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2008 | Buch

Parteien und Parteiensysteme in den deutschen Ländern

herausgegeben von: Uwe Jun, Melanie Haas, Oskar Niedermayer

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Parteiendemokratie im Mehrebenensystem

Frontmatter
Die Parteien und Parteiensysteme der Bundesländer — Eine Einführung
Auszug
Der Gegenstand des vorliegenden Bandes — Parteien und Parteiensysteme auf der Ebene der Bundesländer — gehört in der deutschen Parteienforschung noch immer zu den eher wenig bearbeiteten Beschäftigungsfeldern. Auch wenn sich entlang der Rolle des bundesstaatlichen Aufbaus der deutschen Parteiorganisationen und des deutschen Parteiensystems ein inzwischen weit reichender und mit vielfältigen Fragestellungen versehener Forschungszweig gebildet hat, gelten nationale Parteien und Parteiensysteme weiterhin als zentrale Bezugsgrößen der deutschen wie internationalen Parteiensoziologie. Vor allem an (vergleichenden) Gesamtdarstellungen der einzelnen Parteiensysteme der Bundesländer, ähnlich etwa der von (2004) herausgegebenen Gesamtschau bundesdeutscher Länderparlamente, fehlte es bislang völlig. Es sind zwar bis heute einige vergleichende Kompendien zu Einzelaspekten der nunmehr 16 Bundesländer erschienen oder in Planung1, jedoch beschäftigt sich keines davon explizit mit der Entwicklung von regionalen Parteiensystemen und Parteien. Diese Lücke schließt der vorliegende Band. Ziel ist es, einen systematischen Gesamtüberblick über die Parteien und das jeweilige Parteiensystem in allen 16 Bundesländern zu geben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Entwicklungen seit der politischen Vereinigung Deutschlands 1990. Daneben befassen sich zwei bundesländerübergreifende Beiträge mit den Wechselwirkungen zwischen Bundes- und Landesebene, und eine Abhandlung analysiert in vergleichender Absicht die einzelnen Landesparteiensysteme unter dem Aspekt der Koalitionsbildung.
Melanie Haas, Uwe Jun, Oskar Niedermayer
Symmetrien und Asymmetrien im bundesstaatlichen Parteienwettbewerb
Auszug
Politische Parteien spiegeln und prägen die institutionellen Arrangements innerhalb derer sie im politischen Wettbewerb um Wählerstimmen und Regierungsämter stehen. Parteien sind Geschöpfe ihres institutionellen Umfeldes, in dem sie sich deren Spielregeln und Anreizstrukturen anpassen; sie sind aber zugleich deren Schöpfer, indem sie institutionelle Regeln bestimmen, modifizieren und über ihr Akteurshandeln formen.
Klaus Detterbeck, Wolfgang Renzsch
Parteienwettbewerb und Koalitionsbildung in den deutschen Bundesländern
Auszug
Folgt man einer zusammenfassenden Betrachtung von (1993: 16f.); (vgl. Schneider 2001: 385), so ist dem Parteienwettbewerb auf Ebene der Bundesländer in vergleichender wie in empirisch-analytischer Perspektive bislang wenig Beachtung geschenkt worden. Zwar existieren eine Reihe von Studien, die Muster des Parteienwettbewerbs wie der Regierungsbildung in einem oder mehreren Bundesländern analysieren (vgl. z.B. Berg-Schlosser u.a. 1994; Jun 1994; Galonska 1999; Kropp 1999, 2001; Heinrich 2002), jedoch sind diese eher qualitativ ausgerichtet oder lassen aufgrund der Berücksichtigung von nur wenigen Bundesländern keine Generalisierung zu. Andere, stärker quantitativ ausgerichtete Arbeiten weisen zur Analyse der Koalitionsbildung in den Bundesländern (Pappi u.a. 2005) oder des legislativen Prozesses (Bräuninger/König 1999) den Landesparteien die programmatischen Positionen der Parteien auf Bundesebene zu. Dabei wird vernachlässigt, dass das Bestehen regionaler politischer Kulturen oder unterschiedlicher Konkurrenzsituationen durchaus zu Verschiebungen in den Mustern des Parteienwettbewerbs in den Bundesländern führen kann (vgl. etwa Wehling 1985, 2004; Best 1991; Rohe 1991, 1992).
