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Erschienen in:

Open Access 2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

15. Social Influencer

Eine Analyse ausgewählter visueller und auditiver Stile erfolgreicher Social Influencer auf YouTube

verfasst von : Jonas von Rotz, Kim Oliver Tokarski

Erschienen in: Digitale Transformation und Unternehmensführung

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Visuelle Kommunikation gewinnt im Zusammenhang mit der Digitalisierung immer mehr an Bedeutung. So erfolgt die Kommunikation auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram und YouTube fast nur noch mittels Bild- und Videosprache. Social Influencer nutzen diese Kommunikationsweise, um sich auf den genannten Kanälen eine große Community aufzubauen. Dabei entsteht ein Beziehungsverhältnis zwischen Social Influencer und Empfängern. Der vorliegende Beitrag untersucht, welche Faktoren dazu führen, dass Social Influencer „Communities“ von mehreren Tausend bis Millionen Menschen aufbauen können, von diesen als Vorbilder und Meinungsmacher angesehen werden und dass dabei ein Beziehungsverhältnis entsteht.
Die Ergebnisse zeigen, dass Social Influencer mittels aktivierender Wirkung des Gesagten die „Interaktion“ fördern. Durch eine selbstoffenbarende und wertschätzende Wirkung wird ein Storytelling realisiert, die Authentizität und Glaubwürdigkeit erhöht und die Entstehung einer Beziehung gefördert. Die Gestik, erhöhte Sprechlautstärke und das schnelle Sprechtempo sorgen dabei beim Empfänger für eine kompetent und glaubwürdig wirkende Erscheinung des Social Influencers, während die Mimik „Freude“ Glücksgefühle beim Adressaten auslöst. Die Ergebnisse liefern somit qualitativ-explorative Erkenntnisse über Stile von Social Influencern und deren Umsetzung auf dem Social-Media-Kanal YouTube. Sie bieten Ansätze zur Erklärung des Beziehungsverhältnisses zwischen YouTuber und Community.

15.1 Einleitung, Zielsetzung und Vorgehensweise

YouTube, Facebook und Instagram stellen zum aktuellen Zeitpunkt die relevantesten Social-Media-Plattformen dar (Statista – The Statistics Portal 2018). Auf allen drei Plattformen ist die visuelle Kommunikation eine wichtige bzw. zentrale Grundlage für den Erfolg des Netzwerkes. Texte stehen im heutigen Internet (zumeist) nur noch an 2. Stelle (Kuch 2013). Durch die immer besseren und günstiger werdenden Kameras und die immer besser werdenden Auflösungen der Bildschirme wird diese Entwicklung der Bedeutung visueller Kommunikation noch verstärkt sowie beschleunigt.
Generell hat die Internetnutzung stark zugenommen. Gemäß der JAMES-Studie verbringen Schweizer Jugendliche unter der Woche täglich durchschnittlich 2 h und 30 min im Internet (2014: 2 Std.), am Wochenende 3 h und 40 min (2014: 3 Std.). Die täglichen Internetnutzungszeiten sind also im Vergleich zu 2014 jeweils um rund 25 % gestiegen (zhaw/Swisscom, 2016). Dieser Trend stellt gleichzeitig ein großes Potenzial für neue Geschäftsmodelle dar. Zum Beispiel für die Social Influencer. Social Influencer sind Personen mit Vorbildfunktion für eine Große Social-Media-Community, auf Plattformen wie beispielsweise Instagram, Facebook oder YouTube. Mittels Videos, Bildern und Texten werden bspw. Meinungen und Empfehlungen zu Produkten, Dienstleistungen und Ferienzielen vermittelt. Es handelt sich um Blogger, Videomacher, Models, Schauspieler, aber auch um Journalisten oder Sportler (Noah Zygmont 2017). Diese konnten allein im Jahr 2017 ein hohes Wachstum verzeichnen. So nahmen bspw. im Jahr 2017 die Suchanfragen zu Influencer Marketing um 325 % zu (Firsching 2017).
Vor diesem Hintergrund stellen sich unterschiedliche Fragen zum Phänomen „Social Influencer“: Wie ist es möglich, dass die Zuschauerzahlen von Social Influencern, wie beispielsweise beim YouTube-Video von Julien Bam „Everyday Saturday (Parodie)“ die 24 Mio. Marke übersteigen? Dies entspricht ungefähr eines 7-Fachen der Show „The Voice of Germany“ des Fernsehsenders ProSieben (Statista – Das Statistik Portal 2015). Für das Marketing ergeben sich in diesem Kontext neue Möglichkeiten spezifische Zielgruppen zu erreichen. So zeigen sich unterschiedliche Vorteile in diesem Kontext: Erstens wird mit Influencer Marketing meistens ein viel größeres Zielpublikum erreicht, als durch viele „klassische“ Marketingmaßnahmen. So hat beispielsweise die Influencerin Caro Daur 1,3 Mio. Follower auf Instagram und das Modemagazin Vogue Deutschland nur gerade mal ca. 220.000. Zweitens ist die Werbung aus Sicht des Zielpublikums glaubwürdiger, da sie durch bekannte Person vermittelt wird. Social Influencer sind die „neuen Stars“ (im Internet).
Celie O’Neil-Hart (Contributor, Video Marketing bei Google) und Howard Blumenstein (Produkt Marketing Manager, Strategie und Erkenntnisse bei YouTube B2B) konnten zeigen, dass 70 % der amerikanischen Jugendlichen YouTube-Stars mehr Vertrauen schenken als den gewohnten Berühmtheiten (Celie O’Neil-Hart 2016). Es ist also nicht verwunderlich, dass einige Unternehmungen, wie bspw. das Traditionshotel Waldhaus in Flims (Schweiz), bereits fast gänzlich auf Influencer Marketing setzen (Donati 2017). Doch was genau sind die Voraussetzungen, dass jemand allein durch Social Media so schnell so berühmt werden kann und einen so großen Einfluss erhält?
Die vorliegende Ausarbeitung liefert Hinweise zur Beantwortung der zuvor gestellten Frage in Form einer visuellen sowie auditiven Analyse von ausgewählten Videos der erfolgreichsten deutschen Social Influencer auf YouTube. Im Ziel analysiert und dargestellt werden, welche Faktoren dazu führen, dass Social Influencer „Communities von mehreren Tausend bis Millionen Menschen“ aufbauen, von diesen als Vorbilder und Meinungsmacher angesehen werden und dabei ein Beziehungsverhältnis entsteht. Die im empirischen Teil durchgeführte YouTube-Videoanalyse basiert auf definierten visuellen und auditiven Analysekriterien. Diese Analyse soll Muster, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ersichtlich machen und zusammen auf Basis einer kurzen theoretischen Grundlage die gestellten Fragen beantworten.

