5.
Deutsche Anbieter von Plattformen für personennahen Dienstleistungen können die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit der Nutzer unterstützen, indem sie den Einsatz von Maßnahmen fördern, die eine Identitätsprüfung ihrer Nutzer ermöglicht; ähnlich der Funktion, der Verifizierung mittels Videotelefonie bei der Eröffnung von Bankkonten.
 
6.
Die Verfügbarkeit eines Kundendienstes, zusätzlich zu einem öffentlichen Reputationssystem, ist vorteilhaft für die Etablierung deutscher Online-Plattformen.
 

4.5 Wenig verbreitete Maßnahmen und Marktführer

Es gibt auch weniger stark verbreitete Maßnahmen, um Vertrauen zu schaffen, auf die wir im Folgenden kurz eingehen. Obwohl aktuelle Technologien Abläufe zur Nutzung von Online-Plattformen stark unterstützen könnten, ist die allgemeine Integration in diese Plattformen für personennahe Dienstleistungen sehr niedrig. Beispielsweise können innovative Technologien nur bei einer Minderheit der Unternehmen festgestellt werden: Notfallknopf während der Dienstleistung, Künstliche Intelligenz zur Vermeidung von Fake-Bildern oder unangebrachten Inhalten, online Überprüfung der Identität, Videovorstellungen, Multifaktor Authentifizierung oder GPS-Tracking der Nutzer. Neue Technologien können, richtig angewandt, die Vertrauenswürdigkeit der Dienstleistungsplattform und Nutzer verbessern sowie gleichzeitig bürokratischen Aufwand mindern. Hier erfüllen zumeist nur die Marktführer eine Vorreiterfunktion, die kleineren Plattformen als Orientierung dienen kann.

