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2014 | Buch

Völkerstrafrechtspolitik

Praxis des Völkerstrafrechts

herausgegeben von: Christoph Safferling, Stefan Kirsch

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) vereinigt der vorliegende Sammelband unterschiedliche Blickwinkel und Perspektiven auf das noch junge Gesetzeswerk und dessen Praxis. Die Bestandsaufnahme enthält – neben einem Blick auf die Rechtslage in Österreich und der Schweiz – Beiträge zur Entstehung des Gesetzes, seiner Anwendung in der Praxis und zu aktuellen Entwicklungen. Dabei wird eines klar: ohne einen interdisziplinären Ansatz, der neben rechtsdogmatischen Erwägungen auch politische und historische Argumente zulässt, können die mit der Ausbildung einer internationalen Strafrechtsordnung verbundenen Herausforderungen nicht gemeistert werden.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Völkerstrafrechtspolitik
Zusammenfassung
Völkerstrafrecht hat sich nach der Aburteilung der deutschen Hauptkriegsverbrecher nach dem 2. Weltkrieg in Nürnberg 1945–46 zunächst sehr schleppend entwickelt. Erst der blutige Konflikt auf dem Balkan nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes führte zu einer neuerlichen Institutionalisierung von Völkerstrafrecht im Jahr 1933. 1998 schließlich wurde das Römische Statut für den Internationalen Strafgerichtshof verabschiedet und kurze Zeit später im Jahr 2002 diese permanente Institution zur Aburteilung von internationalen Verbrechen eingerichtet. Bei aller Euphorie über diesen großen Schritt für die Durchsetzung von Menschenrechten, wurde zunächst nicht hinreichend bedacht, mit welchen Legitimitäts- und Akzeptanzschwierigkeiten eine internationale Strafverfolgung zu kämpfen haben würde. Hinzukommen weitgehend ungeahnte praktische und prozessuale Problem. Solche zeigen sich nicht nur in dieser neuen Institution, sondern auch in der deutschen Strafprozessordnung bei der Verfolgung derjenigen völkerrechtlichen Kernverbrechen, die sich in dem im Jahr 2002 verabschiedeten Völkerstrafgesetzbuch befinden. Wegen der sozialen und politischen Implikationen können Antworten auf diese Frage nicht allein von der dogmatischen Rechtswissenschaft erwartet werden. Hierzu ist vielmehr ein interdisziplinärer Ansatz von Nöten unter Einbeziehung auch der Geschichte, der internationalen Beziehungen, der Politik, Soziologie und Gender-Studies.
Christoph Safferling, Stefan Kirsch
2. Frieden durch Recht
Zusammenfassung
Die Sicherung des Friedens und die Achtung der Menschenrechte gehören zu den konstitutiven Elementen des Artikels 1 der UN-Charta von 1945, in dem die Ziele der Weltgemeinschaft definiert werden. Als die Charta am 24. Oktober 1945 in Kraft trat – beschlossen hatten sie die 50 Gründungsstaaten der Vereinten Nationen bereits am 26. Juni 1945 – war nahezu zeitgleich, am 20. Oktober 1945, in Berlin der Prozess gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärtribunal eröffnet worden. Ab dem 21. November 1945 tagte dieses internationale Militärgericht in Nürnberg. Das internationale Tribunal, ein historisches Novum, war von der Idee geleitet, durch die strafrechtliche Verfolgung und Ahndung von – deutschen – Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ganz im Sinne der UN-Charta zur Sicherung des Friedens und der Menschenrechte beizutragen. Die zeitliche Koinzidenz ergab sich aus der Zielsetzung der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, eine neue, friedliche Weltordnung auch mit den Mitteln des Rechts zu schaffen.
