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2006 | Buch

Trends im Umweltbewusstsein

Umweltgerechtigkeit, Lebensqualität und persönliches Engagement

herausgegeben von: Udo Kuckartz, Anke Rheingans-Heintze

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit: Die Trends

Frontmatter
1. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung: Bekanntheit und Zustimmung
Auszung
Wer davon ausgeht, dass Begriff und Konzept der nachhaltigen Entwicklung nach jahrelangen Debatten in Politik, Wissenschaft und Nicht-Regierungsorganisationen auch im Alltag der Menschen angekommen sein miissten, dürfte vergleichsweise ernüchtert sein: Nur 22% der Deutschen geben an, von dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung gehört zu haben. Der Bekanntheitsgrad ist gegenüber der Umfrage 2002 sogar gesunken. Damals waren es 28%, die zu Protokoll gaben, den Begriff zu kennen. Zu berücksichtigen ist, dass der Bekanntheitsgrad des Begriffs Nachhaltigkeit stark mit dem Grad der Schulbildung der Befragten korreliert. 40% der Be-fragten mit höherer Schulbildung haben von dem Begriff gehört, jedoch nur 10% der Befragten mit niedrigerer Schulbildung und 17% derjenigen mit mittlerer Schulbildung.
2. Der gesellschaftliche Stellenwert des Umweltschutzes: Stand und Entwicklung
Auszung
Nach wie vor hat der Umweltschutz in der Gesellschaft eine nicht zu unter-schätzende Bedeutung - entgegen manchen Unkenrufen. Zwar beherrscht das Umweltthema nicht mehr so prominent die öffentliche Meinung wie noch bis Ende der 1980er Jahre, als emotional aufladbare Umweltphäno-mene - vor allem Katastrophen - zu gesellschaftlichen Problemen wurden und der Umweltschutz in zahleichen Umfragen an oberster Stelle der wich-tigsten Probleme in Deutschland stand. Doch ist zu bedenken, dass sich sowohl die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als auch die Umweltprobleme, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen, in den vergangenen fünfzehn Jahren verändert haben.
3. Umweltbewusstsein und Umweltverhalten heute: Ein Überblick
Auszung
Die Einstellungen der Bevölkerung zum Umweltschutz sind in zweifacher Hinsicht von Interesse. Auf der Ebene individuellen Verhaltens können positive Umwelteinstellungen (müssen aber nicht automatisch!) zu umwelt-gerechtem Verhalten im Alltag führen. Auf der politischen Ebene prägen umweltbezogene Einstellungen die öffentliche Meinung und können etwa für die Akzeptanz umweltpolitischer Maßnahmen von Bedeutung sein.
4. Quer geblickt: Einflüsse auf Umweltbewusstsein und Umweltverhalten
Auszung
Inwieweit ist die Ausprägung des Umweltbewusstseins und das persönliche Umweltverhalten dutch unterschiedliche Lebensumstände beeinflusst? Der sozialen Basis von Umweltbewusstsein und Umweltverhalten wurde von Seiten der Umweltaufklärung und Umweltbildung immer schon große Aufmerksamkeit entgegengebracht. Schließlich hofft man darüber Hinweise zu finden, welche Bevölkerungsgruppen besonders ansprechbar für ökolo-gische Orientierungen sind oder in welchen Bereichen die Umweltkommu-nikation möglicherweise intensiviert werden muss, und zwar ausgerichtet auf die real vorhandenen Verhaltensmuster sowie die jeweiligen Lebensbe-dingungen. Vielfach untersucht in ihrem Einfluss auf Umweltbewusstsein und Umweltverhalten sind beispielsweise das Alter, das Geschlecht, der Grad der Schulbildung, Beruf, Einkommen und die politische Orientierung (vgl. Diekmann/Preisendörfer 2001, S. 110; Grunenberg/Kuckartz 2003, S. 54ff.; Empacher u.a. 2001; Preisendörfer 1999, S. 138ff.). So gelten etwa Frauen als stärker sensibilisiert für Umweltfragen. Auch der Bildungsgrad, das Alter und die politische Orientierung haben sich immer wieder als signi-fikante Einflussfaktoren für die Einstellungen zum Umweltschutz erwiesen. In Hinblick auf den Einfluss des Alters hat es in den letzten 10 Jahren Ver-änderungen gegeben. Gait bis Mitte der 1990er Jahre mehr oder weniger der Grundsatz: Je jünger, desto umweltbewusster, sind es heute eher die mittleren Generationen, welche die stärkste Betroffenheit in Sachen Um-welt zeigen. Salopp könne man sagen: Die Umweltbewussten von damals sind einfach nur älter geworden.
