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1999 | Buch

Transatlantik

Transfer von Politik, Wirtschaft und Kultur

herausgegeben von: Sebastian Lorenz, Marcel Machill

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Danksagung

Vorwort

Die Stabilität der transatlantischen Beziehungen und die gegenseitige Attraktivität der USA und Deutschlands beruhen auf dem grundlegend demokratischen Charakter und den Wertegemeinsamkeiten der beiden Länder. Die gegenseitige Durchdringung unserer Gesellschaften wird sich in den kommenden Jahren — nicht zuletzt durch die stetig an Kapazität gewinnenden Informationstechnologien — noch verstärken. Dies gilt auch über Deutschland hinaus: Die Tatsache, daß die NATO auch in einer Zeit ohne ihre klassische raison d’être als Militärallianz so erfolgreich ist, läßt sich auf den engen Kontakt zwischen den Mitgliedsstaaten zurückfíihren; es existiert das Gefühl einer großen Gemeinschaft.

Joseph Nye

Einleitung

Frontmatter
Nicht Amerikanisierung, sondern Transfer
Ein interdisziplinärer Forschungsansatz zur Analyse der transatlantischen Beziehungen

Politik, Wirtschaft und Kultur der Welt sind längst nicht mehr amerikanisch dominiert, wenn sie es denn je waren. Was Kemiedy in einer gespannten und bipolaren Weltlage für Deutschland anmerkte, gilt längst für ein halbes Dutzend anderer wichtiger Partner der »indispensable nation« (Madeline Albright). Demioch geht eine stetige Angst vor der zunehmenden »Amerikanisierung« unserer Welt um. Die weithin Veränderung erzwingenden Revolutionen der Kommunikationstechnologien und des Welthandels, die — mal begeistert, mal haßerfüllt — als »Globalisierung« bezeichnet werden, scheinen vielen von den Vereinigten Staaten mit ihrem ungebän- digten Untemehmergeist und Profitstreben auszugehen. Die Bürger dieses »mächtigsten Staates in der Geschichte der Menschheit«, wie Bird die USA in diesem Band selbstbewußt vorstellt, sind überall auf dem Globus mit soviel Eifer um den Absatz ihrer Produkte und um die Akzeptanz ihrer extrovertierten Lebensart bemüht, daß auch stabile gewachsene Kulturen um ihren Fortbestand in Reinheit flirchten. So zumindest die bekannten Vorwürfe derer, die eine Amerikanisierung von Politik, Wirtschaft und — am schmerzvollsten — Kultur ausmachen.

Marcel Machill, Sebastian Lorenz

Transatlantische Beziehungen

Frontmatter

Die Entwicklung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses und seine Zukunft

Transatlantische Beziehungen Traditionen und Herausforderungen
Ein Gespräch mit Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt
Sebastian Lorenz, Marcel Machill
Die Bedeutung der europäischen Integration für die Beziehungen zwischen Europa und Amerika

Der Autor analysiert parallele und divergierende Interessen Europas und der Vereinigten Staaten von Amerika, die im Zuge der europäischen Integration deutlich werden. Gleichzeitig fordert er die Definition der nationalen Interessen Deutschlands: Zu diesen Interessen gehört zwar in erheblichem Maße der Einigungsprozeß Europas, sie werden durch diesen jedoch nicht erschöpfend definiert. Die Beziehungen zwischen Europa und Amerika stehen im Rahmen der Gemeinschaft gleicher Zivilisationen, gleicher Werte und gleicher Grundlagen des Glaubens auf einer soliden Basis.

Kurt Biedenkopf
Wege zur Erneuerung der transatlantischen Gemeinschaft

Die transatlantische Gemeinschaft aus der Zeit des Kalten Krieges existiert nicht mehr. Seit Beginn der 90er Jahre zehrt die atlantische Allianz vom Kapital der Vergangenheit. Um ihr eine auch für die Zukunft tragfähige Basis zurückzugeben, ist eine Erneuerung ihrer Strukturen erforderlich. Diese müssen sich in Zukunft ausschließlich aus sich selbst heraus positiv definieren. Die Strukturreform muß: 1.Eine Europäisch-Amerikanische Politische Zusammenarbeit begründen;2.Einen Neuen Transatlantischen Marktplatz schaffen;3.Die transatlantische Partnerschaft als Lerngemeinschaft konzipieren.Diese Trias kann den europäisch-amerikanischen Beziehungen eine erneuerte, dauerhafte Basis verleihen, mit der Europa und Amerika ihr gemeinsames Stabili- sierungs- und Steuerungspotential für die internationalen Beziehungen im 2L Jahrhundert einbringen können.

