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1989 | Buch

Wirtschaftswachstum, Strukturwandel und dynamischer Wettbewerb

Ernst Helmstädter zum 65. Geburtstag

herausgegeben von: Prof. Dr. Bernhard Gahlen, Prof. Dr. Bernd Meyer, Prof. Dr. Dr. hc. Jochen Schumann

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Methodenfragen und Dogmengeschichte

Frontmatter
Zur graphischen Methode in der Wirtschaftstheorie
Zusammenfassung
Dieser Essay ist sowohl dem Wirtschaftswissenschaftler als auch dem Künstler Ernst Helmstädter gewidmet: daher das Thema, und daher auch die gewählte Form des Essays und nicht die der wissenschaftlichen Abhandlung.
A. E. Ott
Der Unternehmer in der deutschen Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Jeder heutige Student würde mühelos in der Lage sein, als die drei maßgeblichen Funktionen des Unternehmers die Organisation von Produktion und Absatz, die Informationsbeschaffung und -Verwertung einschließlich der wirtschaftlichen Innovation und schließlich drittens die Risikotragung bezüglich unerwarteter Wirtschaftsveränderungen herauszustreichen. Es gehört andererseits fast schon zu den Gemeinplätzen der ökonomischen Theoriegeschichte, daß eine solche Analyse der Rolle des Unternehmers für den Wirtschaftsprozeß merkwürdigerweise bis fast an die Schwelle des 20. Jahrhunderts kaum vorlag.
E. Streissler

Wachstum und Verteilung

Frontmatter
Totale Faktorproduktivität und Wirtschaftswachstum
Zusammenfassung
Das letzte Gutachten des Sachverständigenrates (SVR, 1987), an dem E. Helmstädter noch mitgewirkt hat, trägt den Titel „Vorrang für die Wachstumspolitik’4. Im Vorwort wird festgestellt, daß die deutsche Wirtschaft im Wachstumstempo immer mehr zurückfalle, und zwar auch im internationalen Vergleich. Eben deshalb sei dem Wachstumsziel der Vorrang einzuräumen. Im strukturellen Wandel seien zu viele Aufgaben nicht gelöst, ja z. T. nicht einmal in Angriff genommen worden (S. VI). Später heißt es (S. 131), das Wachstum wäre „… viel zu gering, um bei den großen unerledigten Aufgaben schneller, vor allem sicherer zum Ziel zu gelangen; und zu diesen Aufgaben zählt nicht allein der Abbau der Arbeitslosigkeit… Weithin vergessen geraten und unbeachtet ist, warum eine kräftig wachsende Wirtschaft allen Vorteile bringt.“Freilich wurden bei der Abfassung des Gutachtens die Wachstumsperspektiven für 1988 noch zu pessimistisch eingeschätzt. Derzeit liegen die Prognosen (DIW, 1988, S. 338) immerhin bei 2,5% Zuwachs, doch bereits für 1989 rechnet das Berliner Institut mit einem erneuten Abfall auf magere 1,5%.
G. Bombach
Die Bundesrepublik Deutschland und das EWS
Zusammenfassung
Das Europäische Währungssystem hat im Laufe der letzten zehn Jahre sehr gegensätzliche Urteile erfahren. Die anfänglichen sehr großen Vorbehalte in der Bundesrepublik sind allmählich von einer wohlwollenden Einschätzung abgelöst worden, ohne daß die Skepsis der meisten deutschen Nationalökonomen gegenüber seiner Nützlichkeit verschwunden ist. In jüngster Zeit sind dagegen Vorwürfe außerhalb der Bundesrepublik lauter geworden, die dem EWS einen deflationären Einfluß auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum nachsagen.
M. Wegner
Zum Verständnis der neueren Wachstumspolitik
Zusammenfassung
Es hat sich gezeigt, daß sich bei verlangsamtem wirtschaftlichem Wachstum gesamtwirtschaftliche Ziele nur schwer erreichen lassen, z. B. eine hohe Beschäftigung.
K. H. Oppenländer
Verteilungsansprüche, Verteilungsergebnisse und wirtschaftliches Wachstum
Zusammenfassung
Ernst Helmstädter (1986) hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Bedeutung der Einkommensverteilung für die Erklärung des Wachstumsprozesses und seines Tempos in den wachstumstheoretischen Modellen zu wenig beachtet und selten analysiert wird. Unter Einbeziehung seiner Vorschläge und Anregungen, diese Lücke zu verringern, möchte ich daher in diesem Beitrag die Wirkungen der Verteilungsansprüche und ihrer Durchsetzung im Verteilungskampf auf das Wachstum untersuchen. Die Unterscheidung von realisierter Verteilung und von Verteilungsansprüchen entnehme ich der Inflationstheorie, bei der im Rahmen der Anbieterinflationstheorie die Verteilungsansprüche und der Verteilungskampf, in dem diese Ansprüche durchgesetzt werden sollen, eine zentrale Rolle spielen. Dort stehen die Verteilungsansprüche der Arbeitnehmer, die sich am Reallohn orientieren, sowie die Verteilungsansprüche der Unternehmer, die sich an der Rendite des eingesetzten Kapitals orientieren, im Vordergrund (Eine vollständigere Inflationstheorie müßte auch die Ansprüche der Rentner und des Staates an das produzierte Volkseinkommen berücksichtigen).
J. Kromphardt

