2006 | OriginalPaper | Buchkapitel
Verwundung und Tod – Ursachen und Folgen traumatischer Erfahrungen
verfasst von : Ulrike Beckmann, Diplom-Psychologin
Erschienen in: Handbuch Militär und Sozialwissenschaft
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Der Themenkomplex ‚Verwundung und Tod‘ galt in früheren Jahren für die Soldaten der Bundeswehr häufig als Tabuthema. Dabei ist die Auseinandersetzung mit der verwundenden oder letalen Wirkung von Waffen gegen sich selbst oder gegen andere auch bisher unabdingbar gewesen, galt es doch die Konsequenzen eigenen Handelns vor sich selbst und dem Gesetz zu verantworten. Junge Wehrpflichtige wurden Freitags regelmäßig darauf hingewiesen, langsam und vorsichtig nach Hause zu fahren um die Gefahr von Verkehrsunfällen zu verringern. Ein breites System von Sicherheitsbestimmungen sollte zudem die Gefahren des allgemeinen Dienstbetriebs verringern. Doch es gab sie: Verkehrsunfälle, Verwundungen bei Übungen, Flugzeugabstürze mit Todesfolge und auch Suizide. Nur gesprochen wurde nicht viel darüber und wenn, bestand im Einzelfall die Gefahr der Bagatellisierung oder der (zu) schnellen Verdrängung. Noch 1995 wurde bei einer sozialwissenschaftlichen Befragung nachgewiesen, dass sich zwei Drittel der befragten Soldaten noch nicht mit dem eigenen Tod in Zusammenhang mit Kampfhandlungen während eines Auslandseinsatzes auseinandergesetzt hatten (Puzicha 2001: 91ff). An Auslandseinsätzen, an denen die Bundeswehr mit unterschiedlichen Mandaten beteiligt ist, haben bis heute viele Soldaten mindestens einmal, häufig aber auch mehrfach teilgenommen. Verkehrs- und Minenunfälle auf den unwegsamen Gebirgsstraßen im Kosovo und in Bosnien, Raketenanschläge auf das Feldlager in Kabul (Afghanistan), das Attentat Anfang 2003 auf einen deutschen Bus mit Heimkehrern, Angriffe auf verbündete Streitkräfte mit tödlichem Ausgang in Afghanistan, haben einen deutlichen Wandel der individuellen Bedeutsamkeit und auch der militärischen Betrachtungsweise bewirkt. Die Konfrontation mit verwundeten und getöteten Soldaten im eigenen, oft multinational zusammengesetzten Kontingent, schweren Verletzungen und Toten bei der Zivilbevölkerung – diese Erfahrungen betreffen heute nicht mehr nur einzelne Soldaten. Damit rückt die persönliche Betroffenheit in den Vordergrund und lässt nicht mehr so leicht eine innere Distanz zu. Das Thema ‚Umgang mit Verwundung und Tod‘ ist heute Teil jeder Einsatzvorbereitung und verringert so die weiterhin latent bestehende Tendenz zur Tabuisierung des Themas Verwundung und Tod.