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01.03.2013 | Marketing + Vertrieb | Interview | Online-Artikel

"Der Trend geht zu Performance-Nachweisen in Echtzeit"

verfasst von: Isabel Kiely

5:30 Min. Lesedauer

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Unternehmen, die das Potenzial datenbasierter Kommunikationsoptimierung nicht nutzen, gehen ein großes Risiko ein, so Frank-Peter Lortz. Als Gegenbewegung zu Big Data und Echtzeitkommunikation prophezeit er eine Renaissance der Marktforschung.

Springer für Professionals: Welches sind derzeit die größten Herausforderungen für Werbungtreibende in der digitalisierten Welt?

Frank-Peter Lortz: Die größte Herausforderung ist seit jeher die Frage, wie Unternehmen ihre Konsumentenzielgruppe am besten mit Werbebotschaften erreichen können. Das läuft heute immer mehr darauf hinaus, Kommunikationsprozesse so zu beschleunigen, dass sie in Echtzeit ablaufen können. Denn um in einer digitalisierten Welt möglichst effektiv und möglichst effizient mit der eigenen Zielgruppe zu kommunizieren, sind zunehmend mehr Erkenntnisse erforderlich. Diese Erkenntnisse werden zu einem großen Teil aus Daten gewonnen, Spuren, die Konsumenten im digitalen Raum hinterlassen, und die von Werbungtreibenden ausgewertet werden. Diese Spuren sind so zahlreich und so vielfältig, dass Marketingentscheider häufig überfordert sind. Zumal diese Daten oft nur nützlich sind, wenn sie zeitnah ausgewertet werden und in die nächsten Kommunikationsmaßnahmen einfließen Unternehmen wie Amazon haben das perfektioniert, andere wissen nicht einmal, was theoretisch möglich wäre. Am Ende müssen aber alle Marketingabteilungen den Return ihrer Ausgaben nachweisen. Und zwar nicht erst am Jahresende, sondern der Trend geht immer stärker Richtung Performance-Nachweis in Echtzeit. Werbungtreibende wollen jederzeit wissen, wo sie im Hinblick auf ihre Zielsetzung stehen und was die einzelnen Maßnahmen im Mix dazu beisteuern. Auch hier geht es also darum, Daten in Echtzeit zu gewinnen, zu interpretieren und einzusetzen.

Wie verändert Echtzeit den strategischen Planungsprozess bei Zenith Optimedia?

Wir haben bereits vor einem Jahr angefangen, unseren gesamten strategischen Planungsprozess um die Echtzeitkomponente zu erweitern. Unser Live ROI-Ansatz gliedert sich grob in drei Abschnitte: Active Understanding, Dynamic Engagement und Realtime Performance. Im ersten Schritt Active Understanding kommen Social Monitoring Tools, Online-Umfragen, Panels, etc. zum Einsatz. Dynamic Engagement untersucht die Relevanz unterschiedlicher Kontaktpunkte. Hier fließen unter anderem detaillierte Erkenntnisse aus Analysen der Customer Journey, aber auch spezieller User-Trackings ein. Auf der letzten Stufe des Live-ROI-Planungsprozesses steht die Kampagnenauswertung und -optimierung in Echtzeit.

Wieso ist es nicht mehr zeitgemäß, den ROI abgeschlossener Kampagnen zu berechnen und daraus Erkenntnisse für zukünftige Kampagnen abzuleiten?

Ob eine Kampagne in digitalen Kommunikationskanälen die Ziele erreicht, die Marketing und Agentur gesteckt haben, lässt sich bereits während ihres Verlaufs ablesen. Wenn ich etwa sehe, dass immer wieder potenzielle Kunden den Kaufprozess an einer bestimmten Stelle abbrechen, kann ich das Werbemittel austauschen und sofort sehen, ob diese Maßnahme erfolgreich ist. Es wäre Ressourcenverschwendung, entsprechende Signale zu ignorieren.

Realtime-Bidding wächst rasant. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung des Echtzeiteinkaufs von Werbung in den nächsten Jahren ein?

Das Wachstum von Realtime Bidding (RTB) wird in den nächsten Jahren rasant voranschreiten. Wir rechnen damit, dass bereits nächstes Jahr bis zu 30 Prozent der Online-Displaykampagnen über RTB abgewickelt werden. Dabei wird RTB seine Möglichkeiten nicht nur im Performance-Marketing, sondern auch im Branding unter Beweis stellen.