Geld und Konjunktur

Frontmatter
Geldmengenkonzepte der Deutschen Bundesbank und des Sachverständigenrates
Zusammenfassung
Neben den üblichen „Geldmengen“-Begriffen Geldbasis, Geldmenge M1, M2 und M3 verwendeten die Deutsche Bundesbank und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bisher noch ein theoretisches Kon-strukt — die Zentralbankgeldmenge — als geldpolitische Zielvariable; seit dem 21. Januar 1988 ist die Deutsche Bundesbank allerdings von diesem Zentralbankgeldmengen-Konzept abgerückt und zu einer M3-Konzeption übergangen. Beide Konzeptionen — das auf der Zentralbankgeldmenge wie auch das auf der „Geldmenge“M3 basierende Konzept — offenbaren hinsichtlich theoretischer Konsistenz und damit geldpolitischer Potenz einen fundamentalen Mangel, der auf eine Min-destreserveverpflichtung von Bankpassiva, die nicht in Sichteinlagen bestehen, zurückzuführen ist.
M. Borchert
Erfahrungen mit Geldmengenzielen und ihre Implikationen für die konzeptionelle Ausgestaltung der Geldpolitik
Zusammenfassung
Ab Mitte der 70er Jahre vollzog sich in vielen Industrieländern ein Wechsel in der geldpolitischen Konzeption: Die Notbanken gingen dazu über, als Zwischenziel der Geldpolitik ex ante (zumeist für ein Jahr im voraus) eine von ihnen angestrebte Wachstumsrate für bestimmte monetäre Aggregate öffentlich anzukündigen. Neben negativen Erfahrungen mit der antizyklischen Geld- und Fiskalpolitik Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre und einzelnen steuerungstechnischen Problemen vor allem nach dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen war sicherlich besonders die Monetarismusdebatte ausschlaggebend für diesen Wechsel in der Konzeption (vgl. hierzu Ketterer und Kloten 1988). Die Stimmung in Wissenschaft und Wirtschaftspolitik wandelte sich zugunsten der monetaristischen Position mit ihrer Forderung nach einer regelgebundenen Geldmengenpolitik. So konnte Modigliani (1977, S. 1) in seiner Presidential Address vor der American Economic Association in 1976 feststellen, „… ‘we are all monetarists’ — if by monetarism is meant assigning to the stock of money a major role in determining output and prices.“Sargent und Wallace (1976, S. 169) behaupteten sogar: „There is no longer any serious debate about whether monetary policy should be conducted according to rules or discretion. Quite appropriately, it is widely agreed monetary policy should obey a rule…“
W. Kösters
Die Erklärung der Persistenz von Konjunkturschwankungen
Zusammenfassung
Der Konjunkturverlauf äußert sich in mehr oder weniger regelmäßigen Schwankungen u. a. des Volkseinkommens. Eine Zu- oder Abnahme der Amplitude der Schwankungen im Zeitverlauf ist hierbei nicht festzustellen.
J. Heubes
Neue Keynesianische Makroökonomik: Wachstum ohne Fluktuationen?
Zusammenfassung
Die Renaissance der Konjunkturtheorie hat auch das Interesse an den Zusammenhängen zwischen Trend und Zyklus neu belebt. Daß enge Verbindungen existieren, ist ernsthaft nie bestritten worden. So heißt es bei Hicks (1965, S. 4) in aller wünschenswerten Klarheit, daß keinerlei Veranlassung besteht, „... to conclude... that the economic forces making for trend and fluctuation are any different, so that they have to be analysed in different ways.“ Tatsächlich wird genau dies allerdings von zahlreichen Modellen zyklischen Wachstums unterstellt, mit denen ihre Autoren meinen, Wachstumsschwankungen durch bloße Überlagerung eines Trend- mit einem Zyklusmodell „erklären“ zu können — eine Vorstellung, die wohl auch der ehrwürdigen Praxis der empirischen Wirtschaftsforschung zugrunde liegt, Zeitreihen liebevoll in diverse Komponenten zu zerkleinern.
H. J. Ramser
Makroökonomische Globalsteuerung und mikroökonomische Marktsteuerung
Zusammenfassung
Mitte der 60er Jahre trat der Keynesianismus in der Bundesrepublik seinen Siegeszug an. Der Durchbruch wurde von der Gesetzgebung unterstützt. Dominierte bis dahin die Ausrichtung an der Ordnungspolitik, so gewann mit der Verabschiedung des,Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung‘(SVG) von 1963 sowie des,Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft‘(StabG) von 1967 die Pro-zeßpolitik die Oberhand. Diese interpretiert das ökonomische Ziel-Mittel-Kalkül ’gesellschaftlich‘, indem sie gesamtwirtschaftliche Ziele vorgibt — offensichtlich in der Annahme, daß die Marktwirtschaft aus sich selbst heraus nicht gleichzeitig einen hohen Beschäftigungsstand, Preisniveaustabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht herzustellen vermag, insofern also staatlicher Interventionen bedarf, um das,magische Zieldreieck‘zu verwirklichen. Das Ziel-Mittel-Kalkül ist jedoch nur einzelwirtschaftlich nachvollziehbar; kollektiv — auf die Volkswirtschaft als Tauschgesellschaft — angewandt, steht es im Widerspruch zur Marktwirtschaft, weil diese einer gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion, die nicht ableitbar ist, entbehrt (Besters 1986). Insofern bedeutet die Wende zur Prozeßpolitik zugleich eine Abkehr von der Ordnungspolitik im Sinne konsistenter Rahmenbedingungen für eine effektive Marktsteuerung. Wie sich jedoch zeigen wird, hat uns die zunehmende Dominanz der Prozeßpolitik Probleme beschert, die wir sonst nicht hätten und weiterhin der Lösung harren.
H. Besters

