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06.04.2014 | Vertriebskanäle | Schwerpunkt | Online-Artikel

Vertriebsweg Händler auf dem Prüfstand

verfasst von: Gabi Böttcher

3:30 Min. Lesedauer

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Um neue Kunden anzusprechen, testen Autohäuser derzeit Verkaufskonzepte abseits des klassischen Autohauses. Die Händler sind beunruhigt. Zu Recht? Ein Kommentar.

Online-Shop, temporäre Läden, Vorzeige-Filialen im Caféhaus-Stil: Daimler-Chef Dieter Zetsche kündigte auf dem Autosalon in Genf eine Zeitenwende im Vertrieb seiner Edelkarossen an. Die schwäbischen Autobauer wollen neue Kunden künftig auf Wegen erreichen, die über das klassische Autohaus hinausgehen. Das Internet soll eine maßgebliche Rolle dabei spielen. Die Kunden können in Zukunft ihr Wunschmodell mit dem Stern auf der Kühlerhaube im eigenen Wohnzimmer zusammenstellen. Und insgesamt will man bei Daimler das Nobelimage der Marke auch im Vertrieb stärker repräsentiert sehen. Statt ein profanes Autohaus zu betreten, kann zumindest der Hamburger Kunde den gerade eröffneten ersten "Mercedes me"-Laden am Ballindamm aufsuchen und in eleganter Lounge-Atmosphäre chillen und nebenbei chice Autos checken. Zeitgleich veräußert der Konzern eigene Standorte und plant die Zusammenlegung von Niederlassungen.

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Was Daimler derzeit in Angriff nimmt, ist auch für andere Hersteller zumindest im Premium-Segment ein Thema: Auch bei BMW steht das Niederlassungsnetz auf dem Prüfstand, während gleichzeitig der Autokauf vom heimischen Sofa aus vonstatten gehen soll. "Future Retail" nennt sich der ambitionierte Plan, mit dem die bayerischen Autobauer dem Internet als Absatzkanal mehr Schubkraft geben wollen. Und mit einem digitalen Autohaus zum Beispiel will Audi seine Zielgruppe bezirzen - in der "Audi City" können sich die solventen Kunden in spe jedes Modell auf Großleinwand vorführen lassen. Zur Probefahrt wird das ausgewählte Gefährt dann vor die Haustür gestellt.

Ende der Autohäuser?

Begleitet werden die neuen Konzeptideen und Vertriebsmodell-Szenarien indes von lautstarkem Wehgeschrei. Marktexperten prophezeien bereits das Ende der Autohäuser am Stadtrand. Da werden unweigerlich Erinnerungen wach an die Ankündigung des Lufthansa-Managements vor zwei Jahrzehnten, ihre Tickets zukünftig nicht mehr über den traditionellen Vertriebsweg Reisebüro abzusetzen, sondern dem Kunden auch die Möglichkeit zu bieten, Flüge online zu buchen. Undenkbar, dass Vielflieger auf den Service eines Reisebüros verzichten und sich selbst um die Abwicklung ihrer Reisebuchung kümmern sollten. Undenkbar damals - heute eine Selbstverständlichkeit. Sogar den Check-in nehmen inzwischen keine freundlichen Hostessen am Flughafen mehr vor. Das erledigt Herr oder Frau Vielflieger am am Tag vor Abflug online oder an einem der Check-in-Automaten in der Schalterhalle.

Fakt ist: Die Digitalisierung schreitet auch im Vertrieb unaufhaltsam voran. Online ist zum wichtigen, zum unverzichtbaren Absatzkanal geworden. Die Lufthansa war in Deutschland einer der Pioniere des digitalen Absatzes und hat den Autohäusern auf diesem Gebiet rund 20 Jahre Erfahrungsvorsprung. Ein Pure-Online-Händler ist die Kranich-Linie aber trotzdem nicht geworden, zumindest nicht ganz. Es hat fast etwas Beruhigendes, dass man sein Ticket auf Wunsch immer noch im Reisebüro kaufen kann. Online-Handel-Experte Gerrit Heinemann plädiert deshalb dafür, auch in der Internet-Aera den Kunden mehrere Vertriebskanäle zur Verfügung zu stellen und ihnen damit die Möglichkeit zum Channel-Hopping zu geben - auch im Interesse des Unternehmens. In seinem Buch "Der neue Online-Handel" stellt Heinemann im Kapitel "Risk-Benefit und Mythen im Online-Handel" (S. 255-273) die These auf: "Haben Kunden keine Möglichkeit zum unbeschwerten Channel-Hopping, kann das Unternehmen auch nicht davon profitieren und sogar eher Imageschädigung davontragen. Folge ist eine nachhaltige Kundenunzufriedenheit, die sich nur noch schwer korrigieren lässt. Das Handelsunternehmen muss auf allen Kanälen seine kompletten Produkte und Services anbieten können, sonst verliert es an Glaubwürdigkeit"

Sicher wird es Menschen geben (vielleicht gibt es sie ja bereits), die sich ihr Wunsch-Auto am heimischen PC zusammenstellen und direkt beim Hersteller bestellen. Aber es soll auch haptisch veranlagte Konsumenten geben, für die es beim Autokauf einfach dazugehört, mit den Fingern über den Lack zu streichen, auf dem ergonomischen Ledersitz Platz zu nehmen, die Abstände zu Lenkrad oder Armaturenbrett eigenhändig zu prüfen, sich vom Geräusch des Motors inspirieren zu lassen ... Für solche Kunden muss es Autohäuser geben. Auch in Zukunft. Sonst suchen sie sich eines - und sei es eines vom Wettbewerber.

Zur Person
Gabi Böttcher verantwortet als Portalmanagerin den Bereich Vertrieb auf Springer für Professionals und leitet die Verlagsredaktion der Zeitschrift Sales Management Review.
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