15.2 Theoretische Grundlagen

15.2.1 Social-Media-Plattformen und Social Influencer

Das Ziel einer Social-Media-Plattform ist es, Menschen digital miteinander zu vernetzen. Es steht jedem Menschen frei, sich mit einem internetfähigen Gerät auf einer Social-Media-Plattform anzumelden und Informationen zu veröffentlichen. Das Veröffentlichen der Informationen funktioniert mittels Neuigkeiten in Textform, über Fotos, Videos von allgemeinen bis hin zu Special-Interest-Themen. Sie dienen bspw. dem Austausch der User, dem Diskutieren von Themen, dem Teilen von Tipps und der gegenseitigen Hilfe (Für-Gründer.de, kein Datum). Die Abb. 15.1 zeigt eine kurze Übersicht über die meistgenutzten Social-Media-Plattformen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass die Entwicklungen und die Veränderungsgeschwindigkeit in diesem Kontext so hoch sind, dass die Darstellung vermutlich bei Publikation des Beitrags veraltet ist.
Obwohl Influencer Marketing, Social Influencing und Social Influencer aktuelle Begriffe im Zusammenhang mit Digital Marketing darstellen, lassen sie sich grundlegend (in anderer operativer Form) bis ins 18. Jahrhundert verfolgen. Bereits im Jahre 1760 nutzte Josiah Wedgwood, Gründer einer Töpferei, Influencer Marketing, indem er das englische Königshaus für seine Waren begeistern konnte, welches im Anschluss als Fürsprecher fungierte. Später wurden von Marken Charaktere erfunden, welche als „Influencer“ dienen sollten. So bspw. der bekannte weiß-rote „Santa Claus“ von Coca-Cola 1923 oder „Tony the Tiger“ von Frosted Flakes 1952 (noGRE 2017). Der Begriff „Social Influencer“ hat mit dem Aufkommen der Social-Media-Plattformen allerdings in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen.
Die Definition des Begriffs „Social Influencer“ ist dabei nicht eindeutig und hat viele Einflussfaktoren. Dies zeigt auch die Studie von Olapic (2018) bzw. der Erörterungen von Connolly (2018) deutlich. Bei der Befragung von 4000 Teilnehmenden im Alter zwischen 16 und 61 Jahren in den Ländern Amerika, Großbritannien, Frankreich und Deutschland konnte Folgendes festgestellt werden: 53 % der Befragten waren der Meinung, dass jemand mit mehr als 10.000 Followern auf einem Social-Media-Kanal als Social Influencer bezeichnet werden darf (wobei in Deutschland 34 % der Meinung sind, dass dies erst ab 50.000 Followers gilt). Gemäß Connolly (2018) umfasst ein Influencer folgende Kriterien:
  • Mindestens 10.000 Follower auf einem Social-Media-Kanal
  • Vorhandene Partnerschaft mit einem Unternehmen
  • Inhalte von Produkten oder Dienstleistungen werden geteilt
  • Die betreffende Person kennt sich in ihrem Gebiet aus
Bei der Frage, was genau einen Social Influencer ausmacht, sagten 63 % der Befragten, dass die Anzahl der Follower das maßgebende Kriterium sei, 42 % waren der Meinung, dass der Informationsgehalt der Posts ausschlaggebend sei. Nur 39 % meinten, dass die Posts bei einem Social Influencer von höherer Qualität seien. Weiter wurde die Erkenntnis erlangt, dass in Europa Social Influencer oftmals damit beschrieben werden, dass sie eine bezahlte Partnerschaft mit einer Firma haben, wobei in Amerika eher die Beliebtheit der Person maßgebend ist (Connolly 2018). Gemäß Hugi (2018), ist jedoch bereits ein Stammkunde in einer Kneipe, welcher vom Kneipenbesitzer gefragt wird, ob er einen guten Kommentar auf Instagram oder Tripadvisor hinterlassen kann, ein Influencer. Entscheidend ist laut Hugi folglich nicht die Reichweite des Influencers, sondern dessen Tätigkeit als Meinungsmacher (Hugi 2018).

15.2.2 Unterschiede zwischen Berühmtheiten und Social Influencern

Obwohl beide, Social Influencer und Berühmtheiten, eine große Reichweite besitzen und von ihren Fans als Vorbilder angesehen werden, unterschieden sie sich. Fans von Berühmtheiten lieben es zu wissen, wo diese einkaufen, wo diese ihre Ferien verbringen, und welches ihre Designer sind. Dies bildet Markenbekanntheit, aber keinen direkten Umsatz. Fans von Social Influencern hingegen bilden sich langsam und organisch. Sie folgen ihnen auf ihren Social-Media-Kanälen oftmals aufgrund gleicher Interessen und Denkweisen und können sich somit mit ihnen identifizieren (Haines 2014). Influencer sind „Selfmade“-Stars auf Social-Media-Kanälen, während Berühmtheiten durch traditionelle Kanäle zum Star gemacht wurden (Hitz 2018). Dieser Unterschied bringt für Influencer einige Vorteile mit sich. Einer davon ist die Erfahrung der Influencer auf ihrem jeweiligen Gebiet. Während Berühmtheiten nicht unbedingt Experten in den Gebieten sind, für welche sie Werbung machen (Beispielsweise Justin Bieber, der für Calvin Klein wirbt), kennen sich die Influencer meistens sehr gut mit den beworbenen Produkten aus (Barker 2017). In der Beziehung zwischen Influencer und Follower geht es um gemeinsame Interessen. Dabei begegnen die Influencer den Followern als Fachmann auf ihrem Gebiet, werden jedoch gleichzeitig auch als „reale Menschen“ mit Wünschen, Träumen, und Krisen wahrgenommen. Follower können sich so mit dem jeweiligen Influencer identifizieren (Faltl und Freese 2017). Ein weiterer Punkt ist der Unterschied zwischen der analogen Kommunikation, wie sie jene der herkömmlichen Werbung durch Berühmtheiten darstellt, zur interaktiven Kommunikation, wie sie bei den Influencern zu beobachten ist. Der Influencer nutzt die Möglichkeit mit seinen Followern zu interagieren und zu kommunizieren. Ein weiterer wichtiger Unterschied sind das „Storytelling“ und die „Content Creation“. Berühmtheiten stellen zwar oft das Gesicht hinter einer Kampagne dar, sind jedoch nicht die Erschaffer des Inhaltes. Dies ist bei einem Influencer anders: Da sie Experten auf ihren Gebieten sind, erschaffen sie so auch die passenden Inhalte und Geschichten hinter den Produkten und Marken (Barker 2017).
Es entsteht eine Beziehung, welche (vermeintlich) nicht auf kommerzieller Ebene stattfindet, wie dies bspw. bei einer Kampagne von Calvin Klein durch Justin Bieber der Fall ist, sondern auf gemeinsamen Interessen basiert (Faltl und Freese 2017). Beide Gruppen haben jedoch oftmals eine große Reichweite. Diese unterscheidet sich jedoch. Während bei einer Werbung durch eine Berühmtheit ein Massenpublikum erreicht wird, ist dies beim Influencer eine Nischen-Zielgruppe zum jeweiligen Themengebiet. In manchen Fällen kann der Unterschied etwas verblassen bzw. es ergeben sich Überschneidungen. Beispielsweise wenn ein Athlet, welcher als Berühmtheit gilt, für eine Sportbekleidungsmarke wirbt. Das könnte auch als Influencer Marketing betrachtet werden (Barker 2017). Auch der YouTuber „LeFloid“ sieht einen Unterschied zwischen Berühmtheit und Influencer. Für ihn ist ein Influencer auf „Augenhöhe“ mit seinen Fans, hingegen ist dies bei einer Berühmtheit ganz anders (LeFloid 2014). Dies führt zu der bereits eingangs dargestellten Thematik, dass Social Influencern mehr Vertrauen geschenkt wird, als den „gewohnten“ Berühmtheiten. (Celie O’Neil-Hart 2016).
Die Definitionen zum Begriff des Social Influencers sind nicht ganz trennscharf. Gleichwohl können, unabhängig von den quantifizierbaren Kategoriegrößen einer möglichen Klassifizierung von Social Influencern in Gruppen, zugeschriebene Kernkompetenzen von Social Influencern dargestellt werden.