Strukturforschung

Frontmatter
Bemerkungen zur Input-Output-Analyse
Zusammenfassung
Die von Wassily Leontief begründete Input-Output-Analyse ist eine vorwiegend nachfrageorientierte Konzeption und läßt sich als sektoral disaggregierte Fortführung Keynesscher Theorie deuten; sie weckte bei ihren Befürwortern Hoffnung als Instrument konjunktureller Steuerung und strukturpolitischer Orientierung. Mit dem Siegeszug der monetaristischen und der angebotsorientierten Makroökono-mik verlor die Input-Output-Analyse in den Vereinigten Staaten jedoch an Einfluß und Interesse; sie gehört nicht mehr zum Lehrprogramm führender US-amerikanischer Universitäten.
J. Schumann
Von Thünen Revisited
Abstract
One of the fundamental questions of Regional Science concerns the nature and necessity of cities as places of spatially concentrated production. Are there viable alternative scenarios where economic activities are dispersed rather than drawn together? Is spatial concentration essentially due to agglomeration economies drawing together several production activities or does it occur also in cases of a single production activity? In the latter case, what are the characteristic features that make spatial concentration economically advantageous?
M. J. Beckmann
Anpassungsprobleme in einer offenen Volkswirtschaft
Zusammenfassung
Die Bundesrepublik ist als offene Volkswirtschaft von weltwirtschaftlichen Entwicklungstendenzen stark betroffen: Ein Drittel des bei uns produzierten Güterberges geht in den Export, an dem sechs Millionen Arbeitsplätze hängen — in Japan beträgt die Exportquote nur 17 v. H., in den USA nur 7 v. H.. Gut die Hälfte unseres Primärenergiebedarfs wird über Importe gedeckt, und auch bei anderen Naturressourcen sind wir stark außenhandelsabhängig. Etwa 100 Mrd. DM geben wir pro Jahr für den Import von Naturressourcen einschließlich Energie aus. Die Interna-tionalisierung der Produktion durch Intra-Unternehmenshandel, die angestrebte Vollendung des Binnenmarktes in Europa, weltweit drohender Protektionismus und der stärkere internationale Wettbewerb im Dienstleistungsgeschäft, etwa bei Banken und Versicherungen, die Auswirkungen der Verschuldungskrise auf die Exportmärkte und das Verschuldungsszenario des reichsten Landes der Welt, der USA — mit einem erwarteten Schuldenstand von 800 Mrd. im Jahr 1990 — und die daraus resultierenden Anpassungsprozesse, das sind Schlagworte, mit denen die außenwirtschaftliche Verflechtung und Abhängigkeit deutlich werden.
H. Siebert
Warum florieren Multis?
Zusammenfassung
Multinationale Unternehmungen, gelegentlich auch transnationale Unternehmungen genannt, machen immer wieder Schlagzeilen. Schon ihre schiere Größe erregt die Bewunderung der einen, ruft das Mißtrauen der anderen hervor. Ihre ökonomische Potenz erlaubt es ihnen, mancherlei Regulierungen auszuweichen, sich darüber hinwegzusetzen, ja sie sogar zu verändern. Dies wird von den einen als Beitrag zur Internationalisierung der Wirtschaft begrüßt, während die meist staatlichen Regulatoren verständlicherweise soviel private Macht als Bedrohung empfinden. Manche sagen, die Multis schalteten den Wettbewerb aus und beuteten Schwächere aus, andere behaupten, daß gerade durch sie der Wettbewerb in einem größeren, nämlich dem internationalen Rahmen, gefördert werde. Ideologien und Emotionen entzünden sich an den multinationalen Unternehmen, was gewiß auch daran liegt, daß über ihre ökonomischen und institutionellen Bedingungen sowie über die Beurteilung ihrer wirtschaftlichen Leistungen keine vollständige Klarheit besteht, und dies obwohl es inzwischen eine nahezu unüberschaubar gewordene Literatur zum Thema der Multis gibt. Sie begann in den sechziger Jahren mit eher deskriptiven Arbeiten, welche die Motive für Auslandsdirektinvestitionen zu ergründen suchten.
