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10.07.2013 | Bankenaufsicht | Interview | Online-Artikel

"Banken-Sanierung und -Abwicklung nicht allein in nationaler Hand"

verfasst von: Barbara Bocks

4:30 Min. Lesedauer

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Bernd Richter, Partner bei der Unternehmensberatung Capco, meint, dass kaum ein nationaler Abwickler in der Lage wäre, über Schließung oder Rettung objektiv zu entscheiden. Im Interview mit Springer für Professionals plädiert er für die Schaffung einer europäischen Bad Bank.

Springer für Professionals: Wie beurteilen sie die gerade erfolgte Einigung der EU-Finanzminister zur Bankenabwicklung?

Richter: Der Grundgedanke eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus ist grundsätzlich positiv. Der Teufel steckt allerdings im Detail: Die EU-Abwicklungsregeln schreiben hauptsächlich den Haftungsrang vor - zuerst müssen Aktionäre haften, zum Schluss der Steuerzahler -, während die Umsetzung sowie die Zuständigkeiten eines solchen Mechanismus nicht klar definiert sind. Ursprünglich lag die Bankenabwicklung im Zuständigkeitsgebiet des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Dieser ist aber mittlerweile mit fast 90 Prozent des Gesamtfondsvolumens mit der Rettung maroder EU-Staaten beschäftigt. Um eine EU-weite Einigung positiv beurteilen zu können, dürften meines Erachtens Sanierung und Abwicklung der Banken nicht allein in nationaler Hand liegen. Die Handlungsfähigkeit eines nationalen Abwicklers kann erfahrungsgemäß in kaum einem Staat und nicht vollumfänglich gesichert werden: Kaum ein nationaler Abwickler wäre in der Lage, über Schließung oder Rettung objektiv zu entscheiden. Denkbar wäre an dieser Stelle die Schaffung einer europäischen Bad Bank - Beispiel HRE -, um die „Toxic Assets“ etwa in Ländern wie Spanien, Italien, Zypern aus den lokalen Banken auszulagern, zentral zusammenzufassen und dann kontrolliert abzubauen.

Welchen Stellenwert haben die Pläne zur Bankenabwicklung für die Bankenunion?

Pläne zur Bankenabwicklung sind für eine Bankenunion unabdingbar! Seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers 2008 galten die so betitelten „systemrelevanten Banken“ als so wichtig, dass sie im Notfall vom Staat oder von der EU gerettet werden mussten - Stichwort: „Too big to fail“. Die Regulierer haben seit 2010 eine Reihe von Vorschriften und Empfehlungen verabschiedet, um „Too big to fail“-Institute ohne Einbeziehung des Staatshaushaltes abwickeln zu können. Ein wesentliches Instrument wird hier das Aufstellen von Abwicklungs- und Sanierungsplänen sein, basierend auf homogenen Regeln und Kriterien.

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Abwicklungsplan am Endeffekt nicht als eine reine „regulatorische Übung“ zur Reduzierung des systemischen Gesamtmarktrisikos mit Kosten im Millionenbereich interpretiert wird. Vielmehr bietet er die Chance, das eigene Geschäftsmodell unter die Lupe zu nehmen, sich vielleicht auf das profitable Kerngeschäft der Bank zu fokussieren oder Kosten der Bank, vielleicht sogar in profitablen Bereichen, einzusparen.

Welche Auswirkungen wird die Bankenabwicklungsrichtlinie auf die deutschen Institute, systemrelevant oder nicht, haben und wie können sich die betroffenen Institute in Deutschland und Europa auf die neue Richtlinie vorbereiten?

Sicherlich werden sowohl im In- als auch Ausland Institute geben, die nur das Nötigste tun werden, um die regulatorischen Anforderungen kurzfristig und möglichst kostengünstig zu erfüllen. Dies kann allerdings am Ende teuer werden! Unzureichende Abwicklungspläne können von der zuständigen Aufsichtsbehörde auch abgelehnt werden, sodass es sinnvoll ist, sich zügig mit dem Thema zu beschäftigen. Zukunftsorientierte CFOs werden im Prozess eine Chance zur Rationalisierung sowie Verschlankung von kostenineffizienten Organisationstrukturen sehen und ihre „Abwicklungsstrategie“ als Fahrplan zur Steigerung der Marktkapitalisierung sowie des Shareholder-Values interpretieren. Wie bei vielen regulatorischen Maßnahmen kann dies die Tür zu erheblichen betrieblichen, organisatorischen und finanziellen Optimierungen öffnen. Die Banken-IT wird sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Umsetzung der Abwicklungspläne eine wesentliche, wenn nicht gar die entscheidende Rolle spielen - hochqualitative Daten, Reporting Standards sowie klar identifizierbare Owner für jedes IT-System werden das A und O sein, um im Fall aller Fälle zeitnah die relevanten Informationen den zuständigen Aufsichtsbehörden vorlegen zu können.

Die Richtlinie gibt den nationalen Abwicklungsbehörden weitreichende Eingriffsrechte in strauchelnde Geldhäuser. Sie haben bereits erwähnt, dass Sie dies nicht befürworten ...

Eine EU-weite Einigung zur Bankenabwicklung und nationale Abwicklungsbehörden sind allein schon grammatikalisch widersprüchlich. Die Handlungsfähigkeit eines nationalen „Abwicklers“ kann erfahrungsgemäß in kaum einem Staat und nicht vollumfänglich gesichert werden. Gerät beispielsweise eine südeuropäische Bank in Not, wäre ein nationaler „Abwickler“ nicht unbedingt in der Lage, über Schließung oder Rettung zu entscheiden, denn keine der beiden Möglichkeiten ist für eine solche Einrichtung auch nur annähernd attraktiv oder reizvoll. Eine objektive Erstinstanz sollte EU-weit existieren, um solche Entscheidungen ohne Einschaltung der Drittparteien auf nationaler Ebene treffen zu können. 

Inwiefern geben Sie Experten recht, die behaupten, dass gerade angeschlagene Institute in den Euro-Schuldenländern aufgrund der Bail-in-Option schwerer an Anleihezeichner kommen und was raten Sie diesen Instituten in diesem Fall?

Selbstverständlich ist die Beteiligung von Gläubigern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für das Institut geringer (als zuvor). Das Anleihen-Geschäft ist nicht die einzige und letzte Refinanzierungsquelle eines angeschlagenen Instituts. Neben den Interbankinstrumenten stehen ihm EU-Stabilisierungsmaßnahmen oder künftig auch direkte Hilfszahlungen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM zur Verfügung, denn es soll verhindert werden, dass die angeschlagenen Banken einzelne Länder in Schwierigkeiten bringen. Sicherlich werden Hilfszahlungen mit einer Reihe von Auflagen wie „nur für systemrelevante Großbanken“, „die noch sanierungsfähig sind“ usw. verbunden sein. Jede Maßnahme zur Schaffung der Transparenz über das Geschäftsmodell - wie eben ein Abwicklungsplan - wird helfen, Auflagen rechtzeitig zu erfüllen.

Zur Person

Bernd Richter ist Partner bei Capco am Standort Frankfurt im Geschäftsbereich Kapitalmarkt und Banking. Sein Fokus liegt auf Transformationsprojekten in den Bereichen Corporate- und Transaktions-Banking, Investment Banking sowie Asset und Wealth Management. Vor seinem Wechsel zu Capco war Bernd Richter als Managing Consultant bei Gemini Consulting (Capgemini Gruppe) tätig.

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