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25.06.2014 | Unternehmensstrategie | Interview | Online-Artikel

"Es ist notwendig, Flagge zu zeigen"

verfasst von: Anja Schüür-Langkau

7:30 Min. Lesedauer

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Fußball und gesellschaftliche Verantwortung gehören zusammen. Das haben die Ausschreitungen in Brasilien im Vorfeld der WM und die Diskussionen um Menschenrechtsverletzungen in Katar deutlich gezeigt. Dabei geht es um die Glaubwürdigkeit des gesamten Fußballs, sagt der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger. Im Interview erläutert er die Maßnahmen und die Nachhaltigkeitsstrategie der FIFA.

Springer für Professionals: Herr Zwanziger, die WM in Brasilien hat gerade begonnen und in der Öffentlichkeit wird intensiv über das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung der FiFA in den Gastgeberländern diskutiert. Wie nachhaltig agiert die FIFA?

Theo Zwanziger: Die FIFA erkennt ihre Verantwortung, die über das Spiel hinausgeht in Sachen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung an. Neben den bereits seit mehreren Jahrzehnten bestehenden Entwicklungsprogrammen, hat die FIFA seit 2005 eine eigene Corporate Social Responsibility (CSR) Abteilung, die Programme und Kampagnen zum Thema Nachhaltigkeit entwickelt und realisiert, wie etwa „Green Goal“ oder „20 Zentren für 2010“ im Rahmen der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010™. Seither hat die FIFA ihre Anspruchsgruppen und lokalen Organisationskomitees (LOC) in dieser Hinsicht ermutigt und ist gemeinsam engagiert, wobei gerade in Brasilien die erste umfassende Nachhaltigkeitsstrategie für eine FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ umgesetzt wird.

Die „Balance zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Anliegen“ wurde als eines der Ziele im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie definiert. Wie weit konnte die FIFA dieses Ziel in Brasilien schon umsetzen?

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Seit der Entstehung der Abteilung für Soziale Verantwortung der FIFA im Jahr 2005, hat die FIFA ihre Aktivitäten in dieser Hinsicht ausgebaut und gestärkt, insbesondere für die Austragung aller FIFA Wettbewerbe. Für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ 2014 hat die FIFA gemeinsam mit dem brasilianischen Organisationskomitee erstmals eine umfassende Strategie entwickelt und umgesetzt. Diese Strategie wurde der Öffentlichkeit anlässlich des Rio +20 United Nations Summit on Sustainable Development im Juni 2012 vorgestellt. Einige der darin enthaltenen Aktivitäten sind bereits abgeschlossen, viele sind in vollem Gange insbesondere solche die einen direkten Bezug zur FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ haben. Bisher laufen alle Aktivitäten planmäßig und werden im Nachhaltigkeitsreport nach Ende der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™, voraussichtlich Ende 2014, veröffentlicht.

Zu den weiteren Zielen dieser Nachhaltigkeitsstrategie zählen Themen wie umweltfreundliche Stadien, Abfallmanagement und Minderung von CO2-Emissionen. Wie weit ist der Weltfußballverband bei der Umsetzung dieser Themen?

Eine Reihe von Maßnahmen, die angekündigt wurden, haben bereits konkrete Ergebnisse gezeigt:

Alle zwölf Stadien haben das Konzept der Nachhaltigkeit bereits seit der Bauphase einbezogen. Nach Angaben der brasilianischen Regierung, haben alle Stadien bereits die LEED-Zertifizierung erhalten oder sind dabei diese zu erlangen. Aufbauend auf diesen Bemühungen, haben die FIFA und das LOC für alle Stadionbetreiber ein Training auf nachhaltige Bewirtschaftung von Stadien angeboten, um ein hohes Maß an Nachhaltigkeit während und auch nach der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ zu gewährleisten. Dieses Programm wurde im Februar 2014 erfolgreich abgeschlossen. Das in Partnerschaft mit Coca Cola entwickelte Abfallmanagement wurde bereits bei dem FIFA Konföderationen-Pokal 2013 umgesetzt und resultierte in der Sammlung von 70 Tonnen Wertstoff. Für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ ist vorgesehen, dass insgesamt 320 Tonnen Wertstoffe gesammelt und in allen 12 Stadien durch Teams von lokalen Abfallsammler-Genossenschaften entsprechend behandelt. Die FIFA und das LOC haben gerade zertifiziert-kohlenstoffarme Entwicklungsprojekte in Brasilien ausgewählt um 100 Prozent ihrer eigenen operativen Emissionen im Zusammenhang mit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ aufzuheben. Darüber hinaus hat die FIFA eine Sensibilisierungskampagne für Ticket-Inhaber gestartet, um sie bei der Kompensation ihrer eigenen Reise-Emissionen zu unterstützen.

Welche Verantwortung haben in diesem Kontext aus Ihrer Sicht Unternehmen, die die WM als Sponsoren begleiten?

Die Rolle der Sponsoren ist wichtig und wird von den beteiligten Unternehmen auch als eigenen Verantwortung aufgefasst. Für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ 2014 wurden mehrere Nachhaltigkeitsinitiativen in Zusammenarbeit mit unseren Partner und Sponsoren entwickelt. Dies war zum Beispiel der Fall bei dem Abfallmanagement dass mit Coca Cola Brasilien entwickelt wurde, bei dem Emissionsausgleich-Projekt welches in Zusammenarbeit mit BP Target Neutral durchgeführt wird, bei der Ausbildung von jungen Gemeindeführer mit adidas und Sony oder auch bei der Förderung von erneuerbaren Energien zusammen mit Solar-Yingly.

Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeitsstrategie bei den Vergabeverfahren der WM ?

Mit dem Vergabeverfahren für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ 2018 und 2022 hat die FIFA zusätzliche Anforderungen in Bezug auf die Nachhaltigkeitspläne der Bewerber-Länder integriert. Alle wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekte sollten in der Bewertungsphase zusammen betrachtet werden. Die FIFA ist davon überzeugt, dass die bereits erreichte Integration des Nachhaltigkeitsgedanken in den Bieterverfahren auch weiterhin in der Zukunft an Bedeutung gewinnt. In der Zukunft wird Nachhaltigkeit eine immer wichtiger werdende Rolle bei der Bewerbung, der Planung und Umsetzung von großen Sportveranstaltungen auf der ganzen Welt spielen.

Die WM-Vergabe an Katar 2022 ist ja sehr umstritten und wurde unter anderem von Ihnen öffentlich kritisiert. Welche Auswirkungen haben die Missstände im Land auf das Image der FIFA als nachhaltig agierende Institution?“

Die FIFA integrierte Anforderungen im Hinblick auf die Nachhaltigkeitspläne aller Bewerber-Länder in das Vergabeverfahren für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ 2018 und 2022. Katars Bewerbung enthielt eine Reihe von interessanten Initiativen in diesem Bereich, vor allem in Bezug auf ihr Engagement für eine klimaneutrale Veranstaltung. Was die sozialen Aspekte und insbesondere die Bedingungen der Arbeitnehmer betrifft, glaubt die FIFA, dass die Organisation der Fußball-Weltmeisterschaft™ in Katar ein Katalysator für positiven sozialen Wandel in dem Land sowie der gesamten Region ist. Wir stellen zudem fest, dass die komplexe Frage der Arbeitsbedingungen in Katar mittlerweile, auch Dank der internationalen Aufmerksamkeit aufgrund der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ 2022 auf einen richtigen Weg gebracht wurde und die lokale Regierung bereits wesentliche Zugeständnisse zu Gunsten ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemacht hat. Meines Erachtens gilt es nun, diesen Weg weiter zu gehen und weitere Fortschritte zu erzielen.

Wie stehen persönlich zur Vergabe der Fußballweltmeisterschaft an Katar?

Die diesbezügliche Entscheidung fiel, noch bevor ich im Exekutivkommitee der FIFA war – sie wäre allerdings sicherlich auch dann nicht anders gefallen, obwohl Katar meine Stimme nicht erhalten hätte. Über generelle Überlegungen hinaus, ob die Entscheidung sinnvoll war, wird die Diskussion inzwischen durch Berichte angeheizt, dass es in Katar beim Bau der Stadien zu massiven Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. Als unmittelbar Beteiligter an den internen Diskussionen des FIFA-Exekutivkomitees war ich zunächst mehr als überrascht über die Breite des Meinungsspektrums in genau dieser Frage – im Übrigen keineswegs beim FIFA-Präsidenten, der seiner Position eindeutig Ausdruck verleiht: „Wir können uns nicht drücken. Wir müssen auch als Fußballer, selbst wenn es sich um Baumaßnahmen von Seiten Dritter handelt, als Organisationskomitee vor Ort klar Stellung beziehen und Verantwortung übernehmen für das, was dort passiert.“ Diese Flagge zu zeigen ist notwendig, weil eine klare Position das Bewusstsein bildet. Gewiss hat es auch Stimmen gegeben, die mir meine klare Stellungnahme in dieser Sache verübelt haben. Aber gerade diese Stellungnahme war und ist meiner Ansicht nach wichtig, weil die Glaubwürdigkeit des gesamten Fußballgeschehens auch davon abhängt, ob die Funktionäre nur schöne Sonntagsreden schwingen und Preise ausloben, oder ob sie auch in unbequemen Situationen Flagge zeigen

Werden Sie das Thema innerhalb der FIFA weiter begleiten?

Ja. Als FIFA-Exekutivmitglied bin ich von FIFA-Präsident Sepp Blatter mit der Koordination der erforderlichen Gespräche zu den Arbeitsrechten in Katar beauftragt worden und um Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gastgeberland der WM 2022 bemüht. Ich unterstütze das Versprechen der FIFA, die Angelegenheit mit allen maßgebenden Parteien, einschließlich Gewerkschaften wie dem Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI), zu erörtern, um umsetzbare und nachhaltige Lösungen zu finden. Wir müssen weiter intensiv zusammenarbeiten, um die von den zuständigen katarischen Behörden eingeleiteten Schritte zu unterstützen.

Zur Person

Dr. Theo Zwanziger gehörte seit 2001 dem Präsidium des DFB an. Seit Oktober 2004 zeichnete er als Geschäftsführender Präsident des größten deutschen Sportverbandes verantwortlich. Von 1992 bis 2001 war er Vorstandsmitglied des DFB, von 1992 bis 2001 Vorsitzender des Fußball-Verbandes Rheinland, von 2001 bis 2004 Schatzmeister des DFB, von 2004 bis 2006 Geschäftsführender Präsident des DFB und von 2001 bis 2012 Präsidiumsmitglied des DFB. Von 2003 bis 2006 war er OK-Vizepräsident (Verantwortungsbereiche: Allgemeine Organisation, Recht, Finanzen, Personal) und von 2006 bis 2012 Präsident des DFB. Seit 2009 ist er Mitglied des UEFA-Exekutivkomitee und seit 2011 Mitglied des FIFA-Exekutivkomitee.

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