1992 | OriginalPaper | Buchkapitel
Sozialstaat
verfasst von : Frank Nullmeier
Erschienen in: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Enthalten in: Professional Book Archive
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Der Sozialstaat der BRD tritt im Rahmen der dt. Vereinigung an die Stelle sozialistischer Staatlichkeit der → DDR, ein Prozeß, der bereits mit der im Staatsvertrag vereinbarten Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion weit vorangetrieben wurde. Der Einigungsvertrag übertrug die sozialstaatlichen Strukturen der BRD mit den Hauptpfeilern eines kollektiven Arbeitsrechts und der gegliederten Sozialversicherungen auf die DDR bzw. D unter Verzicht auf jede Reform oder Vereinfachung des Sozialrechts — nur unter Hinzufügung von Übergangsregelungen und Sonderregelungen wie insbesondere Altersübergangsgeld und Sozialzuschlag sowie einer Zweiteilung der Sozialleistungsniveaus entsprechend den jeweiligen Lohnniveaus in Ost und West. Die grundlegende Bedeutung der Sozialstaatlichkeit wird in der Präambel des Einigungsvertrages mit der Formel des „rechtsstaatlich geordneten, demokratischen und sozialen → Bundesstaates“ bekräftigt. Sie löst den „sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern“ (Art. 1 der DDR-Verfassung von 1974) ab. Sozialistisches Eigentum an den Produktionsmitteln bot danach die Gewähr für das → Grundrecht und -pflicht auf Arbeit bzw. das „Recht auf einen Arbeitsplatz und dessen freie Wahl entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der persönlichen Qualifikation“ (Art. 24,1). Beschäftigungsgarantie und an den Arbeitsplatz geknüpfte Sozialleistungen bildeten den Dreh- und Angelpunkt der sozialen Absicherung in der DDR. Die marktwirtschaftlich-sozialstaatliche Transformation bewirkte den Fortfall dieser rechtlichen wie faktischen Garantie. In D ist der Sozialstaat verfassungsrechtlich in den grundgesetzlichen Formulierungen „sozialer Bundesstaat“ (Art. 20,1) sowie „sozialer → Rechtsstaat“ (Art. 28,1) als allgemeine Staatszielbestimmung normiert, die das Gemeinwesen auf die Förderung sozialer Gerechtigkeit als Richtschnur der Erfüllung öffentlicher Aufgaben verpflichtet.