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07.04.2015 | Fintechs | Interview | Online-Artikel

"Bedarf des Kunden erkennen, Wertschöpfung für ihn schaffen"

verfasst von: Eva-Susanne Krah

3:30 Min. Lesedauer

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Wie müssen Banken sich auf kommende Kundengenerationen ausrichten? Marcel Seidel erklärt im Interview mit Springer für Professionals, warum Kundenzentrierung und der Blick über den eigenen Tellerrand für Kreditinstitute wichtig ist.

Herr Professor Seidel, Sie plädieren in Ihrem Buch "Banking & Innovation 2015" für ein neues Banking, bei dem Kreditinstitute statt kundenorientiert kundenzentriert handeln und ihre Kunden als gleichrangige Partner sehen. Wie können Banken und ihre Führungskräfte dies konkret im Kundenmanagement umsetzen?

Seidel: Dies gelingt, wenn die Bank bei allem was sie plant und macht, den Wunsch des Kunden im Fokus hat. Wichtig ist, dass sie die Erfüllung der Kundenwünsche als ihre wichtigste Aufgabe erkennt und auch danach handelt.

Oft behaupten Banken, dass dies doch schon umgesetzt sei. Schaut man jedoch genauer hin, ist das Potenzial an vielen Stellen noch nicht ausgeschöpft. Beispielsweise geht es vielen Banken darum, noch mehr Kosten zu sparen oder einen rechtssicheren Prozess zu etablieren, um Beratungsrisiken zu minimieren. Dies wird dann in Form schlanker, höchst effizienter Prozesse oder formal juristisch dominierter Beratungsabläufe realisiert. Dabei sind die Kundenbedürfnisse oft nur zweitrangig.

Was für Change-Prozesse in der Kundenbetreuung und dem Selbstverständnis einer modernen Bank gilt, schreiben Sie auch veränderten Hierarchie-Modellen in Geldhäusern zu. Ein Beispiel ist die Volksbank Heilbronn. Was können andere Institute vomKonzept des Geldinstituts lernen?

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Die Verantwortlichen der Volksbank Heilbronn haben mit der hierarchiefreien Bank einen mutigen Schritt gewagt. Sie haben das genossenschaftliche Prinzip der Eigenverantwortung nicht radikal, aber sehr konsequent und Schritt für Schritt umgesetzt. Aktuell ist in der Literatur vermehrt von neuen, fraktalen, zellulären oder holokratischen Organisationskonzepten zu lesen – hier haben wir ein funktionierendes Beispiel. Die Bank hat einen längeren, aktiv betriebenen Entwicklungsprozess hinter sich. Kernfrage war: Wozu braucht ein Kunde eigentlich eine Bank? Daraufhin wurden die Kernprozesse ausgerichtet. Es gilt, den Bedarf des Kunden zu decken und somit Wertschöpfung für ihn zu schaffen. Nebenbei werden dabei strukturelle Vorteile, beispielsweise die Reduktion von Transaktionskosten, oder auch kulturelle Vorteile, wie die Stärkung des Mitarbeiterbedürfnisses nach mehr Eigenverantwortung, realisiert.

Ein Ankerbegriff Ihres Buches ist Innovation – was müssen gerade große Bankorganisationen anstoßen, um angesichts des Innovations- und Wettbewerbsdrucks nicht auf der Strecke zu bleiben?

Ich bin davon überzeugt, dass Banken anders agieren müssen als bisher. Was anders werden muss, sagen ihnen die Kunden. Die Menschen in ihrer Lebenssituation wahrzunehmen, ihre Bedürfnisse nach Einfachheit, Reduktion von Komplexität und Verfügbarkeit von Know-How. Nach Überblick und Transparenz. Dazu müssen sie die Kunden fragen und den Blick auch einmal über den eigenen Tellerrand schweifen lassen. Die Digitalisierung von Prozessen, eine selbstverständliche Nutzung verschiedener Formen der Digital Devices plus zuvorkommender und persönlicher Service sind wichtig. Allerdings sollte man dabei die Belastbarkeit der Mitarbeiter nicht überschätzen.

Gerade das Retailbanking unterliegt bei Kreditinstituten seit einiger Zeit starken Veränderungen durch die Digitalisierung. Welcher Rollenwechsel steht aus Ihrer Sicht dabei für die Geldhäuser an?

Bankgeschäfte sind auch in der Generation vor Y noch immer Vertrauenssache. Vertrauen muss man sich erarbeiten, beispielsweise, indem man seinen Kunden zur Seite steht und ihnen Lösungen für ihre Probleme bietet – das gilt für Privatkunden und Firmenkunden gleichermaßen. Innovativ sein heißt neue Wege gehen. Dazu müssen auch traditionelle Grenzen überschritten werden. Wer sagt, dass eine Bank nur Bankgeschäfte tätigen darf? Neue Geschäftsmodelle sind gefragt. Hier gibt es aber kein Patentrezept, vielmehr müssen solche neuen Geschäftsmodelle zur Bank, zur Region und den Kunden passen. Ich denke, hierin liegt der Schlüssel: Die Banken müssen eigene Ressourcen nutzen und diese im Denken und Handeln auf die Kundenbedürfnisse ausrichten. Beispiele sind Banken, die in der Energie- oder Immobilienbranche erfolgreich tätig sind. Die Generation Y vertraut bereits heute der „Community“ oft mehr als den traditionellen Banken. Hier wird schnell deutlich, dass die teils einkommensstarke Y-Generation sowie die Erbengeneration der heutigen Vermögensinhaber den Entwicklungsdruck enorm erhöhen.

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