H.-J. Vosgerau
Umweltnutzung und internationale Arbeitsteilung
Zusammenfassung
Die zunehmende Verschlechterung der Umweltqualität in den Industrieländern, aber auch in den Ländern der Dritten Welt in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts hat es notwendig gemacht, die Ansätze für ökonomische Analysen unter diesem Aspekt zu erweitern. Die meisten Analysen konzentrierten sich ursprünglich auf die Funktion der Umwelt als Produktionsfaktor, entweder in Form von natürlichen Ressourcen, die in den Produktionsprozeß eingesetzt werden, oder über die Verschmutzung der Umwelt durch die Produktion. Dabei erhöht ein verstärkter Verbrauch der Umwelt das Produktionsniveau und damit ceteris paribus die gesellschaftliche Wohlfahrt. In der Gegenwart wird nun die Umwelt als Konsumgut zunehmend in den Vordergrund gerückt; die öffentliche Diskussion ist ein Indiz dafür, daß Umweltqualität direkt die gesellschaftliche Wohlfahrt beeinflußt. So besteht ein Trade-Off zwischen der Nutzung der Umwelt in der Produktion und der direkten Nutzung der Umwelt durch die Konsumenten. Auf diesen Zusammenhang und auf die Berücksichtigung der speziellen Eigenschaften des „Gutes Umwelt“konzentrieren sich die folgenden Überlegungen.
E. v. Böventer, H. Wüster
Umwelt und Liebe in der ökonomischen Wertsphäre
Zusammenfassung
Das Phänomen des Wertes hat die Ökonomen von jeher fasziniert. Wie kommt es, fragten sie, daß so nützliche, ja lebenswichtige — also extrem wertvolle — Dinge wie Wasser und Luft auf dem Markt keinen Wert haben, während zugleich relativ belanglose Materialien wie Gold und Juwelen zu Höchstpreisen gehandelt werden?
H. Bonus
Das „Theoriedefizit“ für Strukturberichterstattung und Strukturpolitik
Zusammenfassung
Das zehnjährige Bestehen der Strukturberichterstattung (StBE) der großen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute im Auftrag der Bundesregierung (1978–1988) gibt Anlaß zu einer Reihe von Rückblicken auf „10 Jahre Strukturberichterstattung“(List Gesellschaft 1987/88). Dabei wird erneut deutlich, welche ordnungspolitischen und theoretischen Bedenken die Wirtschaftswissenschaftler gegen eine StBE erhoben und erheben. Ein zentrales Argument war und ist dabei über die bloßen ordnungspolitischen Bedenken hinaus die Behauptung, es bestehe ein Defizit an Strukturtheorie, das bereits StBE unsinnig erscheinen läßt und dann noch vielmehr eine eventuell darauf gegründete Strukturpolitik. Ernst Helmstädter setzte in dieser Diskussion erneut besondere Akzente mit dem Hinweis auf den „dynamischen evolutorischen Wettbewerb“(Helmstädter, 1986 sowie 1987/88), ohne jedoch die Berechtigung einer StBE als „allgemeine regelmäßige Strukturstatistik“in Frage zu stellen. Er hält sogar fallweise Strukturanalysen nach besonderen Fragestellungen für nützlich (Helmstädter 1987/88).
R. Blum