15.2.3 Kernkompetenzen und USP von Social Influencern

Die möglichen Kernkompetenzen von Social Influencern im gewählten Untersuchungskontext folgen im Folgenden den Bereichen „Zielpublikum Jugendliche, persönliche Beziehungen, Glaubwürdigkeit, Expertenwissen, Vorbildfunktion, Reichweite, Storytelling, Authentizität, Fotografie und Bildbearbeitung bzw. Filmen und Videobearbeitung, Erscheinungsbild und Interaktion“:
Zielpublikum Jugendliche
Gemäß Andreas Hugi, ist es heutzutage sehr schwierig, Jugendliche mittels herkömmlicher Werbung wie Plakatwerbung, Fernsehwerbung, Printmedienwerbung usw. zu erreichen. Influencer agieren jedoch auf Social-Media-Plattformen und stellen somit für Unternehmungen und deren Marketing-Anstrengungen ein großes Potenzial dar (Hugi 2018).
Persönliche Beziehungen
Abonnenten und Follower der Influencer identifizieren sich oftmals mit ihren Idolen auf den Social-Media-Kanälen. YouTuber wie beispielsweise Bianca Heinicke vom YouTube-Beauty Blog „BibisBeautyPalace“ werden von ihren Abonnenten wie ein Star behandelt und gelten als absolutes Idol. Durch die Interaktion zwischen Community und Influencer entstehen persönliche Beziehungen, sogenannte parasoziale Beziehungen (Visscher 1998).
Glaubwürdigkeit
Laut Statistik vom Statistikportal Statista geben 57 % der Befragten in Deutschland im Jahr 2016 Influencer Marketing als glaubwürdig an. Vergleichsweise schneidet die „klassische“ Werbung mit 47 % schlechter ab (Statista.de 2016).
Expertenwissen
Laut der Studie von Olapic (2018) geben 45 % der befragten Amerikaner an, dass die Posts von Influencern mehr Informationsgehalt als übrige Posts haben. Influencer würden sich täglich mit der Nische auseinandersetzen, in der sie sich befinden. Dies mache sie zu Experten auf diesem Gebiet (Marco Nirschl 2018).
Vorbildfunktion
Kiener (2018) begründet die Vorbildfunktion der Influencer damit, dass es Jugendlichen oftmals an eigenen Erfahrungen und Erfolgserlebnissen mangelt. Influencer dienen somit als Verhaltensmodelle, an deren Empfehlung man sich orientieren kann und eine gewisse Sicherheit erhält (Kiener 2018).
Reichweite
Die Reichweite kann sehr stark variieren und geht von wenigen Tausend (jedoch sehr zielgruppenspezifischen) Abonnenten bis zu mehreren Millionen Abonnenten. Mit dieser Reichweite erreichen die Influencer fast ausschließlich Abonnenten im betreffenden Nischenmarkt (Marco Nirschl 2018).
Storytelling
Beim Storytelling will das menschliche Gehirn das Gehörte mit einer eigenen Erfahrung in Verbindung bringen. Dabei wird der Inselcortex des menschlichen Gehirns aktiviert, welcher dem Menschen hilft, die gehörte Geschichte mittels eigens Erlebtem lebendiger zu gestalten (Widrich 2012). Das Storytelling der Influencer bildet die Verbindung zwischen der Marke oder dem Produkt und dem Konsumenten, was für das Unternehmen von Vorteil ist (Casellas 2017).
Authentizität
Authentizität bedeutet „Echtheit“ und „als Original empfunden“, und ist somit eine Grundvoraussetzung für die Glaubwürdigkeit eines Influencers. Während Hollywoodstars von der Mehrheit der Menschen als unberührbar und abgehoben wahrgenommen werden, wirken Social Influencer auf Augenhöhe und werden bspw. eher als „das freundliche Mädchen von nebenan“ wahrgenommen (Kamal 2018). Dabei wird die Authentizität durch Bewusstsein, Ehrlichkeit, konsequentes Handeln und Aufrichtigkeit erzielt (Mai 2013).
Fotografie und Bildbearbeitung bzw. Filmen und Videobearbeitung
Influencer fotografieren oder filmen selten nur mit dem Smartphone, sondern verwenden dazu Digital-, Spiegelreflex- oder Kompaktkameras. Für die Bildbearbeitung werden Desktop Bildbearbeitungssoftwares wie beispielsweise Adobe Lightroom und/oder Adobe Photoshop oder Apps wie Snapseed, Square App usw. verwendet (Perry 2017).
Erscheinungsbild
Während einige Influencer mittlerweile als Schönheitsbild fungieren, verschaffen sich andere Influencer auf anderem Weg Wiedererkennungswert. Ein gutes Erscheinungsbild ist für einen Influencer sehr wichtig. Er braucht also einen gewissen Wiedererkennungswert, um ein eigenes Branding aufbauen zu können (Affiliate Deals 2016).
Interaktion
Die Interaktion dient dem Influencer dazu, ein großes Zielgruppenwissen aufzubauen. Sie dient zur Einschätzung, welche Inhalte und Themen aktuell für die Community spannend sind und welche nicht. Florian Mundt, alias LeFloid erklärt in einem Interview, dass es genau diese Interaktion ist, welche YouTube, vergleichsweise zum Fernsehen, so interessant macht. Von der Fanseite her entsteht dabei eine sogenannte parasoziale Beziehung, eine empfundene Freundschaft mit dem Influencer (Koschig 2016).

15.2.4 Visuelle und auditive Aspekte von Kommunikation

Um Beziehungen zu ihrer Zielgruppe bzw. ihren Zielgruppen aufbauen zu können, bedarf es einer Kommunikation der Social Influencer über ihre jeweiligen Social-Media-Kanäle. Videos umfassen dabei eine Vielzahl visueller und auditiver Aspekte wie:
Mimik & Gestik
Unter Mimik versteht man sichtbare Bewegungen des Gesichts, welche als Unterstützung zur Kommunikation eingesetzt werden. Die Grundfunktionen der Mimik sind hauptsächlich die Vermittlung von Emotionen, die Rückmeldung des Empfängers für eine Botschaft an den Sender, eine Stellungnahme zu anderen Ereignissen und Personen und die Reaktion auf verbale Aussagen (Glück 2010). Der Begriff Gestik wird gemäß Metzler Lexikon Sprache (2010, S. 240) folgendermaßen bezeichnet: „Repertoire und System kommunikativ verwendeter Körperbewegungen und Körperhaltungen, v. a. Hand- und Armbewegungen“. Die Gestik stellt also eine Gesamtheit von nonverbalen Signalen dar, welche als Ausdruck von Körperbewegungen kommunikativ relevant sind (Glück 2010).
Sprechtempo & Sprechlautstärke
Das Sprechtempo und die Sprechlautstärke gehören zur paraverbalen Kommunikation und sind dabei wichtige Aspekte für eine erfolgreiche Kommunikation. Gleichzeitig ist das Sprechtempo die Schnittstelle zwischen dem Artikulationsorgan, der Neurolinguistik, der Neurophonetik und der Sprache selbst. Je nachdem wie schnell eine Person spricht, beeinflusst dies die Botschaft, welche übermittelt wird (Pfitzinger, Phonetische Analyse der Sprechgeschwindigkeit). Auch die Sprechlautstärke beeinflusst die Botschaft, welche übermittelt wird. So kann beispielsweise eine Lautstärkenvariation eine aktivierende Wirkung erzielen (Linnenbürger et al. 2018). Der Psychologe Howard Giles bewies, dass schnell sprechende Menschen oder auch laut sprechende Menschen als kompetent, sympathisch, gutaussehend und interessant wahrgenommen werden (Giles 1994).
Kommunikative Wirkungsweisen
Die kommunikative Wirkungsweise beschreibt, welche Wirkung eine Person beim Sprechen tendenziell auf ihr Gegenüber erzielt. Die aktivierende Wirkung wird durch die Verwendung aktivierender Wörter (Begriffe, die Umsetzung und Handlung implementieren) sowie Verwendung von prosodischen Elementen wie Stimmvariation, Lautstärkenvariation, gezielten Pausen und einem vielfältigen Sprechrhythmus erzielt. Es entsteht eine aktivierende und dynamische Wirkung beim Zuhörer. Die wertschätzende Wirkung wird durch eine positive Haltung gegenüber anderen erzeugt. Der Sprechende wirkt sozial und das Publikum fühlt sich wohl und aufgehoben. Eine autoritäre Wirkung kann dadurch erzeugt werden, dass persönliche Ansichten und Standpunkte in den Vordergrund gerückt und klar preisgegeben werden. Somit wird eine dominante Haltung eingenommen und Autorität ausgestrahlt. Eine ausgeglichene Wirkung hingegen wird durch eine ruhige Herangehensweise erzielt. Es entsteht eine entspannte und gelassene Atmosphäre, was hitzige Diskussionen auf eine sachliche Ebene bringen kann. Bei der distanzierten Wirkung werden voreilige emotionale Einbindungen vermieden und die Unabhängigkeit vom Geschehen und von Gesprächspartnern wird hervorgehoben. Um eine informative Wirkung zu erzielen, wird auf Emotionen verzichtet, Argumente und Sachinformationen stehen im Vordergrund. Eigene Ansichten werden dabei auf eine bedächtige und sachliche Weise vermittelt. Bei der zielorientierten Wirkung wird das Gespräch vom Protagonisten in die gewünschte Richtung gelenkt. So kann ein Gespräch an einem anderen Punkt angesetzt werden und anschließend in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Um eine emotional-offene Wirkung zu erzielen, werden eigene Ansichten und Empfindungen emotional statt rational ausgedrückt. Dies führt zu einer emotional-offenen und begeisternden Wirkung. Bei der verantwortlichen Wirkung ist die Kommunikation durch eine persönliche Pflichtwahrnehmung für die eigenen Aussagen geprägt. Die unterstützende Wirkung setzt einen direkten Gesprächspartner voraus. Dessen Ansichten wollen verstanden werden und werden nicht beeinflusst. Er fühlt sich dadurch persönlich wahrgenommen und unterstützt. Die zuversichtliche Wirkung zeichnet sich dadurch aus, dass positive und auf ein konkretes Ziel bezogene Elemente in den Vordergrund gerückt werden. Für die grundlegende Überzeugung, dass eine Herausforderung gemeistert werden kann, werden optimistische Elemente verwendet. Um eine selbstoffenbarende Wirkung zu erzielen, werden viele persönliche Charaktereigenschaften preisgegeben; so spielen beispielsweise persönliche Erlebnisse, Hintergründe und private Ereignisse eine wichtige Rolle (Linnenbürger et al. 2018).
Grußformeln/Abschiedsformeln
Begrüßungen und Verabschiedungen können echte Wertschätzung gegenüber dem Empfänger ausdrücken (careerloft 2016). Influencer, insbesondere YouTuber begrüßen ihre Abonnenten häufig mit einer Grußformel und Abschiedsformel wie beispielsweise „Hallo ihr Lieben“ und „Das war’s von mir, wir sehen uns morgen wieder“.