Eckart Conze
3. Die „Wende“ 1989/1990 in Deutschland und die Völkerstrafrechtspolitik
Zusammenfassung
Der Zusammenbruch des Kommunismus und die daraus erwachsende Unabhängigkeit zahlreicher Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas führten am 3. Oktober 1990 nicht nur zur Wiedervereinigung Deutschlands, sondern boten auch neue Chancen für die Fortentwicklung des Völkerstrafrechts. Nachdem während der Zeit des Kalten Krieges – nach hoffnungsvollem Beginn bei den Nürnberger Prozessen 1945 bis 1949 – jahrzehntelang Stagnation geherrscht hatte, schuf die bemerkenswerte Harmonie der Großmächte, die in dieser Zeit sichtbar wurde, eine Atmosphäre, die neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auch im Bereich des Völkerrechts zu eröffnen schien.
Manfred Görtemaker
4. Der Beitrag Deutschlands zum Völkerstrafrecht
Zusammenfassung
Das am 17. Juli 1998 in Rom beschlossene „Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs" (IStGH) ist nach allgemeiner Auffassung eine autoritative Zusammenfassung des geltenden Völkerstrafrechts. In diesem Artikel wird aus der InsiderPerspektive des Chefunterhändlers der deutschen Delegation erstmalig ein umfassender Einblick in die Entstehungsgeschichte des Gründungsvertrages für den IStGH und die deutsche Rolle hierbei vermittelt. Dazu werden bisher nicht bekannte Aspekte wie der deutsche Verhandlungsansatz, besondere deutsche Beiträge und richtungsweisende Abschnitte der Rom-Konferenz geschildert. Der Autor zeigt, wie es der deutschen Delegation gel ingt, durch konzentriertes Engagement an den richtigen Stellen überdurchschnittlich - insbesondere im Kontext multilateraler Verhandlungen - zum Endergebnis der Konferenz beizutragen. Ein Schlüssel zum Erfolg ist hierbei der stetige Überblick über den jeweiligen. Verhandlungsstand und noch offene Fragen und Probleme. Darüberhinaus wird gezeigt, wie es insbesondere darauf ankommt, für die eigenen Textvorschläge zunehmend tragfähige Mehrheiten zu bilden. Zuletzt zeigt sich während einer dramatischen Schlussphase der Konferenz, dass eine Delegation vorsorglich einen Plan für den Notfall bereit haben sollte, wenn bestimmte Kräfte das bereits Erreichte in letzter Minute in Frage stellen wollen. Letztlich geht es in dem Beitrag um die Fertigkeit, bei komplexen UNO-Text- und Kodifikationsverhandlungen im Sinne der eigenen Vorstellungen wirksam Einfluss zu nehmen. Insoweit kann der Beitrag auch als Anschauungsmaterial oder sogar Lehrstück für vergleichbare künftige Verhandlungen gelten.
Hans-Peter Kaul
5. Völkerstrafrechtspolitik und Transitional Justice. Warum UN-Administrationen sich schwertun, Kriegsverbrechen anzuklagen
Zusammenfassung
In dem Beitrag soll erklärt werden, warum in Nach. kriegsstaaten, die, wie Kambodscha oder das Kosovo, temporär unter UN-Verwaltung standen, das Völkerstrafrecht keine nennenswerte Rolle im Transitionsprozess gespielt hat, obwohl gerade die Vereinten Nationen ein wichtiger Normunternehmer bei der Durchsetzung völkerstrafrechtlicher Normen waren und sind. Mit einem Verständnis von Völkerstrafrechtspolitik, das das Spannungsverhältnis von Recht und Politik in den Mittelpunkt der Analyse von Transitional Justice als einem globalen Modell der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen rückt, wird argumentiert, dass internationale Administrationen den Übergangsprozess in erster Linie als einen politischen Prozess verstehen, in dem der Einsatz rechtlicher Mittel stets unter der Maßgabe bewertet wird, welche - positiven oder negativen - Folgen dieser Einsatz für den Friedensprozess hat. Der Fall Kambodschas, der hier zur Illustration verwendet wird, zeigt, dass die Vereinten Nationen sich erst dann, wenn sie keine faktische Regierungsverantwortung mehr innehaben, für Transitional Justice einsetzen und dem internationalen Strafrecht zur Durchsetzung verhelfen wollen.
