4.2.1 Vorliegen eines Rechts im Sinne der Property-Rights-Theorie
Die Property-Rights-Theorie analysiert – unter der Annahme, dass wirtschaftliches Handeln durch den Umgang mit gesellschaftlich akzeptierten Verfügungsrechten stattfindet – die Verteilung von Handlungsrechten bzw. die Auswirkungen von Handlungsbeschränkungen;
9 die Verteilung von Verfügungsrechten beeinflusst Tauschprozesse in dem Maße, dass mit dem Gut einhergehende Handlungsspielräume bzw. Nutzungsmöglichkeiten und damit auch der Tauschwert bestimmt werden.
10 Das setzt voraus, dass Rechte – unabhängig davon, wem sie ursprünglich zugewiesen wurden – gehandelt und somit neu verteilt werden können.
11 Unter dem Begriff Property-Rights werden daher „sozial anerkannte, auf Konvention, Tradition, gesetztem Recht oder auf Verträgen beruhende Handlungsbeschränkungen“
12 subsumiert.
Ein wirtschaftliches Gut im Sinne der Property-Rights-Theorie wird im Wesentlichen durch zwei Charakteristika beschrieben. Der Transaktionsgegenstand zeichnet sich einerseits durch seine Immaterialität aus und wird andererseits erst durch das Verhalten von Individuen konkretisiert.
13 Ein zu bilanzierendes Gut
14 ist also stets immaterieller Natur; so wird nicht die Maschine selbst bilanziert, sondern die mit ihr verbundenen Rechte, wie bspw. das Recht sie für die Produktion zu nutzen, zu verkaufen oder in ihrer Gestalt zu verändern. Folglich kommt es nicht auf das Eigentum oder den Besitz an einem Gut, sondern auf das Innehaben der mit ihm verbundenen Rechte an; so können sich – unabhängig von der physischen Gestalt eines Gutes – die Verfügungsrechtsstrukturen ändern und damit die Handlungsmöglichkeiten der Individuen.
15
Property Rights können unterschiedlicher Natur sein; Art und Umfang variieren auch in Abhängigkeit des vorliegenden Rechtssystems. Grundsätzlich können relative und absolute Verfügungsrechte unterschieden werden. Relative Property Rights sind nur gegenüber bestimmten Parteien gültig und können sowohl aus vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnissen, bspw. einem Miet- oder Arbeitsverhältnis, im weiteren Sinne aber auch aus persönlichen Beziehungen, bspw. Kunden- oder Lieferantenbeziehungen, bestehen.
16 Unter absoluten Property Rights werden Rechte an Sachgütern, bspw. Eigentumsrechte, immaterielle Rechte, bspw. Patent-, Marken- oder Urheberrechte, und individuelle Freiheitsrechte, bspw. das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, subsumiert.
17 Sie besitzen gegenüber allen Parteien Gültigkeit. In der Literatur wird teilweise argumentiert, dass für die Frage der Aktivierungsfähigkeit immaterieller Güter lediglich absolute Property Rights relevant seien;
18 je nachdem wie weit der Begriff des immateriellen Gutes gezogen wird, sind aber möglicherweise gerade auch relative Verfügungsrechte von Bedeutung. Für die Begriffsbestimmung auf Grundlage der Property-Rights-Theorie werden im Folgenden zunächst sowohl absolute als auch relative Verfügungsrechte betrachtet.
Die Betrachtung unterschiedlicher Rechtzuweisungen, also das Abstellen auf bestehende Rechte,
19 lässt – und zumindest vom Wortlaut her – eine streng formalrechtliche Ausrichtung der Property-Rights-Theorie vermuten. Eine solche, den Begriff des Property Rights bspw. auf den eines Eigentumsrechts i.S. des deutschen BGB reduzierende Sichtweise ist jedoch nicht im Sinne der Property-Rights-Theorie; der Begriff der Property Rights ist danach wesentlich weiter zu verstehen.
20 So wird nicht die Quelle des Verfügungsrechts, wie bspw. der zugrunde liegende Vertrag, sondern die Rechtsposition am Erlangten, also das Verfügungsrecht selbst bilanziert; die „Nachprüfbarkeit ihrer Entstehung“ ist für die Aktivierung irrelevant.
21 Ein im Unternehmen erstelltes bietet also ebenso wie ein erworbenes Verfügungsrecht die Möglichkeit der Aktivierung. Das Vorliegen eines gegenseitigen Vertrags ist also keine notwendige Bedingung für das Innehaben eines Property Rights; aus einem entgeltlichen Erwerb, der oftmals mit dem Abschluss eines Kaufvertrags einhergeht, kann gleichwohl regelmäßig auf ein Verfügungsrecht geschlossen werden. Ausgenommen hiervon sind die Fälle, in denen die rechtliche Ausgestaltung nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht; entgegen einer formalrechtlichen Betrachtungsweise wird das Verfügungsrecht bei demjenigen bilanziert, der tatsächlich darüber verfügen kann.
