Wenn Mitarbeiter aufgeben, ist das nicht so lustig wie in einem Western mit Terence Hill und Bud Spencer. Zumeist gingen dem Jahre der Frustration voraus.
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Der Arbeitsmarkt in Deutschland verändert sich immer deutlicher von einem Arbeitgebermarkt hin zum Arbeitnehmermarkt. Der demografische Wandel verknappt die Ressourcen, gleichzeitig erhöht der digitale Wandel den Bedarf nach qualifiziertem Personal. "Die zukünftigen Arbeitswelten werden Nachfragemärkte sein", warnen die Springer-Autoren Claus-Peter Praeg und Wilhelm Bauer. Unternehmen, die es nicht schaffen, den Arbeitsalltag 4.0 mit attraktiven Arbeitsumgebungen und interessanten Inhalten zu speisen, prophezeien sie mittel- bis langfristiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt (Seite 183). Dass das keinesfalls zu schwarz gemalt ist, belegt eine Studie.
Flexibles Arbeiten - Mehr Schein als Sein
Eigentlich zufrieden, aber dennoch auf dem Absprung: In Deutschland denkt fast jeder vierte Mitarbeiter (22 Prozent) an Kündigung. Die Gründe dafür sind fehlende Karrierechancen ( 14 Prozent), die Aussicht auf bessere Optionen auf dem Arbeitsmarkt (8 Prozent) und eine generelle Unzufriedenheit im Job (5 Prozent). Für die Studie "Global Talent Trends Study 2017" befragte das Beratungsunternehmen Mercer mehr als 1.700 HR-Verantwortliche, 5.400 Angestellte und 400 Manager aus 15 Ländern und 20 Branchen. Knackpunkte sind die zwischen Arbeitnehmern und Personalverantwortlichen divergierende Wahrnehmung zur Flexibilisierung und Individualisierung von Arbeitsplätzen. So gibt zwar jeder zweite Arbeitnehmer an, dass flexibles Arbeiten von Vorgesetzten und Kollegen grundsätzlich unterstützt werde. Tatsächlich aber berichtet jeder vierte Mitarbeiter, dass ihm der Wunsch nach Home Office oder Teilzeitarbeit abgelehnt wurde. Dass sich in Betrieben so allmählich der Gedanke festsetzt, flexibles Arbeiten schade der Karriere (52 Prozent), wundert wenig.
Gesundheit schlägt Einkommen
Worum es Arbeitnehmern weltweit wirklich geht, zeigt ein Nebenergebnis der Studie: Für 69 Prozent aller Arbeitnehmer ist die eigene Gesundheit wichtiger als das Einkommen. Ausschlaggebend für die Wahl des Arbeitgeber sind - wenn das Gehalt außen vor bleibt - breite Möglichkeiten zur Freitzeitgestaltung wie Sabbaticals, zusätzliche Urlaubstage oder Arbeitszeitreduzierung für weniger Gehalt. "Wachstum basiert darauf, Mitarbeiter richtig zu motivieren und zu befähigen", fasst Berater Dieter Kern die Studienergebnisse zusammen. Für Organisationen wird es zunehmend wichtiger, Beschäftigten lebensphasenorietierte Möglichkeiten zur Karriere- und Familienzeiten anzubieten. Außerdem braucht es über die klassischen Führungskarrieren hinaus alternative Laufbahnen, die Mitarbeiter dazu motivieren sich langfristig an Unternehmen zu binden.
Individualität von Mitarbeitern achten
Eine Möglichkeit die Konflikte zwischen Wunsch und Realität von Mitarbeitern auf betrieblicher Ebene zu entschärfen, sind innovative Arbeitszeitmodelle. Noch, so beurteilen die Springer-Autorinnen Jutta Rump, Silke Eilers und Katharina Scherer in Zielkonflikte in der Zeitpolitik, dominieren europaweit die Flexibilitätsanforderungen des Arbeitgebers vor denen der Beschäftigten. Zu den wenigen Modellen, die den Anforderungen von Arbeitnehmern nach Verlässlichkeit und Vereinbarkeit sowie die von Organisationen nach einem angemessenen Umgang mit Komplexität und Geschwindigkeit gerecht werden, zählen sie (Seite 291 ff):
- Vertrauensarbeitszeit: Arbeitnehmer sind für ihre vertraglich festgelegte Arbeitszeit selbst verantwortlich.
- Langzeitkonten: Zeitguthaben werden angespart und mittel- bis langfristig durch spezielle Verwendungszwecke bei fortlaufendem Entgelt wieder ausgeglichen.
- vollzeitähnliche Teilzeitmodelle: Reduzierung der Arbeitszeit auf eine regelmäßige Wochenarbeitszeit, die kürzer ist, als die eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten.
- flexible Zeitmodelle kombiniert mit mobilem Arbeiten: Arbeiten außerhalb der Betriebsstätte, nicht zwingend im Home Office.
Fazit: "One-size-fits-all"-Lösungen kann es in fragmentierten modernen Arbeitsumgebungen nicht mehr geben. Es gilt nun vielmehr "der Individualität der Beschäftigten Rechnung zu tragen, indem ihnen zugestanden wird, an dem Ort und zu der Zeit zu arbeiten, die ihren Stärken am ehesten entsprechen und sie am produktivsten machen", so die Autorinnen (Seite 312).