Skip to main content

2008 | Buch

Verwaltungs-strukturreformen in den deutschen Bundesländern

Radikale Reformen auf der Ebene der staatlichen Mittelinstanz

verfasst von: Markus Reiners

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

insite
SUCHEN

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Grundlegung
Auszug
Seit einigen Jahren stehen in vielen Bundesländern wieder Verwaltungsstrukturmaßnahmen und insbesondere Reformanstrengungen um die staatlichen Mittelbehörden im Fokus. Die Erneuerung der Verwaltung gilt nach übereinstimmender Meinung als eine entscheidende Zukunftsaufgabe. Die Administration soll im Rahmen verfassungsrechtlicher Vorschriften und unter dem Gebot der Rechtmäßigkeit grundsätzlich effektiver, effizienter, bürgernäher und kritischer gegenüber der eigenen Organisation und ihren Aufgaben arbeiten. Zu den Vorgaben gehört eine deutliche Entflechtung und Verantwortungsteilung, eine klare Zuordnung von Aufgabenbereichen, eine Reduzierung und Konzentration von Aufsichtstätigkeiten, ein Mehr an Verantwortungsdelegation sowie eine verbesserte Abstimmung und Integration landesweiter Koordinationssysteme. Dies führt zur Frage nach der sinnvollsten Arbeitsaufteilung zwischen Land und Kommunen (vgl. z.B. Hesse 2002c, S. 35ff, 2003a, S. 9 oder Freudenberg 2000, S. 39). Überblickt man die Prozesse, so verdichtet sich der Eindruck einer in der Geschichte der Bundesrepublik durchaus ungewöhnlichen Reformbereitschaft. Die Maßnahmen reichen hierbei von punktuellen Anpassungen bis hin zu einem „Systemwechsel“ (Hesse 2003a, S. 3; vgl. ders. 2002a, S. 25, 2002b, S. 28f, 2004b, S. 3 und Bouckaert 2004, S. 22).
2. Forschungsstand und Theorien
Auszug
Der Part verfolgt drei Ziele: Den Forschungsstand darzulegen, über diesen den theoretischen Zugang zu erleichtern und die Variablen noch fundierter abzusichern. Schaut man kursorisch auf das einschlägige, u.a. vergleichende nationale und internationale Schrifttum und hierbei auch die Verwaltungsreformliteratur, so ist wie dargelegt feststellbar, dass ein grundlegender Wandel reformgeschichtlich eher selten anzutreffen ist. Die Forschung war demzufolge bislang eher auf ein Scheitern von Reformen fixiert. Weiterhin ist zu diagnostizieren, dass radikale vs. marginale Reformen höchst unterschiedliche Begründungen erfahren. Die Variablen differieren stark und sind in mannigfaltigen Kombinationen vorfindbar, was mit daran liegt, dass komplexe politische Vorgänge auf verschiedene und nicht nur institutionelle Faktoren rückführbar sind (vgl. nur Lorig 2001, S. 207, Becker 1988, S. 56ff, ders. 1989, S. 911ff, Hesse, Benz 1990, S. 225ff, Reichard 1996, S. 260f, Seibel 1996/1997, S. 103, Löffler 1998, S. 36ff, Naschold, Bogumil 2000, Nemitz 2000, S. 5ff, 129ff, Vatter 2002, S. 21ff oder Bogumil 2004, S. 7ff). Die damit verbundene hochrelevante Frage nach den Erfolgsbedingungen von Reformen ist demnach keineswegs so geklärt, dass von einer theoretischen Fundierung gesprochen werden könnte (Becker 1989, S. 911).115 Cum grano salis ist allerdings ersichtlich, dass die bei dieser Forschungsstudie vorwiegend aus der Empirie abgeleiteten Variablenbausteine in wissenschaftlichen Arbeiten immer wieder genannt werden und einer Überprüfung überwiegend auch schon standgehalten haben (vgl. z.B. nur Wollmann 2007 oder ders. 1996, S. 11f; vgl. aber auch Kuhlmann 2003, S. 2f, dies. 2004, S. 3 und 2005).
3. Radikale Mittelstufenreformen
Auszug
Bis 1945 gab es im heutigen BW136 die drei Länder Württemberg, das preußische Land Hohenzollern und Baden, mit jeweils eigener Geschichte und eigenem Selbstverständnis. Die vier Regierungsbezirke basieren auf den alten Grenzen von Württemberg und Baden sowie der Grenze zwischen der US-amerikanischen und französischen Besatzungszone entlang der Bundesautobahn Karlsruhe-Stuttgart-Ulm. Auf Grund der Einteilung der Zonen nach dem Zweiten Weltkrieg fielen die Gebiete nördlich der Autobahn an die Amerikaner und die südlich davon an die Franzosen. Bis 1947 ließen die Besatzungsmächte auf dem Gebiet von Baden und Württemberg die Länder Württemberg-Baden (US-amerikanische Zone) sowie Württemberg-Hohenzollern und (Süd-) Baden (französische Zone) errichten. Einige Jahre später hat das Land zur politischen Gemeinsamkeit gefunden. Es existiert in seiner jetzigen Form seit 25. April 1952. Vorangegangen war eine Volksabstimmung, in der sich 69,7% der Bevölkerung für die Bildung des Südweststaates aussprachen137 (Hesse 2002a, S. 50, 59 bzw. Schneider 1997, S. 50ff).
4. Marginale Mittelstufenreformen
Auszug