22
Durch die für das Innehaben eines Verfügungsrechts notwendige Verbindung zwischen dem zu bilanzierenden Gut und dem Rechtsinhaber fallen die Klärung der Vermögenseigenschaft und der Zurechnung zwangsläufig zusammen.
23
4.2.2 Vorhandenes Potenzial zur Nutzenziehung
Die Nutzenstiftung bzw. -ziehung erfolgt durch die Verbindung der Ressource mit einer Handlung, also den Gebrauch einer Sache durch ein Individuum. Entscheidend für die Definition eines Gutes ist also die „Verhaltensdimension“
24, da sich erst aus den Handlungsmöglichkeiten, also den Rechten selbst, ergibt, was ein Gut ausmacht.
25
Property Rights werden regelmäßig in vier verschiedene Komponenten zerlegt, deren Innehaben sich auf das Nutzenpotenzial auswirkt. So besteht das Recht, ein Gut zu nutzen (ius usus), die Früchte des Gutes bzw. das daraus fließende Einkommen zu erhalten/die Erträge des Gutes zu vereinnahmen (ius usus fructus), eine formale oder substanzielle Änderung des Gutes vorzunehmen (ius abusus) sowie das Gut zu veräußern (ius successionis).
26 Werden alle mit einem Gut verbundenen Rechte von einer Person (einem Unternehmen) gehalten, spricht man von einer idealen Verfügungsrechtestruktur. Bspw. aufgrund von Nutzungsbeschränkungen kann eine solche Verteilung aber oftmals nicht erreicht werden. Es ist auch möglich, nur einzelne Rechte an dem Gut zu halten. In Abhängigkeit des Anteils einer Person (einem Unternehmen) zugeordneter Verfügungsrechte wird zwischen einer konzentrierten – der Anteil ist hoch – und einer verdünnten Struktur, bei der die Rechte weniger vollständig zugeordnet sind, unterschieden. Eine verdünnte Verfügungsrechtzuordnung geht mit einer geschwächten Effizienzwirkung einher.
27 Darüber hinaus ist auch eine Spezifikation möglich, durch die Verfügungsrechte eingeschränkt werden können.
28 Grundsätzlich ist bei der Zuordnung von Property Rights auf das gesamte Rechtebündel zu achten, denn einzelnen Akteuren zugeordnete Property Rights schränken möglicherweise die im Hinblick auf das bestimmte Gut bestehenden Handlungs- und Nutzungsmöglichkeiten ein.
29 Das kaufmännische Vermögen ergibt sich insofern nach der Gesamtheit der ihm zugeordneten Verfügungsrechte.
30 Der Theorie folgend bedingt die Art der Zuordnung von Property Rights ganz wesentlich die Aktivierungsfähigkeit des Vermögens; je verdünnter die Struktur, d. h. je mehr die mit einer Ressource verbundenen Property Rights unter verschiedenen Akteuren aufgeteilt sind, desto unklarer wird ihre Aktivierungsfähigkeit.
Das Kriterium der Nutzenzuflüsse wird auch zur Konkretisierung des Vermögensbegriffs sowohl nach GoB als auch nach IFRS genutzt, weist dort aber – wie bereits dargestellt
31 – wenig Detailschärfe auf. Auch gemäß der Property-Rights-Theorie ist das Kriterium der Nutzenziehung weit auszulegen, d. h. das vorliegende Recht muss das Potenzial zur Nutzenziehung aufweisen. Es geht hier aber nicht um künftige Nutzenzuflüsse im Sinne künftiger Zahlungsströme o. Ä., sondern vielmehr um das unmittelbar mit dem Recht verbundene Potenzial zur Nutzenziehung.
Sowohl nach GoB als auch nach IFRS ist ein prospektiver Nutzenzufluss zu beurteilen, der aufgrund der mit künftigen Prognosen verbundenen Unsicherheiten gleichwohl eine erste Wahrscheinlichkeitsbeurteilung notwendig macht. Diese Zukunftsorientierung der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit spielt für die Konkretisierung des Property Rights keine Rolle. Sie spiegelt sich erst in der Bewertung desselben wider. Durch die Orientierung an bestehenden Verfügungsrechten und nicht etwa an erwarteten künftigen Einnahmen kann also eine stärkere Objektivierung erreicht werden.
