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2016 | Buch

Politische Theorie im Film

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Über dieses Buch

Realitäten und Fiktionen sind in Filmen oftmals eng miteinander verknüpft. Auch vermitteln Serien und Filme zahlreiche Sichtweisen über die Welt und transportieren politische Botschaften. Bisweilen geschieht dies unbewusst für uns, manchmal auch sehr direkt, weshalb sich ein Blick auf das Medium Film durch eine politiktheoretische Brille lohnt. Der Sammelband verbindet Aufsätze von Politikwissenschaftler_innen, die ihren Forschungsbereich in Filmen und Serien erblicken und dies mit uns teilen. Verbindendes Grundthema der Aufsätze sind die Fragen, wie Erkenntnis über die Welt möglich ist und was für uns Utopie bedeutet. Diese Themen werden im Rahmen dieses Sammelbandes anhand von unterschiedlichen Theorien und Diskursen der Politischen Soziologie, der Internationalen Beziehungen, der Politischen Philosophie, sowie durch Erkenntnistheorie durch zahlreiche Beispiele aus Fernsehen und Kino beleuchtet.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Dieses Buch verbindet politische Theorien mit dem Medium Film. Es geht somit um eine Widerspiegelung des gesellschaftlichen und politischen Bilds anhand eines Mediums, welches uns Realitäten und Fiktionen abbildet oder Interpretation darbietet. Politische und politiktheoretische Inhalte anhand von Filmen zu reflektieren ist nicht neu. In den letzten Jahrzehnten gab es hier unterschiedliche Ansätze.
Ulrich Hamenstädt