5. Vom Umweltbewusstsein zum Nachhaltigkeitsbewusstsein? Konsequenzen für die Nachhaltigkeitskommunikation
Auszung
Das Umweltbewusstsein hat sich in den beiden Jahren nach dem letzten Survey von 2002 - überraschenderweise - eher positiv entwickelt. In ein-zelnen Teilbereichen stellt sich die Entwicklung nicht so positiv dar, so ist beispielsweise der Bekanntheitsgrad des Konzepts Nachhaltigkeit sogar ge-sunken. Eine interessante Frage ist, ob und wie sich nicht nur die Höhe, sondern auch die Struktur des Umweltbewusstseins verändert. Lässt sich im 21. Jahrhundert von einem Shift in Richtung Nachhaltigkeitsbewusstsein sprechen? Tritt an die Stelle des ehemals dutch die Wahrnehmung von tat-sächlichen oder vermeintlichen Umweltkatastrophen gekennzeichneten Bewusstseins ein neues, konstruktiv auf Zukunft ausgerichtetes Bewusst-sein der Nachhaltigkeit? Auf den ersten Blick scheinen die aktuellen Daten einen solchen strukturellen Wandel nicht zu bestätigen, denn es zeigt sich, dass man 2004 wieder verstärkt für Risiken und Katastrophen sensibilisiert ist, was angesichts einer gewachsenen gesellschaftlichen Unsicherheit in vie-len Feldern nicht verwundern darf. Ein seit Jahren anhaltender Trend zur Entdramatisierung von ökologischen Problemen scheint gestoppt. Mehr-heitlich herrscht die Meinung vor, dass man es in vielen Feldern der ökologischen Nachhaltigkeit, z.B. des globalen Klimawandels, mit gravierenden, ja dramatischen Problemen zu tun hat. Andererseits hat diese gewachsene Sensibilisierung, die mit einer pessimistischen Zukunftssicht einhergeht, kaum Rückwirkung auf die aktuelle Bewertung der Relevanz dieses Politik-feldes in Relation zu anderen Feldern und auch das eigene aktuelle Verhal-ten zeigt nur wenig Änderung. Es kann also mitnichten von wachsender individueller Nachhaltigkeit bei Fortbestand nicht-nachhaltiger allgemeiner Rahmenbedingungen die Rede sein.

Nachhaltige Perspektiven auf Lebensqualität: Wohnen, Gesundheit und Freizeit

Frontmatter
1. Das gute Leben: Zur Diskussion und Forschung über Lebensqualität
Auszung
Ein höchstmögliches Maß an Wohlbefinden und Gesundheit zu ermögli-chen, gehört zu den expliziten Zielen einer an Nachhaltigkeit orientierten Umweltpolitik. Was als Lebensqualität definiert wird, wie die Menschen gerne leben und wohnen wollen und wie sie belastende Faktoren (z.B. Lärm, Belastung dutch Chemikalien etc.) wahrnehmen, ist deshalb von es-senzieller Bedeutung für die Nachhaltigkeitskommunikation. Nicht von un-gefähr ist es in der Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung der Indust-riegesellschaften populär geworden, auf den Begriff der Lebensqualität Be-zug zu nehmen (vgl. z.B. Häberli u.a. 2002, S. 11f.; Linz 2004, S. 14ff.; Spangenberg 2003, S. 85ff.). In welchem Verhältnis Lebensqualität und nachhaltige Entwicklung zueinander stehen, ist dabei nicht immer deutlich ausformuliert: Stellt Lebensqualität einen Aspekt nachhaltiger Entwicklung dar - in der sozialen Dimension - oder ist nachhaltige Entwicklung als Be-standteil eines übergreifenden Konzepts der Lebensqualität aufzufassen? (vgl. Noll 2000, S. 17) Der Trend scheint eher in letztere Richtung zu wei-sen. So wird argumentiert, dass eine zeitgemäße Auffassung von Lebensqualität in vielen Punkten mit den Vorstellungen eines nachhaltigen Lebens und Wirtschaftens vereinbar sei. In diesem Sinne ist ein Trend zur Lesart von Lebensqualität als Definition gesellschaftlicher Zielvorstellungen fest-stellbar. Steigerung von Lebensqualität zielt dann auf die Sicherung der ma-teriellen Existenzgrundlage, die Entgiftung der Umwelt und Nahrungsmit-tel, auf Geschlechtergerechtigkeit und Solidarität, die Schaffung gleicher Bildungs- und Aufstiegschancen sowie eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung (vgl. Spangenberg/Lorek 2003, S. 7).