Eignet sich Echtzeit-Kommunikation für alle Kampagnen und Formate?

Die Frage sollte vielmehr lauten: Welches Unternehmen kann es sich leisten, verfügbare Daten, die zur Steigerung der Effektivität von Kommunikation beitragen können, dauerhaft zu ignorieren? Letztlich gilt es, sich einen Überblick über verfügbares Datenmaterial zu verschaffen und zu verstehen, welche Schlüsse daraus zur Verbesserung der Kommunikationsleistung gezogen werden können. Je nach Branche, Produkt und Marke wird die Lösung anders aussehen. Parallel zum Boom von Big Data und Echtzeit-Kommunikation werden wir übrigens auch eine Gegenbewegung beobachten können: die Renaissance der Marktforschung. Denn ebenso wichtig wie Echtzeit-Insights sind zeitverzögerte Erkenntnisgewinne. Indem wir Daten mit klassischen Forschungsmethoden wie z.B. Modellings analysieren, aber auch eine Vielzahl von Verfahren des DataMining ihre Anwendung finden, entsteht ein tieferes Verständnis. Bis dato unbekannte Korrelationen können so erkannt werden. Und diese Erkenntnisse werden auf allen zeitlichen Ebenen genutzt – bei der Entwicklung der Jahresstrategie bis hin zur Rückführung der Erkenntnisse in die Echtzeitprozesse wie etwa beim Userprofiling für das Targeting.

Wo liegen noch Schwierigkeiten im Planungsprozess, wenn es darum geht, in Echtzeit zu reagieren?

Wo Reaktionen über Technologie gesteuert werden können, gibt es weniger Schwierigkeiten. Etwa wenn beim Retargeting Nutzer, die bereits ein Auto konfiguriert haben, noch einmal mit einem Werbemittel angesprochen werden. Das Tool identifiziert den User und setzt ihm das Werbemittel vor – das geschieht in Sekundenbruchteilen und vollkommen automatisch. Schwierig wird es, wenn Menschen involviert sind und schnell Entscheidungen getroffen werden müssen. Natürlich ist eine Werbebotschaft, die tagesaktuelle Ereignisse aufgreift, aufmerksamkeitsstärker als eine zeitlose Variante. Aber das bedeutet auch, dass die Kreation auf Zuruf arbeiten und der Kunde ebenso schnell seine Freigabe erteilen muss. Das können bislang nur sehr wenige Unternehmen mit ihren internen Abläufen vereinen. Beispiele zum aktuellen Pferdefleischskandal zeigen jedoch, dass es einigen Marken – vornehmlich aus der Automobilindustrie – gelungen ist, die Aktualität in ihre Werbeaussage zu integrieren.

Das Thema Big Data stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Welche Methoden nutzen Sie, um in Echtzeit Daten zu Markt und Konsumenten zu gewinnen?

Echtzeitdaten werden an vielen verschiedenen Stellen erhoben. Website- und Online-Shop-Betreiber analysieren Zugriffszahlen und Surfverhalten, Vermarkter und Unternehmen werten Werbemittelkontakte aus, Drittanbieter verfügen über Erkenntnisse aus Cookie-Daten. Die große Herausforderung besteht nicht darin, möglichst viele Daten zusammenzutragen, sondern sie so zusammenzuführen, dass sie interpretierbar werden. Hierzu nutzen wir eine eigene Technologie namens "Tracy", die in Echtzeit plattformunabhängig Daten (z.B. Nutzerverhalten, Klicks) sammelt, zusammenbringt und wieder ausspielt. Die gewonnenen Daten können wir auf den verschiedensten Ebenen nutzen: in Echtzeit zur unmittelbaren Performance-Steigerung wie eben beim crossmedialen Targeting. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die mit „Tracy“ gewonnenen Erkenntnisse zur Aussteuerung und Optimierung der Customer Journey zu nutzen.

Die zunehmende Automatisierung birgt auch Risiken. Wie schätzen Sie die Zukunft datengetriebener Werbung ein?

Kommunikation wird immer mehr auch eine Frage von Technologien sein. Allerdings sollte man darüber nicht vergessen, dass es am Ende des Tages immer noch die Menschen sind, die darüber entscheiden, welche Technologien mit welchem Ziel eingesetzt werden. Das größte Risiko gehen Unternehmen ein, die das Potenzial datenbasierter Kommunikationsoptimierung nicht nutzen.

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