Thorsten Bonacker
6. Die andere Sicht „zur Sache“ – Elvire aus Süd-Kivu und das deutsche Völkerstrafgesetzbuch
Zusammenfassung
Der Artikel plädiert speziell im Hinblick auf sexualisierte Straftaten für eine Anpassung der deutschen Strafprozessordnung an die besonderen Erfordernisse und Herausforderungen von Verfahren, die auf Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches stattfinden. Anhand einer fiktiven Geschichte schildert die Autorin im ersten Teil des Artikels was geändert werden muss, damit die deutsche Rechtsprechung den Opfern sexualisierter Kriegsgewalt und ihren speziellen Lebensrealitôten gerecht werden kann. Die gesellschaftliche Stigmatisierung von Vergewaltigungsopfern muss dabei als zusätzliches Unrecht Berücksichtigung finden. Die beste Garantie für Persönlichkeitsschutz und Sicherheit der Opfer und Zeuginnen, so argumentiert der Artikel, ist ihre kompetente anwaltliche Vertretung und ihre aktive Beteiligung am Verfahren. Der zweite Teil des Artikels enthält eine Liste von Mindestanforderungen an die zu ändernde Strafprozessordnung sowie einen Themenkatalog für eine zu gründende unabhängige interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die sich mit den rechtlichen und praktischen Herausforderungen einer Verfahrensbeteiligung der Opfer von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord befasst und Vorschläge erarbeitet.
Gabriela Mischkowski
7. Legitimation des Völkerstrafrechts in Deutschland – Völkerstrafrecht als Bürgerstrafrecht
Zusammenfassung
Der Titel des Beitrags, genauer: sein Zusatz „in Deutschland“ ist erklärungsbedürftig. Er impliziert die Frage, ob es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern besondere Legitimationsbedingungen für Völkerstrafrecht gebe oder geben müsse, eventuell auch besondere Legitimationsprobleme. Auf den zweiten Blick wird diese Implikation verständlich: Die historische Sonderrolle der verschiedenen deutschen Staaten des 20. Jahrhunderts bei der Entwicklung des Völkerstrafrechts legt nahe, dass dessen Legitimation hier eine im Vergleich zu anderen Staaten abweichende Entwicklung nehmen musste; vor allem als in jenen Staaten, deren Akteure unbefangener waren oder, wie die Alliierten des Zweiten Weltkriegs, nachvollziehbare Kriminalisierungsinteressen verfolgten.
Klaus Günther, Vasco Reuss
8. Völkerstrafrecht und humanitäres Völkerrecht. Einige Anmerkungen aus Sicht der internationalen Beziehungen
Zusammenfassung
Die Entwicklungen auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts und des humanitären Völkerrechts zu beschreiben, zu interpretieren und in ihrer Bedeutung abzuschätzen, erfordert einen transdisziplinären Zugang, der rechts- und politikwissenschaftliche Fragestellungen nutzt. Begriffsbildungen, die unsichere Beobachtungen durch vorläufige Begriffe abzufedern versuchen, bieten einen Ausgangspunkt für die noch zu leistende theoretische und konzeptionelle Arbeit. Sie wird die Selbstverständnisse beider Disziplinen fordern,wenn sie sich auf diesen Dialog einlassen, ein schwieriger, aber wissenschaftlich produktiver Vorgang.