Werner Weidenfeld
Das Europäische Wiederaufbauprogramm
Zum Wiederaufstieg Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg

Das Europäische Wiederaufbauprogramm (ERP) gilt als das bisher erfolgreichste Auslandshilfeprogramm, Die mit dem Namen des amerikanischen Außenministers George C. Marshall verknüpfte Europapolitik der USA zielte nach dem Zweiten Weltkrieg darauf ab, wirtschaftlichen Wiederaufbau und politische Stabilisierung in Westeuropa miteinander zu verknüpfen. Auf diese Weise sollte eine liberal geprägte Weltwirtschaft abgesichert und der kommunistischen Bedrohung entgegengewirkt werden. Im Kontext dieser Marshall-Plan-Strategie fiel Westdeutschland eine Schlüsselrolle zu. Deutschland war Konfliktfeld des Kalten Krieges, und die Einbeziehung des westdeutschen Wirtschaftspotentials in den europäischen Wiederaufbau wurde in Washington als essentiell betrachtet. Die große Popularität, die der Marshall-Plan in Deutschland noch heute genießt, resultiert in erster Linie aus der zeitlichen Parallelität von ERP und westdeutschem Wiederaufstieg. Zur Verankerung des Marshall-Plans im kollektiven Bewußtsein der Deutschen haben darüber hinaus die Werbung für das ERP und eine kontinuierliche Erinnerungspolitik der deutschen Bundesregierungen beigetragen.

Hans-Jürgen Schröder
Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen: Bilateralismus, Regionalismus, Multilateralismus

In den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland, als John McCloy als Hochkommissar die USA vertrat, wurde ein System von transatlantischen Beziehungen geschaffen, dessen Folgen bis in die Gegenwart reichen. Das System umfaßte die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA, die von den USA initiierte und geförderte Integration der westdeutschen Wirtschaft in ihr westeuropäisches Umfeld und die Wiedereingliederung Westdeutschlands in die multilaterale Weltwirtschaft. Zu den transatlantischen Beziehungen gehörten nicht nur die Verhandlungen und Vereinbarungen zwischen den Regierungen, sondern auch wirtschaftspolitische Entscheidungen und wirtschaftliche Leistungen, Wiederaufbau und internationaler Handel, amerikanische Auslandshilfe und internationaler Zahlungsverkehr. Ob die transatlantischen Beziehungen über die historische Erinnerung hinaus auch heute noch eine »special relationship« darstellen, ist zweifelhaft. Das wirtschaftliche Gewicht und die globale Präsenz der USA bringen es mit sich, daß nicht nur för die Bundesrepublik Deutschland, sondern für alle Welthandelsnationen die transatlantischen, transpazifischen oder inner amerikanischen Beziehungen zu den USA besonderes Gewicht haben.

Gerd Hardach
Anmerkungen zu Vergangenheit, Zukunft und Essenz der deutsch-amerikanischen Beziehungen
Was bleibt, wenn man sich Sicherheitspartnerschaft und Handelsbeziehungen wegdenkt?

Der deutsch-nordamerikanische Dialog wird von sicherheitspolitischen und ökonomischen Themen beherrscht. Gleichzeitig sind dies Themen, bei denen immer wieder Interessenunterschiede deutlich werden. Das wirft die Frage nach der Essenz der deutsch-amerikanischen Beziehungen auf Unter besonderer Berücksichtigung des Weltmachtstatus der USA und der jüngeren deutschen Geschichte wird im folgenden — im Ergebnis erfolgreich — nach den gemeinsamen Werten und Wurzeln gefahndet.

