Strafrechtliche Analyse der Umsatzsteuerhinterziehung und ihre Bekämpfung

Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich momentan¹ in der wirtschaftlich schwierigsten Situation seit ihrer Gründung. Die Arbeitslosigkeit steigt auf bisher unbekannte Ausmaße², die Sozialsysteme kollabieren³ und aufgrund immer höherer Neuverschuldung mit ständig steigender Zinslast droht dem Staat die Zahlungsunfähigkeit⁴. Ein Ende des Abwärtstrends ist nicht ersichtlich. Um die Wirtschaft wiederzubeleben, sollen Steuersenkungen herhalten, deren Finanzierbarkeit angesichts leerer Kassen fraglich ist und die deshalb weitestgehend kreditfinanziert geschehen sollen⁵. Die politischen Parteien jeder Richtung überbieten sich gleichzeitig gegenseitig mit immer neuen Vorschlägen zu einer möglichen teilweisen Gegenfinanzierung in einer bisher nie dagewesenen Reformdiskussion, scheitern jedoch analtbekannten Problemen bzw. bieten volkswirtschaftlich widerlegte Konzepte an, um Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen. Eine Kürzung von Ausgaben wird zwar allseits gefordert, allerdings aus Gründen politischer Rationalität nicht durchgesetzt.⁶ Eine signifikante Steigerung der Einnahmen durch mehr Wachstum ist angesichts der chronischen und strukturell bedingten Wirtschaftsschwäche nicht zu erwarten und würde außerdem durch die aufgrund der ständig steigenden Neuverschuldung anfallenden Zinsen aufgezehrt.⁷ Die in der Vergangenheit praktizierte Steigerung von Steuern und Abgaben ist zum einen volkswirtschaftlich aufgrund des damit verbundenen Nettowohlfahrtsverlustes nicht mehr vertretbare⁸, zum anderen politisch riskant⁹.

Die Umsatzsteuer hat historisch eine lange Tradition. Sie ist keineswegs eine Erfindung der Neuzeit, sondern reicht bis ins Altertum zurück.

Im ersten Kapitel wurden die verschiedenen gängigen Methoden der Hinterziehung von Umsatzsteuer sowie ihre Strafbarkeit und die Anwendung des allgemeinen Teils des Strafrechts untersucht. Hierbei wurde festgestellt, daß in der Praxis zahlreiche Fälle der Umsatzsteuerhinterziehung vorkommen, die die Achillesferse der Umsatzsteuer, nämlich die Trennung zwischen Vorsteuerabzug und Steuerlast ausnutzen. Hierdurch entsteht dem Fiskus ein Schaden in nicht bezifferbarer Höhe, wobei allerdings sicher ist, daß alleine Karussellgeschäfte einen Schaden in Höhe von mehreren Milliarden Euro verursachen. Der Schaden, der durch sämtliche Hinterziehungsvarianten hervorgerufen wird, liegt mit absoluter Sicherheit weit über diesem Betrag, auch wenn eine genaue Bezifferung unmöglich ist.

Im zweiten Kapitel wurde geschildert, wie der Gesetzgeber versuchte, der Umsatzsteuerhinterziehung durch Erlaß von Gesetzen Herr zu werden, ohne an der Systematik der Umsatzsteuer etwas zu ändern. Hierdurch werden allerdings lediglich Symptome kuriert, nicht aber die Ursache der Umsatzsteuerhinterziehung kuriert¹. Als Hauptübel erweist sich hierbei das Recht zum Vorsteuerabzug beim leistungsempfangenden Unternehmer, das unabhängig von der Entstehung der Umsatzsteuer beim leistungserbringenden Unternehmer besteht². Aufgrund dieser systembedingten Diskrepanz ist eine Bekämpfung der Hinterziehung mittels Maßnahmen, wie sie das StVBG trifft, nur rudimentär möglich. Aufbauend auf dieser Erkenntnis werden aktuell Bekämpfungsansätze diskutiert, die nicht lediglich auf die begangene Hinterziehung reagieren, sondern an der Wurzel der Hinterziehung in Form der geschilderten Diskrepanz zwischen Vorsteuerabzug und Umsatzsteuerschuld ansetzen. Mittels einer Systemänderung soll ein Umsatzsteuerrecht geschaffen werden, das unberechtigten Vorsteuerabzug nach Möglichkeit vermeidet und Umsatzsteuerhinterziehung damit größtenteils unmöglich macht³. Bei den momentan diskutierten Modellen handelt es sich um das sog. Mittler-Modell⁴, das Reverse-Charge-Modell⁵, das Reverse-Charge-Modell mit Gesamtschuldnerhaftung⁶ und das Österreichische Modell⁷. Diese Modelle werden im folgenden in Grundzügen dargestellt. Eine Bewertung erfolgt im Rahmen der unten gemachten Ausführungen zu einer eigenen Lösung.

Im zweiten und dritten Kapitel wurden verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der Umsatzsteuerhinterziehung vorgestellt. Dabei wurde das vom Gesetzgeber erlassene StVBG zwar als grundsätzlich positiv, letztlich jedoch ineffizient bewertet. Diese Aussage basiert auf dem vom Gesetzgeber vorgenommenen verfehlten Bekämpfungsansatz, der ausschließlich im Reagieren auf Hinterziehung ohne Bekämpfung der Ursachen besteht. Aus diesem Grund scheinen die im dritten Kapitel bisher lediglich deskriptiv dargestellten Alternativmodelle erfolgversprechender, wenngleich auch sie nicht jeglicher Kritik entzogen sind¹.