2. Was in Deutschland Lebensqualität ausmacht
Auszung
Das subjektive Wohlbefinden ist zwar ein sehr globales Maß, doch es er-laubt durchaus erste Rückschlüsse auf die wahrgenommene Lebensqualität in einem Land. Denn in aller Regel ist diese Einschätzung das Ergebnis ei-nes Bewertungsprozesses, in dem die Menschen ihre objektiven Lebensbe-dingungen vor dem Hintergrund ihrer individuellen Ansprüche abwägen (vgl. Statistisches Bundesamt 2004, S. 457). Gut drei Viertel der Befragten fühlen sich in Deutschland wohl. Davon fühlen sich 20% ausgesprochen wohl, dies sind im Vergleich zu 2002 jedoch 4% weniger. Komplementär dazu ist die Zahl derer, die sich in Deutschland nicht so wohl fühlen, von 12% auf 17% gestiegen (siehe auch Tabelle 9). Auffällig ist, dass das Wohlbefinden der Einwohnerinnen und Einwohner von Kleinstädten (5.000 bis unter 50.000) am höchsten ist, von diesen fühlen sich 28% „ausgesprochen wohl“ in Deutschland, in größeren Städten (50.000 bis unter 500.000) sind es 17%, in Großstädten mit 500.000 und mehr Einwohnerinnen und Ein-wohnern liegt diese Quote bei 18%.
3. Wie gut geht es uns? Umwelt und Gesundheit
Auszung
Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil von Lebensqualität und zählt mit zum wichtigsten Gut im Leben eines Menschen. Unsere Frage zu den Bestimmungsmerkmalen von persönlicher Lebensqualität hat das bestätigt: Gesundheit steht dort auf Platz zwei der häufigsten Nennungen. Ab einem Alter von 50 Jahren aufwärts nimmt Gesundheit den ersten Platz in der Rangfolge ein. Gesundheitsbewusstsein und -vorsorge erfahren ausgehend von den explodierenden Kosten unseres Gesundheitssystems auch in der öffentlichen Diskussion verstärkte Aufmerksamkeit. In einigen Bevölke-rungsgruppen hat sich bereits ein verändertes Gesundheitsbewusstsein entwickelt. Gesunde Ernährung und sportliche Betätigung gelten hier zu-nehmend als Beitrag zur Gesundheitsprävention. Vor allem auch vor dem Hintergrund der starken Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Ge-sellschaft ist darüber hinaus ein wachsender Markt für unterschiedliche so-zial- und gesundheitswirtschaftliche Dienstleistungen entstanden (vgl. Beyer u.a. 2000, S. 31).
4. Wohnen und nachhaltige Stadt
Auszung
Das Thema „Nachhaltige Stadt“ ist in den letzten Jahren in der Umwelt-kommunikation immer wichtiger geworden, denn es sind die Städte, in de-nen der Kampf um die Nachhaltigkeit entschieden wird. Dies gilt vor allem im globalen Maßstab, denn angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung sind es vor allem die Städte, insbesondere die Mega Cities, die weit über-proportional wachsen. Schon heute lebt die Hälfte der Menschheit in Städ-ten und dieser Prozentsatz wird in Zukunft weiter ansteigen, sodass in 20 Jahren etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben werden (das sind etwa 5 Milliarden Menschen).