Empirische Wirtschaftsforschung

Frontmatter
„Was leisten Prognosemodelle?“ Eine empirische Untersuchung am Beispiel des RWI-Konjunkturmodells
Zusammenfassung
Unter der Überschrift „Was leisten Prognosemodelle?“ war Ernst Helmstädter 1973 der Leistungsfähigkeit ökonomischer Prognoseverfahren, insbesondere ökonome-trischer Modelle, nachgegangen (Helmstädter 1973, 123ff.). Er hatte die Frage zu einem Zeitpunkt gestellt, als für die Bundesrepublik kaum mehr als zwei Dutzend ökonometrischer Modelle vorlagen, die zwar dokumentierten, daß mit ihnen die Erklärung komplexer ökonomischer Zusammenhänge im Prinzip möglich ist, deren eigentliche empirische Bewährung aber noch ausstand. Dies hat sich mittlerweile geändert. Heute liegen für die Bundesrepublik mehr als 300 Modelle vor (Uebe, Huber, Fischer 1988), und aus der empirischen Wirtschaftsforschung sind sie nicht mehr wegzudenken. Zugleich hat jedoch auch die Kritik an den ökonometrischen Modellen zugenommen. Dabei wird kein Aspekt des Leistungsspektrums ausgeklammert: die handlungsorientierte (Prognose- und Simulationsleistung) ebensowenig wie die methodische oder die kognitive Dimension. Die Auseinandersetzung mit dieser Kritik ist seitens der Modellbauer sowie der Modellanwender bislang eher zurückhaltend. Dies gilt insbesondere für die Kritik an der Prognoseleistung der Modelle, was insofern überrascht, als die Modelle als Verfahren mit expliziter Angabe der unabhängigen Variablen differenzierte Analysen der Prognoseleistung gestatten, und dies auch fester Bestandteil der Modellevaluierung sein sollte.
U. Heilemann
Eine Anwendung der elementaren Netzstandorttheorie zur Bestimmung einer optimalen Bereitschaftssteuerung eines Personenaufzugsystems
Zusammenfassung
In der planaren Standorttheorie sind Nachfrage- und Angebotsorte Punkte einer ebenen Fläche, ihre kürzesten Entfernungen meistens die euklidischen Distanzen. Im Unterschied dazu wird in der Netzstandorttheorie die Lage von Nachfrage- und Angebotsorten auf Punkte von Transportwegen eines Verkehrsnetzes beschränkt, ihre kürzeste Entfernung ist der jeweils kürzeste Transportweg innerhalb des Netzes. Ergebnisse der Theorie transportkostenminimaler Standorte werden im folgenden verwandt, um eine wartezeitkostenminimale Bereitschaftssteuerung eines aus einem Aufzug bestehenden Personenaufzugsystems abzuleiten.
H. Gülicher