Cornelius Prittwitz

Die Bedeutung John J. McCloys für die Bundesrepublik Deutschland

Der Gründungsvater
John J. McCloys Bedeutung für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland

Obwohl John Jay McCloy als Amerikaner die Deutschen zwei Mal in seinem Leben bekämpfi hat, ist er für die Bundesrepublik Deutschland ein ebenso wichtiger Gründungsvater wie die deutschen Schlüsselfiguren Konrad Adenauer, Theodor Heuss oder Kurt Schumacher. Als amerikanischer Hochkommissar von 1949 bis 1952 spielte er bei allen Entscheidungen eine wichtige Rolle, die Deutschland während des Kalten Krieges zum engen Verbündeten der Vereinigten Staaten machten. Auch nach Beendigung seines offiziellen Amtes in Deutschland war McCloy für das intensive und außergewöhnlich enge Verhältnis, das sich zwischen den beiden Ländern entwickelte, weiterhin von großer Bedeutung. Das transatlantische Verhältnis war für die Stabilität und Entwicklung der jungen Bundesrepublik von ebenso vitaler Wichtigkeit wie das Grundgesetz.

Thomas A. Schwartz
Deutschlands Prokonsul 1949
McCloy und die entstehende Bundesrepublik

Still kamen die Gäste, in ihre dunklen Wintermäntel und Pelze gekleidet, zu der backsteinroten Presbyterierkirche in der schicken Upper East Side von Manhattan. Sie drängten sich in den Innenraum, und gegen drei Uhr gab es in der Kirche nur noch Stehplätze, während etwa 200 Menschen, darunter eine große Gruppe von Journalisten, außerhalb des Gebäudes versammelten waren und das Geschehen im Inneren über Femsehschirme verfolgten. An beiden Seiten der Straße parkten, von einem Ende des Straßenblocks bis zum anderen, schwarze verdunkelte Limousinen. Vor den Kirchentoren standen einige Polizisten Wache.

Kai Bird
McCloy, seine Zeit und seine Wirkung
Eindrücke eines Zeitzeugen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um das Ergebnis mehrerer Gespräche mit Professor Dr. Robert Bowie, der McCloy in den Jahren 1950 und 1951 als Rechtsbeistand und Verhandlungsführer in der Hohen Kommission für das besetzte Deutschland, HICOG, diente. Robert Bowie wurde am 14. und 15. April 1998 mit der freundlichen Unterstützung der Firma McKinsey & Company, Inc., an die John F. Kennedy School of Government der Harvard University eingeladen und traf dort mit den Herausgebern zusammen.

Robert R. Bowie
John J. McCloy, Shepard Stone und die deutsch-amerikanischen Beziehungen während des Kalten Krieges

John McCloy lernte Shepard Stone kennen, als er sich nach seiner Ernennung zum US-Hochkommissar in Deutschland im Jahre 1949 auf der Suche nach einem erfahrenen Presseberater befand. Stone diente ihm indessen nicht nur als enger Vertrauter während seiner Dienstjahre in der Bundesrepublik, sondern ging mit ihm 1952 nach New York zurück, um ihm zunächst bei der Entwicklung eines von der Ford Foundation finanzierten »Conditions of Peace«-Projekts zu helfen. Daraus entstand eine vertiefte Zusammenarbeit beim Aufbau eines stark auf Europa zielenden internationalen Programms der Ford Foundation, der größten philanthropischen Organisation der Welt. Auch nach dem Ausscheiden aus der Ford Foundation im Jahre 1966 haben beide Männer ihre gemeinsamen Bemühungen um eine Verbesserung des amerikanisch-europäischen Verhältnisses bis ins hohe Alter unermüdlich fortgesetzt. So ist Shepard Stone auch der geistige Vater des McCloy Programms an der John F. Kennedy School of Government der Harvard University.

