Die Bilanz ist eine wichtige Informationsquelle für Investoren, um einen Eindruck über die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens zu bekommen. Viele Unternehmen sind jedoch nicht zur Veröffentlichung der Bilanz sondern auch eines Anhangs nach den §§ 264ff. Handelsgesetzbuch (HGB) verpflichtet. Dazu gehören vor allem Kapitalgesellschaften.
Im Anhang finden sich weitere Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens. Springer-Autor Klaus von Sicherer erklärt in seinem Buch "Bilanzierung im Handels- und Steuerrecht", dass der Anhang zur Erläuterung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) beiträgt und somit als zusätzliche Informations- und Erläuterungsquelle dient. Welche Angaben hier enthalten sein sollten, zeigt von Sicherer anhand einer Tabelle (Seite 177):
Doch lesen Investoren diese Informationen überhaupt? Oder beschränken sie sich hauptsächlich auf die Fakten aus der Bilanz? Mit diesen Fragen haben sich die Professoren Maximilian A. Müller und Thorsten Sellhorn befasst. Besonders interessant sind dabei mögliche Auswirkungen, die die unterschiedlichen Angaben auf den Kapitalmarkt haben können.
Nur zehn Prozent des Geschäftsberichts entfallen auf Bilanz und GuV
In dem Beitrag "Bilanz oder Anhang? Worauf Investoren achten" in der Zeitschrift Controlling & Management Review (Ausgabe 4/2017) stellen die Autoren ihre Analyseergebnisse vor:
- Sie stellen fest, dass die Geschäftsberichte der 30 DAX-Konzerne 2015 im Durchschnitt gut 100 Seiten zum Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsnormen (IFRS) enthielten.
- Etwa 90 Prozent entfielen dabei auf Erläuterungen durch den Anhang.
- Die Bilanz und GuV machten lediglich zehn Prozent aus.
Wie viel Effizienz in dieser Informationsverarbeitung liegt, wird kontrovers diskutiert. Beispielsweise spielt es eine Rolle, ob ein interessierter Anleger so viele Informationen tatsächlich bewältigen kann oder Standardfloskeln den Anhang unnötig aufblähen. Manche Experten vertreten die Ansicht, dass nur Profis die Anhangsangaben wirklich verstehen können. Viele Investoren würden sich deshalb auf Bilanz und GuV beschränken.
In verlässliche Informationen investieren
Müller und Sellhorn untersuchen dies anhand des Fair Value-Ansatzes in der Immobilienwirtschaft. Sie erklären (Seite 52):
Der Fair Value stellt dabei einen oft auf Basis von Vergleichstransaktionen oder Bewertungsmodellen geschätzten Marktwert dar.“
Es handelt sich also um einen Schätzwert. Für die Untersuchung haben die Autoren unterschieden, ob der Wert durch einen externen Gutachter oder durch das Unternehmen selbst ermittelt wurde. Das Ergebnis zeigt, dass eine Ermittlung durch externe Gutachter von Investoren als verlässlichere Information wahrgenommen wird. Fair Values im Anhang, die nicht durch Gutachter oder Ähnliches gestützt werden, werden häufig mit einem Abschlag bei der Preisbildung versehen.
Das Fazit der Autoren fällt deshalb klar aus: "Das Informationsumfeld hat eine entscheidende Wirkung für den Eingang von Informationen in die Aktienkursbildung – besonders, wenn nicht-professionelle Anleger zum Börsenpublikum gehören." Wertansätze durch einen Gutachter oder Wirtschaftsprüfer ermitteln zu lassen, kann sich also durchaus lohnen. Die Arbeit von Müller und Sellhorn deutet darauf hin, dass für die meisten Investoren Bilanz und GuV, wie oftmals vermutet, im Fokus stehen. Doch auch mit verlässlichen Anhangsangaben können Unternehmen punkten.