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05.10.2021 | Synthetische Kraftstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Für Bestandsfahrzeuge sind E-Fuels erforderlich

verfasst von: Christiane Köllner

6:30 Min. Lesedauer

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E-Mobilität alleine reicht nicht: Ohne E-Fuels lassen sich die Klimaziele nicht erreichen. EU-Regularien bremsen alternative Kraftstoffe jedoch aus. Dabei wären sie vor allem eine Lösung für Bestandsfahrzeuge. 

Nördlich von Punta Arenas im chilenischen Patagonien entsteht seit Kurzem eine Industrieanlage zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels. Mithilfe von Windstrom spalten dafür Elektrolyseure Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Anschließend wird CO2 aus der Luft gefiltert und mit dem Wasserstoff zu synthetischem Methanol kombiniert, das wiederum in E-Fuel umgewandelt wird.

Die Pilotanlage soll 2022 rund 130.000 l E-Fuels erzeugen. In zwei Stufen plant man, die Kapazität bis 2024 auf rund 55 Millionen l E-Fuels und bis 2026 auf rund 550 Millionen l E-Fuels zu erweitern. Gebaut wird die Anlage unter anderem von Porsche, Siemens Energy und Exxon Mobil. Porsche will die E-Fuels ab 2022 im Motorsport einsetzen. 

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01.04.2021 | Titelthema

"E-Fuels nur in Flugzeugen oder Schiffen einzusetzen, ist unsinnig"

Die Förderung von Wasserstoff und die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen aus Wasserstoff und CO 2 ist ein Weg zu einer effektiven Reduzierung der Emissionen des Verkehrs. Die Hürden auf dem Weg zu einer Industrialisierung sind aber enorm hoch. Im Interview zeigt Elmar Kühn, Hauptgeschäftsführer des Uniti Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e. V., Wege hin zur Marktreife von alternative Kraftstoffen und mögliche wirtschaftliche Produktionsverfahren auf.

Die Unternehmen wollen so den alternativen Kraftstoffen, trotz aller Ambitionen im Bereich der Elektromobilität, zur Marktreife verhelfen. Sie sehen darin die Möglichkeit, einen Beitrag zur Dekarbonisierung im Verkehrs- und Transportsektor zu leisten und die Chance für mehr politische Akzeptanz der synthetischen Kraftstoffe. Denn der Verbrennungsmotor an sich ist nicht das Problem, sondern der fossile Kraftstoff. Mit E-Fuels könnte die bewährte Technologie des Verbrennungsmotors weiter Anwendung finden – quasi als klimaneutraler Verbrenner, der Kraftstoffe tankt, die aus regenerativen Energien stammen. 

E-Fuels statt fossiler Kraftstoff

Dafür plädiert auch die E-Fuel-Alliance, ein Zusammenschluss von über 150 Unternehmen, Institutionen, Verbände sowie Einzelpersonen entlang der gesamten E-Fuels-Wertschöpfungskette, zu dem auch Siemens Energy und Exxon Mobil gehören. "Ein simples Verbot aller Neufahrzeuge mit Verbrenner wird keinesfalls die richtige Lösung sein. Vielmehr muss es darum gehen, fossile Verbrennungsmotoren zu verbieten", so Ralf Diemer, Geschäftsführer der E-Fuel-Alliance bei einem Pressegespräch mit Medienvertretern. Wichtig sei, zwischen "grünen" und "fossilen Verbrennern" unterscheiden.

Wenn fossile Verbrenner verboten werden sollen, müsse nachgewiesen werden, dass ab einen gewissen Zeitpunkt alle neuen Verbrenner nachweislich vollständig mit erneuerbaren Kraftstoffen versorgt werden, so die E-Fuel-Alliance. Die dafür entscheidende Regulierung sei die EU-weite CO2-Flottenregulierung für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, die aktuell im Rahmen des europäischen "Green Deals" überarbeitet wird. Ein Verbot des "fossilen Verbrenners" funktioniere nur, wenn sich die neue Bundesregierung dafür in Brüssel einsetze, dass die CO2-Reduktion von erneuerbaren Kraftstoffen in dieser Regulierung berücksichtigt wird.

Die derzeitige Regulierungslogik der Europäischen Union (EU) zwingt die Hersteller quasi dazu, ausschließlich in E-Mobilität zu investieren. Gegenwärtig gilt ein Elektroauto, das mit 100 % Kohlestrom fährt, als klimaneutral und förderfähig, weil es lokal kein Gramm CO2 ausstößt. Andererseits basiere, so Diemer, die Besteuerung von Trägermedien immer auf noch ihrer Energiedichte und nicht auf dem CO2-Fußabdruck. Für mehr Investitionen in E-Fuels sei auch eine Anrechenbarkeit auf die Treibhausgas (THG)-Minderungsquote wichtig.