Thomas Jäger
9. Die Opfer in völkerstrafrechtlichen Prozessen in Deutschland
Zusammenfassung
Der sehr allgemein klingende Titel dieses Beitrages soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine völkerstrafrechtliche Praxis in Deutschland kaum gibt. Es wird für eine tatort-, d. h. opfernahe Justiz plädiert. Außerdem wird davor gewarnt, die wenigen Prozesse, die aufgrund auslieferungsrechtlich problematischer Vorentscheidungen vor deutschen Staatsschutzsenaten gelandet sind und schon deswegen für die weit entfernt lebenden Opfer ein Problem darstellen, als taugliche Beispielsfälle für die Praxis des Völkerstrafrechts in Deutschland aus der Opferperspektive heranzuziehen. Einige möglicherweise über diese Einzelfälle hinausweisenden problematischen Aspekte der Opfervertretung – insbesondere die Gefahr der Stellvertreterprozessführung – werden angesprochen.
Dieter Magsam
10. Das Bundesministerium der Justiz und das Völkerstrafrecht
Zusammenfassung
Wie steht ein Ministerium – und zwar durchaus in Absprache mit den Bundesministerien des Äußeren und der Verteidigung – zum geltenden Recht? Mit dem lapidaren Hinweis bezogen auf heute „Wir finden es gut und gelungen“ wäre keinem gedient. Ich möchte daher nicht nur von heute sprechen, sondern die Entwicklung der Gesetzwerdung eines großen Planes skizzieren.
Thomas Dittmann, Johannes Heinitz
11. VStGB und Strafverfahren: Beweisaufnahme und Angeklagtenrechte
Zusammenfassung
Seit Januar 2011 wird vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Strafverfahren gegen einen ruandischen Staatsbürger wegen des Tatvorwurfs der Beteiligung am Genozid in Ruanda im Jahr 1994 geführt. Der nachfolgende Beitrag zeigt die Schwierigkeiten auf, welche die Verteidigung bei der Verfolgung von Völkerstraftaten vor einem deutschen Gericht sieht.
Natalie von Wistinghausen
12. Polizeiliche Ermittlungstätigkeit im Ausland zur Verfolgung von Völkerstraftaten
Zusammenfassung
1994 ermordeten Angehörige der Hutu in Ruanda innerhalb von nur vier Monaten mehr als 800.000 Männer, Frauen und Kinder der Tutsi-Minderheit. Dieser brutale Völkermord ist Teil der Welt am Ende des 20. Jahrhunderts. Und auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es weiterhin Krisengebiete, in denen Menschen um Leib und Leben fürchten müssen.
Jürgen Stock
13. Die Ermittlungstätigkeit des Generalbundesanwalts zum Völkerstrafrecht: Herausforderungen und Chancen
Zusammenfassung
In Abweichung von der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung, wonach Justiz und damit auch Strafverfolgung Sache der Bundesländer ist, weist Artikel 96 Abs. 5 in seinen Ziffern 1 bis 4 die Gerichtsbarkeit für Strafverfahren aus dem Bereich des Völkerstrafrechts dem Bund zu. Dabei sind in den Ziffern 1 bis 3 Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen genannt, während Ziffer 4 andere Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, unter Verweis auf Artikel 26 Abs. 1 GG in den Blick nimmt. Diese Kompetenzzuweisung hat ihre einfachgesetzliche Ausprägung in § 120 Abs. 1 Nr. 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) gefunden. Sonach sind die Oberlandesgerichte in erster Instanz für Verhandlungen und Entscheidungen über Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, also nach dem gegenwärtigen Gesetzesstand zur Verhandlung und Entscheidung über Anklagen, die Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zum Gegenstand haben, berufen. Gemäß § 142a GVG ist der Generalbundesanwalt grundsätzlich die zur Ermittlung und Anklagevertretung zuständige Staatsanwaltschaft in den § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG genannten Völkerstraftaten. In der bis zum Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) am 30. Juni 2002 geltenden Fassung des § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG war dort § 220a StGB (Völkermord) genannt und so der Entscheidungskompetenz der Oberlandesgerichte zugewiesen.