Theorien der Politischen Soziologie

Frontmatter
2. Bourdieu und die Mafia: Die Transformation des Michael Corleone
Zusammenfassung
Pierre Bourdieu hat sich über Jahrzehnte mit der (Re-)Produktion von Herrschaft und sozialen Ordnungen auseinandergesetzt. Die relative Stabilität von Gesellschaften, so Bourdieu, beruht nicht auf Zwang, sondern auf einer unbewussten Zustimmung der Beherrschten. Anhand des Films Der Pate von Francis Ford Coppola wird herausgearbeitet, wie Rituale dazu beitragen, die Korrespondenz von Wahrnehmungsprinzipien und sozialen Strukturen herzustellen. Auf dieser Übereinstimmung beruht Symbolische Macht, also die Fähigkeit, Herrschaftsverhältnisse als natürlich und legitim erscheinen zu lassen. Diese Dialektik von Sozialisierung einerseits und sozialer Reproduktion andererseits zeigt sich in der Transformation Michael Corleones. Kurz gesagt: Das Pate-Werden ist auch immer ein Mafia-Bestätigen.
André Beckershoff
3. Agamben und die Politik der Ausnahme in The Batman
Zusammenfassung
Der Beitrag von Stephan Engelkamp erläutert Giorgio Agambens Theorie der Ausnahme am Beispiel von Christopher Nolans The Batman-Trilogie. Agamben zeigt, wie politische Ausnahmeregelungen nach und nach zum Regelfall des Regierens werden und direkt auf das Leben zugreifen. Der Ausnahmezustand definiert also nicht die Ausnahme vom politischen Normalzustand, sondern vielmehr das Wesentliche des Politischen. In Batman ermächtigt sich der Protagonist, als eine Art Notstands-Leviathan das Böse in Gotham zu bekämpfen. Der Beitrag illustriert Agambens Theorie über die Politik der Ausnahme bei Batman, seine Beziehungen zur normativen Ordnung sowie zu seinen Antagonisten. Zudem wird die ‚Fiktion der Ausnahme‘ in Hinblick auf ihre politischen Implikationen diskutiert.
Stephan Engelkamp
4. Machete: Der US-amerikanische Migrationsdiskurs im Vexierspiegel des (M)exploitation-Films
Zusammenfassung
Protagonist Machete – Ex-Cop, illegaler Einwanderer, Frauenheld, „schweigsam, schwitzig und schmutzig“ (Keller, Spiegel Online, 4. Nov. 2010) – agiert als der „Rächer unserer Zeit“ (Diederichsen, Zeit Online, 4. Nov. 2010). Vor Korruption und Gewalt in Mexiko geflohen findet er sich jenseits des Rio Grande in einer nicht minder korrupten, schmutzigen und zudem noch rassistischen Welt wider. Als illegaler Einwanderer gerät er in eine Falle, schlägt sich durch eine Welt aus Bösewichten und bringt mit seinem namensgebenden Schneidewerkzeug oder anderen scharfkantigen Gerätschaften alle paar Minuten einen Schurken zur Strecke. Dabei „ rächt [er] nicht nur sich, seine Familie, er rächt das Schicksal der verfolgten, gejagten, gedemütigten mexikanischen Migranten in den USA.“(Diederichsen, Zeit Online, 4. Nov. 2010) Unterstützt wird er dabei vom ,Netzwerk‘, einer Einwanderer-Community.
Die mexikanische Migration in die USA ist seit langem eines der wichtigsten Themen der amerikanischen Einwanderungsdebatte. Anhand ausgewählter Szenen und Figuren können die bedeutendsten Positionen im amerikanischen Migrationsdiskurs – im wissenschaftlichen wie politischen – seit den 1920er Jahren bis heute illustriert werden.
Kirsten Hoesch
5. „No pretty ladies on the sofa?“ Geschlechterrollen und Gewalt in „A Game of Thrones“/„A Song of Ice and Fire“ – ein feministischer Blick
Zusammenfassung
In diesem Beitrag illustriere ich die wichtigsten Strömungen und Annahmen politikwissenschaftlicher feministischer Forschung anhand der US-Fernsehserie „A Game of Thrones“. Zunächst lassen sich wichtige Aspekte der feministischen Forschung an der Fantasywelt aufzeigen: patriarchalische Strukturen und deren gesellschaftliche Reproduktion, Fragen der same/difference-Debatte, Erkenntnisse zur Gewalt gegen Frauen, insbesondere Vergewaltigungen, und einige Themen der queer-Forschung. Mit den Frauenfiguren der Serie verdeutliche ich Ziele feministischer Forschung: Sichtbarmachen, Hinterfragen und Überwinden von geschlechterspezifischen Rollenzuschreibungen, Kritik der patriarchalischen Strukturen und Elemente einer Organisation der Frauen, um in diesen Strukturen nicht ganz einflusslos zu sein.
Julia Lux
6. Moneyball: Another Promise of Digital Humanities?
Abstract
The story of the film is relatively simple: a baseball manager hired by a low budget team, having to play against richer teams with bigger budget and thus, a wider choice to the best players. This manager turns to hiring an advisor, someone well versed in Big Data management.
The story though, deals with what may be one of the most profound changes in our times: the possibility of gathering, processing and storing enormous amounts of information to a degree and scale never before conceived.
The fact that digital data has reached this unimagined size has triggered what has been dubbed the Big Data Revolution. According to (Mayer-Schönberger and Cukier, Moneyball: The art of winning an unfair game, 2013) the amount of stored information in the world grows four times faster than the world economy, and the so-called data processing power, around nine times faster. Thus, “datifcation” of the world and everything in it is becoming a tangible reality in many realms.
The Social Sciences have witnessed previous epistemic promises of understanding the world through the sorting of empirical information. In fact, quantitative analysis previous to big data, had usually spawned from the idea of sampling collected data. This is but the refinement of a selected section of the information universe, under certain methodological pre-requisites. But if data gathering, processing and storage stops being a problem the whole epistemic proposal of understating reality is reversed from a causation principle, to a data correlation perspective. Nowadays, data is almost infinite. It is how we crunch it what is decisive.
Ivo Hernandez