Volker R. Berghahn

Transatlantik: Themen und Räume für den Transfer

Europäische Sozialunion versus Europäischer Binnenmarkt: Ist Koexistenz möglich?
Eine Analyse mit nordamerikanischer Perspektive

In der Geschichte der europäischen Einigung stellt die Währungsunion einen der wichtigsten Entwicklungsschritte dar — einen Schritt, der auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Zukunft der nordamerikanischen Integration haben dürfte. Während die Einführung des Euro in strategischer und wirtschaftlicher Hinsicht intensiv diskutiert wurde, kam den sozialen Auswirkungen der Währungsunion wenig Aufmerksamkeit zu. Der Wohlfahrtsstaat ist eine der größten Errungenschaften Europas. Doch unter dem Druck nationaler und globaler Faktoren kann der Maastricht-Vertrag zu einer Bedrohung für das soziale Erbe Europas werden. Obgleich Nordamerika allgemein als sozialer Nachzügler bezeichnet wird, wurde dort bereits die Erfahrung gemacht, daß eine Währungsunion in ihrem Kern Mittel zur sozialen Stabilisierung erforderlich macht, um die negativen Auswirkungen der Geldpolitik zu dämpfen. Wenn sich dieser Trend in Europa wiederholt, wird der Europäischen Union in Kürze eine größere Bedeutung auf sozialpolitischer Ebene zukommen. Bis jetzt war Europa traditionell in der Sozialpolitik führend; Nordamerika folgte nach. Im 21. Jahrhundert könnten sich diese Rollen vertauschen. Ein verstärktes transatlantisches Lernen ist im Kampf um die Wahrung weltweiter Gerechtigkeit bei gleichzeitigem Streben nach Wachstum unverzichtbar.

Thomas S. Axworthy
Deutsch-amerikanische Wechselwirkungen in den Massenmedien

Dieser Beitrag behandelt punktuell und exemplarisch deutsch-amerikanische Wechselwirkungen in den Massenmedien. Nach einer kurzen historischen Retrospektive wird der Blick auf die letzten Jahrzehnte und die aktuelle Situation gerichtet. Naheliegenderweise wird der Schwerpunkt auf die audiovisuellen Medien und hier speziell das Fernsehen gelegt, weil sie globaler wirken. Gleichwohl sollen auch Zeitung, Radio und Film sowie die Neuen Medien kurz angesprochen werden. Dazu kommt, daß heute über elektronische Medien nicht gesprochen werden kann, ohne daß Verfahren der Aufsicht über privat-kommerzielle Rundfunkanbieter zu diskutieren sind. Mit der Übernahme eines werbefinanzierten Radio- und Fernsehsystems in Deutschland, das wesentlich dem kommerziellen US-Modell folgt, wurde auch die Errichtung eines darauf bezogenen Regulierungsregimes notwendig. Schließlich werden der nicht-kommerzielle Bereich, das Internet und der Info- Highway kurz angesprochen.Dr. Hans J. Kleinsteuber ist Professor an den Instituten für Politische Wissenschaft und für Journalistik an der Universität Hamburg.

Hans J. Kleinsteuber
Elektronisches Geld
Herausforderung für die Wirtschaftspolitik?

Der folgende Beitrag geht nach einer Einführung in das Phänomen des elektronischen Geldes dem daraus entstehenden wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf nach Dabei wird untersucht, welche Unterschiede in den Entwicklungen und Wertungen zwischen den USA und Deutschland bestehen. Auch wenn Versuche, elektronisches Geld einzuführen, bislang kaum über den Status von Pilotprojekten hinaus gekommen sind, sehen doch manche Beobachter einen grundlegenden Wandel im Geldwesen entwickelter Volkswirtschaften voraus. Ob zuerst in den USA oder in Deutschland mit der erfolgreichen Verbreitung elektronischen Geldes gerechnet werden kann, ist noch nicht vorhersehbar. Hingegen hat bei den rechtlichen Rahmenbedingungen bereits ein Transfer stattgefunden; der deutsche Gesetzgeber hat, dem Beispiel der USA folgend, den entstandenen Marktlösungen zur Verschlüsselung und Authentifizierung Rechnung getragen.