5 Diskussion und Implikationen für Forschung

Ziel dieses Beitrags war es, einen situativen Überblick darüber zu geben, welche VBM heute auf deutschen Plattformen allgemein und insbesondere für personennahen Dienstleistungen eingesetzt werden, um (initiales) Vertrauen aufzubauen. Der angewandte quantitativ-explorative Ansatz war hilfreich bei der Erhebung einer großen Datenmenge, so dass die Ergebnisse einen breiten Einblick in das Thema ermöglichen. Folglich fehlte die Chance auf tiefgreifende Einblicke in die Funktion oder Fehlfunktion einzelner, bestimmter vertrauensbildender Maßnahmen. Zudem bleiben die Gründe für die Absichten der Plattformanbieter sowie die Bedürfnisse der Plattformnutzer unbeachtet. Um das Konzept der Vertrauensbildung auf Online-Plattformen in Deutschland besser zu verstehen, ist es jedoch unerlässlich, auch diese Perspektiven zu berücksichtigen. Zukünftige Forschung sollte auf den in diesem Papier gelegten Grundlagen aufbauen und die Bedeutungen der VBM im Kontext personennaher Dienstleistungen in Deutschland mit qualitativen Ansätzen, wie Befragungen tatsächlicher Plattformnutzer und Anbieter, untersuchen. Gleichzeitig könnten auch experimentelle Designs genutzt werden, um einzelne Funktionen oder Funktionsbündel zu testen. Die Ergebnisse können nicht nur für die Literatur, sondern auch für die Entwicklung solcher Plattformen in Deutschland von entscheidender Bedeutung sein. Eine weitere Einschränkung, die in dieser Studie nicht verhindert werden konnte, ist, dass, obwohl die gefundenen Plattformen im Hinblick auf eine Liste von 53 technologiegestützten VBMs analysiert wurden, es schwer möglich ist, eine allgemeingültige Sammlung zu entwickeln. Wir leisten einen theoretischen Beitrag, indem wir skizzieren, mit welchen Maßnahmen initiales Vertrauen in die Plattform sowie in die Peer-to-Peer-Nutzer (Hawlitschek et al., 2016) auf Peer-to-Peer-Plattformen allgemein und personennahen Dienstleistungs-Plattformen im Besonderen aufgebaut werden könnte. Etzioni (2017), Ert et al. (2016) und Resnick et al. (2006) haben bereits die Analyse und Interpretation mehrerer etablierter P2P-Online-Plattformen und ihrer vertrauensbildenden Systeme implementiert. Indem hier neben Marktführern auch kleinere Plattformen bei der Analyse berücksichtigt wurden, entsteht ein umfassenderes und aktualisiertes Bild an vertrauensbildenden Maßnahmen.
Wir konnten zeigen, dass die Maßnahme Präsenz in Social Media weit verbreitet ist. Der positive Einfluss von Social Media Aktivität auf Vertrauen wird in der Forschung bestätigt (Calefato et al. 2015). Das liegt einerseits vermutlich an der gewünschten Werbewirksamkeit dieser Kanäle. Andererseits gibt es einen Hinweis darauf, dass neben interpersonellem Vertrauen zwischen zwei Nutzern (Leimeister et al. 2005) auch Vertrauen in die Plattform an sich eine wichtige Rolle spielt, wenn initiales Vertrauen hergestellt werden soll.
Eine Unterscheidung zwischen Nachfrager- und Anbieterperspektive wird von Hawlitschek et al. (2016) skizziert und muss auf P2P-Online-Plattformen für personennahe Dienste angewandt werden. Die Analyse zeigt, dass für Dienstleistungen die Hinterlegung von Informationen aller Nutzer, egal ob Anbieter oder Nachfrager, und das Angebot einer Messaging-Funktion häufig sind und daher als wichtig angesehen werden können. Dies impliziert, dass das gegenseitige Vertrauen der Nutzer in diesem Sektor entscheidend ist, d. h. nicht nur die Vertrauenswürdigkeit des Dienstleistungsanbieters, sondern auch die des Dienstleistungsnachfragers muss unterstützt werden. Solche Maßnahmen sind für den Aufbau einer wahrgenommenen sozialen Interaktion verantwortlich (Beldad et al. 2010; Chica et al. 2019). Die Menge und Art von Informationen sind hierfür maßgeblich. Der Name eines Nutzers und die Beschreibung der Dienstleistung sind notwendige Basisinformationen, um eine Dienstleistung anzubieten. Weitere Studien könnten der Frage nachgehen welche Art von Informationen Vertrauen aufbauen. Es lässt sich feststellen, dass bei Betreuungsdiensten wie Kinderbetreuung oder Haustierpflege, bei denen ein anderes Lebewesen im Mittelpunkt steht, die Bereitstellung ausreichend vertrauensbildender Maßnahmen essenziell ist. Wir zeigen, dass für beide Seiten mehrere Maßnahmen wirksam sein können, aber die Maßnahmen für Anbieter anders sein könnten als für Nachfrager. So sind zum Beispiel einseitige Reputationssysteme und persönliche Kontrollen von Dienstleisterprofilen durch den Plattformanbieter üblich. Dies kann darauf hindeuten, dass das Vertrauen in den Dienstleistungsanbieter wichtiger oder schwieriger herzustellen ist als das Vertrauen in den Dienstleistungsnachfrager. Zu beachten ist auch, dass viele Maßnahmen einer gewissen Gewohnheit der Nutzer entsprechen müssen und neue Maßnahmen durch technologische Innovationen oder wechselndem Nutzerverhalten möglich und nötig werden.

Danksagung

Dieser Beitrag ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekts KUSTOMA mit dem Förderkennzeichen: 02K17A030, welches das Ziel hat, personennahe Dienstleistungen zu verbessern. Das Projekt konzentriert sich auf die Entwicklung einer Online-Plattform für personennahe Dienstleistungen. Herzlichen Dank gilt hier auch den Mitarbeitern der Verbundpartner sowie dem Projektträger Karlsruhe und den Studierenden der Forschungsgruppe „Uberize your life“ der Technischen Universität München.
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Fußnoten
1
Gem. §18 1 Satz 1 EstG.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Online-Plattformen und Personennahe Dienstleistungen: Eine explorative Studie über vertrauensbildende Maßnahmen
verfasst von
Pascal Mehrwald
Marlene Sophia Willy
Kim-Kelly Binder
Publikationsdatum
30.06.2020
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 4/2020
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-020-00633-8

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