5. Freizeit und Urlaub
Auszung
Freizeit und ihre Gestaltung ist trotz wirtschaftlicher Probleme und der Krise der Sozklsysteme nach wie vor sehr wichtig für das Leben der meis-ten Biirgerinnen und Bürger. Es haben sich aber im Vergleich zur Studie 2002 deutliche Veränderungen ergeben. Vor die Wahl zwischen mehr Freizeit oder mehr Einkommen gestellt, bevorzugen 2004 deutlich mehr Personen die Alternative mehr Einkommen.
6. Mehr Lebensqualität durch Nachhaltige Entwicklung? Konflikte und Verbindungen
Auszung
In der Perspektive individueller Nachhaltigkeit ist das „gute Leben“ un-trennbar mit der Bedürfnisbefriedigung durch immaterielle Güter verknüpft - etwa durch persönliche Entwicklung, die Pflege sozialer Beziehungen, kreative Tätigkeiten oder den Einsatz für die Gemeinschaft. Doch welche Vorstellungen von Lebensqualität haben die Deutschen überhaupt, an wel-chen Punkten sind sie mit individueller Nachhaltigkeit vereinbar und an welchen nicht? Was die Befragten in dieser Studie mit Lebensqualität asso-ziieren ist zwar insgesamt breit gestreut, die genannten Aspekte betreffen aber in aller Regel materielle, gesundheitliche und soziale Angelegenheiten sowie Aspekte des Wohnens und der Sicherheit. Das Geschlecht, das Alter, der Grad der Bildung - viele unabhangige Variablen bestimmen sowohl die Vorstellung als auch die Bewertung der Lebensqualität. Etwas ernüchternd mag erscheinen, dass trotz - oder wegen? - des relativen Wohlstandes in unserem Land der Zugang und die Verfiiigung über materielle Güter in nicht zu unterschätzendem Maße die subjektive Wahrnehmung von Lebensqualität bestimmen. So bestehen zwischen der Höhe des Netto-Haushaltseinkommens und dem subjektiven Wohlbefinden in Deutschland hochsignifikante Zusammenhänge: Je höher das Einkommen und mithin der materielle Wohlstand, desto höher ist auch das subjektiv empfundene Wohlbefinden. Darüber hinaus nennen mehr als ein Drittel der Deutschen spontan Einkommen und Wohlstand, wenn sie in einer offenen Frage nach den Bestimmungsmomenten von persönlicher Lebensqualität gefragt wer-den. Materielle Aspekte nehmen damit den ersten Platz in der Top Ten der wichtigsten Bestimmungsmomente von persönlicher Lebensqualität ein. Darin spiegelt sich aber weniger die Sehnsucht nach einem Leben im Luxus wider als vielmehr das Streben nach finanzieller Sicherheit. „Geld allein macht nicht glücklich“ heißt es in einem Sprichwort. Das ist sicherlich rich-tig, aber das Vorhandensein macht vieles einfacher und bewahrt die Men-schen vor Existenzangsten. Hier sei auch an einen Klassiker erinnert: die Bedürfhispyramide des amerikanischen Psychologen und Philosophen Abraham Maslow. Sind in dieser Sichtweise die physiologischen und materiel-len Voraussetzungen für ein angenehmes und sicheres Leben gegeben, ist der Mensch eher in der Lage, auch andere Prioritäten zu setzen: Erst dann strebe er in wachsendem Maße nach sozialen Kontakten und Anerkennung, nach persönlicher Entfaltung und möglicherweise auch nach in der Per-spektive der Nachhaltigkeit so zentralen Werten wie Gerechtigkeit, Solidari-tät, Eigeninitiative oder Verantwortung. Soziale Absicherung lautet hier also das von den Befragten auch häufig explizit angesprochene Stichwort, das die Bedeutung von Konzepten „sozialer Grundsicherung“ im Rahmen ei-ner integrierten Nachhaltigkeitsstrategie hervorhebt und die Akzeptanz ei-ner solchen in der Bevölkerung sicherlich erhöhen würde.