Peter Welzel
Zeit für wirtschafts- und finanzpragmatischen Transfer
Das Innovationsverhalten deutscher und amerikanischer Unternehmen

Der Beitrag vergleicht ökonomische Charakteristika, Finanzierung und Profitabi- lität technologischer Innovationen in Deutschland und den Vereinigten Staaten aufgrund empirischer Daten und geht den festgestellten Unterschieden kausalana- lytisch nach Deutschlands Industrie forscht und entwickelt in etablierten Technologien und in Nischenmärkten, die USA sind in den nach den 70er Jahren entstandenen high-tech Industrien wie Halbleiter- und Biotechnologie führend. Eine Korrelation zwischen innovationsfördernden Finanzmarktbedingungen und technologischem Fortschritt wird als zentraler Vorteil der Vereinigten Staaten gegenüber Deutschland identifiziert. Es wird die Diagnose eines erst noch zu leistenden Transfers gestellt, soll technologische Innovation in Zukunft in Deutschland wieder weltweite Schlüsselindustrien ergreifen. Dieser Transfer sollte sich auf die wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland beziehen, um den Firmen pragmatisch die Entwicklung zu effizienterem Innovationsverhalten ermöglichen.

Jörg Kukies, Frederic M. Scherer
Die Bedeutung des Holocaust für das Selbstverständnis des amerikanischen Judentums
Verstehensversuche als Beginn eines Dialogs

Der Autor zeigt, wie amerikanische jüdische Autoren die zentrale Bedeutung des Holocaust für das jüdische Selbstverständnis erklären. Dabei werden die historischen Ursachen der Entwicklung eines »Judentums des Holocaust und der Erlösung« aufgezeigt und gleichzeitig Phänomene einer »Amerikanisierung des Holocaust« beschrieben. In einem zweiten Schritt werden Legitimität und Grenzen dieser spezifischen Formen der Erinnerung dargestellt, wie sie in der gegenwärtigen innerjüdischen Diskussion deutlich werden. Ein letzter Abschnitt gibt einen Ausblick auf neuere Versuche des amerikanischen Judentums, zur Ausbildung einer positiv definierten kulturellen Identität zu gelangen. Der Autor hebt die Bedeutung der Kenntnis dieser Diskurse hervor, einer Kenntnis, die ein empathisches Verständnis sowohl des amerikanischen Judentums als auch der amerikanischen Gesellschaft ermöglicht und die Voraussetzung für den noch ausstehenden Dialog zwischen Deutschen und amerikanischen Juden bildet.

Stephan Kriesel
Religion in der Öffentlichkeit
Eine deutsch-amerikanische Betrachtung

Die starke öffentliche Preisenz von Religion in Amerika ist für den europäischen Beobachter erstaunlich Der vorliegende Beitrag untersucht und vergleicht ausgewählte Aspekte des Verhältnisses von Religion und Politik in Amerika und Deutschland und identifiziert interkulturelle Transfers im Bereich der Religion. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, der religiöse Pluralismus und die Bedeutung der Religion in der Öffentlichkeit werden dabei aus historischer und aktueller Sicht in den Blick genommen. Ferner wird die sogenannte Zivilreligion, eine in Amerika häufig beobachtete und inzwischen auch in Deutschland diskutierte Form öffentlicher Religion, betrachtet. Den Abschluß bildet ein Einblick in die Rezeption der amerikanischen Religion durch liberale Protestanten im Deutschland der Kaiserzeit und der frühen Weimarer Republik sowie die Darstellung ihrer ambivalenten Versuche, zu vermitteln, zu beeinflussen und sich abzugrenzen.

Wolfhart Pentz
Ökonomische Analyse des Rechts
Ein Vorbild für die deutsche Rechtswelt?

Die ökonomische Analyse des Rechts hat in den letzten zwanzig Jahren einen bleibenden Einfluß auf das amerikanische Rechtssystem ausgeübt. Methodologischer Individualismus, Rational Choice-Modell, Funktionalismus und ein normativer Anspruch der Effizienz, die das Fundament dieser Lehre bilden, haben die amerikanische Rechtsprechung, -Wissenschaft und -lehre durchdrungen. In Deutschland hingegen stößt die ökonomische Analyse auf Vorbehalte. Dies läßt sich sowohl auf inhaltliche Kritik als auch auf systematische Unterschiede in Rechtssystemen, Ausbildungswesen und Wertsystemen zurückführen.