15.2.5 Forschungsfragen und Hypothesen

Auf Basis der beschriebenen theoretischen Hintergründe der Social Influencer sowie der diversen Aspekte visueller Kommunikation, ergeben sich drei Fragestellungen im Untersuchungskontext:
  • F1: Welche Stile führen dazu, dass Social Influencer von ihren Followern als Vorbilder und Meinungsmacher angesehen werden?
  • F2: Wie führen diese Stile dazu, dass die Social Influencer von ihren Followern als Vorbilder und Meinungsmacher angesehen werden?
  • F3: Wie entsteht zwischen Social Influencer auf YouTube und Zuschauern ohne reale Begegnung eine parasoziale Beziehung?
Obwohl es sich bei der vorliegenden Studie um eine qualitative Studie handelt, wurden Hypothesen für die empirische Studie und somit den Untersuchungskontext formuliert. Die erstellten drei Hypothesen dazu lauten wie folgt:
  • H1: Die Dialoge der Influencer sind emotional, aktiv, provokativ, aktivierend, selbstoffenbarend und teilweise informativ. So soll durch die emotionale, aktive, provokative Ausdrucksform ein einzigartiges und auffälliges Erscheinungsbild erzeugt werden. Die selbstoffenbarende Wirkung soll eine Beziehung zu den Abonnenten unterstützen. Sie soll die Authentizität des Influencer steigern, vor allem wenn es als Storytelling fungiert. Die informative Wirkung soll den Influencer wie einen Experten wirken lassen und die aktivierende Wirkung soll die Interaktion zwischen Zuschauer und YouTuber fördern.
  • H2: Die Influencer sprechen schnell und laut. Damit soll ein kompetenter, sympathischer und kluger Eindruck hinterlassen werden. Dabei wird gezielte Gestik angewendet, um das Gesagte entsprechend zu betonen. Dies soll für eine starke Glaubwürdigkeit sorgen und das Erscheinungsbild stärken.
  • H3: Fröhliche Emotionen stehen im Vordergrund. Dies soll eine ausdrucksstarke Erscheinung garantieren und so die Authentizität erhöhen.

15.3 Empirie

Der empirische Teil dieser Arbeit befasst sich mit der Durchführung einer visuellen und auditiven Analyse von YouTube-Videos. Die Analyse besteht einerseits aus einem visuellen Teil: Der Fokus liegt dabei auf den visuellen Analysekriterien Mimik und Gestik. Zusätzlich besteht die Analyse aus einem auditiven Teil. Der Fokus liegt dabei auf den Analysekriterien Sprechtempo, Sprechlautstärke, kommunikative Wirkungsweise und Grußformeln/Abschiedsformeln. Es gilt herauszufinden, wie die geschilderten Dimensionen in den Videos vorkommen und welche Wirkung sie mit sich bringen.

15.3.1 Vorgehen und Prozessbeschreibung der Methodik

15.3.1.1 Analysekriterien, -objekte, Referenzwerte und Methodik

Bei den untersuchten Faktoren dieser empirischen (explorativen) Studie handelte es sich um Medien- und Kommunikationswissenschaften, bei welchen Befragungen, Inhaltsanalysen und Beobachtungen die gängigsten Erhebungsmethoden darstellen (Möhring und Schlütz 2010). So wären auch Interviews eine Möglichkeit an die benötigten Daten heranzukommen. Jedoch wäre es schwierig, mit den entsprechenden Influencern ein Interview zu vereinbaren. Weiter wäre unklar, ob die betreffenden Influencer ihre Stile oder sogar Erfolgsfaktoren in einem Interview preisgeben würden. Demzufolge wird die Beobachtung als die beste Variante eingestuft, wobei eine Analyse der YouTube-Videos am sinnvollsten erscheint.

15.3.1.2 Videoanalyse

Die Analyse der YouTube-Videos wurde in eine visuelle und in eine auditive Forschung unterteilt. Durch die Ergebnisse der visuellen und auditiven Untersuchung der YouTube-Videos sollten im Anschluss Rückschlüsse auf die Stile ermöglicht werden. Für die Analyse wurden die Analysekriterien gemäß Tab. 15.1 als Referenzwerte definiert. In Tab. 15.1 sind die für die empirische Studie definierten Kriterien der visuellen und auditiven Analyse dargestellt.
Tab. 15.1
Kriterien der visuellen und auditiven Analyse
Visuelle Analyse
Analysekriterium
Referenzwerte
Mimik
Freude (Falten entlang der Nase, Lippenränder hoch- und zurückgezogen)
Wut (Augenbrauen gesenkt und gerade Linie ergebend, Unterlieder angespannt, Lippen zusammengepresst)
Angst (Falten in der Stirnmitte, Augenbrauen hoch- und zusammengezogen, Augenlider angespannt, Mund zurückgezogen)
Ekel (Nasenfalten, Wangen erhoben, angezogene Oberlippen)
Trauer (hochgezogene innere Augenbrauen, verlorener Augenfokus, leicht nach unten gezogene Lippenecken)
Überraschung (erhobene Augenbrauen, weit geöffnete Augen, offener und entspannter Mund)
Verachtung (einseitig hochgezogene und angespannte Lippenecke)
Gestik
Demonstrativgestik (Visualisierung von Gesagtem)
Betonungsgestik (Verstärkung des Gesagten)
Zeigegestik (Physisches Zeigen auf Objekte, Personen oder in Richtungen)
Berührungsgestik (Physisches Berühren von Objekten oder Personen)
Auditive Analyse
Analysekriterium
Referenzwerte
Kommunikative Wirkungsweisen
Aktivierende Wirkung (Begriffe, die Umsetzung und Handlung implementieren und Stimmvariationen)
Wertschätzende Wirkung (positive und wertschätzende Haltung)
Autoritäre Wirkung (dominante Haltung und persönlich Ansichten und Standpunkte werden in den Vordergrund gerückt)
Ausgeglichene Wirkung (ruhige Herangehensweise)
Distanzierte Wirkung (voreilige emotionale Einbindungen werden vermieden)
Informative Wirkung (Argumente und Sachinformationen stehen im Vordergrund)
Zielorientierte Wirkung (Gespräch wird in die gewünschte Richtung gelenkt)
Emotional-offene Wirkung (eigene Ansichten und Empfindungen werden durch emotionale statt rationale Argumente ausgedrückt)
Verantwortliche Wirkung (Kommunikation ist durch eine persönliche Pflichtwahrnehmung für die eigenen Aussagen geprägt)
Unterstützende Wirkung (Ansichten der Gesprächspartner werden versucht, verstanden zu werden und nicht beeinflusst)
Zuversichtliche Wirkung (positive und auf ein konkretes Ziel bezogene Elemente werden in den Vordergrund gerückt)
Selbstoffenbarende Wirkung (persönliche Charaktereigenschaften, Erlebnisse und Hintergrunde zu privaten Ereignissen werden preisgegeben)
Sprechtempo
Langsam (weniger als 90 Wörter/min)
Normal (90–120 Wörter/min)
Schnell (mehr als 120 Wörter/min)
Sprechlautstärke
Leise/unverständlich (minimale Ausschläge der Tonspur)
Normale Lautstärke (normale Ausschläge der Tonspur)
Erhöhte Lautstärke (große Ausschläge der Tonspur)
Lautes Sprechen (sehr große Ausschläge der Tonspur)
Schreien (Ausschlagspitzen sind nicht mehr innerhalb der angezeigten Tonspur)
Grußformeln
Vorhanden/nicht vorhanden

15.3.1.3 Analyseobjekte

Als Analyseobjekte wurden per Zufallsprinzip ausgewählte Videos der 5 erfolgreichsten deutschen YouTuber gemäß Socialblade.com definiert. Es handelt sich dabei um:
  • BibisBeautyPalace
  • Julien Bam
  • Dagi Bee
  • ApeCrime bzw. ApeCrimeTV
  • Simon Desue
Aufgrund der Theorie, welche größtenteils auf deutschen Quellen basiert, wurden auch für den empirischen Teil der Forschungsarbeit deutsche Analyseobjekte gewählt. Zur Homogenisierung wurden ausschließlich YouTuber untersucht, welche sich selbst auditiv sowie visuell in Dialogform als Hauptmotiv im Video platzieren. Alle anderen Formen der Selbstdarstellung, wie beispielsweise Gaming-Videos, Musikvideos etc., wurden ausgeschlossen, um ein einheitliches Analysevorgehen zu ermöglichen.