Evolutionstheorie, dynamischer Wettbewerb und die Einzelwirtschaft

Frontmatter
Dynamische Markttheorie und Makrotheorie
Zusammenfassung
Ernst Helmstädter hat in einem Sondergutachten zum Jahresgutachten 1983/84 des Sachverständigenrates „Ein Schritt voran“, Zff. 357–364, und in einem gesonderten Artikel „Dynamischer Wettbewerb, Wachstum und Beschäftigung“ (1986) Gedanken von Barone (1935), HJ. Rüstow (1955, 1984), Föhl (1955) wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Danach hängt die Erlös-Kosten-Relation in einer Branche von den Differentialgewinnen billiger produzierender Firmen gegenüber dem Grenzproduzenten ab. Generelle Lohnerhöhungen oder Lohnsenkungen haben hierauf keinen Einfluß. Eine Verbesserung der Erlös-Kosten-Relation ist nur über mehr dynamischen Wettbewerb möglich, d. h. durch mehr „vorstoßenden“ Wettbewerb von Innovatoren gegenüber dem „verfolgenden“ Wettbewerb der Imitatoren. Somit wären, wenn eine höhere Erlös-Kosten-Relation zu mehr Beschäftigung führt, nicht generell niedrige Lohnkosten zu fordern, sondern mehr dynamischer Wettbewerb zu organisieren, wenn man mehr Beschäftigung haben will. Die übliche Vorstellung von Produktionsfunktionen und Grenzproduktivitätsannahmen können diesen Zusamenhang nicht adäquat erfassen.
W. Krelle
Eine evolutionstheoretische Interpretation der Barone-Kurve
Zusammenfassung
Im Jahresgutachten 1983/84 des Sachverständigenrates hat Ernst Helmstädter in einem Sondervotum dargelegt, daß das zur Zeit herrschende ungünstige Verhältnis von Kosten und Preisen nicht etwa auf Kostendruck zurückzuführen sei, sondern sich entwicklungsbedingt ergeben habe. Die herkömmliche Makrotheorie, die die gesamtwirtschaftliche Angebotsfunktion bei gegebener neoklassischer Produktionsfunktion aus der Arbeitsnachfragedisposition einer repräsentativen Unternehmung ableitet, führe zu dem Fehlschluß des Kostendrucks, da sie die Wirkung des dynamischen Wettbewerbs auf die Kostensituation der Unternehmen nicht erfassen könne. Helmstädter (1983, 1986) plädiert weiter für die Entwicklung einer dynamischen Angebotstheorie, die das Gewinngefälle eines Marktes und den an ihm ansetzenden dynamischen Wettbewerb in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt: Der vorstoßende Wettbewerb der Innovatoren verstärkt das Gewinngefälle, der nachziehende imitatorische Wettbewerb ebnet das Gewinngefälle wieder ein.
B. Meyer
Marktprozesse als Gegenstand theoriegeleiteter empirischer Analysen: ein Forschungsbericht
Zusammenfassung
Wozu betreibt man Strukturberichterstattung und wie kann deren konzeptionelle Basis aussehen? Auf diese Frage hat Ernst Helmstädter (1988, S. 265) vor kurzem geantwortet: „Genaugenommen wollen wir dem evolutorischen, vom dynamischen Wettbewerb getriebenen Prozeß auf die Spur kommen.“ Dies, so legt er dar, erfordere keine Analysen auf der Ebene von Sektoren (wie sie die Forschungsinstitute im Rahmen ihrer Strukturberichterstattung vorgelegt haben), sondern „Marktanalysen“, die zeigen, wie dynamischer Wettbewerb einen evolutorischen Suchprozeß lenkt, der dafür sorgt, daß Neuland erschlossen wird (ebenda, S. 266).