Nachhaltige Umweltpolitik: Zwischen Resonanz, Akzeptanz und Engagement

Frontmatter
1. Nachhaltige Umweltpolitik - staatliche Verantwortung und Bürgerengagement
Auszung
Die Orientierung am gesellschaftspolitischen Leitbild der Nachhaltigkeit stellt auch die Umweltpolitik vor weitreichende Herausforderungen. Auch wenn viele Probleme dutch nachsorgende Eingriffe des Staates erfolgreich gelöst worden sind (z.B. Gewässerreinigung, Luftreinhaltung) - dort, wo es im Sinne des Vorsorge- und Verursacherprinzips um komplexe Verhaltens-anderungen der gesellschaftlichen Akteure geht, stößt herkömmliche Umweltpolitik mit ihrem Fokus auf Verbote und Gebote an Grenzen (vgl. z.B. Häberli u.a. 2002, S. 199ff.). Allerdings brauchen die auf dem Vorsorge-und Verursacherprinzip beruhenden Instrumente und Strategien mehr denn je die Akzeptanz der Bevölkerung. So handelt es sich hier teilweise um heu-te als einschränkend empfundene Maßnahmen, deren Sinn und Zweck den Menschen erst in Zukunft ersichtlich wird. Man denke etwa an die ökologi-sche Steuerreform oder auch an die Durchsetzung ökonomischer Rahmen-bedingungen, die auf die Verminderung der Flächeninanspruchnahme ge-richtet sind. Die Krux: Jenen „neuenrdd Umweltgefahren, auf die sich das Vorsorge- und Verursacherprinzip richtet, fehlt häufig die unmittelbare, sinnliche Erfahrbarkeit. Die in Folge des hohen Flächenverbrauchs stei-genden Grundwasser- und Bodenbelastungen, hormonell wirkende Chemi-kalien oder die prognostizierten Klimaveränderungen sind hier nur drei von vielen Beispielen. Charakteristisch zu eigen ist diesen Umweltproblemen, dass sie sich langsam aufbauen - mit unseren Sinnen zunächst kaum oder gar nicht wahrnehmbar - und erst langfristig oder in nicht gekanntem Aus-maß bedrohlich sind. Das führt zu Verunsicherung, ferner zu dem Phäno-men, Umweltgefahren primär als Zukunftsgefahren wahrzunehmen und in der Summe zu gegenwärtig sinkendem Handlungsdruck - zumindest aus Sicht der Bevölkerung. Es fehlt heute weitgehend an politisierbarer Betrof-fenheit als Antrieb staatlicher Umweltpolitik. Dies ist ein wesentlicher Un-terschied zur Umweltdebatte und Umweltpolitik in den Achtziger- und frü-hen Neunzigerjahren. Ein lokal eingrenzbares, sichtbares Umweltproblem (z.B. Gewässerverschmutzung) ist gut wahrnehmbar und folglich dutch hohe Gewissheit und Dringlichkeit charakterisiert. Dies erleichtert die Durchsetzung von umweltpolitischen Maßnahmen deutlich (vgl. hierzu Jä-nicke 1996, S. 13f.). Umgekehrt ist die Dringlichkeit umweltpolitischer Maßnahmen, die auf ein entgrenzt-globales Problem wie den Klimawandel zielen, ungleich schwerer zu vermitteln. Deshalb haben Umweltbewusstsein und Umweltwissen weiterhin eine zentrale Bedeutung für die Akzeptanz umweltpolitischer Maßnahmen, auch wenn umweltverantwortliches Han-deln aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger derzeit nicht an erster Stelle der politischen Agenda steht und in ihrem persönlichen Umweltverhalten man-che Ungereimtheiten bestehen.
2. Zur Resonanz von Umweltpolitik
Auszung
Der Himmel über der Ruhr ist wieder blau, einige Flüsse haben nahezu Ba-dewasserqualität wiedererlangt. Seit Bestehen der staatlichen deutschen Umweltpolitik ist im Bereich der sichtbaren Umweltbelastungen viel er-reicht worden. Welchen Stellenwert misst die Bevölkerung der Umweltpolitik vor diesem Hintergrund weiterhin zu? Soil die Regierung nach Meinung der Bevölkerung mehr für den Umweltschutz tun, weniger für den Um-weltschutz tun oder ist es aus ihrer Sicht richtig, so wie es derzeit ist?