Marc Debus
Bund-Länder-Wahlverwandtschaften
Auszug
Landeswahlen machen Bundespolitik. Restzweifel daran hat Gerhard Schröders Kanzlerschaft ausgeräumt. Die Landtagswahl in Niedersachsen im März 1998 machte ihn zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl ein halbes Jahr später. Das beste je erzielte Ergebnis (47,9%) und die größer gewordene absolute Mehrheit der Mandate (83 von 157) für die SPD in Niedersachsen ließen der Bundespartei für die Kanzlerkandidatur keine Alternative zum strahlenden Ministerpräsidenten-Wahlkämpfer. Nach zwei gewonnenen Bundestagswahlen läutete die Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen das Ende seiner Amtszeit als Bundeskanzler ein. Den Erfolg der CDU (44,8%), die gegenüber der Vorwahl fast eine Million Stimmen hinzugewann, die 40 Jahre regierende NRW-SPD (37,1%) klar auf Platz zwei verwies und gemeinsam mit der FDP die Landesregierung bilden konnte, nahmen Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPD-Parteichef Franz Müntefering zum Anlass, vorgezogene Bundestagswahlen anzustreben. Zwischen zwei Landtagswahlen — das sind bemerkenswerte Grenzmarken für die Zeit, während derer ein Politiker die wichtigste Persönlichkeit seiner Partei in der Bundespolitik ist.
Andreas Feser

Bundesländerstudien

Frontmatter
Das Parteiensystem Baden-Württembergs
Auszug
Baden-Württemberg besteht seit dem 25. April 1952. Nach der Volksabstimmung 1951 wurden die nach dem Zweiten Weltkrieg von den amerikanischen und französischen Besatzungsmächten zurechtgeschnittenen Länder Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden zum neuen Südweststaat zusammengeschlossen (Wehling 2006). Baden-Württemberg stellt damit das bislang einzige Beispiel einer erfolgreichen Länderneugliederung in der Bundesrepublik Deutschland dar. Kennzeichnend für den politischen Wettbewerb im Südwesten ist die bis heute dominierende Stellung der CDU. Die Christdemokraten schnitten bei sämtlichen Landtagswahlen als stärkste Partei ab und erzielten von 1972 bis 1984 sogar absolute Mehrheiten.
Ulrich Eith
Das Parteiensystem Bayerns
Auszug
Die großen CSU-Mehrheiten scheinen heute eine Selbstverständlichkeit zu sein. Dabei zeigt der historische Rückblick, dass zwar explizit bayerische Parteien schon immer eine starke Stellung eingenommen haben, die „Hegemonie“ einer Partei aber ein neueres Phänomen darstellt (Mintzel 1975; Mintzel 1977). Im Folgenden soll nach einer kurzen Skizze der Geschichte des bayerischen Parteiensystems bis 1945 auf die Entwicklung seither eingegangen werden. Dabei werden die Rahmenbedingungen des Parteienwettbewerbs (Wahlrecht, Ressourcenausstattung und Regionalstruktur) geschildert, um anschließend zentrale Merkmale (Fragmentierung, Asymmetrie, Volatilität und Legitimation)1 in verschiedenen Phasen aufzuzeigen. Desweiteren soll die bayerische Situation in den gesamtstaatlichen Kontext eingebettet werden.