H. Grossekettler
„Das größte Glück der großen Zahl“ oder Warum sind wir nicht glücklicher?
Zusammenfassung
Max Webers Ideal einer möglichst werturteilsfreien Wissenschaft ist — so scheint es mir — nach wie vor ein anstrebenswertes Ideal. Wiewohl selbstverständlich Webers Forderung selbst ein Werturteil ist und bei der Wahl des Forschungsobjekts und der Perspektive, aus der es betrachtet wird, Werturteile nicht zu umgehen sind, kann doch ein ehrliches Bemühen um Vermeidung von Werturteilen („gut“, „schlecht“, „besser“, „schlechter“, „empfehlenswert“, „abzulehnen“ etc.) in der Analyse dazu beitragen, die Ist-Zustände vorurteilsloser und transparenter darzustellen sowie den wissenschaftlichen Dialog zwischen Forschern mit sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Zielen zu erleichtern. Doch wie sehr man auch dieses Wertfreiheitsziel befürworten mag, man kommt nicht um das Faktum herum, daß in einer politisch und gesellschaftlich so aufgeladenen und konfliktreichen Materie, wie es das Wirtschaftsleben ist, nur wenige Autoren um die Äußerung expliziter oder impliziter Werturteile — und dazu gehört auch die wenig hinterfragte (nämlich Verteilungsfragen vernachlässigende) „Empfehlung“paretooptimaler Effizienz! — herumkommen. Und es sind nicht zuletzt gerade jene Wissenschaftler, welche das Weber’sche Postulat besonders hervorheben, bei denen es im weiteren Verlauf ihrer Untersuchungen von offenen und versteckten Werturteilen nur so wimmelt.
K. W. Rothschild
Gründungen und Stillegungen von Unternehmen als Beitrag zur strukturellen Erneuerung
Zusammenfassung
Der Hinweis auf die hohe und noch steigende Zahl von Insolvenzen zählt seit Jahren zu den Argumenten, mit denen die jeweilige Opposition das wirtschaftspolitische Versagen der jeweiligen Regierung zu belegen versucht. Der Regierungswechsel von 1982 hat daran nichts geändert. Dies ist Ausdruck einer weit verbreiteten Überzeugung, nach der die der Insolvenz in aller Regel folgende Liquidation des Unternehmens, verbunden mit Verlusten an Kapital und an Arbeitsplätzen, ein Unheil sei, jedenfalls eine bedauerliche Einbuße an ökonomischem Potential. Dementsprechend wird in der wachsenden Zahl von Insolvenzen ein Symptom verfehlter Wirtschaftspolitik, vielleicht sogar des Versagens der marktwirtschaftlichen Ordnung gesehen. Vorstellungen dieser Art kommen auch im Bericht der Kommission für Insolvenzrecht zum Ausdruck, die die Reformbedürftigkeit des geltenden Insolvenzrechts u. a. damit begründet, es führe „zur Vernichtung erhaltenswerter Betriebsstätten und Arbeitsplätze“.1
H. Hax
Risikobegriff und Unternehmenstheorie bei Ungewißheit
Zusammenfassung
Die ökonomische Ungewißheitstheorie hat sich, soweit sie auf die Analyse des unternehmerischen Handelns abstellt, zu einem gewaltigen Gedankengebäude entwickelt. Aber sie ist — das gibt den Anlaß zu dieser Untersuchung — bisher nur wenig in die Unternehmenstheorie integriert. Diese Feststellung mag angesichts der umfänglichen, ideenreichen Literatur Verwunderung hervorrufen.
H. Koch