3. Akzeptanz umweltpolitischer Schwerpunkte und Maßnahmen
Auszung
Die Umweltpolitik muss verstärkt auf Vorsorge und Eigenverantwortung setzen, will sie die noch ungelösten Umweltprobleme bewältigen. Die Wende vom technisch nachsorgenden Umweltschutz hin zu einer vorsor-genden Umweltpolitik ist bereits in vollem Gange. Die ökonomischen In-strumente im Bereich der Klimaschutzpolitik sind ein Beispiel dafur - wie etwa der Emissionshandel, das Marktanreizprogramm, welches im Zusam-menhang mit der ökologischen Steuerreform aufgelegt wurde und natiirlich letztere selbst. Im Folgenden wird beleuchtet, welche (ausgewählten) um-weltpolitischen Schwerpunkte und Maßnahmen von der Bevolkerung akzeptiert werden und welche nicht. Im Fokus stehen die Klimaschutzpolitik, einschließlich der Haltung der Bevölkerung zur Förderung erneuerbarer Energien und zur ökologischen Steuerreform, ferner die Meinung zu ver-schiedenen verkehrspolitischen Maßnahmen.
4. Und die Bevölkerung? Engagement für Nachhaltigkeit
Auszung
Nachhaltige Entwicklung gilt als untrennbar mit Bürgerengagement und Eigeninitiative verknüpft. Ohne die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger - so die einhellige Meinung unter Fachleuten - wird der Weg in eine nachhaltige Gesellschaft kaum möglich sein. In den einschlägigen Doku-menten und Schriften wird immer wieder darauf verwiesen, dass für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung unterschiedliche Formen des Bürgerengagements zu entwickeln und zu etablieren sind, weil sich eine nachhaltige Entwicklung ohne den Bewusstseinswandel und die Mitwir-kung möglichst breiter Bevölkerungskreise nicht realisieren lässt. So setzt die nationale Nachhaltigkeitsstrategic der Bundesregierung ganz explizit auf den Dialog mit alien gesellschaftlichen Gruppen: „Wenn nachhaltige Entwicklung Realität werden soil, brauchen wir viele Menschen, die dieses An-liegen zu ihrer eigenen Sache machen.“
5. Resonanz, Akzeptanz und Engagement: Konsequenzen für die Nachhaltigkeitskommunikation
Auszung
Eine nachhaltige Gesellschaft ist eine pluralistische Gesellschaft, und diese erfordert eine dialogorientierte Umweltpolitik, die auf mehr Eigenverant-wortung und weniger Regulierung setzt. Doch eine pluralistische Gesellschaft impliziert auch, dass die Umweltpolitik mit sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Interessen in den gesellschaftlichen Teilgruppen konfrontiert ist. Die Einen erwarten ausschließlich politische Antworten auf Umweltprobleme, während die Anderen bereit sind, Eigenverantwor-tung zu übernehmen und selbst an der Gestaltung einer lebenswerten Zu-kunft mitzuwirken. Von beiden Gruppierungen braucht Umweltpolitik Verständnis und Unterstützung. Hinzukommt das veränderte (weniger ra-dikale) Verhalten der Umweltverbände. Mit der Amtszeit der rot-grünen Bundesregierung veränderte sich das Verhalten der Umweltverbände in diese Richtung weiter - weg von radikalen Positionierungen hin zu konstruk-tiv-begleitender Kritik. Auch in der allgemeinen gesellschaftlichen Entwick-lung gibt es einen Trend zur „Mitte“ und ein Abbrechen der Protestkultur. Das Fehlen einer Bewegung hat erhebliche Auswirkungen. Es ist zu einer Partikularisierung und Individualisierung gekommen, wo die Einzelnen immer wieder neu entscheiden müssen, wie sie handeln und was sie kaufen.
Backmatter
Metadaten
Titel
Trends im Umweltbewusstsein
herausgegeben von
Udo Kuckartz
Anke Rheingans-Heintze
Copyright-Jahr
2006
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90196-1
Print ISBN
978-3-531-14892-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90196-1

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