15.3.1.4 Analysevorgehen

Für die Auswahl der YouTube-Videos der verschiedenen YouTuber wurden alle zum Zeitpunkt der durchgeführten Untersuchung online bestehenden YouTube-Videos der YouTuber in einer Excel-Liste aufgelistet und durchnummeriert. Anschließend wurden mittels eines Zufallsgenerators (Rechneronline) 10 verschiedene Zufallszahlen generiert. Der Stichprobenumfang wurde aufgrund der Tatsache, dass eine qualitative Analyse vorlag und aufgrund zeitlich begrenzter Ressourcen, auf 10 Videos pro YouTuber beschränkt. Im Anschluss wurden die per Zufallsprinzip gewählten Videos mithilfe von einem MP4-Konverter heruntergeladen und in die Analysesoftware MAXQDA übertragen (Onlinevideokonverter). MAXQDA ist eine Software für qualitative Datenanalysen wie beispielsweise das Transkribieren und Codieren von Audio- und Videodateien. Mithilfe von MAXQDA wurden die Videos nach den definierten Analysekriterien codiert. Anhand der Codetabellen und Visual Tools sowie der Analyse der einzelnen codierten Filmausschnitte wurden die Analysekriterien ausgewertet und interpretiert. Dabei wurde die erhaltene Anzahl Codings pro Video durch die Länge des Videos geteilt, um vergleichbare Werte pro Minute zu erhalten und eine Verzerrung der Resultate auszuschließen. Damit Muster, Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgestellt werden können, wurden sogenannte Codelines und andere Visual Tools von MAXQDA herausgezogen und analysiert. Für die Analyse des Sprechtempos wurden in jedem Video die gesprochenen Wörter in der ersten Minute des Videos (Unterbrüche werden nicht mitberechnet) gezählt.

15.3.1.5 Ziel der Analyse

Die visuelle und auditive Analyse sollte dazu dienen, Regelmäßigkeiten und Muster in visuellen sowie auditiven Dimensionen der 5 erfolgreichsten YouTuber Deutschlands festzustellen. Aus den analysierten Regelmäßigkeiten und Muster werden zusammen mit dem gesammelten theoretischen Wissen aus dem ersten Teil der Arbeit Stile abgeleitet und Fazits geschlossen.