Andreas Kieβling
Das Parteiensystem Berlins
Auszug
Berlin ist Stadt und Bundesland zugleich. Doch über diese Sondersituation hinaus, die es auch in Hamburg und Bremen gibt, ist Berlin als (ehemalige) Hauptstadt durch den Viermächtestatus in einer besonderen Lage. Als einziges Land muss es die Folgen der 40jährigen Teilung Deutschlands auch in sich selbst bewältigen. All diese Faktoren wirken auf das Berliner Parteiensystem, als dessen Besonderheit ein Führungsanspruch der Berliner Parteien unter den Landesverbänden ihrer Organisationen hinzu kommt. Dieser Führungsanspruch, den keine der ehemaligen Berliner Westparteien wirklich durchsetzen kann, wird aus ihrem frühen Gründungzeitpunkt hergeleitet. Schon bevor die britischen, amerikanischen und französischen Truppen im Juli und August 1945 in die ihnen zugewiesenen Bezirke einrückten, hatte die Sowjetische Militäradministration mit dem Befehl Nr. 2 vom 10. Juni 1945 Parteien und Gewerkschaften wieder zugelassen und einen Magistrat für Groß-berlin sowie eine zivile Verwaltung in den Bezirken eingesetzt, was den Parteien eine frühe Handlungsmacht verlieh und das Berliner Parteiensystem zu einem Vorbild für die Entwicklung der Parteiensysteme in den anderen Regionen Deutschlands werden ließ. Bis zur Gründung der Alternativen Liste 1978 bestimmten im Berliner Spannungsfeld zwischen Ost und West SPD, CDU und FDP das regionale Parteiensystem.
Ingrid Reichart-Dreyer
Das Parteiensystem Brandenburgs
Auszug
Brandenburg ist in organisatorischer und elektoraler Hinsicht die Hochburg der Sozialdemokratie in Ostdeutschland. Die märkische CDU bildet dagegen permanent das Schlusslicht im Reigen der ostdeutschen und seit 1994 sogar aller bundesdeutschen Landesverbände. Daher drängt sich ein Vergleich zwischen Brandenburg und Sachsen auf, was spätestensseit Lessings „Minna von Barnhelm“ als reizvoll gilt (Lessing war übrigens Lausitzer): Im stark industriell geprägten Sachsen, wo sich einst viele Hochburgen der Sozialdemokratie befanden, dümpelt die SPD an der 10%-Marke vor sich hin, während die CDU dort immer noch die hegemoniale Partei darstellt, und im ländlich-agrarisch geprägten Brandenburg dominiert weiterhin die SPD — wenn auch im Vergleich zur sächsischen CDU auf niedrigerem Niveau -, während die märkische CDU mittlerweile sogar hinter die PDS zurückgefallen ist. Worin besteht die Schwäche der brandenburgischen CDU? Worauf basiert der Erfolg der SPD in der Mark? Und: Ist ihr gegenwärtig zu beobachtender Abwärtstrend nur vorübergehender Natur oder hat er eher grundsätzliche Ursachen?
Richard Stöss
Das Parteiensystem in Bremen
Auszug
Wahlen, Parteien und Politik in Bremen spielen in den öffentlichen Auseinandersetzungen der Bundesrepublik in der Regel nur eine marginale Rolle. Mit weniger als 500.000 Wahlberechtigten erreicht das kleinste Bundesland gerade mal die Dimension einer mittleren Großstadt in einem der Flächenstaaten. Die Einflussnahme auf die Bundespolitik ist mit drei Stimmen im Bundesrat gering, und auch im Konzert der anderen Bundesländer kommt Bremens Stimme selten zum Klingen. Aus politikwissenschaftlicher Sicht lohnt gleichwohl eine Beschäftigung mit dem Bremer Mini-Elektorat, weil es in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung unter den Bundesländern darstellt:
  • Aufgrund seiner Konstituierung als Zwei-Städte-Staat gibt es im kleinsten Bundesland die zwei voneinander unabhängigen Wahlbereiche Bremen und Bremerhaven, in denen jeweils getrennt die 5%-Sperrklausel für den Einzug von Parteien bzw. Wählervereinigungen in das Landesparlament gilt.
  • Landes- und Kommunalpolitik sind strukturell miteinander verknüpft. So entscheiden die im Wahlbereich Bremen abgegebenen Stimmen zugleich über die Zusammensetzung der Bremischen Stadtbürgerschaft, dem Kommunalparlament.
