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01.03.2013 | Bankausbildung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Boni-Deckelung: Kriegsentscheidend oder nicht?

verfasst von: Stefanie Hüthig

4:30 Min. Lesedauer

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Banker-Boni könnten ab 2014 gedeckelt sein. Auf eine entsprechende Regelung haben sich EU-Entscheider in ihren Verhandlungen zur CRR/CRD IV in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 2013 geeinigt. Stimmen Europäisches Parlament und die Mitgliedsstaaten Mitte April 2013 dem Vorhaben zu, heißt das aber nicht, dass sich die Wogen in der Frage nach der Vergütung von Bankern zwangsläufig glätten - zu unterschiedlich sind die Ansichten von Experten.

Um zu vermeiden, dass Bankangestellte mit Blick auf ihre variable Vergütung zu hohe Risiken eingehen, sollte das Verhältnis zwischen Fixum und Bonus grundsätzlich 1:1 betragen. Dies gab das Europaparlament in einer Pressemitteilung bekannt. Maximal darf die Relation bei 1:2 liegen – dies bedarf aber der Zustimmung einer großen Mehrheit der Anteilseigner.

Für den Fall, dass der Bonus mehr höher ist als das Grundgehalt, darf ein Viertel des variablen Vergütungsbestandteils erst nach mindestens fünf Jahren ausgezahlt werden. Dies soll Banker dazu ermutigen, bei ihren Entscheidungen eine langfristige Perspektive einzunehmen.

Die Zustimmung durch das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten zu der Neuregelung steht noch aus. Die Abstimmung ist für Mitte April 2013 anberaumt. Gibt es für das Vorhaben grünes Licht, müssten die Mitgliedsstaaten die Regelung zum 1. Januar 2014 in nationales Recht umgesetzt haben.

Kritik vom Bankenverband

Die geforderte langfristige Ausrichtung der variablen Vergütung ist keine große Überraschung. Immer wieder hatten Experten dies gefordert bzw. als wahrscheinlichen Ansatz des Regulierers zu Protokoll gegeben.

Kritik an den neuen Vorgaben für Vergütungssysteme kommt vom Bundesverband deutscher Banken (BdB). Andreas Schmitz, Präsident des Bankenverbandes, sieht, wie es in einer Stellungnahme heißt, „die starre Obergrenze von leistungsabhängigen Boni zum Festgehalt kritisch“. Der Bonus-Cap stelle eine „unangemessene Bevormundung der Eigentümer“ dar. Die Chance sei verpasst worden, den Eigentümern die bewusste Entscheidung zu übergeben, über die Höhe der Obergrenze zu entscheiden. Schmitz fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandortes Europa.

Jörg Kasten, Managing Partner bei der weltweit tätigen Personalberatung Boyden, sieht dagegen keine „größere negative Auswirkung“ auf die Finanzplätze der EU. „Eine Zunahme der Abwanderung von Top-Bankern wird es nicht geben“, erklärt Kasten in einer aktuellen Mitteilung. Der Wettbewerb existiere bereits seit längerer Zeit und wenn gute Leute nach Asien oder die USA gehen wollten, seien sie schon weg. Top-Manager und Talente in der Finanzbranche dächten zunehmend langfristiger und würden sich von der Deckelung der Boni nicht beeinflussen lassen. „Die großen Bankinstitute in Europa werden diese Deckelungen als Chance nutzen, ihre Hausaufgaben in Sachen Konsolidierung zu machen und um in Summe die Personalkosten zu senken. Trotzdem werden die Fixgehälter ein wenig ansteigen“, heißt es in dem Statement weiter.

Talent ist kein seltenes Gut

Die Gefahr, dass Talente abwandern, wird häufig beschworen. Das impliziert, Talent sei ein knappes Gut. Dem widerspricht Buchautor Kevin Mellyn in seinem Werk „Broken Markets“. Im Kapitel „Reconstructing Finance“ argumentiert er sinngemäß, dass es heutzutage mindestens Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen gebe, deren Ausbildung und Fähigkeiten vergleichbar mit denen der bestbezahlten Mitarbeiter der Finanzindustrie seien. Mit anderen Worten: Talent sei alles andere als ein knappes Gut.

Mellyn spricht gar von der „Bonus-Falle“ und nennt das bisher verfolgte Modell einen „Albtraum“ für alle großen Banken. Er prognostiziert, dass die erste Bank, die die Bonus-Kultur verlasse, enorm an moralischer Überlegenheit gewinne. Auch, wenn dies von der Öffentlichkeit zunächst nur schwach wahrgenommen werde – Konkurrenten, Kunden und Aktionäre würden diesen Schritt zur Kenntnis nehmen.

Welche Auswirkung die Bonus-Deckelung auf das Geschäftsmodell hat

Andre Spicer, Professor für Organisational Behaviour an der Cass Business School, meint, dass die Deckelung ein Umdenken in Banken hervorrufen wird in der Frage, wie die Institute künftig ihre Spitzenkräfte motivieren können. „Die Entscheidung könnte sich durchaus positiv auf Banken auswirken. Viele Studien belegen, dass hohe Bonuszahlungen kein optimales Mittel sind, um komplexe Aufgaben zu belohnen. Hohe, kurzfristige Belohnungen können Mitarbeiter sogar dazu bringen, schlechter zu arbeiten. Die Begrenzung der Boni könnte somit sogar mehr Effektivität hervorrufen“, lässt Spicer in einer Stellungnahme zum aktuellen Anlass wissen.

Banken müssten ihr gesamtes Geschäftsmodell überdenken müssen, so der Professor weiter. „Bis heute waren einige wenige Spitzenkräfte im Investment Banking für einen Großteil der Gewinne verantwortlich. Jetzt müssen Banken Wege finden, wie sie das Talent jener Mitarbeiter nutzen, die nicht an den Bonuszahlungen beteiligt sind. Dies könnte die großen Banken zum traditionellen Bankgeschäft zurückführen. Aber es könnte auch dazu führen, dass die Spitzenkräfte zu kleineren Institutionen, wie Private Equity-Unternehmen oder Hedgefonds, abwandern.“

Auch Fixum kann Fehlanreize setzen

Vollständigen Schutz vor neuen Krisen bietet die Boni-Deckelung nicht. „Vergütungssysteme waren nur ein Auslöser der Krise“, gab Ben Fischer, Sprecher bei der Finanzaufsicht BaFin, 2009 gegenüber Bankmagazin-Autorin Elke Pohl zu bedenken. „Die Regelungen für Vergütungssysteme sind für sich genommen daher kein Garant, dass es zukünftig keine Fehlentwicklungen mehr geben wird.“ Pohl zitiert in ihrem Artikel einen Beitrag aus der August-Ausgabe 2009 des BaFin-Journals, in dem Arne Martin Buscher, Mitarbeiter der Finanzaufsicht, argumentierte: „Auch fixe Vergütungsbestandteile können schädliche Anreize setzen.“ Vorstellbar sei das vor allem, wenn ehemals variable Bestandteile mit „einfallsreichen Bezeichnungen“ wie „Stabilisierungszahlungen“, „Integrationsmehraufwandspauschalen“ oder „leistungsabhängige Mehraufwandsvergütungen“ formal dem fixen Einkommen zugeordnet werden, de facto aber variable Zahlungen bleiben.

 

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