Theorien der Internationalen Beziehungen

Frontmatter
7. 9/11 und die Ursachen von Terrorismus in der animierten TV-Serie Family Guy
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Darstellung von Terrorismus – konkret islamistischem Terrorismus – und seinen Entstehungsursachen in Family Guy vor dem Hintergrund der Terrorismusforschung. Dafür werden auf Basis aller 231 Episoden der Staffeln 1–12 die Terrorismus-Narrative der Serie identifiziert: Family Guy stellt die Terroristen fast durchgehend als geisteskrank und religiöse Fanatiker in einem „Clash of Civilizations“ dar. Entsprechen diese Narrative zwar verbreiteten Ansichten der US-Bevölkerung nach 9/11, so widersprechen sie doch zentralen Erkenntnissen der Terrorismusforschung. Diese betont – entgegen Family Guy – politische Ursachen von Terrorismus. Dass die Serie solche politischen Aspekte vernachlässigt, kann problematische Implikationen für reale (!) Terrorismusbekämpfung haben.
Jan Sändig
8. Die Ambivalenz von Ordnung und Identität: James Bond und die internationale Politik
Zusammenfassung
Der Beitrag nimmt eine qualitative Inhaltsanalyse der 23 offiziellen Bond Filme sowie der nicht-offiziellen Filme Never Say Never Again und des Kurzfilms Happy and Glorious vor. Wir fragen, wie globale politische Ordnung in Bond Filmen konstruiert wird und welche Bilder des (britischen) Selbst und des (antagonistischen) Anderen evoziert werden. Mit Blick auf globale Ordnung verweisen wir auf ein Oszillieren zwischen Differenzkategorien. Die Grenzen zwischen diesen Polen sind durch Ambivalenzen und Paradoxien gekennzeichnet, was wir mit dem Begriff des detachment konzeptualisieren. Beim (britischen) Selbst stellen wir eine geopolitische Verschiebung von Bedrohungen nach Großbritannien fest. Als (antagonistischen) Anderen thematisieren wir die bisher wenig beleuchtete Rolle Chinas.
Stephan Stetter, Eva Herschinger
9. The Omega Man, Colonialism, and Global Health
Abstract
Over recent years, ‘global health’ has become a vibrant area of study in International Relations, and in the policy world there have been a plethora of new ‘global health initiatives’. Interventions in the name of ‘global health’ are often seen as an unproblematic good but the dynamics of donor-recipient relationships can be far from simple. Cultural differences, a lack of confidence in Western science/medicine, and suspicions over the possible ulterior motives of donors have in some cases led to resistance from those that global health interventions are seeking to help.
This chapter looks at The Omega Man (Sagal 1971) in which a group of survivors of a biological warfare-induced plague that has almost entirely wiped-out civilization have organized themselves into a post-apocalyptic cult, rejecting all forms of science, technology and medicine—and the efforts of would-be rescuers. Without drawing parallels, we use the film to illuminate some of the themes that are evident in two empirical cases of resistance to global health interventions: polio vaccination campaigns in northern Nigeria and Pakistan, and containing the 2014–2015 Ebola outbreak in west Africa. The chapter argues that colonial narratives and post-colonial counter-narratives affect the perceptions of both donors and recipients in global health and that, in some cases, this can create significant resistance to these efforts—even if they are intended to be genuinely humanitarian in nature. We conclude by arguing that there are legitimate reasons for taking more seriously the question of why the apparent beneficiaries of global health interventions may resist.
Simon Rushton, Alexia J. Duten
10. Memento Reloaded: Constructivism vs. Historical Materialism
Zusammenfassung
Memento ist der Film, der rückwärts läuft. Dies ist die zentrale Assoziation mit dem Film Memento und es gibt zahlreiche Interpretationen zu dem Film – auch in der Wissenschaft. Scheinbar erlaubt der Film durch seinen komplexen Aufbau einen sehr individuellen Zugang zu unterschiedlichen Gegenwartsproblemen. Vor dem Hintergrund einer (neo-)marxistischen Analyse wird zunächst eine weit verbreitete Lesart des Films diskutiert, um sie durch eine alternative Interpretation von Memento zu kontrastieren. Hier knüpft das zweite Argument des Beitrags an und fragt aus einer konstruktivistischen Sicht nach der Möglichkeit des ‚richtigen‘ und ‚falschen‘ Verstehens eines Films. Somit wird der Beitrag mit zwei unterschiedlichen Betrachtungsweisen aus der kritischen IB-Theorie an Memento herantreten.
Ulrich Hamenstädt, Stephan Engelkamp