  • Im bremischen Landesparlament sind die parlamentarische Ebene und die Verwaltungsebene im so genannten Deputationswesen unmittelbar miteinander verknüpft (eine Besonderheit, die es außer in Bremen nur noch im Stadtstaat Hamburg gibt). Dadurch bewegen sich die Deputationen als ständige Parlamentsausschüsse in einer Grauzone zwischen Legislative und Exekutive.
Lothar Probst
Das Parteiensystem Hamburgs
Auszug
Das Parteiensystem in Hamburg hat seinen Ursprung —analog zur nationalen Entwicklung (Ritter 1985) —im Jahrzehnt vor der Reichsgründung und hat sich schon um etwa 1875 in seinen für das Kaiserreich charakteristischen Grundzügen herausgebildet. Vier regionale Besonderheiten stechen hervor: Erstens fehlte in Hamburg —auch als Folge des Abgrenzungsbedürfnisses reichsfreier Städter gegenüber Preußen —eine konservative Partei. Hamburgs handeltreibendes Bürgertum wählte bei Reichstagswahlen ausschließlich liberal, wobei es sich in einen national- und einen linksliberalen Flügel aufspaltete. Zweitens gab es im streng protestantischen Hamburg, in dem Nichtlutheraner noch bis 1814 kein und bis 1859 nur ein eingeschränktes Bürgerrecht besaßen (Ahrens 1982: 435), keine Vertretung des politischen Katholizismus. Das Zentrum trat zunächst gar nicht in Erscheinung und nahm ab der Jahrhundertwende, als der Katholikenanteil an Hamburgs Bevölkerung auf etwa 5% gestiegen war (Ritter 1980: 95), den Status einer Splitterpartei ein. Drittens war Hamburg seit 1863 —mit der Gründung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“ durch Lassalle —eine Hochburg der Arbeiterbewegung. Die Sozialdemokraten erzielten schon 1874 bei der Reichstagswahl in Hamburg einen Stimmenanteil von 41% und steigerten ihn bis 1898 auf über 60%. Bis zur Jahrhundertwende war Hamburg damit nach einem geflügelten Wort von August Bebel noch vor Berlin die „Hauptstadt des deutschen Sozialismus“ (Kutz-Bauer 1988: 245–261). 1880 eroberten die Sozialdemokraten in der Hansestadt den ersten Reichstagswahlkreis, 1883 durch Bebel den zweiten und seit 1890 waren alle drei Reichstagswahlkreise fest in ihrer Hand. Viertens schließlich fällt bei einer Milieuoder Lagerbetrachtung (Rohe 2001: 49–52, Lepsius 1973) die hohe Konzentration in Hamburgs Parteiensystem auf: Auf Reichsebene versammelten die Liberalen und die SPD fast durchweg über 98% der Stimmen auf sich, wobei der liberale Wählerblock in Relation zum sozialdemokratischen Lager schrumpfte. Lediglich zwischen 1893 und 1903 gelang den antisemitischen Parteien ein kleiner Einbruch in das Stimmenreservoir dieser beiden Lager (Ritter 1980: 38–43, 95).
Patrick Horst
Das Parteiensystem Hessens
Auszug
Mit anderen Bundesländern teilt Hessen das Schicksal, dass auf Geheiß der Alliierten nach 1945 verschiedene Regionen zu einem neuen Bundesland zusammengefasst wurden. Ob die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Kluft zwischen Nord- und Südhessen so groß war und ist wie etwa die zwischen Rheinland und Westfalen, kommt auf die jeweiligen Kriterien an. Allerdings haben in Hessen geographische und politische Grenzziehungen nie übereingestimmt, da das heutige Territorium stets ein Spielball sich wandelnder Machtverteilung gewesen ist. Daher trafen die Neugliederungen nach 1945 auch nicht auf eine gewachsene hessische Identität (Pletsch 2003). Das mag sich inzwischen wie in vielen anderen Bundesländern geändert haben.