Anrechnung von E-Fuels in der CO2-Flottenregulierung

Wie ein geeignetes Anrechnungsmodell für erneuerbare Kraftstoffe in EU-Flottenregulierung aussehen könnte, hat die E-Fuel-Alliance im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erarbeitet. Mit einer Anrechnung von erneuerbaren Kraftstoffen in der CO2-Flottenregulierung neuer Pkw und leichter Nutzfahrzeuge lässt sich zwischen "grünen" und "fossilen Verbrennern" unterscheiden. Das Modell sei eine freiwillige Option, ein Automobilhersteller könne es nutzen, müsse es aber nicht. "Erfüllt er sein CO2-Flottenziel nicht, weil er nicht genügend E-Fahrzeuge absetzen kann oder handelt es sich um Anwendungen, wo die Elektrifizierung für den Kunden die schlechtere Wahl darstellt (z.B. für die Langstrecke oder im Schwerlastverkehr), dann kann er sein CO2-Flottenziel durch Investitionen in erneuerbare Kraftstoffe durch das Anrechnungsmodell trotzdem erreichen", heißt es in einer Mitteilung der E-Fuel-Alliance. Wichtig sei, dass nur zusätzliche erneuerbare Kraftstoffmengen genutzt werden, sodass nachweislich Investitionen in wichtige Zukunftstechnologien wie synthetische Kraftstoffe stattfinden. 

"Mit dem Anrechnungsmodell von erneuerbaren Kraftstoffen wird auf der einen Seite ein fairer Wettbewerb zwischen dem grünen Verbrenner, dem Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeug aufgebaut, auf der anderen Seite erhält die deutsche Automobilindustrie eine zusätzliche Option zum Erreichen der Klimaziele", sagt Diemer. "Außerdem wird den Kunden eine weitere Option eröffnet, mit Verbrennungsmotoren, die den Großteil der Bestandsflotte ausmachen, klimaneutral mobil zu sein." 

Bestandsfahrzeuge in Klimabemühungen einbeziehen

Und genau hier liegt ein großer Vorteil der E-Fuels. Ein Verbot für Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren hätte nur geringfügige Auswirkungen auf die bis dahin erreichte Flotte an Bestandsfahrzeugen. Laut Berechnungen von Bjoern Noack, Director Sustainable Mobility Strategy bei Bosch, werden um das Jahr 2030 noch rund 80 % der im Verkehr zugelassenen Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sein, trotz eines steigenden Anteils an rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Die Verweildauer im Markt sei sehr hoch, so Noack auf dem 15. Berliner Automobildialog, der vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) am 20. September ausgerichtet wurde. 

Diese Bestandsfahrzeuge benötigten rund 200 Millionen t Kraftstoff jährlich. Es gehe darum, diese Menge sukzessive durch E-Fuels zu ersetzen. Denn ohne synthetische Kraftstoffe seien die Klimaziele nicht zu erreichen, so Noack. Porsche gibt zum Beispiel an, dass rund 70 % aller jemals gebauten Porsche heute noch auf den Straßen unterwegs sind. Rund 1,3 Milliarden Fahrzeuge sind weltweit im Bestand, in Deutschland sind es circa 59 Millionen. Das macht deutlich, wie sehr dem Fahrzeugbestand eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaziele zukommt. Wie kann dieser aber schnell sauber werden?

Energieverteilung ist das Problem

Leider ist die Herstellung von E-Fuels sehr energieintensiv. Setzt man nur erneuerbare Energien ein, reicht das Potenzial in Deutschland nicht aus. Das bedeutet wiederum, dass E-Fuels in anderen Ländern, also in wind- und sonnenreichen Regionen, hergestellt werden müssen, um sie dann nach Deutschland zu importieren.

Nach Ansicht von Elmar Kühn liegt das Hauptproblem aber nicht in der Herstellung von sauberer Energie, denn in vielen Regionen der Welt gebe es mehr als genug Wind und Sonne. Vielmehr müsse die Energieverteilung besser organisiert werden, meint der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes mittelständischer Mineralölunternehmen Uniti auf dem 15. Berliner Automobildialog. Deutschland sei auf Importe von erneuerbaren Energien angewiesen. Und dieser Import könne überhaupt erst durch E-Fuels als Energieträger wirtschaftlich gestaltet werden. 

Ein besonderer Vorteil von synthetischen Kraft- und Brennstoffen liegt darin, dass sie leicht transportiert werden können. Reiner Wasserstoff benötigt dagegen für Lagerung und Transport sehr hohe Drücke oder niedrige Temperaturen – die notwendige Infrastruktur ist global dafür nicht vorhanden", so Kühn im Interview "E-Fuels nur in Flugzeugen oder Schiffen einzusetzen, ist unsinnig" aus der MTZ 5-6-2021

Ein weiterer Pluspunkt der Kraftstoffe sei, dass sie nicht nur in Pkw, sondern auch in allen anderen Verkehrsträgern verwendet werden können. Sie seien weltweit einsetzbar und könnten die weltweit bestehenden Infrastrukturen nutzen. Mittelfristig sollen sie sich auch für rund 1 € / l herstellen lassen.

Elektromobilität und E-Fuels nicht gegeneinander ausspielen

Festzuhalten bleibt: Elektromobilität und E-Fuels sollten nicht gegeneinander augespielt werden. "Vielmehr ist es wichtig zu verstehen, dass es verschiedene Möglichkeiten für eine Treibhausgasminderung gibt", sagt David Bothe, der eine FVV-Metastudie zur Lebenszyklusanalyse alternativer Antriebe erstellt hat, im Report Ökobilanzen – Strittig, aber alternativlos aus der ATZelektronik 4-2021. Ein Mix von Antriebstechnologien könne bei fairen Marktbedingungen deswegen am besten zum THG-Vermeidungsziel beitragen. Wasserstoff und regenerative Kraftstoffe ergänzen die Elektromobilität für ein klimaneutrales Verkehrssystem. Derzeit sind aber regenerative Kraftstoffe die einzige Option, die aktuelle Bestandsflotte sauberer zu machen. 

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