Christian Ritscher
14. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Völkerstrafrecht
Zusammenfassung
Der Bundesgerichtshof hat bisher zwar erst wenige Entscheidungen zum Völkerstrafrecht getroffen; diesen kommt in der Sache jedoch eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Im Bereich des materiellen Rechts ist das Gericht bereit und bestrebt, die völkerstrafrechtlichen Spezifika angemessen zu berücksichtigen, auch wenn dies zu Modifizierungen der allgemeinen Strafrechtsdogmatik führt. Im Verfahrensrecht sind Nachgaben, die zu Abstrichen an die in Deutschland geltenden rechtsstaatlichen Garantien führen würden, nicht zu rechtfertigen; insbesondere ist der Auslandsbezug der Taten bei Anwendung und Auslegung der Strafprozessordnung im Blick zu behalten. Die nationalen Ressourcen der Justiz sind mit Augemnaß einzusetzen; sie sind sinnvoll einzupassen in die Entwicklung eines funktionierenden Gesamtsystems nationaler und internationaler Verfolgung von Völkerstraftaten.
Jürgen Schäfer
15. Die „Straf-Rechtspflege“ in den Streitkräften – die Unterstützung (völker-) Strafrechtlicher Ermittlungen durch Rechtsberater der Bundeswehr
Zusammenfassung
Um es gleich vorweg zu nehmen: Natürlich stehen weder den Streitkräften noch den Rechtsberaterinnen und Rechtsberatern der Bundeswehr originäre Aufgaben der nationalen Strafverfolgung zu. Das Gesetz weist die Befugnis und die Pflicht zur Ermittlung und Verfolgung von Straftaten unmissverständlich den zivilen Strafverfolgungsbehörden zu, auch wenn die Straftat gegen die Bundeswehr gerichtet ist oder von Angehörigen der Bundeswehr begangen wird. Gleichwohl wird die Arbeit eines Rechtsberaters der Bundeswehr nicht unerheblich von der Prüfung strafrechtlich relevanter Vorgänge mitgeprägt. In diesem Beitrag wird zunächst eine Bestandsübersicht über die strafrechtlichen Handlungsfelder der Rechtspflege der Bundeswehr gegeben, aufgeteilt nach dem hergebrachten Aufgabenspektrum eines Rechtsberaters und Wehrdisziplinaranwalts und den Tätigkeiten, die sich – insbesondere für den Rechtsberaterstabsoffizier – aus den Besonderheiten der Auslandseinsätze der Bundeswehr ergeben. Der Blick richtet sich sodann auf das im Juni 2002 geschaffene deutsche Völkerstrafgesetzbuch. Dabei soll versucht werden, in einem kurzen Problemaufriss die Auswirkungen dieser Gesetzgebung auf die „Straf-Rechtspflege“ in den Streitkräften sowie auf die so genannte „operative Rechtsberatung“ im Einsatz abzuschätzen.
Stephan Weber
16. Das Zusammenspiel von nationaler und internationaler Strafverfolgung aus Sicht des Internationalen Strafgerichtshofs
Zusammenfassung
Die Ermittlungen und die gerichtliche Ahndung von Straftaten ist Üblicherweise den Justizsystemen der Nationalstaaten vorbehalten. Eine Ausnahme hiervon wurde lediglich fÜr die Tribunale von Nürnberg und Tokio sowie fÜr die ad-hoc Tribunale fÜr das frÜhere Jugoslawien und Ruanda gemacht, fÜr den IStGH geht das RÖmische Statut wiederum von dem Vorrang nationaler Ermittlungsverfahren aus. Der Beitrag zeigt das Zusammenspiel und die Schwierigkeiten im Verhältnis von nationalen Verfahren und den Verfahren vor dem IStGH am Beispiel praktischer Fälle auf.