15.3.2 Auswertung der analysierten YouTube-Videos

Die Auswertung bezieht sich auf die 18 analysierten Videos, welche nach dem Literaturverzeichnis aufgelistet sind.
Betonungsgestik
Die am meiste benutzte Gestik in den analysierten Videos ist mit insgesamt 769-mal deutlich die Betonungsgestik. Diese wird von allen YouTubern häufig eingesetzt, um lange gesprochene Monologpassagen für den Zuschauer aktiver und spannender zu gestalten.
Zeigegestik
Die Zeigegestik ist die am zweitmeiste angewendete Gestik der YouTuber. Sie ist in den 18 verschiedenen analysierten Videos insgesamt 231-mal deutlich sichtbar. Die Zeigegestik wird von den YouTuber jedoch nicht nur dazu verwendet, auf Produkte oder Dinge zu zeigen, sondern auch um die Zuschauer anzusprechen. Während der YouTuber mit dem Zeigefinger auf den Zuschauer deutet, fühlt sich dieser angesprochen und zu einer Handlung aufgefordert. Eine weitere Funktion der Zeigegestik, welche von den YouTuber genutzt wird, ist die Visualisierung von deiktischen Ausdrücken wie „dort“, „gestern“, „vorhin“, „morgen“, „gleich“ etc.
Berührungsgestik
Die Berührungsgestik wird insgesamt 61-mal verwendet. Sie liegt häufig einer emotionalen Absicht zugrunde. Während beispielsweise Dagi Bee die Zuschauer dazu auffordert, dem Video einen Daumen nach oben zu geben, was eine Demonstrativgestik darstellt (dazu später mehr), legt sie ihren Arm um ihre kleine Schwester um Sympathie und Zuneigung zu symbolisieren. Sie wirkt somit beim Zuschauer automatisch sympathischer und menschlicher.
Demonstrativgestik
Die Demonstrativgestik ist in den analysierten Videos insgesamt 68-mal vorzufinden und hat dabei verschiedene Funktionen: Am häufigsten wird die Demonstrativgestik dazu verwendet, eine aktivierende Haltung zu erzeugen. Dies erfolgt meistens bei der Aufforderung an die Zuschauer, das aufgeschaltete Video mit „gefällt mir“ zu markieren. Dabei wird vom YouTuber mit der Hand oder mit den Händen ein Daumen nach oben gestikuliert. Ein weiterer Verwendungszweck der Demonstrativgestik ist das Visualisieren von Produktefunktionen oder Handhabungen. So nutzt Bianca Heinicke beispielsweise eine Demonstrativgestik, um einen vorgestellten Make-up-Artikel und seine Handhabung zu visualisieren und zu demonstrieren. Demonstrativgestik wird von den YouTubern analog zur Berührungsgestik für schauspielerische Zwecke eingesetzt.
Mimik „Freude“
Bei der Mimik fällt auf, dass die Emotion Freude mit 440-mal mit Abstand am meisten zu sehen ist. Freude wird mittels fröhlichen Gesichtsausdrucks, Lächeln oder Lachen vermittelt und löst beim Zuschauer ähnliche Gefühle aus. Während beim Zuschauen das Gefühlt entsteht, dass die Protagonistin oder der Protagonist glücklich ist, erhält man als Betrachter zudem das Gefühl, dass der YouTuber Freude bei dem hat, was er gerade tut. Ein Beispiel dafür ist die Mimik von Bianka Heinicke mit ihrem natürlich wirkenden Lächeln.
Ähnlich wie bei der Gestik, wird auch die Mimik von den YouTuber auf schauspielerische Weise genutzt. Ein Beispiel dafür sind verschiedene Szenen im Video von Julien Bam „Die ULTIMATIVE STORY 2“. Dabei fällt auf, dass beim schauspielerischen Ausdruck von Freude die Mimik oftmals übertrieben nachgeahmt wird.
Mimik „Überraschung“
Mit 43-mal ist die Überraschung die am zweithäufigsten vorkommende Mimik. Sie kommt vorwiegend schauspielerisch zum Vorschein und wird dabei meistens übertrieben dargestellt. Eine Überraschungs-Mimik ist jedoch nicht nur schauspielerisch zu verstehen, sondern kommt auch auf natürliche Art und Weise vor. So beispielsweise bei Bianca Heinicke als ein Schrei im Hintergrund sie erschreckt. Gleich darauf wird dieser Moment der Überraschung und des Erschreckens nochmals in Zeitlupe gezeigt. Dabei zieht sich die YouTuberin selbst ins Lustige, was sie im Auge des Betrachters sympathisch wirken lässt.
Mimik „Wut“, „Angst“ und „Trauer“
Während die Mimik zur Emotion Freude oftmals auf natürliche Weise in den Videos vorkommt, ist dies bei der Wut, Angst und Trauer weniger der Fall. Sie ist insgesamt nur wenige Male in den Videos aufzufinden. Dabei kommen sie fast ausschließlich auf schauspielerische Weise zum Vorschein. Auch hier wird analog zur schauspielerischen Weise der Freude die Mimik übertrieben und sorgt für eine eher belustigte und amüsierte Reaktion.
Mimik „Verachtung“ und „Ekel“
Eine verachtend oder ekelnd wirkende Mimik ist in den Videos nur sehr selten zu erkennen. Sie kommen entweder als schauspielerische Art und Weise vor oder treten unabsichtlich auf.
Kommunikative Wirkungsweisen
In den 18 verschiedenen analysierten Videos wurde insgesamt 306-mal eine kommunikative Wirkungsweise codiert. Jedoch wurden keine unterstützende Wirkungsweise, keine emotional offene Wirkungsweise, keine distanzierte Wirkungsweise und keine ausgeglichene Wirkungsweise wahrgenommen. Dies wird damit begründet, dass die unterstützende Wirkung einen Dialog und nicht Monolog voraussetzt. Die YouTube-Videos sind häufig als Monolog zum Zuschauer aufgebaut, lassen also keine unterstützende Wirkungsweise zu. Es wurde festgestellt, dass verschiedene Emotionen, hauptsächlich Freude, fast durchgehend in den Videos vertreten sind. Die distanzierte Wirkung schließt voreilige emotionale Einbindungen aus, es wird angenommen, dass dies eine Art Widerspruch darstellen würde und somit nicht in den Videos vorkommt. Weiter wird vermutet, dass auch die ausgeglichene Wirkung, welche eine ruhige Herangehensweise voraussetzt, ein Widerspruch zum schnell gemessenen Sprechtempo und zur teilweise lauten Sprechlautstärke darstellen würde und deshalb nicht vorkommt. Auf die emotional offene Wirkungsweise wird später genauer eingegangen.
Selbstoffenbarende Wirkung
Mit 117 Codierungen ist mehr als ein Drittel der Wirkungsweisen selbstoffenbarend. Die Videos mit der stärksten selbstoffenbarenden Wirkung sind jene, in denen die Influencer private Seiten von sich zeigen. In zwei dieser Videos stellen die YouTuber persönliche (Kindheits-)Fotos von sich vor und erzählen etwas dazu, was eine selbstoffenbarende Wirkung zur Folge hat. Eine weitere Form der vorkommenden selbstoffenbarenden Sequenzen ist die Frage-Antwort-Runde. Dabei wird unter dem Video eine gestellte Frage eines Abonnenten eingeblendet und beantwortet. Dadurch entsteht eine wertschätzende und anschließend selbstoffenbarende Wirkung. Die selbstoffenbarenden Wirkungen haben zur Folge, dass beim Zuschauer des Videos eine parasoziale Beziehung entsteht. Dadurch, dass der Protagonist persönliche und vergangene Erlebnisse teilt, sei dies alte Kindheitsfotos oder Geschichten über sein Privatleben, fühlt es sich an, als würde man eine Freundschaft mit dieser Person aufbauen, da das Austauschen solcher privaten Informationen normalerweise nur unter Freunden geschieht.
Aktivierende Wirkung
Die aktivierende Wirkung spielt in den Videos eine sehr wichtige Rolle. Sie kommt insgesamt 89-mal vor und hat dabei fast immer eine Call-to-action-Funktion. Das heißt, der Zuschauer bzw. die Zuschauerin wird dazu aufgefordert das Video mit einem „gefällt mir“ zu markieren, den Kanal zu abonnieren etc. Ein Beispiel dazu kommt im Video von ApeCrimeTV vor (siehe Zitat unten).
(V12, 8:34–8:42) „Ihr könnt das Ganze natürlich freischalten, eine neue magische Zahl: 44.444 Likes, dann bestellen wir das Ganze und machen ein Teil 2 würde ich sagen.“
Das Gesagte tritt dabei häufig im Zusammenhang mit Bild- oder Schrifteinblendungen und der Zeigegestik auf, was den aktivierenden Effekt zusätzlich verstärkt. Weiter fällt auf, dass viele der aktivierenden Wirkungen im Zusammenhang mit einer Aufforderung zur Interaktion vorkommen. So beispielsweise im Video von Bianca Heinicke:
(V3, 9:39–9:42) „Schreibt mir unbedingt in die Kommentare …“
Dabei wird der Zuschauer dazu aufgefordert, einen Kommentar unter das Video zu schreiben, was wiederum die Interaktionsrate des Videos und somit auch des Kanals erhöht. Zudem wird eine wertschätzende Wirkung erzielt, da man als Zuschauer das Gefühlt vermittelt bekommt, dass die eigene Meinung und eine Anmerkung erwünscht und wertvoll sind.
Wertschätzende Wirkung
Genau wie die aktivierende Wirkung, spielt auch die wertschätzende Wirkung unter den YouTubern eine wichtige Rolle. So ist sie in den analysierten Videos insgesamt 67-mal ersichtlich. Dabei hat sie verschiedene Erscheinungsformen: Eine davon ist das Angesprochenwerden der Zuschauenden durch den YouTuber. Ein gutes Beispiel dafür liefern Bianca Heinicke und Dagi Bee in ihren Videos. So tut dies Bianca Heinicke beispielsweise fast immer, wenn sie ihre Zuschauer auf folgende Weise begrüßt:
(V1, 0:00–0:02) „Halli-hallo meine Lieben und willkommen zu meinem neuen Video …“
Wertschätzung beim Zuschauer entsteht einerseits durch die Begrüßung selbst und andererseits durch die Worte „meine Lieben“ und „willkommen“. Eine andere Form der wertschätzenden Wirkung ist das Einblenden von geschriebenen Kommentaren. Dies kommt beispielsweise im Video „Heyju – Longboard Tour – Tag 5“ von Julien Bam oder „SO habe Ich meinen Freund kennengelernt Dagi Bee vor. Dabei wird ein Kommentar im Video eingeblendet und anschließend direkt vom YouTuber beantwortet. Als Zuschauer erhält man dabei ein wertschätzendes Gefühl, da man sich wahrgenommen, ernstgenommen und wichtig fühlt. Eine weitere Form der Wertschätzung ist in einem Beispiel von Simon Desue im Video“ „Der CHILLI Prank! – Revanche an Shirin David“ zu finden, wobei er Folgendes sagt:
(V13, 3:58–4:02) „Die coolsten werden wir auf jeden Fall liken, wir werden das meiste von euch angucken, definitiv …“
Er verspricht hierbei, die geteilten Beiträge auf Instagram und Twitter unter dem Hashtag „FANTA86“ anzuschauen und zu liken. Dabei entstehen einerseits eine aktivierende Wirkung und andererseits eine wertschätzende Wirkung beim Zuschauer.
Autoritäre Wirkung
In den angeschauten Videos ist insgesamt nur 6-mal eine autoritäre Wirkungsweise zu erkennen. Diese scheint in diesen Videokreisen eher eine sekundäre Rolle zu spielen.
Informative Wirkung
Die informative Wirkung kommt insgesamt 13-mal vor. Alle informativen Wirkungsweisen mit Ausnahme von 2-mal kommen im Video „10 WHATS APP FACTS!“ von ApeCrime vor. Wie der Name des Videos bereits verrät, besteht der Inhalt dieses Videos darin, dass 10 Fakten/Informationen über die App „WhatsApp“ vorgestellt werden.
Zuversichtliche Wirkung
Ähnlich wie bei der informativen Wirkung kommt auch die zuversichtliche Wirkung ausschließlich in einem einzigen Video vor. Diese entsteht im Zusammenhang mit einer selbstoffenbarenden Wirkung, als Dagi Bee in ihrem Video „SO habe Ich meinen Freund kennengelernt“ von ihrem neuen Onlineshop erzählt, wie im folgenden Beispiel zu sehen ist.
(V7, 8:07–8:09) „es wird auf jeden Fall mega cool …“
Verantwortliche und zielorientierte Wirkung
Diese beiden Wirkungsweisen kommen insgesamt nur 3-mal vor. Es wird vermutet, dass der Grund für das seltene Vorkommen der lockere und nicht ernste Inhalt der Videos ist. Die zielorientierte Wirkung setzt hingegen einen Dialog voraus. Da die Videos meistens in Monolog-Form abgehalten sind, ist dies vermutlich der Grund, dass diese Wirkungsweise nicht oft vorkommt.
Grußformeln
Mit Ausnahme von 3 Videos kommt überall eine Begrüßung der Zuschauenden vor, wobei sie unter den verschiedenen YouTubern sehr unterschiedlich ausfällt. Es fällt auf, dass einige YouTuber ihre Zuschauer immer auf dieselbe Art und Weise begrüßen. So macht dies beispielsweise Bianca Heinicke in allen drei Videos auf folgende Art:
(V1, 0:00–0:02) „Halli-hallo meine Lieben und willkommen zu meinem neuen Video …“
Die Begrüßung schein immer auf die Zielgruppe abgestimmt zu sein. So wirkt die Begrüßung von Julien Bam lockerer und trendiger:
(V5, 0:02–0:04) „Jo Leute! Was geht? Willkommen …“
Grundsätzlich fällt im Zusammenhang mit der Begrüßung auf, dass viel Gestik verwendet und tendenziell schneller und lauter gesprochen wird. Dies ist auch bei der Verabschiedung nicht anders. Diese kommt ähnlich wie die Begrüßung in jedem bis auf einem Video vor. Dabei hat jeder seine eigene Art, das Video zu beenden. Auch hier ist wieder der Unterschied zwischen männlichem und weiblichem YouTuber zu sehen. Während Dagi Bee eine lange und wertschätzende Verabschiedung macht, ist diese bei Simon Desue eher kurz und wirkt trendiger. Allgemein fällt bei der Verabschiedung auf, dass bei 14 von 18 Videos während oder direkt anschließend an die Verabschiedung mittels Bild- und Schrifteinblendungen oder Erwähnung auf andere Videos, einen anderen Kanal, einen Shop etc. verwiesen wird, was in einer aktivierenden Wirkung resultiert.
Sprechlautstärke
Insgesamt kommt in den analysierten Videos 304-mal eine nach oben abweichende Lautstärke und 2-mal eine nach unten abweichende Lautstärke zur normalen Sprechlautstärke vor. Dabei wird 58-mal geschrien, 148-mal laut gesprochen, 154 mit einer erhöhten Lautstärke gesprochen und 2-mal leise und unverständlich gesprochen.
Sprechtempo
Beim Sprechtempo fällt auf, dass in fast allen Videos in Dialogszenen über 180 Wörter pro Minute gesprochen werden. Einige YouTuber sprechen sogar mehr als 200 Wörter pro Minute. Wird als Referenzwert der Wert von Rhetores genommen, welcher mehr als 120 Wörter pro Minute als schnelles Sprechen definiert, sprechen alle YouTuber überdurchschnittlich schnell (Rhetores − Akademie der Sprecher).