Christoph Strünck
Das Parteiensystem Mecklenburg-Vorpommerns
Auszug
Das nördlichste der neuen Bundesländer gilt als „Armenhaus der Republik“ (z.B. Werz/ Schmidt 1999: 101, Heim/Axthelm 1999, Schnabel 2005). Es ist mit einer Bevölkerungsdichte von 74 Einwohnern pro km2 gegenüber einem Bundesdurchschnitt von 231 Einwohnern das am dünnsten besiedelte Gebiet der Bundesrepublik, es ist stark agrarisch geprägt und leidet seit Jahren nicht nur an Landflucht, sondern regelrecht an Landesflucht der jüngeren Bevölkerung (Werz 2000b: 98, 2001a, MV-Landesregierung 2003: 2). Die wenigen industriellen Standorte erlebten in den Jahren nach der deutschen Vereinigung einen massiven Umstrukturierungsprozess, einschließlich eines starken Rückgangs an Arbeitsplätzen. Die Arbeitslosenquote Mecklenburg-Vorpommerns war 2005 mit über 21% im Jahresdurchschnitt die höchste in Deutschland (SBA 2005a). Nach wie vor ist das strukturschwache Land Ziel-I-Fördergebiet der Europäischen Union.
Karsten Grabow
Das Parteiensystem Niedersachsens
Auszug
Die Entwicklung des niedersächsischen Parteiensystems ist als „verzögerte Normalisierung“ beschrieben worden (Trittel 1997). In der Tat dauerte es in Niedersachsen deutlich länger, bis sich ein konzentriertes Parteiensystem mit zwei bis drei Parteien herausbildete. Erst Anfang der 1960er Jahre hatte sich die Situation in Niedersachsen soweit normalisiert, dass man von einer gewissen Ähnlichkeit des regionalen Parteiensystems mit denen in anderen Bundesländern oder im Bund sprechen konnte. Seit dieser Zeit häuften sich dann die Fälle, in denen Entwicklungen in Niedersachsen spätere Tendenzen im Bund antizipierten. Das Parteiensystem wandelte sich vom Nachzügler zum Vorreiter. Der vorliegende Beitrag will diese Entwicklung nachzeichnen und erklären. Hierzu wird im ersten Abschnitt die historische Entwicklung des niedersächsischen Parteiensystems seit dem Zweiten Weltkrieg dargelegt, um in einem zweiten Abschnitt dann seine Spezifika und Unterschiede im Vergleich zur Bundesebene zu untersuchen.
Michael Koβ, Tim Spier
Das Parteiensystem Nordrhein-Westfalens
Auszug
Nordrhein-Westfalen hat als bevölkerungsstärkstes Land der Bundesrepublik beträchtliche bundespolitische Bedeutung. Daher ist es wenig verwunderlich, dass das Parteiensystem des Landes relativ gut erforscht ist.1 Um so mehr überrascht es, dass in der politischen Berichterstattung immer wieder die Behauptung auftaucht, Nordrhein-Westfalen sei ein „Stammland der Sozialdemokratie“ (Ulrich 2004).
Uwe Kranenpohl
Das Parteiensystem in Rheinland-Pfalz
Auszug
60 Jahre nach Bildung der ersten Landesregierung aus einer Allparteienkoalition hat das Parteiensystem in Rheinland-Pfalz mehrere grundlegende Wandlungen vollzogen. Nach der Entstehungsphase des Parteiensystems folgte über einen langjährigen Zeitraum die CDU-Dominanz, die schließlich durch die jüngste Phase der Vormachtstellung der SPD abgelöst wurde. Dieser Beitrag hat zum Ziel die verschiedenen Entwicklungsstufen des Parteiensystems herauszuarbeiten und auf die Gründe für Wandlungsprozesse einzugehen. Dafür wurden zwei Zugänge gewählt: zunächst ein historischer und darauf folgend eine Analyse des Parteiensystems im Kontext des Wahlsystems und -verhaltens. Im vierten Kapitel zu den Wechselwirkungen zwischen rheinland-pfälzischem- und Bundesparteiensystem wird ausschließlich auf SPD, CDU und FDP eingegangen, da sich nur diese drei Parteien langfristig im Landesparteiensystem etabliert haben. Abgeschlossen wird der Beitrag mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Parteiensystems.