Klaus Rackwitz
17. Verfahren der Seepiraterie in Deutschland – Rechtlicher Rahmen und Umsetzung in der Praxis
Zusammenfassung
Als einen maßgeblichen Auslöser für die gegenwärtige Befassung der deutschen Strafverfolgungsbehörden mit der Seepiraterie vor Somalia wird man den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 19.12.2008 bezeichnen können, dass sich die deutsche Marine an der EU-geführten Operation Atalanta beteiligen werde. Damit war klar, dass sich nach Festsetzung von Piraten durch die deutsche Marine, insbesondere nach Angriffen auf Schiffe unter deutscher Flagge, auch Fragen zur strafrechtlichen Verfolgung eines seit Jahrhunderten für deutsche Behörden nicht mehr relevanten Deliktsbereiches stellen würden. Dass insbesondere Hamburg als wichtigster Standort deutscher Reedereien von dieser Situation betroffen sein würde, lag auf der Hand und ergab sich zusätzlich aus der Regelung in § 1 Oa StPO, nach der der Hamburger Justiz eine subsidiäre Verfolgungszuständigkeit für alle außerhalb Deutschlands auf Hoher See begangene Straftaten zukommt.
Das deutsche Strafrecht bietet den nationalen Ermittlungsdienststellen nach Auffassung des Autors grundsätzlich ausreichende rechtliche Voraussetzungen für eine effiziente Strafverfolgung. Bei der Auswertung der bisherigen Verfolgungspraxis untersucht er sodann die Zusammenarbeit der beteiligten deutschen und ausländischen Behörden und geht anschließend näher auf den von November 2010 bis Oktober 2012 vor dem Landgericht Hamburg geführten Prozess gegen zehn somalische Piraten ein, die wegen eines im April 2012 begangenen Überfalles auf das deutsche ContainerschiffTAlPAN von der Staatsanwaltschaft Hamburg angeklagt worden waren.
Auch wenn die deutsche Justiz nach Meinung des Autors für die Verfolgung der Pirateriedelikte grundsätzlich gut aufgestellt ist, verweist er zugleich jedoch auch auf Möglichkeiten zur Optimierung der nationalen und internationalen Strafverfolgung und fordert eine effektivere Verfolgung der hinter den Einzelfällen sichtbar werdenden organisierten Kriminalität. In seinem Ausblick hebt er schließlich die Forderung hervor, dass sich die internationale Staatengemeinschaft auf die Schaffung weitestgehend einheitlicher Leitlinien für die Durchführung von Ermittlungs-, Gerichts- und Vollstreckungsverfahren verständigen müsse.
Ewald Brandt
18. Neue transnationale Verbrechen für das VStGB?
Zusammenfassung
Georg Schwarzenberger nennt in seinem grundlegenden Aufsatz „The Problem of an International Criminal Law“ sechs Bedeutungen des Internationalen Strafrechts und bezieht sich dabei auf die unterschiedlichen Arten internationaler Verbrechen.
Kai Ambos, Anina Timmermann
19. Der Tatbestand der Aggression – Wege zur Implementierung der Ergebnisse von Kampala in das Völkerstrafgesetzbuch
Zusammenfassung
Am 11. Juni 2010 gelang den Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf der Konferenz von Kampala ein – mit Recht als historisch zu bezeichnender – Durchbruch: die Einigung auf eine Definition des Aggressionsverbrechens. Mit der Formulierung des Aggressionstatbestandes im Statut des IStGH wird nach langjährigen, kontroversen Diskussionen eine wesentliche Lücke des materiellen Völkerstrafrechts geschlossen.
Elisa Hoven
20. Rechtsvergleichung Österreich
Zusammenfassung
Österreich hat, wie 121 andere Staaten, das Rom-Statut unterschrieben und in der Folge ratifiziert. Dies ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch bleiben durch die fehlende nationale Implementierung der Tatbestände viele Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof bestehen, beginnend bei der Frage der Zuständigkeit österreichischer Gerichtsbarkeit bis hin zur Wertung des Unrechtsgehaltes einer spezifischen Straftat oder den damit verbundenen unterschiedlichen Verjährungsfristen. Problematiken, mit denen sich der österreichische Gesetzgeber noch auseinanderzusetzen hat.