Theorien der Politischen Philosophie

Frontmatter
11. V wie Vendetta und G wie Gramsci: Hegemonie und common sense
Zusammenfassung
Im Film V wie Vendetta steht ein Großbritannien der Zukunft unter der Herrschaft eines totalitären Regimes, dem sich V als maskierter Kämpfer widersetzt. Der Film illustriert zentrale Begriffe von Gramscis Denken über Hegemonie, der Rolle von Ideen und den common sense. Das hegemoniale System wird im dialektischen Verhältnis von Zwang und Konsens stabilisiert und zeigt sich in der Durchsetzung politischer Macht durch Medienkontrolle und Herstellung von Angst und der gleichzeitigen Darstellung politischer Ideen als im Interesse der Öffentlichkeit.
Katharina Glaab
12. Antagonismus auf der Animal Farm
Chantal Mouffes Hegemonietheorie veranschaulicht an der Verfilmung des Klassikers von George Orwell
Zusammenfassung
Chantal Mouffes Demokratietheorie basiert auf der Idee, dass es in der Politik um Kämpfe zwischen inkompatiblen Projekten geht. Ihre zentralen Konzepte sind der Antagonismus – ein konstantes Konfliktpotential – und die Hegemonie – die Einrichtung einer mit Macht durchgesetzten, aber stets änderbaren Ordnung. Der Beitrag nutzt den Film Animal Farm, der auf dem gleichnamigen Buch von George Orwell basiert, für eine illustrierende Diskussion dieser Konzepte. Erstens zeigt er anhand einzelner Szenen, inwiefern sie Analysein­strumente für Reflexionen über politische Herausforderungen bieten. Zweitens nimmt er die realpolitischen Bezüge von Animal Farm und die Entstehungsbedingungen des Films zum Anlass, um die Relevanz der Konzepte für einen kritischen Umgang mit dem Medium Film herauszustellen.
Manon Westphal
13. Adorno und das Vaterland Reflexionen der Frankfurter Schule auf Gesellschaft und Kultur in Deutschland
Zusammenfassung
Adornos politische Theorie kritisiert die verschleppte Vergangenheitsaufarbeitung in der jungen Bundesrepublik Deutschland. In seinen Schriften entwickelte Adorno Perspektiven für eine demokratische und antiautoritäre Wende. Die Anwendung von Adornos politischer Theorie auf den Film Vaterland, in dem die Nationalsozialisten nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg über Europa herrschen, veranschaulicht die Gegenwart des Nationalsozialismus in den gesellschaftlichen Diskursen Deutschlands. Dieser Beitrag verweist auf die politiktheoretische Bedeutung, die sowohl Adorno als auch der Film dem Handeln Einzelner zuweisen: Ohne Individualismus und Zivilcourage gibt es keine Möglichkeit zum Entrinnen aus dem Massenbetrug der Kulturindustrie und den vermachteten Strukturen von Mehrheitsgesellschaften.
Ulf Kemper
14. Axel Honneth im Boxring: Symbolik des Kampfes um soziale Anerkennung bei Rocky
Zusammenfassung
Das Kapitel stellt die Anerkennungstheorie Axel Honneths anhand der Rocky-Filme dar, in denen sich Rocky Balboa durch einen Kampf mit dem amtierenden Weltmeister Apollo Creed in der Gesellschaft zu behaupten versucht. Insbesondere wird in dem hier vorliegenden Beitrag die plötzlich eskalierende Gewalt im Kampf gegen Creed diskutiert. Um die gesellschaftliche Bedeutung der Rocky-Erzählungen herauszuarbeiten, steht dabei die These im Zentrum, dass die Gewalt als Symbolik des Kampfes um soziale Anerkennung verstanden werden kann. Rocky, als Protagonist, ist das Symbol dieses Kampfes um Anerkennung.
Ibrahim Can Sezgin
Metadaten
Titel
Politische Theorie im Film
herausgegeben von
Ulrich Hamenstädt
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-07206-3
Print ISBN
978-3-658-07205-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07206-3

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