Axel Kölsch

Bildung und Ausbildung: Bedingungen für politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Transfer

Frontmatter

Kulturelle und institutionelle Rahmenbedingungen

Modelle demokratischer Erziehung
Überlegungen zur Bildungsphilosophie amerikanischer Gründerväter

Auf der Grundlage einer begrifflichen und pädagogischen Differenzierung zweier Bürgermodelle »citoyen« und »bourgeois« untersucht der Autor an den anthropologischen, demokratiepädagogischen und bildungspolitischen Überlegungen der amerikanischen Gründungsväter, insbesondere an den politischen Ideen Hamiltons und Jeffersons, die Auswirkungen zweier diametral entgegengesetzter Konzeptionen für demokratische und politische Bildung im jungen Amerika. Einer Hamiltonschen Berufsbildungstheorie wird das Ideal der humanistischen Bürgerbildung Jeffersons gegenübergestellt. Es ergeben sich Implikationen für die Durchführung politischer Bildung heute und für die Bewertung bildungspolitischer, politischer und ökonomischer Transfers aus den Vereinigten Staaten.

Hartmut Wasser
Der Vorbildcharakter des amerikanischen Universitätssystems in der Debatte um die Reform der deutschen Universität

In der deutschen Debatte um die Reform des Hochschulwesens wird Amerika immer wieder als Vorbild genannt. Diese Vergleiche aber verzerren das Bild. Denn das hochdifferenzierte amerikanische Universitätssystem ist nicht auf den deutschen Fall anwendbar. Die dies tun, beziehen sich auf einige Eliteuniversitäten, die aber auch in den USA eine große Ausnahme sind. Sie übersehen auch, daß amerikanische Universitäten sich als im Wettbewerb miteinander stehend begreifen und Bildung als Privatsache, als (freilich wertvolle) Dienstleistung angesehen wird, während im konsensorientierten Deutschland die Hochschulen als gleichwertig und Bildung als staatliche Aufgabe gelten. Beides kann daher nur schwer miteinander verglichen werden. Wohl können und sollen deutsche Universitäten von Amerika lernen — indem sie sich auf das Humboldtsche Bildungsideal zurückbesinnen, das sich einst die amerikanischen Eliteuniversitäten zum Vorbild nahmen. Die Universitäten dürfen sich nicht dem Druck der Wirtschaft beugen, sondern müssen Vermittlungsinstanzen von Kultur bleiben. Sie müssen in erster Linie bilden und erst in zweiter Linie aus-bilden. Dazu bedarf es vor allem einer besseren Mittelausstattung der Hochschulen und einer Stärkung der universitären Selbstverwaltung.

Dietmar Herz
Transferräume für Leadership
Reflexionen auf die Ausbildung deutscher und amerikanischer Führungskräfte in den USA

Der Autor gibt einen Überblick über die in Harvard verwendeten Konzepte und praktischen Techniken zur wirklichkeitsnahen Vermittlung von Führungkompetenz und identifiziert damit die kursgebende Institution, die John F. Kennedy School of Government, als internationalen Transferraum. Dabei beschreibt er die Grundfra¬gen des Praxisproblems von »Führung« und die in der Kursarbeit in Harvard zen¬tralen Begriffe. Bemerkungen zu den institutionellen Rahmenbedingungen schließen sich Ausführungen zur Didaktik von Leadership an: Der Autor begründet die Rolle von Angst und von künstlerischen Elementen im Leadership-Training. Abschließend werden die Probleme der persönlichen Integrität führender Persönlichkeiten und der Knappheit von Führungsqualitäten erörtert.

Ronald A. Heifetz

Das McCloy Programm als Raum mit Transfermöglichkeit: Lösungsansatz zur Förderung transatlantisch geprägter Akteure

Verschlungene Pfade zu einer Eliteförderung
Zur Vorgeschichte des McCloy Academic Scholarship Program und der Rolle der Volkswagen Stiftung

Das McCloy Academic Scholarship Program an der Kennedy School of Government der Harvard Universität ist ein Erfolg. Seit 1983 haben über einhundert hochqualifizierte und sorgsam ausgewählte junge deutsche Graduierte nach einem zweijährigen Studium den Grad eines Master of Public Administration erworben. Die Volkswagen Stiftung hat dafür in zwei Bewilligungen die für sie ungewöhnlich hohe Summe von zehn Mio. DM bereitgestellt. In seiner kurzen Vorgeschichte ist das Programm auch ein Beispiel für transatlantisches Nichtverstehen aus der Verschiedenheit der amerikanischen und deutschen akademischen und politischen Kulturen. Die Akten der Volkswagen Stiftung machen das erkennbar. Sie sind mir dankenswerterweise noch einmal zur Verfügung gestellt worden.

