Nicht nur dem verstorbenen Apple-Gründer Steve Jobs, der sowohl als wegweisender Visionär als auch als mitunter fieser Boss galt, werden psychopathische Züge nachgesagt. In den Führungsetagen vieler Unternehmen finden sich Mitarbeiter mit erkennbar asozialem Verhalten. Denn häufig sind diese Menschen sehr produktiv – und zwar gerade auch unter schwierigen Bedingungen, wie die Studie "Are 'Bad' Employees Happier Under Bad Bosses? Differing Effects of Abusive Supervision on Low and High Primary Psychopathy Employees" zeigt.
Kaltherzige haben ein dickes Fell
Diverse Untersuchungen ergaben in der Vergangenheit, dass sich in Machtpositionen aller Art sogar überdurchschnittlich viele Menschen mit psychopathischen Tendenzen tummeln. Nicht zuletzt deshalb hat sich ein internationales Forscherteam mit dem Thema Psychopathen am Arbeitsplatz näher befasst. Im Dezember 2017 veröffentlichten Charlice Hurst et al. nun im Journal of Business Ethics ihre Ergebnisse, die auf der Auswertung einer Szenariostudie und einer Feldstudie mit 419 Arbeitnehmern in den USA basieren: Demnach weisen knapp ein Viertel der Teilnehmer Merkmale einer sogenannten primären Psychopathie auf. Dies bedeutet, dass sie aufgrund mangelnder Empathie und verminderten Ängsten dazu neigen, kalt, gefühllos und manipulativ zu handeln.
Doch fühlen sich genau diese Probanden laut eigenen Aussagen unter der Leitung fordernder Vorgesetzter besonders wohl. Auch halten die Psychopathen "missbräuchliches" Chefverhalten besser aus. Gemeint sind hiermit Unhöflichkeit, Häme, gebrochene Versprechen, Nichtanerkennung von geleisteter Arbeit oder etwa das Eindringen in die Privatsphäre. So reagieren Studienteilnehmer mit höheren Psychopathiewerten darauf weniger wütend als die Nicht-Psychopathen. Gleichzeitig zeigen Primär-Psychopathen unter ruppigem Führungspersonal und Stress mehr Engagement und sind positiver gestimmt.
Auch US-Präsidenten mit psychopathischen Zügen
Angesichts dieser Fähigkeit psychopathisch veranlagter Mitarbeiter, unter schwierigen Arbeitsbedingungen zu Hochform aufzulaufen, erstaunt es nicht, dass sie sich für Führungspositionen qualifizieren. Die Forscher verweisen in diesem Zusammenhang auch auf eine Reihe angesehener US-Präsidenten mit ausgeprägten primären Psychopathiewerten (Seite 13).
Allerdings sollten Unternehmen und Organisationen trotz der Vorteile, die sie aus dieser psychisch bedingten Leistungsstärke ziehen können, Mitarbeiter und Führungskräften mit psychopathischen Verhaltensweisen unter Kontrolle halten. Denn es besteht das Risiko, nicht-psychopathische Mitarbeiter durch eine asoziale bis schikanöse Arbeitsatmosphäre zu vergraulen. Parallel dazu wächst in einem solchen Kreis gleichgesinnter, skrupelloser Manager die Gefahr, dass sich unethisches Gebaren in der Firma etabliert. Im Extremfall kann es ein Unternehmen in den Ruin treiben. Man denke an die Bankenkrise 2008 und den Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers.
Persönlichkeitsmerkmale als Risikofaktor
Doch neigen Menschen, die spezifische psychopathische Charakterzüge aufweisen, auch verstärkt zu wirtschaftskriminellen Handlungen? Die im Sommer 2017 von Volker Lingnau et al. publizierte Studie "The influence of psychopathic traits on the acceptance of white-collar crime: do corporate psychopaths cook the books and misuse the news", für die in zwei Online-Umfragen 469 Personen befragt wurden, bejaht dies.
Demnach deuten nämlich jene Persönlichkeitsfaktoren, die die "dunklen" Charaktereigenschaften der Unternehmenspsychopathen widerspiegeln, auf eine signifikant höhere Zustimmung etwa zu Bilanzmanipulationen und Insiderhandel hin. Besonders aussagekräftig seien hierbei die Faktoren Kaltherzigkeit und der sogenannte Machiavellistische Egoismus, der sich durch große Rücksichtslosigkeit und manipulative Fähigkeiten auszeichnet. "Beide Persönlichkeitsfaktoren können somit als absolute Risikofaktoren gesehen werden und sollten zum Beispiel bei Einstellungstests berücksichtigt werden", sagt Lingnau.