15.3.3 Ersichtliche Muster

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass in den analysierten Videos immer ungefähr dieselben Wirkungsmechanismen zum Vorschein kommen. So kommt häufig eine selbstoffenbarende, wertschätzende und aktivierende Wirkung vor, jedoch fast nirgendwo eine zuversichtliche, unterstützende, verantwortliche, emotional offene, zielorientierte, distanzierte, ausgeglichene oder autoritäre Wirkung. Auch bei der Mimik ist ein solches Muster zu erkennen. Während Freude in jedem Video und Überraschung in der Mehrheit der Videos vorzufinden sind, kommen Wut, Ekel, Angst, Trauer und Verachtung nur sehr selten vor. Bei der Gestik kommt zwar die Betonungsgestik mit Abstand am meisten vor, jedoch erscheinen auch Demonstrativ-, Zeige- und Berührungsgesten fast überall. Weiter ist ersichtlich, dass die Betonungsgestik in den meisten Videos, das am häufigsten vorkommende Analysekriterium darstellt. Ein weiteres Muster ist dahin gehend erkennbar, dass in den Videos oftmals eine kommunikative Wirkungsweise verstärkt vorkommt. So beispielsweise im Video „Meine PEINLICHSTEN TEENIE – FOTOS“ die selbstoffenbarende Wirkung, im Video „SO habe Ich meinen Freund kennengelernt“ die wertschätzende Wirkung und im Video „10 WHATS APP FACTS!“ die informative Wirkung. Schaut man die Codelines an, werden weitere Muster erkennbar: Beispielsweise, dass die aktivierende Wirkung vermehrt am Ende der Videos vorkommt, wie dies ein Beispiel von Bianca Heinicke in Abb. 15.2 visualisiert.
Weiter ist ersichtlich, dass die Mimik „Freude“ bei fast allen über das ganze Video verteilt vorkommt, gut erkennbar beim Video von Dagi Bee (siehe Abb. 15.3).
Dasselbe gilt für die Betonungsgestik, jedoch ist hier eine leichte Tendenz am Anfang und Ende der Videos feststellbar. Auch bei der Sprechlautstärke ist eine Tendenz Richtung Anfang und Ende der Videos zu erkennen; so tritt die erhöhte Lautstärke oder das laute Sprechen auch vermehrt mit der aktivierenden Wirkung auf. Eine weitere Beobachtung war, dass Zahlen sowie die Aufforderung ein Video mit „Gefällt mir“ zu markieren häufig im Zusammenhang mit Demonstrativgesten vorkommen.

15.3.4 Gemeinsamkeiten

In den analysierten Videos konnten mithilfe von MAXQDA verschiedene Gemeinsamkeiten festgestellt werden. Diese leiten sich direkt aus den vorgängig beschriebenen Mustern ab. Fast in jedem Video werden die Zuschauer und Abonnenten am Anfang herzlich willkommen geheißen und am Ende des Videos verabschiedet. Es ist auffallend, dass bei der Begrüßung häufig die Wörter „ihr Lieben“ vorkommt. Beim Abschied ist auch gleich die zweite Gemeinsamkeit zu sehen: Dort fällt auf, dass der Abschied häufig mit einer aktivierenden Wirkung verbunden wird. So werden die Zuschauer aufgefordert, andere Videos, andere Kanäle anzuschauen oder das Video mit einem „Gefällt mir“ zu markieren. Die dritte Gemeinsamkeit besteht darin, dass in den Videos durchgehend sehr stark mit Betonungsgestik gearbeitet wird. Diese wird dabei häufig während des ganzen Videos intensiv verwendet. Als vierte Gemeinsamkeit zählt die Mimik „Freude“. Diese ist in fast ausnahmslos jedem Video sehr stark vertreten: Sei dies durch schauspielerische Tätigkeit oder durch natürliches Lächeln oder Lachen bei vlog-artigen Sequenzen. Auffällig ist, dass diese Mimik (ausgenommen die schauspielerische Mimik) immer sehr natürlich und authentisch wirkt. Ein weiteres gemeinsames Muster stellt die Tendenz der erhöhten Lautstärke oder des lauten Sprechens am Anfang und vor allem am Ende der Videos dar. Wie bereits angedeutet, haben die Videos die aktivierende Wirkung am Ende der Videos gemeinsam. Diese kommt häufig in Form von Grußformeln, jedoch aber auch in Form von Text- und Bildeinblendungen vor. Bei der kommunikativen Wirkungsweise ist eine weitere Gemeinsamkeit, dass von den YouTubern eine Wirkungsart fokussiert wird. So beispielsweise die informative Wirkung im Video „10 WHATS APP FACTS!“, die selbstoffenbarende Wirkung in den Videos mit den peinlichen Fotos und die wertschätzende Wirkung in den Videos mit den beantworteten Zuschauerfragen. Als weitere Gemeinsamkeit kann das schnelle Sprechtempo gezählt werden. In ausnahmslos allen analysierten Videos wird wesentlich schneller als 120 Wörter pro Minute gesprochen, was aufgrund vordefinierten Referenzwerten einem sehr schnellen Sprechtempo entspricht. Schaut man das Gesamtbild an, ist zu erkennen, dass immer dieselben Analysekriterien anzutreffen sind. So werden von den YouTubern die selbstoffenbarende, die wertschätzende und die aktivierende Wirkung immer wieder verwendet. Um diese Wirkungen zu erzielen, werden häufig dieselben Mittel verwendet: Beispielsweise peinliche Fotos oder Kindheitsfotos um eine selbstoffenbarende Wirkung zu erzielen, die Einblendung und Beantwortung von Zuschauerkommentaren um eine wertschätzende Wirkung zu erzielen und die Möglichkeit, mit einer gewissen Anzahl „Gefällt mir“ weitere Videos freizuschalten, um die aktivierende Wirkung zu erzielen. Weiter fällt auf, dass beispielsweise die Aufforderung das Video mit „Gefällt mir“ zu markieren häufig mit einem gestikulierten Daumen nach oben und Zahlen häufig mit der Anzahl aufgesteckter Finger visualisiert werden, was einer Demonstrativgestik entspricht.
Auch die erhöhte Sprechlautstärke und das laute Sprechen stellen immer wieder vorkommende Wirkungsmechanismen in Mittelteilen der Videos dar und können als Gemeinsamkeit gewertet werden. Alle übrigen Analysekriterien wurden in den analysierten Videos stark vernachlässigt, was gleichzeitig eine letzte Gemeinsamkeit darstellt.

15.3.5 Unterschiede

Unterschiede wurden bei der Begrüßung und Verabschiedung vor allem in der Art und Weise, wie diese umgesetzt werden, festgestellt, da einige YouTuber dies mittels persönlicher Ansprache und andere mittels Einblendungen machen. Auch bei der Gestik liegen die Unterschiede hauptsächlich darin, wie die Gestik aussieht und nicht ob sie gemacht wird. So sieht beispielsweise die Betonungsgestik bei jeder Person etwas anders aus. Weiter wurden Unterschiede in der Konstanz der verschiedenen YouTuber festgestellt. Bei einigen YouTubern, wie beispielsweise Bianca Heinicke, ist starke Konstanz darin erkenntlich, dass die Zuschauer immer persönlich begrüßt und verabschiedet werden. Dagegen wird dies bei ApeCrime sehr unterschiedlich gemacht. Einer der größten Unterschiede liegt darin, dass die Inhalte der Videos sehr verschieden sind, was jedoch nicht Teil der definierten Analysekriterien darstellt. So sind beispielsweise die Videos bei ApeCrime eher schauspielerisch aufgebaut, hingegen diejenigen bei BibisBeautyPalace und Dagi Bee eher vlog-mäßig.