BY195 gilt als traditionsreichstes Land der Bundesrepublik Deutschland. Das Land ist in einer mehr als tausendjährigen Geschichte gewachsen. BY, so wird gerne verklärend festgestellt, gilt als ältester europäischer Staat, woraus sich eine Art Anciennitätswürde ableite. Im Gegensatz zu den so genannten „Bindestrichländern“ erscheint es als große Konstante und ruhender Pol, wie es angeblich vielfach auch dem Selbstbewusstsein des Landes entspricht. Ungeachtet aller Kontinuität, die unter den anderen Bundesländern ohnegleichen ist, veränderten sich im Laufe der Jahrhunderte Umfang und Grenzen jedoch beträchtlich. Teile Frankens, Schwabens und Altbayerns machten jeweils unterschiedliche Entwicklungen durch. Mit der Zusammenfassung der altbayerischen, fränkischen und schwäbischen Gebiete wurden drei politisch bedeutsame „Traditionszonen“ unter einem Dach vereint, die sich später auch parteipolitisch verfestigten, der katholisch-konservative, bäuerliche und betont patriotisch altbayerische Raum, das katholische, aber gemäßigt föderalistische Gebiet Schwabens und Mainfrankens sowie das protestantische Franken, später Heimat der Sozialdemokratie und des Neoliberalismus. Mit Erhebung zum Königreich im Jahre 1806 sowie der Angliederung der fränkischen und schwäbischen Territorien erhielt BY in etwa seine heutige Gestalt. Die Formierung zum modernen Staatswesen und der Aufstieg zu einem Staat von Rang ist mit Maximilian Graf von Montgelas verknüpft, der bis 1817 eine wirksame Staatsverwaltung schuf. Mit der Verfassung von 1818 vollzog BY zugleich den allmählich spürbar werdenden Übergang vom Absolutismus zu einem konstitutionellen Staatswesen mit Parlament und Teilhabe der Volksvertretung an der Gesetzgebung.
5. Ländervergleich
Auszug
Die deutschen Bundesländer stellen mit ihren unterschiedlichen Vorzeichen ein interessantes Forschungsfeld auf einem verhältnismäßig überschaubaren Raum dar, das eine hervorragende Ausgangslage für systematisch-vergleichende Analysen bietet. Auf die Beantwortung der Forschungsfrage—welche Bedingungen einen radikalen Wandel ermöglichen—haben sicherlich eine Bandbreite von Faktoren Einfluss. Die Konzentration erfolgte jedoch auf die maßgeblichsten Momente, um methodisch einen sinnvollen Vergleich zu ermöglichen.255 Die nachstehenden Ausführungen in Abschnitt 5.1 fassen die empirischen Erkenntnisse zu den vier Untersuchungseinheiten zusammen. Ferner werden diese in einen ersten komparativen Zusammenhang gestellt. Das sich anschließende Teilkapitel 5.2 widmet sich sodann den Maßnahmen in den Ländern, die mit BW, BY, NRW und NdS noch bedingt vergleichbar sind. Dies zwar weniger auf Grund ihrer Größe, allein aber durch den Umstand, dass es sich bei HE und RP um die beiden restlichen „alten“ Bundesländer handelt, die eine staatliche Mittelinstanz ausgebildet haben. Der Part dient als Grundlage, die Forschungsergebnisse in Kapitel sechs einer Bewertung und Generalisierung zuzuführen.
6. Resultate
Auszug
In vielen Bundesländern wird seit einigen Jahren wieder verstärkt über eine Reform der Verwaltungsstrukturen und hierbei der Regierungspräsidien bzw. Bezirksregierungen nachgedacht. Aus Steuerungsgesichtspunkten handelt es sich bei den staatlichen Mittelinstanzen um zentrale Elemente im Verwaltungsaufbau größerer Flächenländer. Sie haben vornehmlich eine wichtige Bündelungs-und Koordinierungsfunktion. Dabei ist die Diskussion über ihre Daseinsberechtigung keinesfalls neu. Sie ist beinahe so alt wie ihr fast 200-jähriger Bestand Zuletzt hatte die Debatte Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre Hochkonjunktur. Die Studie konzentriert sich auf die Reformmaßnahmen der vier großen „alten“ Bundesländer NRW, BY, BW und NdS, die bis Ende des Jahres 2004 alle einen konzentriert dreistufigen Aufbau mit staatlichen Mittelbehörden vorweisen konnten. Die badenwürttembergische CDU-FDP-Koalition hat bei ihrer jüngsten, tief greifenden und in Rekordzeit umgesetzten Reform die Regierungspräsidien und deren Bündelungsfunktion gestärkt. Von den Veränderungen waren rund 20.000 Mitarbeiter und 450 Behörden betroffen, von denen ungefähr 350 abgebaut wurden. Auch in BY setzt die CSU auf dieses Ausgangs-oder Bündelungsmodell. Allerdings fallen die Maßnahmen hier moderater aus. Die sieben Regierungen wurden durch den Abbau von rund 1.000 Stellen entfrachtet. Die niedersächsische CDU-FDP-Regierung hat hingegen einen Bruch mit der tradierten Organisation vollzogen. Seit Beginn des Jahres 2005 hat die dortige Verwaltung einen abweichenden zweistufigen Aufbau. Hierbei kam es zur Entbehrlichstellung von rund 6.750 Stellen.
7. Literatur und Arbeitspapiere
8. Verzeichnis der Expertengespräche
Metadaten
Titel
Verwaltungs-strukturreformen in den deutschen Bundesländern
verfasst von
Markus Reiners
Copyright-Jahr
2008
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90930-1
Print ISBN
978-3-531-15774-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90930-1