Hilde Farthofer
21. Die Verfolgung von Völkerstraftaten in der Schweiz
Zusammenfassung
Seit dem 01.01.2011 verfügt die Schweiz über umfassende Regelungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen. Vorausgegangen ist eine lange Gesetzgebungsphase, welche mit der Ratifikation des Römer Statutes durch die Schweiz im Jahre 2002 begann und mit der Revision des Strafgesetzbuches (StGB) und des Militärstrafgesetzes (MStG) von 2011 einen vorläufigen Abschluss fand. Es bleibt allerdings anzumerken, dass Kriegsverbrechen in der Schweiz bereits seit 1968 strafbar sind und das Verbot des Völkermordes seit 2000 im Schweizer Strafgesetzbuch verankert ist. Die Neuerungen, die seit 2000 in der schweizerischen Strafgesetzgebung erfolgten, betreffen insbesondere die Einführung des neuen Tatbestandes der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie weitere materiellrechtliche Anpassungen an den neuesten Stand des Völkerstrafrechtes, die internationale Rechtshilfe und Zuständigkeitsfragen. Zusammen mit den kürzlich vorgenommenen administrativen Anpassungen auf Ebene der Bundesstrafverfolgungsbehörden verfügt nunmehr auch die Schweiz über eine gesetzliche Basis und eine Behördenstruktur, die es erlaubt, internationale Verbrechen aufgrund des Weltrechtsprinzips im Sinne des Komplementaritätsprinzips des Artikels 17 Römer Statut effektiv zu verfolgen.
Elisabeth Baumgartner
22. Zwischenbericht zur Verfahrensbeobachtung im Strafverfahren gegen Onesphore R. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt
Zusammenfassung
Seit Beginn des Prozesses im Januar 2011 beobachten Studierende der Philipps-Universität Marburg das Strafverfahren gegen Onesphore R., der wegen Völkermordes vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt angeklagt ist. In diesem Beitrag wird untersucht, wie ein Verfahren, das Massenverbrechen aus dem Jahr 1994 in Ruanda zum Gegenstand hat, in dem System der Strafprozessordnung verwirklicht werden kann. Als Grundlage hierfür dienen die Beobachtungen und die Daten, welche durch Studierende des Marburger Trial-Monitoring Programme erhoben wurden. Da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, sollen hier lediglich solche prozessualen Besonderheiten hervorgehoben werden, die symptomatisch für Verfahren solcher Art sind. Damit sind insbesondere jene Strafverfahren gemeint, bei denen der Tatort in Drittstaaten liegt, Angeklagte und Zeugen der deutschen Sprache nicht mächtig sind und der Tatzeitraum bereits lange zurückliegt.
Florian Hansen
23. Völkerstrafgesetzbuch und Grundgesetz
Zusammenfassung
Mit Erlass des Völkerstrafgesetzbuchs schuf der deutsche Gesetzgeber die Voraussetzungen zur Verfolgung und Aburteilung völkerstrafrechtlicher Verbrechen auf nationaler Ebene. Es galt sich möglichst nah am Römischen Statut zu orientieren, eine effektive Strafverfolgung und - gerichtsbarkeit zu gewährleisten, aber zugleich nationale Verfassungs- und Strafrechtsprinzipien einzuhalten. Verfassungsrechtliche Probleme traten vor allem im Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot und der Reichweite der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts auf. In der Praxis relevant wurde Letzteres im sog. Kunduz-Fall. Die Verfasserinnen plädieren für eine differenzierende Handhabung der Zuständigkeitsbestimmung. Verfassungsrechtlich überprüft werden kann schließlich die Abweisung eines vom Opfer gegen die staatsanwaltschaftliche Entscheidung eingelegten Klageerzwingungsantrags.
Monika Böhm, Viola Teubert
Metadaten
Titel
Völkerstrafrechtspolitik
herausgegeben von
Christoph Safferling
Stefan Kirsch
Copyright-Jahr
2014
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-28934-7
Print ISBN
978-3-642-28933-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-28934-7

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