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21.10.2013 | Konstruktion + Entwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Mechanismus der Gecko-Haftung entschlüsselt

verfasst von: Dieter Beste

3 Min. Lesedauer

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Geckos, Spinnen und Insekten können Wände hochlaufen, Pflanzen daran emporranken und selbst Zellen können auf Oberflächen haften. Im Laufe der Evolution haben sich pilzkopfförmige Füße und Organe mit optimalen Hafteigenschaften herausgebildet. Wissenschaftler der Universität Kiel fanden nun heraus, warum es diese spezielle Form ist, die natürliche Haftorgane so erfolgreich macht.

In der Natur hat sich vor allem die pilzkopfförmige Haftgeometrie durchgesetzt. Sowohl auf der Nano-, Mikro- und Makroskala hat sie sich bei verschiedenen auf dem Land und im Wasser lebenden Organismen unabhängig voneinander entwickelt. Beispiele reichen dabei von der Haftung des Bakteriums Caulobacter crescentus an Oberflächen (Nano), über die pilzkopfförmigen Hafthaare einiger männlicher Blattkäfer (Mikro) bis hin zu Jungfernreben (Parthenocissus) (Makro). „Diese spezielle Kontaktgeometrie ist unabhängig voneinander entstanden. Das weist auf eine evolutionäre Anpassung der Organismen hin, die ihre Haftung immer weiter verbessert“, sagt Springer-Autor Stanislav Gorb, Biologe am Zoologischen Institut der Universität Kiel, der unlängst zusammen mit anderen in der Fachzeitschrift „adhäsion KLEBEN & DICHTEN“ über biologische und biomimetische Klebstoffe berichtete. In Wirtschaft und Wissenschaft wird seit Jahrzehnten an Entwicklungen nach dem Vorbild der Natur gearbeitet.

Haftelemente wurden den Füßen von Geckos und Blattkäfern nachempfunden

Was aber sind nun eigentlich die mechanischen Vorteile der Pilzkopfform? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, nahm sich ein interdisziplinäres Forscherteam, bestehend aus dem Physikingenieur Lars Heepe, dem Biophysiker Alexander Kovalev, dem theoretischen Physiker Alexander Filippov und dem Biologen Stanislav Gorb eine an der Universität Kiel in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Gottlieb Binder entwickelte Haftfolie, das sogenannte Gecko®-Tape, vor. Dessen mikroskopisch kleine Haftelemente sind den Füßen von Geckos und Blattkäfern nachempfunden, kleben auch auf feuchten und rutschigen Untergründen, lassen sich immer wieder verwenden und rückstandsfrei ablösen.

Pilz-Geometrie sorgt für eine gleichmäßige Spannungsverteilung

„Das Ablöseverhalten der einzelnen pilzkopfförmigen Mikrostrukturen haben wir uns, zeitlich und räumlich mit höchster Auflösung, unterm Mikroskop angesehen“, berichtet Lars Heepe. Dafür haben die Kieler Forscher den Ablöseprozess der individuellen Mikrostrukturen mit 180.000 Bildern pro Sekunde aufgenommen. Dabei zeigte sich, dass der eigentliche Moment des Ablösens, also der Zeitraum von der Entstehung eines Defekts in der Kontaktfläche bis zur vollständigen Ablösung, nur wenige Mikrosekunden lang ist. Der Kontakt reißt dabei mit bis zu 60 Prozent der Schallgeschwindigkeit des Haftmaterials ab. Das sind etwa zwölf Meter pro Sekunde. „Das ist nur möglich, wenn zwischen dem pilzkopfförmigen Haftelement und dem Untergrund eine einheitliche Spannungsverteilung vorherrscht“, erklärt Heepe. Nur dadurch könne während des Ablösevorgangs so viel elastische Energie gespeichert werden, dass in dieser kurzen Zeit solche hohen Geschwindigkeiten erreicht würden.

Andere Haftgeometrien, wie zum Beispiel die Stempelgeometrie, erzeugen Spannungskonzentrationen und lösen sich an den Kanten ab. Dagegen verhindert die dünne Haftplatte bei den Pilzköpfen auch des künstlich hergestellten Gecko®-Tapes solche Spannungsspitzen und löst sich daher von innen nach außen ab. Dafür muss viel Kraft aufgewendet werden – entsprechend stark ist die Haftung.

„Mit unseren Experimenten haben wir einen wichtigen Effekt eines in der Natur sehr erfolgreichen Haftmechanismus entschlüsseln können“, fasst Heepe die jetzt erschienene Veröffentlichung des Kieler Teams über ihre interdisziplinäre Arbeit zusammen. Mit ihrer Hochgeschwindigkeitsanalyse haben sie zudem ein von einer italienischen Forschergruppe kürzlich unter anderem in der Zeitschrift "Meccanica" vorgestelltes theoretisches Modell bestätigt.

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