32
4.2.3 Kontrolle über das vorhandene Property Right
Die tatsächliche Möglichkeit, das mit dem Recht verbundene Nutzenpotenzial ausschöpfen zu können, ist mit der nach GoB und IFRS bereits bekannten Forderung nach Kontrolle inhaltlich vergleichbar. Zwar ist im Unterschied zur bekannten Konkretisierung hier nicht zu beurteilen, ob der Zufluss des Nutzens kontrollierbar ist, sondern vielmehr, ob über das Recht zur Nutzenziehung verfügt werden kann. Eine starke Kontrollierbarkeit weisen insbesondere Eigentumsrechte – also bspw. Patente – auf, weil ihre Erteilung an solche Regeln geknüpft ist, die rechtlich objektivierend wirken.
In einer Vielzahl der Fälle führen die bisherige Konkretisierung der Kontrolle nach GoB, IFRS und der Ansatz gemäß der Property-Rights-Theorie zum selben Ergebnis. Eine abweichende Beurteilung ist aber bspw. denkbar, wenn eine verdünnte Verfügungsrechtstruktur vorliegt, d. h. der Bilanzierende nur über einen Teil der Rechte verfügt. Dies kann – je nach Art und Ausgestaltung der Verteilung – zur Folge haben, dass das Kriterium der Kontrolle teilweise weiter ausgelegt wird als nach GoB und IFRS. So ist es denkbar, ein stark verdünntes Verfügungsrecht in der Bilanz des Inhabers zu aktivieren und die nur über einen kleinen Teil vorhandene Kontrolle durch eine entsprechend niedrige Bewertung auszudrücken.
33
4.2.4 Übertragung des einzelnen Property Rights keine notwendige, aber hinreichende Bedingung
In der Rechnungslegungsliteratur wird regelmäßig auf die separate Übertragbarkeit als die Eigenschaft eines aktivierungsfähigen Gutes abgestellt.
34 Für das Vorliegen von Property Rights ist diese Eigenschaft hingegen keineswegs notwendig. Einige Property Rights, bspw. das Recht ein Gut im Rahmen eines Leasinggeschäfts zu nutzen, können vom Leasingnehmer zwar genutzt, aber nicht weitergegeben werden. Da bei Vorhandensein der separaten Übertragbarkeit stets ein Property Right vorliegt, stellt
Samuelson zutreffend heraus, dass die Möglichkeit der Übertragung des einzelnen Verfügungsrechts zwar keine notwendige, aber eine hinreichende Bedingung darstellt.
35
4.2.5 Einfluss von Transaktionskosten und institutionellen Rahmenbedingungen
Transaktionskosten, mithin „alle Opfer und Nachteile, die von Tauschpartnern zur Verwirklichung des Leistungsaustausches zu tragen sind“
36, bestimmen das Handeln der Akteure.
37 Dazu zählen bspw. Verhandlungs- und Rechtsberatungskosten aber auch Zeit und Mühe. Transaktionskosten können somit als Maßstab zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit alternativ gestalteter Verteilungen bzw. Bündelungen von Verfügungsrechten betrachtet werden.
38 Der Tausch von Verfügungsrechten eines Gutes wird nur dann als lohnenswert betrachtet, wenn der erwartete Nutzen bzw. Ertrag die Transaktionskosten übersteigt.
39 Insbesondere im Zusammenhang mit immateriellen Vermögensgegenständen können aufgrund der ihnen inhärenten Unsicherheiten hohe Transaktionskosten entstehen, die auch dazu führen können, dass ein Ansatz immaterieller Güter ausbleibt. Sind bspw. die Kosten, die mit der Patentierung einer bestimmten Technologie einhergehen so hoch, dass sie den mit dieser Patentierung verbundenen Nutzen übersteigen, würde ein Ansatz ausbleiben.
Im Rahmen der neoinstitutionalen Modellwelt wirken sich nicht nur Transaktionskosten auf das Handeln der Akteure aus. Entscheidungen werden unter Einbezug institutioneller, d. h. gesellschaftlicher, politischer oder rechtlicher Rahmenbedingungen getroffen;
40 sie können sich danach auf die Zuteilung von Property Rights auswirken, diese bspw. ganz oder teilweise einschränken und somit den Wert eines Gutes schmälern.
41 So wird die Entscheidung, ob ein aktivierungsfähiges Verfügungsrecht vorliegt bspw. dadurch beeinflusst, ob seine Übertragbarkeit uneingeschränkt möglich ist. Ist es bspw. notwendig, dass eine Behörde der Übertragung eines Property Rights zustimmen muss, wie dies im Fall der Übertragung von Konzessionen oftmals der Fall ist, würde diese institutionelle Rahmenbedingung die Beurteilung maßgeblich beeinflussen.