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29.08.2023 | Rohstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Hohes Risiko bei 46 Prozent der Rohstoffe

verfasst von: Dieter Beste

3:30 Min. Lesedauer

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Energiewende, Verkehrswende und Umbau der Industrie machen die Rohstoffbeschaffung für Unternehmen nicht einfacher. Die Dera-Rohstoffliste 2023 der Deutschen Rohstoffagentur hilft bei der Einschätzung der Risiken.

Ein typisches Elektroauto benötigt sechsmal so viele mineralische Rohstoffe wie ein Auto mit Verbrennungsmotor – vor allem Kupfer, Graphit, Kobalt und Nickel für das Batteriesystem. Eine mittelgroße Offshore-Turbine enthält etwa 67 Tonnen Kupfer. Um diese Menge Kupfer zu gewinnen, müssen Bergleute fast 50.000 Tonnen Erde und Gestein bewegen – das entspricht etwa dem fünffachen Gewicht des Eiffelturms. Diese nachdenklich stimmenden Relationen veröffentlichte jetzt die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) im Vorfeld zweier Veranstaltungen, die im September in Genf stattfinden: Das World Resources Forum 2023 sowie das UNEP Intergovernmental Meeting on Minerals and Metals.

In der Diskussion um den Klimawandel und Maßnahmen zur CO2-Reduktion wird oft übersehen, welche zentrale Rolle die Nutzung und Gewinnung natürlicher Ressourcen spielt. Weitgehend unbemerkt findet eine gigantische Materialschlacht statt: Nach Angaben der Empa werden derzeit jährlich 150 Milliarden Tonnen Gestein abgebaut, um 65 Milliarden Tonnen mineralische Produkte herzustellen. Und plötzlich müssen für die Dekarbonisierung der Wirtschaft große Mengen an bestimmten Rohstoffen mobilisiert werden, die bisher eine eher untergeordnete Rolle spielten. Im Zentrum der neuen Begehrlichkeiten stehen besonders kritische Rohstoffe wie Kupfer, Lithium, Nickel, Kobalt oder Seltene Erden. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) war die Nachfrage aus dem Energiesektor seit 2017 der Hauptfaktor für eine Verdreifachung der Gesamtnachfrage nach Lithium, einen Anstieg der Kobaltnachfrage um 70 Prozent und der Nickelnachfrage um 40 Prozent.

Bewertung von Angebotskonzentration und Länderrisiko

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung, die auch mit Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten einhergeht, gewinnt eine regelmäßig erscheinende Studie der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) an Relevanz, in der die Wissenschaftler die Angebotskonzentration und das Länderrisiko bei der Produktion zahlreicher mineralischer Rohstoffe und ihrer Zwischenprodukte auf unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen bewerten. Die jetzt veröffentlichte Dera-Rohstoffliste 2023 soll Unternehmen dabei helfen, Schwachstellen und Risiken in Lieferketten zu identifizieren, diese in das Risikomanagement zu integrieren und gegebenenfalls Beschaffungsstrategien zu überdenken und Ausweichstrategien für kritische Rohstoffe zu entwickeln. Dazu definieren die Autoren der Studie drei Risikogruppen von 1 (geringes Risiko) bis 3 (hohes Risiko), in die sie die untersuchten Rohstoffe und Handelsprodukte einordnen. Die Gewichtung erfolgt nach den Kategorien Länderkonzentration und Länderrisiko.

Insgesamt wurden in der aktuellen Studie 36 Metalle, 27 Industrieminerale, Kokskohle und 221 Handelsprodukte betrachtet. Dabei stellte sich heraus, dass

  • 46 Prozent aller untersuchten Bergwerks-, Raffinade- und Handelsprodukte erhöhte potenzielle Beschaffungsrisiken hinsichtlich des gewichteten Länderrisikos sowie der Angebotskonzentration aufweisen,
  • 40 Prozent der Bergwerksprodukte in Risikogruppe 3 verortet sind, während sich nur 25 Prozent im unkritischen Bereich befinden. Von hohem Risiko betroffen sind vor allem Stahlveredler, Sondermetalle und Edelmetalle (PGM), aber auch 26 Prozent der untersuchten Industrieminerale. China ist bei 38 Prozent der Bergwerksprodukte größtes Bergbauland. Bei weiteren 22 Prozent liegt China auf Platz zwei oder drei. Dies ist ein leichter Rückgang gegenüber der letzten Erhebung 2021,
  • 69 Prozent der Raffinadeprodukte zur Risikogruppe 3 zählen. Bei 90 Prozent der Raffinadeprodukte ist ebenfalls China größtes Produzentenland. Lediglich bei Ferroniob ist Brasilien, bei Rhenium Chile und bei Ferronickel Neukaledonien (frz. Überseegebiet) führend in der Produktion,
  • 44 Prozent der untersuchten Handelsprodukte sich in Risikogruppe 3 wiederfinden. Auch hier ist China bei 32 Prozent größter Nettoexporteur, wobei ein leichter Rückgang im Vergleich zu den Zahlen von 2021 zu verzeichnen ist.

China ist nach wie vor wichtiger Partner

Rohstoffe der Risikogruppe 3 reagieren laut Dera sensibel auf Marktveränderungen. Insgesamt umfasst die Gruppe der Rohstoffe mit hohen potenziellen Beschaffungsrisiken 140 Produkte und damit 46 Prozent aller in der Studie untersuchten Rohstoffe und Zwischenprodukte – ein Hinweis auf erhebliche Angebotskonzentrationen und Länderrisiken. 

China ist nach wie vor das wichtigste Bergbauland, Produzent und Exporteur von Zwischenprodukten, so ein Fazit der Studie. Aber auch Länder wie Südafrika (Platin) und die Demokratische Republik Kongo (Kobalt) nehmen dominierende Positionen ein. Erstmals wird in der Dera-Rohstoffliste 2023 zwischen Raffinadeprodukten aus Primär- und Recyclingrohstoffen unterschieden. Beim Recycling zeigt sich, dass hier europäische und deutsche Produzenten in vielen Fällen die Nase vorn haben.

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