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2012 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Problembegriff und soziales System.

verfasst von : Jürgen Ritsert

Erschienen in: Theorie praktischer Probleme

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Zusammenfassung

Zweifellos fallen die Ergebnisse einer Fülle von Arbeiten der Sprachphilosophie der Gegenwart, nicht zuletzt der verschiedenen Sprechakttheorien in der Nachfolge des Werkes von Ludwig Wittgenstein sehr viel subtiler aus als die sozialbehavioristische Sprachanalyse Meads. Es gibt inzwischen eine Reihe äußerst akribischer Studien, welche dem Tatbestand in allen Details nachgehen, dass Sprechen immer auch die Gestaltung praktischer Beziehungen zu Dingen und anderen Personen bedeutet. Denn durch Sprechhandlungen stellen wir allemal Relationen zu Adressaten her, halten diese aufrecht und/oder führen ihren Abbruch herbei. Jemand gibt z.B. eine mündliche oder schriftliche Anweisung und die Adressaten machen tatsächlich mal das, was von ihnen in der gemeinsamen Praxis erwartet wird. Trotzdem sollte man die Bedeutsamkeit von Meads exemplarischen Modellen menschlicher Interaktion nicht unterschätzen. Zum Einen hat er entscheidend zur Begründung und Weiterentwicklung einer ganzen soziologischen Schule, der des symbolischen Interaktionismus beigetragen. Dieser hat inzwischen wie jedes andere Forschungsprogramm eine Reihe einschneidender Veränderungen erfahren und sich in verschiedene Fraktionen („Ansätze“) aufgeteilt. Zum Anderen hat die Meadsche Kernvorstellung von symbolisch vermittelter Interaktion deutliche Spuren in den Schriften einflussreicher Theoretiker der gesellschaftswissenschaften der jüngeren Vergangenheit hinterlassen. So führte der Aus- und Umbau der Interaktionsmodelle Meads durch Talcott Parsons (1902-1979) bei dem Systemtheoretiker Niklas Luhmann (1927-1998) zur Festlegung eines theoretischen Schlüsselproblems der Soziologie, das er das „Problem der doppelten Kontingenz“ nennt (s.u.). Darüber hinaus hebt auch er ausdrücklich die zentrale Rolle hervor, die der Problembegriff beim Studium von Prozessen der Systembildung und des Systembestandes zu spielen hat.

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Fußnoten
1
Zu einer äußerst Differenzierten Untersuchung von Sprechen als Handeln vgl. z.B. R. B. Brandom: Making it Explicit. Reasoning, Representing & Discursive Commitment, Cambridge Mass. 1994 und ders.: Begründen und Begreifen. Eine Einführung in den Inferentialismus, Frankfurt/M 2001.
 
2
Auch das Selbstgespräch setzt voraus, dass der Monologisierende eine von Mitgliedern seiner Lebenswelt gesprochene Sprache beherrscht.
 
3
R. Schützeichel: Sinn als Grundbegriff bei Niklas Luhmann, Frankfurt/New York 2003, S. 51.
 
4
N. Luhmann: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Band 2, Frankfurt/M 1981, S. 195.
 
5
H. Steinert: Zur Kritik der empirischen Sozialforschung. Ein Methodengrundkurs, Studientexte zur Sozialwissenschaft, Bd. 14, Frankfurt/M 1998, S. 22.
 
6
„Eine kritische Theorie der Gesellschaft, die sich die Anspruchsstellen des Subjekts zu eigen macht, operiert vielleicht nur unter den Zwängen einer Problem- und Denkgeschichte, deren Optionen ihr nicht mehr gegenwärtig, nicht mehr verfügbar sind.“ N. Luhmann: Gesellschaftsstruktur …., a.a.O.; S. 244.
 
7
N. Luhmann: Soziologische Aufk lärung. Aufsätze zur Theorie sozialer Systeme, Köln und Opladen 1970, S. 35.
 
8
Im Anschluss an Robert K. Merton (1910-2003), einer der Begründer des „Struktur-Funktionalismus“. Welche Funktionen erfüllen bestimmte Strukturen (Einrichtungen) in einem sozialen System? – das ist dort die Kernfrage.
 
9
T. Parsons/E. Shils: Towards a General Theory of Action, New York 1951, S. 16.
 
10
Schützeichel macht auf den Zusammenhang der Begriff e „Handeln“ und Erleben“ bei Luhmann mit den Kategorien „Komplexität“ und „Kontingenz“ so aufmerksam: „Komplexität zielt darauf, dass es immer auch andere Möglichkeiten des Handelns als die gewählte gibt. Kontingenz zielt darauf ab, dass es andere Möglichkeiten des Erlebens gibt als die erwarteten.“ R. Schützeichel: Sinn als Grundbegriff bei Niklas Luhmann, a.a.O.; S. 37.
 
11
Dass sich Luhmann von Begriff en und Vorstellungen konkreter Interaktion zwischen lebendigen Menschen trotz aller Anstrengungen nicht lösen kann, belegen zahllose Formulierungen wie die: „Dagegen käme kein soziales System in Gang, wenn derjenige, der mit Kommunikationen beginnt, nicht wissen kann oder sich nicht dafür interessieren würde, ob sein Partner darauf positiv oder negativ reagiert“ (SoS 160). Das könnte genau so auch in Meads „Geist, Identität und Gesellschaft “ stehen.
 
12
Vgl. auch J. Ritsert: Dialektische Argumentationsfiguren in Philosophie und Soziologie, a.a.O.; S. 167 ff.
 
13
M. Bunge: Mechanism and Explanation, in: Philosophy of the Social Sciences, Vol. 27, Nr. 4 (1997), S. 447.
 
14
Auf den Unterschied zwischen Form und Medium bei Luhmann sowie die Schwierigkeiten mit seinem Formbegriff kann ich hier nicht eingehen.
 
Metadaten
Titel
Problembegriff und soziales System.
verfasst von
Jürgen Ritsert
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-18734-1_6

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