Rolf Möller
Wechselwirkungen
John J. McCloy, das McCloy Programm und die John F. Kennedy School of Government

Als Dekan der im Aufbau begriffenen School of Government der Harvard University hatte ich in den frühen 80er Jahren Gelegenheit, das deutsch-amerikanische McCloy Academic Scholarship an dieser professional school zu etablieren. Um den Anforderungen seiner Stipendiaten gerecht zu werden, richtete die Kennedy School of Government anläßlich der Aufnahme der McCloy Scholars das zweijährige Master of Public Administration (M.P.A.) Programm ein. Die Einführung und Benennung und die Aufrechterhaltung dieses Sonderprogramms für Deutsche in Harvard waren nicht ohne Kontroversen. Inzwischen blicken wir aber auf über 15 Jahre erfolgreichen Betriebs des Programmes zurück, das der Kennedy School deutliche Spuren aufgeprägt hat. Das McCloy Programm hat der Kennedy School dazu verholfen, sich rascher und umfangreicher zu internationalisieren und einen stärkeren Schwerpunkt auf die Entwicklung und Ausbildung künftiger Führungskräfte zu legen, als es ihr ohne das Programm möglich gewesen wäre. Das Programm ist damit zu einem wichtigen Baustein der Geschichte der Kennedy School geworden und hat bis in die Gegenwart Modellcharakter behalten.

Graham T. Allison
Looking Back at the McCloy Scholars Program after 15 Years

The McCloy Program at Harvard University’s Kennedy School of Government has been a remarkable success in its 15-year history by every standard. The students have been excellent and they are already distinguishing themselves in their professional careers. The program also served as a catalyst for similar international programs at the Kennedy School. And, most importantly, the program has been a positive factor in the German-American relationship, and it will continue to contribute to the relationship in the future thanks to the German-American endowment that funds it. This volume provides an opportunity for some personal reflections on the history of the McCloy Program, and it reminds me how valuable it would be to write a more complete analysis of the developments since the early 1980s. I am in the fortunate position that I have been associated with the McCloy Program as its director since it started at Harvard in 1983. In this chapter I would like to set out some observations on (1) the establishment of the program in 1982–83, (2) the renewal proposal for the program and the establishment of an endowment in the 1986–92 period, and (3) the students in the McCloy Scholars Program.

James A. Cooney
Ausrichtung und Eigenart des McCloy Academic Scholarship Program

Das McCloy Academic Scholarship Program feiert fünfzehnjähriges Bestehen. Bisher wurden 124 McCloy-Stipendien vergeben, im Frühjahr 1998 graduierte der 100. McCloy Scholar an der John F. Kennedy School of Government (KSG) der Harvard University mit dem Titel Master of Public Administration. Heute wie vor fünfzehn Jahren ist das Ziel des McCloy Programms von hoher Aktualität und Bedeutung für die Verständigung zwischen Amerika und Deutschland. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Zielen des Programms, mit den Auswahlkriterien sowie mit dem gesellschaftlichen Beitrag in Deutschland, der durch das McCloy Programm an der Harvard University in den USA möglich wird.