Uwe Jun, Benjamin Höhne
Das Parteiensystem des Saarlandes
Auszug
Parteien selektieren Interessen und transportieren sie in die politische Arena; sie bündeln und übermitteln die gesellschaftlichen Forderungen im politischen Prozess. Einerseits tragen sie zur Artikulation der in der sozialen und kulturellen Struktur angelegten gegensätzlichen Interessen und gesellschaftlichen Probleme bei. Andererseits zwingen sie die Vertreter unterschiedlicher Interessen und Ziele zur Aggregation ihrer Forderungen und zur Kooperation; sie regen die Bürger über die sozialen Gegensätze hinweg zur Vereinigung an. Ihre Entstehung verlief parallel zur Parlamentarisierung und Demokratisierung, insbesondere der Herausbildung der Parlamente und der Ausdehnung des Wahlrechts. Sie ist Folge zunehmender Ansprüche der Staatsbürger auf Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen und erfolgte entlang tiefgehender gesellschaftlicher Spaltungslinien, die durch Entscheidungen der politischen Elite an bestimmten historischen Knotenpunkten produziert wurden (s. Winkler 1995a).
Jürgen R. Winkler
Das Parteiensystem Sachsens
Auszug
Als am 27. Oktober 1990 der sächsische Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat, repräsentierten die dort vertretenen Parteien nur einen Ausschnitt des sächsischen Parteiensystems wider, denn von zwölf bei der Wahl angetretenen Parteien gelang es nur fünf, die Fünfprozenthürde zu überwinden. Zwei Aspekte erregten bereits damals Aufmerksamkeit und behielten eine gewisse Dauerhaftigkeit: die Dominanz der CDU und die, gemessen an der Wahlbeteiligung, verhältnismäßig geringe Integrationsfähigkeit der Landtagsparteien. Ihre Dominanz, wenngleich nicht die absolute Mehrheit, behauptet die CDU in Sachsen noch heute. Die Wahlbeteiligung hat sich seit 1990 auf einem noch niedrigeren Niveau stabilisiert (1990: 72,8%, 2004: 59,6%). Zudem galt Sachsen hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse lange Zeit als eine Widerspiegelung bayerischer Verhältnisse. Ob es jedoch auch dessen Zukunft zeigt? Im Wechselspiel von Aufstieg und Fall der FDP und der Bündnisgrünen zeigten sich Parallelen zu anderen ostdeutschen Landtagen, in denen, wie im weiteren Verlauf der Parteiensystementwicklung in Sachsen, ebenfalls für etliche Jahre nur drei Parteien existierten, bis — nicht überall — FDP und Grüne zurückkehrten und rechtsextremistische Parteien — in Sachsen war es 2004 die NPD — Mandate gewannen. Eine weitere Besonderheit hat das sächsische Parteiensystem behalten: in keinem anderen Bundesland waren auf grand historischer Reminiszenzen die anfänglichen Erwartungen an die SPD so hoch wie hier — und in keinem anderen Land ist die Sozialdemokratie bei Wahlen politisch so schwach geblieben.