15.4 Fazit, Reflexion und Ausblick

Das Ziel der Ausarbeitung war es, mittels Recherche und visueller und auditiver Analyse von YouTube-Videos der erfolgreichsten deutschen Social Influencer herauszufinden, welche Faktoren dazu führen, dass Social Influencer Communities von mehreren Tausend bis Millionen Menschen aufbauen, durch diese als Vorbilder und Meinungsmacher angesehen werden und dabei ein Beziehungsverhältnis entsteht. Dabei wurden die Videos anhand visueller und auditiver Analysekriterien nach deren Muster, Gemeinsamkeiten und Unterschieden untersucht. Anschließend wurden die Wirkungsmuster ausgewertet und die erkenntlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgehalten.
Es wurde herausgefunden, dass die kommunikativen Wirkungsweisen, die Gruß- und Abschiedsformel, die Mimik, die Gestik sowie die Sprechlautstärke und das Sprechtempo Stile der Social Influencer auf YouTube darstellen, mit denen sie eine parasoziale Beziehung mit den Zuschauern aufbauen. Es zeigte sich, dass die selbstoffenbarende, die wertschätzende und die aktivierende Wirkung bei den kommunikativen Wirkungsweisen am wichtigsten sind. Die selbstoffenbarende Wirkung ist ein wichtiger Bestandteil für die Entstehung einer parasozialen Beziehung des Zuschauers zum YouTuber, da man diesen dadurch besser kennenlernt, wie dies beispielsweise mittels Zeigen von Kindheitsfotos passiert. Es entsteht eine sogenannte „illusion of face-to-face relationship“. So fühlt sich der Zuschauer direkt vom YouTuber angesprochen, obwohl dieser eigentlich zu einer breiten Masse spricht (Diehl 2018).
Dies stützt zugleich auch die erste Hypothese. Die Gruß- und Abschiedsformeln verstärken dabei diesen Effekt. Auch die häufig vorkommende wertschätzende Wirkung hat darauf einen wichtigen Einfluss. Sie wird beispielsweise damit erzielt, dass in den Videos Kommentare der Zuschauer eingeblendet werden, diese dabei namentlich erwähnt werden, und ihre Fragen im Anschluss beantwortet werden. Eine Interaktion zwischen YouTuber und Zuschauer entsteht, wobei diese jedoch sehr asymmetrisch ist, da der YouTuber meistens nicht in der Lage ist, alle Reaktionen und Kommentare zu beobachten und zu beantworten. Das schmälert aber nicht den Effekt bei den Zuschauern (Diehl 2018). Durch die aktivierende Wirkung erhält der Zuschauer das Gefühl einflussreich zu sein. Diese Wirkung wird häufig mittels Aufforderung für ein „Gefällt mir“ des Videos, ein Abo des Kanals oder Partner-Kanals oder eines Kommentars erreicht. So können die Zuschauer dabei mit einer gewissen Anzahl an „Gefällt mir“ weitere Videos freischalten und haben somit einen Einfluss auf das Handeln der YouTuber. Dies stützt auch wieder die erste Hypothese.
Weiter wurde festgestellt, dass die Mimik „Freude“ einen oft vorkommenden Stil darstellt. Durch die Mimik „Freude“, also dem Lachen oder fröhlichen Gesichtsausdruck, entsteht auch beim Zuschauer ein Gefühl von Freude, denn: „Beobachten wir Mitmenschen beim Lachen, aktivieren sich im Gehirn die Regionen, die aktiv sind, wenn wir selbst lachen. Das bereitet uns darauf vor mitzulachen“ (Papousek 2016). Es entstehen also Glückgefühle beim Schauen der YouTube-Videos der Influencer. Dabei stützt dies indirekt die dritte Hypothese. Die Gestik verleiht dabei dem Gesprochenen Lebendigkeit und Überzeugungskraft und lässt den YouTuber kompetenter und glaubwürdiger erscheinen. Laut einer Studie vom Institut für Demoskopie kann nämlich die Körpersprache gesprochenen Text wesentlich beeinflussen und so beispielsweise auch weniger überzeugende Inhalte überzeugend wirken lassen (Institut für Demoskopie Allensbach 2006).
Bei der Analyse wurde herausgefunden, dass alle untersuchten Influencer gemäß Rhetores ein schnelles Sprechtempo aufweisen (Rhetores – Akademie der Sprecher). Das schnelle Sprechtempo trägt dazu bei, dass die YouTuber kompetenter, sympathischer und interessanter wahrgenommen werden (Giles 1994). Es hinterlässt einen positiv wertenden Eindruck beim Zuhörer (Sendlmeier 2012). Die zweite Hypothese wird also an diesem Punkt gestützt. Weiter wurde ersichtlich, dass lautes Sprechen ein oft vorkommender Stil ist. Wie das schnelle Sprechen, hat auch das laute Sprechen eine positive Wirkung auf die Zuhörer, denn der Psychologe Howard Giles bewies, dass Menschen, die schnell und laut sprechen, als kompetenter, sympathischer, klüger, besser aussehend und interessanter wahrgenommen werden (Giles 1994), was gerade am Anfang und Ende eines Videos für den ersten und letzten Eindruck wesentlich ist. Was abschließend die zweite aufgestellte Hypothese stützt.
In der Theorie wurde deutlich, dass die Interaktion mit der Community ein wichtiger Aspekt für das Entstehen einer parasozialen Beziehung darstellt. Dies wurde im empirischen Teil anhand von Beispielen gezeigt. Durch das Aufgreifen und Beantworten der Zuschauerkommentare wurde einerseits eine wertschätzende und andererseits eine selbstoffenbarende Wirkung erzielt. Beides trägt zum Entstehen einer solchen Beziehung bei. Weiter besagt die Theorie, dass das Storytelling der Influencer die Verbindung zwischen der Marke oder dem Produkt und dem Konsumenten schafft. Storytelling stellt also eine Verbindung her, welche allein durch das Unternehmen nicht machbar wäre. Vergleicht man diese Aussage mit den analysierten Dimensionen, kann man durchaus sagen, dass die selbstoffenbarende Wirkung als Storytelling gewertet werden kann. Diese Wirkungsweise wurde insgesamt 117-mal codiert, hat also durchaus seine Wichtigkeit in den 18 analysierten Videos. Im Zusammenhang mit dem Storytelling und der Identifikation mit dem Influencer wird zusätzlich die Authentizität in der Theorie stark gewichtet. Auch hier kann wieder die selbstoffenbarende Wirkungsweise als Beispiel betrachtet werden. Dadurch, dass die Influencer in den Videos mittels Kindheitsfotos, persönlicher Erfahrungen und Geschichten etliches von sich selbst preisgeben, entsteht gegenüber den Zuschauern eine Glaubwürdigkeit und Authentizität.
Für weitergehende Forschungsarbeiten könnten andere Analysedimensionen in die Forschung integriert werden, wie bspw. Kameraperspektive, Licht, Aussehen des Protagonisten und Inhalte der Videos und das Nachholen der Analyse der emotional-offenen Wirkung. Zudem wäre es interessant, genauer zu erforschen, warum die selten vorkommenden Analysekriterien von den Influencern nicht oder nur selten eingesetzt werden. Es wäre zudem spannend zu untersuchen, welche der analysierten Stile absichtlich eingesetzt werden und welche nicht. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte ein Vergleich zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Influencern interessant sein.
Da das Konzept „Social Influencer“ aus zwei Parteien besteht und in dieser Arbeit nur jene der Social Influencer selbst untersucht wurde, wäre es interessant, die Seite der Fans, Abonnenten und Zuschauer besser zu untersuchen. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob die Zielgruppe der Influencer diese als Vorbild sehen, weil diese Charaktereigenschaften aufweisen, welche sie bei sich selbst unterdrücken oder gerne hätten. So bieten sich auch in Zukunft vielfältige Forschungsmöglichkeiten in diesem Gebiet. Dies gerade deshalb, weil vermutet wird, dass das Thema Social Influencer auch in Zukunft aktuell sein wird, da immer mehr Unternehmen darauf aufmerksam werden und sich diesen Marketingkanal zunutze machen wollen.
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Metadaten
Titel
Social Influencer
verfasst von
Jonas von Rotz
Kim Oliver Tokarski
Copyright-Jahr
2020
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26960-9_15

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