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26.05.2014 | Erneuerbare Energien | Interview | Online-Artikel

Pumpspeicherkraftwerke – eine strategische Reserve?

verfasst von: Günter Knackfuß

4:30 Min. Lesedauer

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Eine von Voith Hydro initiierte Studie der RWTH Aachen zeigt, dass Pumpspeicherkraftwerke sichere Leistung bereitstellen und die Verschwendung von erneuerbaren Energien vermeiden. Im Interview spricht Heike Bergmann über die visionären Vorteile.

Springer für Professionals: Mehr Flexibilität für das deutsche Energiesystem steht im Mittelpunkt der Studie. Vor allem soll überschüssiger Ökostrom gespeichert werden – aber wie?

Heike Bergmann: Pumpspeicher sind äußerst flexible Kraftwerke, die zum einen die Überschüsse von Erzeugung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen kurzfristig einspeichern können, somit muss umweltfreundlich erzeugte Energie aus Windkraft und Photovoltaikanlagen nicht abgeregelt werden. Zum anderen können sie genau diesen "grünen" Strom Stunden später und innerhalb kürzester Zeit wieder ins Netz einspeisen, wenn wieder mehr Strom benötigt wird. Somit findet keine Verschwendung statt.

Die Pumpspeicherkraftwerke sehen sie als "Multifunktionskraftwerke". Was verstehen sie darunter und wie kann das gelingen?

Pumpspeicherkraftwerke sind wahre Multitalente, da sie Speicher, Flexibilität und die Bereitstellung gesicherter Leistung in einem Kraftwerkstyp vereinen.
Konkret heißt das: Pumpspeicherkraftwerke speichern überschüssigen Strom ein und geben ihn später wieder ab. Sie reagieren sehr flexibel und dynamisch auf Schwankungen der Erzeugung und des Verbrauchs und können diese zuverlässig und kurzfristig ausgleichen. Diese Flexibilität ist sehr wichtig für eine hohe Versorgungsqualität. Selbst im Falle negativer Residuallasten, d.h. wenn trotz abgeschalteter thermischer Kraftwerke immer noch Überschüsse aus erneuerbaren Energien vorliegen, können Pumpspeicher die Abregelung der Wind- und Photovoltaikanlagen durch Pumpbetrieb verhindern. Eine solche Bereitstellung "negativer" Leistung können thermische KW nicht leisten.

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Darüber hinaus decken Pumpspeicherkraftwerke in Zeiten der schwachen Einspeisung erneuerbarer Energie die Tageslastspitzen ab, in Kombination mit den vorhandenen konventionellen Anlagen. Auf diese Weise sorgen sie dafür, dass weniger unwirtschaftliche fossile Reservekraftwerke vorgehalten werden müssen und die Leistung aber trotzdem gesichert ist – und das hocheffizient. Denn Pumpspeicherkraftwerke haben mit 80 Prozent einen sehr hohen Wirkungsgrad. Konventionelle thermische Kraftwerke erreichen nur ca. 40 Prozent, Gas- und Dampfkraftwerke oder KWKs ca. 60 Prozent.

Die RWTH-Experten haben zwei Zukunftsszenarien aufgezeigt. Welche sind das?

Die Studie betrachtet die Rolle von Pumpspeicherkraftwerken im deutschen Energiesystem – zunächst im Jahr 2030, bei dem 60 Prozent der erzeugten Strommenge aus erneuerbaren Energien stammen soll. Im zweiten Szenario im Jahr 2050 soll der Anteil an erneuerbaren Energien 80 Prozent betragen.
Die Studie zeigt, dass wir in Deutschland mit Pumpspeicherkraftwerken ab 2030 etwa 70 Prozent der Überschüsse von Erzeugung aus Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen nutzen könnten. Bei den angenommenen Ausbauprämissen könnte die gesamte Pumpspeicherflotte die Abregelung von 6,0 TWh (2030 / 60 Prozent EE) sowie von 17,6 TWh (2050 / 80 Prozent EE) erneuerbare Energien verhindern. Mit Pumpspeichern sinkt demnach die Abregelung von erneuerbaren Energien signifikant, wir würden weniger neue Gaskraftwerke benötigen, die Brennstoffkosten könnten reduziert werden und die bestehenden konventionellen Anlagen wären besser ausgelastet.

Welcher volkswirtschaftliche und ökologische Nutzen ist damit verbunden?

Die Studie zeigt, dass die Pumpspeicherflotte in Deutschland bis 2030 um 8 GW und bis 2050 um insgesamt 16 GW unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgebaut werden sollte. Der daraus resultierende volkswirtschaftliche Nutzen liegt auf der Hand: Wenn wir die Einsparungen für Investitionen in Gaskraftwerke und variable Stromgestehungskosten mit den Investitionskosten für Pumpspeicherkraftwerke verrechnen, erzielen wir 2050 einen volkswirtschaftlichen Nutzen von knapp 185 Millionen Euro. Darüber hinaus wird der vorhandene thermische Kraftwerkspark besser ausgelastet und die Volatilität der Energiepreise verringert sich. Die CO2-Bilanz verbessert sich durch das "Recyceln" von Strom aus erneuerbaren Energien: Der Einsatz von konventionellen Gas- und Kohlekraftwerken kann dadurch verringert werden. Die Emissionen sinken infolgedessen um eine Million Tonnen pro Jahr (60 Prozent EE-Anteil) bzw. zwei Millionen Tonnen pro Jahr (80 Prozent EE-Anteil).

Welche Ausbaumöglichkeiten für Pumspeicherkraftwerke gibt es in Deutschland?

Aktuell befinden sich 23 Projekte mit einer Leistung von über 7 GW in Planung und Genehmigungsverfahren – sie könnten den deutschen Pumpspeicherpark mehr als verdoppeln und die beschriebene benötigte Ausbauleistung bis 2030 abdecken. Darüber hinaus haben Potentialanalysen in Baden-Württemberg und Thüringen zahlreiche weitere geeignete Standorte ergeben – allein in Baden-Württemberg gibt es 13 Standorte mit 19 GW MW Leistung, die als wirtschaftlich und technisch sehr geeignet eingestuft wurden. Weitere Potentiale mit knapp 5 GW sind in Thüringen vorhanden.

Die dena hat die Plattform "Pumpspeicher" gegründet. Wie bewerten sie diese?

Die dena-Pumpspeicher-Plattform nimmt in Deutschland eine wichtige Rolle ein, denn wir machen gemeinsam mit anderen Partnern verstärkt auf die Schlüsselrolle von Pumpspeichern im Rahmen der Energiewende aufmerksam. Die Plattform erarbeitet zum Beispiel Lösungsvorschläge für den zukünftigen Betrieb von Pumpspeicherkraftwerken im Strommarkt. Pumpspeicherkraftwerke erbringen wichtige Dienstleistungen, z.B. Schwarzstartfähigkeit und der blitzschnelle Ausgleich von Schwankungen im Stromnetz. Die Politik ist gut beraten, das in ihrer Gesetzgebung zu beachten. Damit Pumpspeicher auch in Zukunft ein wichtiger Teil unseres Energiesystems bleiben, muss sich sowohl der Betrieb bestehender Pumpspeicher als auch die Erschließung neuer Pumpspeicherkapazitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz für Investoren lohnen.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor.

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