Wirtschaftspolitische Beratung

Frontmatter
Erfahrungen im Sachverständigenrat
Zusammenfassung
Ernst Helmstädter, dem ich folgenden Beitrag mit herzlichsten Glückwünschen zu seinem 65. Geburtstag widme, war mein Nachfolger im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er hat die Diskussion im Sachverständigenrat in besonderem Maße geprägt und auf Themen gelenkt und konzentriert, die ihm besonders am Herzen lagen. Ernst Helmstädter ist es sicher zu verdanken, daß die Diskussion über die Frage, ob Lohnzurückhaltung geboten sei, von einer neuen Seite angegangen wurde. Die Frage nach dem Zusammenhang von Nominallohnforderungen und Reallöhnen in einer offenen Wirtschaft mit straffer nationaler Geldpolitik, die im Sachverständigenrat, aber auch vom Sachverständigenrat mit der wissenschaftlichen Community geführt wurde, ist von Ernst Helmstädter entfacht worden. Besonders aber lag Ernst Helmstädter ein neues Verständnis der Wettbewerbspolitik am Herzen. „Dynamischer Wettbewerb“ war für Ernst Helmstädter die Formel, unter der er das Verhältnis von Innovationswettbewerb und Preiswettbewerb auf den Märkten neu definiert und in eine neue Wettbewerbspolitik umgesetzt sehen wollte.
H. Albach
Unabhängige Beratung und politische Verantwortung
Überlegung zur Konzeption des deutschen Sachverständigenrates
Zusammenfassung
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist als ein unabhängiges Beratungsgremium konzipiert, das unabhängig von politischen Positionen ökonomischen Sachverstand in die wirtschaftspolitische Diskussion einbringen soll. Komplementär zur Unabhängigkeit des Gremiums gibt es ein Empfehlungsverbot, das dem Sachverständigenrat verbietet, seine unabhängige Position zu verlassen und wirtschaftspolitische Empfehlungen abzugeben.
H.-J. Krupp
Wirtschaftliches Wachstum und wirtschaftswissenschaftliche Beratung
Zusammenfassung
Beide Schlagwörter des Titels spielen im Werk von Ernst Helmstädter eine Sehlüsselrolle. Seine Beiträge zur Wachstumsforschung sind umfassend. Auf der Grundlage seiner wachstumstheoretischen Forschung hat er gleichzeitig auch immer wieder zu wachstumspolitischen Fragen Stellung genommen. In diesem Beitrag geht es um das delikate Zusammenspiel zwischen der Beratung zu Langfristfragen und dem realisierten Wirtschaftswachstum.
B. Gahlen
Backmatter
Metadaten
Titel
Wirtschaftswachstum, Strukturwandel und dynamischer Wettbewerb
herausgegeben von
Prof. Dr. Bernhard Gahlen
Prof. Dr. Bernd Meyer
Prof. Dr. Dr. hc. Jochen Schumann
Copyright-Jahr
1989
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-74128-9
Print ISBN
978-3-642-74129-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-74128-9