Gero Neugebauer
Das Parteiensystem Sachsen-Anhalts
Auszug
Die formative Phase der neuen Parteien und des neuen Parteiensystems in Sachs en-Anhalt war identisch mit der Umformung des Einparteienregimes der DDR zum demokratischen Parteienstaat nach westdeutschem Vorbild. Dabei lässt sich das von (1992) skizzierte Vier-Phasen-Muster auf die Entwicklung in Sachsen-Anhalt übertragen. Auch hier waren zunächst und vor allem die aus den politischen Oppositionsgruppen der 80er Jahre der DDR hervorgegangenen Bürgerbewegungen das treibende Moment des Aufbruchs in die Demokratie. Als soziale Bewegung war die Opposition erstmals öffentlich in Erscheinung getreten, als es bei den Kommunalwahlen vom 7.Mai 1989 zu Protesten gegen die Wahlfälschungen gekommen war (Bruckmeier 1993: 32). Die zweite Phase wurde eröffnet durch den Perspektivenwechsel von „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“ Ende Januar/Anfang Februar 1990. Es folgte die programmatische und organisatorische Auffächerung des neuen Parteiensystems, „das schnell Züge des Parteiensystems der alten Bundesrepublik annahm“ (Volkens/Klingemann 1992: 189). Sodann schlössen sich Ost-und Westparteien im Vorfeld der ersten gemeinsamen Bundestagswahlen 1990 zu gesamtdeutschen Parteien zusammen. Wie der Entwicklungspfad des sachsen-anhaltischen Parteiensystems in der Phase des Systemwechsels 1989/90 zeigt (Abbildung 1), sind keine markanten regionalen Abweichungen vom nationalen Verlaufsmuster zu verzeichnen.
Everhard Holtmann
Das Parteiensystem Schleswig-Holsteins
Auszug
Als am Abend des 20. Februar 2005 die ersten Prognosen zum Ausgang der schleswigholsteinischen Landtagswahl vorlagen, war früh klar: Erstmals nach 1987 ist die SPD nicht mehr stärkste Partei im Kieler Landtag. Was auf den ersten Blick wie ein abrupter und massiver Bruch in der Entwicklung des schleswig-holsteinischen Parteiensystems wirkte, bildete bei genauerem Hinsehen jedoch den vorläufigen Höhepunkt eines sich bereits sehr viel länger heraus kristallisierenden ergebnisoffenen Parteienwettbewerbs in dem norddeutschen Bundesland. Dass der CDU-Sieg vom Februar 2005 keine Gewähr für eine stabile Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Norden bietet, zeigte sich zur vorgezogenen Bundestagswahl nur wenige Monate später: Beide großen Parteien hatten im Wählerzuspruch der Schleswig-Holsteiner erneut die Plätze getauscht.
Roberto Heinrich
Das Parteiensystem Thüringens
Auszug
Das aktuelle Parteiensystem Thüringens mit drei größeren, im Landtag vertretenen Parteien hat sich nach der zweiten Landtagswahl 1994 herausgebildet. Davor waren in der ersten Legislaturperiode fünf Parteien im Landtag vertreten, deren Konstellation sich im Laufe des Jahres 1990 herausgebildet hatte. Dabei waren zunächst die unterschiedlichen Ausgangspositionen der Parteien entscheidend für ihre Entwicklung. Die ehemalige Staatspartei SED musste sich plötzlich einem demokratischen Wettbewerb stellen. CDU und FDP hatten Vorläuferparteien im Blockparteiensystem der DDR, was sich als Vor-und Nachteil gleichermaßen erwies. Die SPD und das Bündnis 90 bzw. die Grüne Partei waren Neugründungen, auch wenn die SPD auf Traditionen der unmittelbaren Nachkriegszeit in Thüringen zurückgreifen wollte. Diese Entstehungsgeschichte der Parteien im Zuge der Wende in der ehemaligen DDR ist ihnen heute teils noch anzusehen, insbesondere beim Blick auf die Mitgliederzahlen. Den ersten entscheidenden Einschnitt in der Entwicklung des Parteiensystems in Thüringen bildete die Volkskammerwahl vom 18. März 1990, in der das Fundament für die starke Stellung der CDU in Thüringen gelegt wurde.
Andreas Hallermann
Backmatter
Metadaten
Titel
Parteien und Parteiensysteme in den deutschen Ländern
herausgegeben von
Uwe Jun
Melanie Haas
Oskar Niedermayer
Copyright-Jahr
2008
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90912-7
Print ISBN
978-3-531-15439-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90912-7