Rupert Antes

Did it work? — Die McColy Scholars als Träger des Transfers

Der Führungsnachwuchs für den deutschen öffentlichen Dienst und das McCloy Programm
Eine Zwischenbilanz

Wo liegt der Nutzen dieses Postgraduierten-Studiengangs an der John F. Kennedy School of Government für spätere Führungsfunktionen im deutschen public Service? Was kennzeichnet den öffentlichen Dienst in Deutschland? Wie steht es mit der Bereitschaft, sich hierzulande internationalen Transfers bei der Ausbildung von Führungskräften zu öffnen? Der Autor beschreibt seinen eigenen Werdegang zum public manager und konstatiert einen ernüchternden Mangel an Offenheit in deutschen Ministerien und wenig Bereitschaft, hochqualifizierte Deutsche nach der Rückkehr aus einer deutsch-amerikanischen Sonderausbildung rasch angemessen einzusetzen. Als Lösungsansätze schlägt er u.a. vor: Es müßte deutlich mehr Werbung für ein politisch-demokratisches Bildungsexperiment wie das McCloy Programm geben. Das Recruiting im public service sollte professionalisiert und zentralisiert werden. Bei der Auswahl und Betreuung von Sonder-Stipendiaten, wie der McCloys Scholars, sollten Vertreter des öffentlichen Sektors noch stärker beteiligt werden.

Ralf Stegner
Initiative und Gestaltungskraft
Erfahrungen im McCloy Programm und danach

Die Autorin, Stipendiatin des ersten Jahrgangs, beschreibt hier ihren Werdegang und seine Beeinflussung durch das McCloy Programm. Er führte sie vom festen Vorsatz für den deutschen public service über wissenschaftliche Pläne in die Öffentlichkeit des größten deutschen Industrieunternehmens. Huy zieht ermutigende Schlüsse über die Wirkung ihrer amerikanischen Teilsozialisierung auf ihren Werdegang.

R. Gerrit Huy
Standortbestimmung Harvard
Überlegungen zum Marktwert einer Universitätserfahrung

Ein Studium an der Harvard University eröffnet Studierenden nicht nur neue intellektuelle Welten. Wenn dieser Aspekt angesichts des Kursangebots und der nahezu unvergleichlichen Konzentration intellektueller Größen auch nicht zu unterschätzen ist, so verblassen die Studieninhalte zum Teil im Vergleich zu der Bedeutung der Harvardschen Unternehmenskultur. Unternehmenskultur und Bewußtseinsbildung unter dem Markenzeichen Harvard sind integraler Bestandteil der Ausbildung und des Seins in Harvard. Sie prägen das Verhältnis der Universität, seiner Mitglieder und Abkömmlinge zum Rest der Welt — und umgekehrt. Mit seinem Netzwerk an Verbindungen zwischen ehemaligen, jetzigen und künftigen Mitgliedern im In- und Ausland ist Harvard ein Beispiel für eines der vielbeschworenen globalen Dörfer und zeichnet sich in der Tat durch typisch dörfliche Merkmale aus.

Katharina Pistor
Das McCloy Programm: Idee und Ideologie
Drei kritische Anmerkungen eines Teilnehmers

Die als »ideologisch« erfahrenen Aspekte eines Studiums an der Kennedy School of Government werden von einem Teilnehmer am McCloy Programm kritisch unter die Lupe genommen. Als fragwürdige Transferangebote deckt der Autor die Schwächen der wohlfahrsökonomischen Kosten-Nutzen-Analyse, der utilitaristischen Ethik und der wertneutralen politschen Analyse auf In seinem Fazit beleuchtet er den fehlenden Bezug des Angebotes zu den spezifischen Bedürfnissen der Scholars und ihres Heimatlandes.

Martin Storksdieck
Der Transferraum als soziales Experiment

Amerika, das haben die vorangegangenen Beiträge deutlich gemacht, ist Neubeginn, Anspmch und Möglichkeh. Aus Amerika erhoffte sich ein geschlagenes, an eigenem und an fi-emdem Größenwahn ersticktes und verhungertes Deutschland nach der Katastrophe des Kriegs die Emeuerung und die erste Speisung. Das ist teilweise jetzt noch so. Wenn es um die Unterstützung von Demokratisierungstendenzen in der Welt geht oder um den Kampf gegen totalitäre und menschenverachtende Regimes in Europa selbst, richtet sich der Blick der Deutschen noch hnmer hilfesuchend gen Amerika.

Sebastian Lorenz, Marcel Machill
Backmatter
Metadaten
Titel
Transatlantik
herausgegeben von
Sebastian Lorenz
Marcel Machill
Copyright-Jahr
1999
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-83323-5
Print ISBN
978-3-322-83324-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-83323-5